Dann haben Sie gesagt, Frühsexualisierung gibt es gar nicht, und Sie haben mir da mehr oder weniger eine Falschaussage unterstellt. Ich will ganz kurz einige Zitate aus dem Bildungsplan des Landes Thüringen von null bis 18 Jahren vortragen. Ich zitiere aus dem Bildungsplan, Seite 109, und zwar aus der Rubrik für Kinder bis drei Jahre: „[Pädagogen] akzeptieren lustbetonte Selbstberührung und thematisieren wertschätzend, in welchem Rahmen dies für alle akzeptabel ist.“ Seite 108, Kinder drei bis sechs Jahre: „Medien mit Nacktdarstellungen, mit sexuellen Anspielungen etc. werden aufgegriffen und thematisiert. [...] Bücher, Zeitschriften etc. stehen für Recherchen zur Verfügung.“ Seite 28: „Pädagogisch Tätige sind [...] aufgefordert, [...] stereotypisierenden und homogenisierenden Konzepten vom Geschlecht [...] kritisch entgegenzutreten.“ Das ist das Gender-Mainstream-Konzept, das die natürliche Geschlechterpolarität zwischen Mann und Frau infrage stellt. Seite 109: „Z. B. über gegenseitige Massagen wird Körperwahrnehmung unterstützt; gemeinsam wird besprochen, was gut tut/ was gefällt, [...]“.
Sehr geehrter Herr Kollege Matschie, wenn das keine Sexualisierung ist, und zwar in einem Alter, in dem Kinder gewöhnlich noch nicht über Sexualität nachdenken, dann weiß ich es nicht. Wir sagen Ja zum Sexualkundeunterricht und wir sagen Ja zu einem Sexualkundeunterricht, der dort platziert ist, wo er heute auch platziert ist, nämlich zeitlich zum Beginn der Pubertät und fachlich natürlich im Biologieunterricht. Dazu sagen wir Ja.
Aber eine Früh- und Hypersexualisierung lehnen wir ab und ich glaube auch, dass die Mehrheit der Eltern, wenