Protokoll der Sitzung vom 01.06.2017

Das Härtefallersuchen wird dann an das für Ausländerrecht zuständige Ministerium gerichtet und dieses, nämlich das Thüringer Ministerium für Migration, Justiz und Verbraucherschutz, entscheidet und informiert dann die Kommission in der nächsten Sitzung über die getroffene Entscheidung.

Transparenter, meine Damen und Herren, geht es kaum, es sei denn, man will, wie die rechtspopulistische AfD, die Kommissionsmitglieder öffentlichem Druck aussetzen, dadurch, dass ihre Entscheidungsgründe und ihr Abstimmungsverhalten öffentlich gemacht und dann auch angegriffen werden können.

(Zwischenruf Abg. Heym, CDU: Nein, darum geht es doch gar nicht!)

Die rechtspopulistische AfD behauptet, die Mehrheit der Kommissionsmitglieder sei politisch-ideologisch befangen und rekrutiere sich aus Bereichen der „Sozialwirtschaft“ und anderen Interessenvertretungen von Zuwanderern. Gemeint ist ganz konkret die Beauftragte für Integration, Migration und Flüchtlinge beim Ministerium für Migration, Justiz und Verbraucherschutz. Gemeint sind ganz konkret die Vertreterin der LIGA der Freien Wohlfahrtspflege und die Vertreter der evangelischen und der katholischen Kirche. Die rechtspopulistische AfD will die Zusammensetzung der Kommission dahin gehend verändern, dass die Belange der Exekutive, des Landtags, der Kommunen – vor allem aus finanzieller Sicht – und der Sozialwirtschaft auch noch berücksichtigt sind. Die Belange der Menschen, für die die Durchsetzung der Ausreisepflicht eine schlimme Härte darstellen würde, sind den Rechtspopulisten völlig egal. Genau das ist aber die Aufgabe der Kommission, auch geregelt im Aufenthaltsgesetz, zu verhindern, dass die strenge Einhaltung oder Anwendung der Rechtsvorschriften zu einer sozialen Ungerechtigkeit führt.

Die rechtspopulistische AfD behauptet, die Härtefallkommission entwickele sich zu einer – Zitat – „Superrevisionsinstanz für Ausländer ohne Aufenthaltsrecht“, und sie argumentiert mit dem Begriff der vollziehbaren Ausreisepflicht. Sie unterschlägt dabei – sehr bewusst, wie ich denke –, dass dies ein verwaltungsrechtlicher Begriff ist, der eben nicht bedeutet, dass vollziehbar Ausreisepflichtige in jedem Fall tatsächlich zur Ausreise verpflichtet sind.

Das Aufenthaltsrecht nennt zahlreiche Gründe, die zu einer Aussetzung der Ausreisepflicht führen. Das bedeutet, dass viele Menschen mit einer Duldung zwar weiterhin im Verwaltungsrecht als vollziehbar ausreisepflichtig gelten, aber ihr Aufenthalt – beispielsweise aus gesundheitlichen oder familiären Gründen oder weil jemand eine Berufsausbildung absolviert – dennoch legal ist.

Meine Damen und Herren, ich hoffe deutlich gemacht zu haben, dass dieser vorliegende sogenannte Gesetzentwurf nichts weiter ist als eine Ansammlung rechtspopulistischer Hetze, mit dem Ziel, die Arbeit der Härtefallkommission zu verunglimpfen.

(Beifall DIE LINKE)

Dieser Gesetzentwurf ist also nicht nur schlecht gemacht, sondern auch schlecht gedacht und abzulehnen.

(Beifall DIE LINKE)

Ich möchte zum Schluss, meine Damen und Herren, den Mitgliedern der Härtefallkommission im Namen meiner Fraktion sehr herzlich für ihre Arbeit danken,

(Zwischenruf Abg. Brandner, AfD: Corinna Herold! Ja, sehr schön! Danke schön!)

(Beifall AfD)

dafür, dass sie sich für jeden – ich weiß nicht, wie viele Fälle an diese Dame herangetragen werden – an sie herangetragenen Fall viel Zeit nehmen und sich für die Menschen einsetzen und nicht gegen sie. Vielen, vielen Dank.

(Beifall DIE LINKE, BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN)

Danke schön. Als Nächste hat Abgeordnete RotheBeinlich für die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen das Wort.

(Unruhe im Hause)

Mäßigen Sie sich doch bitte ein bisschen.

(Zwischenruf Abg. Harzer, DIE LINKE: Rechtsradikaler!)

Herr Abgeordneter Harzer, dafür muss ich Ihnen einen Ordnungsruf geben.

(Zwischenruf Abg. Harzer, DIE LINKE: Nicht schon wieder!)

Ich habe Ihnen noch keinen gegeben.

Sehr geehrter Herr Präsident, meine sehr geehrten Damen und Herren! Es wurde hier von der AfD eine „Begründung“ zu einem Gesetzentwurf vorgetragen, die aus unserer Sicht ganz klar der Geschäftsordnung der Härtefallkommission selbst widerspricht. In der Härtefallkommission gibt es eine Geschäftsordnung vom 18. Februar 2005. Darin heißt es in § 5 Abs. 1 – ich zitiere –: „Die Mitglieder der Härtefallkommission sind verpflichtet, über personenbezogene Inhalte der Sitzungen und alle Angelegenheiten, die mit der Mitgliedschaft in der Härtefallkommission in Zusammenhang stehen, Verschwiegenheit zu wahren.“ Aus meiner Sicht ist hier die Verschwiegenheitspflicht grob verletzt worden, und das nicht einmal von einem ordentlichen Mitglied, sondern von einer Stellvertreterin,

(Beifall DIE LINKE, BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN)

da Frau Herold meines Wissens nur dann überhaupt an Sitzungen der Härtefallkommission teilnehmen kann, wenn der Vorsitzende des Petitionsausschusses nicht da ist. Auch wir werden prüfen, ob und wie sich ein solcher Verstoß, wie er hier ganz eklatant passiert ist – hier sind personenbezogene Daten einzelner Familien vorgetragen worden –, auf das Mitarbeiten in der Kommission auswirkt. Aus meiner Sicht jedenfalls hat Frau Herold jedes Recht verwirkt, in dieser Kommission auch nur stellvertretend mitzuwirken.

(Beifall DIE LINKE)

(Zwischenruf Abg. Herold, AfD: Ich bin un- tröstlich!)

Die AfD hat also einen Entwurf für ein Thüringer Gesetz über die Härtefallkommission vorgelegt. Das Einzige, was mich noch mehr wurmt als dieser Entwurf, den wir ohnehin ablehnen werden, ist, dass sich die CDU damit mehr oder weniger gemein macht – zumindest dahin gehend, so etwas überhaupt erst an einen Ausschuss zu verweisen. Man könnte auch ganz klar sagen – so ehrlich sollten Sie dann vielleicht auch sein, Herr Heym –, dass die AfD einen Entwurf für ein Härtefallverhinderungsgesetz vorgelegt hat. Wenn das Ihre Position in der CDU ist, dann habe ich Sie bislang leider falsch eingeschätzt.

(Beifall DIE LINKE, BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN)

(Zwischenruf Abg. Heym, CDU: Ich habe ge- sagt, dass man den Gesetzentwurf an die zu- ständigen Ausschüsse überweisen solle!)

Wir werden diesem Gesetzentwurf selbstverständlich nicht zustimmen.

(Abg. Berninger)

(Zwischenruf Abg. Heym, CDU: Ja, das ist Ihr Recht!)

Wie nicht anders zu erwarten war, strotzt der Gesetzentwurf nur so – ich muss es so deutlich sagen – von Gemeinheiten und Ressentiments gegenüber Menschen, für die die Härtefallkommission vielleicht die letzte Chance auf ein humanitäres Bleiberecht in Deutschland ist.

Meine Kollegin Sabine Berninger hat eben schon ausgeführt, wie sie den Begriff „Gnadenrecht“ hier verstanden hat. Genauso ging es mir auch, als Frau Herold das vorgetragen hat. Wir sind ein Rechtsstaat und niemand ist hier sozusagen auf ein Gnadenrecht an dieser Stelle angewiesen, sondern es ist das gute Recht von Menschen, sich an die Härtefallkommission zu wenden. Wenn einzelne Mitglieder der Härtefallkommission entscheiden, diese Fälle in die Kommission zu tragen, dann folgen Sie schlichtweg ihrem Auftrag, meine sehr geehrten Damen und Herren. Dafür möchte ich mich zumindest bei den ordentlichen Mitgliedern der Härtefallkommission für meine Fraktion auch bedanken.

(Beifall DIE LINKE, BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN)

Zunächst erst einmal: Es gibt in Thüringen bereits eine Verordnung über die Härtefallkommission. Es gibt also rein formal überhaupt keine Regelungslücke. Auch inhaltlich gesehen lehnen wir die vorgeschlagenen Regelungen ab. Frau Berninger hat eben schon darauf hingewiesen: Warum ausgerechnet die Vertreter und Vertreterinnen der Kirchen und die fachlich zuständige Migrationsbeauftragte künftig nicht mehr der Kommission angehören sollten, erschließt sich uns jedenfalls in keinster Weise. Das Gegenteil ist der Fall: Wer, wenn nicht die kirchlichen Vertreterinnen und Vertreter, kann denn die Sichtweise und Erfahrungen der karitativen und in der Flüchtlingshilfe aktiven Mitgliedsorganisationen gewinnbringend einbringen? Dass Sie von der AfD diese Kommission gar nicht wollen, ist uns bekannt, aber dass die CDU dieses Spiel auch noch mitspielt oder der AfD auf den Leim geht – ich weiß es nicht –, macht es nicht besser.

(Beifall DIE LINKE, BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN)

Dass dann im Gegenzug ein Vertreter oder eine Vertreterin der AfD-Fraktion gemeinsam mit anderen Fraktionen in der Kommission arbeiten soll, erschließt sich uns noch weniger. Wieso soll es politische Vertretungen aus diesem Haus geben, nicht aber sachliche Vertretungen? Wenn Sie das schon vorschlagen – ein Schelm, der Böses dabei denkt –, noch einmal für alle, was das bedeutet: Es soll dann von jeder Fraktion ein Abgeordneter oder eine Abgeordnete mitwirken. Stärkeverhältnisse etc. sind überhaupt nicht bedacht.

(Zwischenruf Abg. Möller, AfD: Wie in ande- ren Gremien auch!)

Ich meine, dass die Abgeordneten in dieser Kommission gar nichts zu suchen haben, das sage ich in aller Deutlichkeit, sondern diejenigen, die sich fachlich und sachlich mit diesen Fragen auseinandersetzen. Sie von der AfD wollen das Ganze politisch aufladen. Das ist verlogen. Erst wollen Sie Härtefälle möglichst abschaffen, dann wollen Sie die Kommission politisch aufladen. Was wollen Sie denn überhaupt?

(Beifall DIE LINKE)

(Zwischenruf Abg. Möller, AfD: Reden Sie doch nicht so einen Unsinn!)

Also so, wie Frau Herold eben reagiert hat, ist uns doch allen bewusst, wie sie die Arbeit der Härtefallkommission sieht. Sie halten sie für überflüssig, Sie halten sie für falsch. Seien Sie doch einfach ehrlich und schlagen Sie hier nicht solche Kapriolen.

(Beifall DIE LINKE, BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN)

Ja, ja, natürlich! Ich will es noch deutlicher machen: Rechte und rassistische Parteien haben in der Härtefallkommission ganz klar nichts verloren. Auch der AfD-Vorschlag, dass ein Verfahren der Härtefallkommission

(Zwischenruf Abg. Möller, AfD: Wenn Sie kei- ne Argumente haben, kommt immer der Ras- sismusvorschlag!)

jetzt hören Sie doch erst mal zu –, welches nach drei Monaten nicht abgeschlossen ist, automatisch endet, dient letztlich nur dazu, die Entscheidungsfindung der Härtefallkommission, die auch mal länger dauern kann, zu behindern. Diese Härtefallkommission macht es sich nämlich nicht einfach, sondern sie prüft genau, sie muss sich dafür auch viele Unterlagen anschauen.

Worum es Ihnen eigentlich geht – das wissen wir ja –, zeigt sich auch beim Blick auf die massive Ausweitung der Ausschlussgründe für einen Antrag bei der Härtefallkommission. Ginge es nämlich nach der AfD, wäre es zukünftig faktisch kaum mehr möglich, überhaupt einen Härtefallantrag zu stellen. Dabei werden beispielsweise völlig sachfremde Ausschlussgründe, wie eine fehlende Lebensunterhaltssicherung oder vorheriger Sozialleistungsbezug, vorgeschlagen. Was das damit zu tun haben soll, dass Menschen keine Härtefälle sein sollen, das müssen Sie vielleicht für sich selbst einmal klären. Aber wahrscheinlich ist Ihnen das ja total egal.

Zudem tut die AfD so, als gäbe es bisher keine Regelung, die beispielsweise Menschen, die eine Straftat von erheblichem Gewicht begangen haben, von der Härtefallkommission ausschließt. Das

stimmt jedoch nicht, da diese Regelung bereits in §§ 23a und 54 Aufenthaltsgesetz enthalten ist. Auch der Vorschlag der AfD, das Abstimmungsverhalten der Kommissionsmitglieder öffentlich zu dokumentieren, soll einzig und allein der Einschüchterung dienen.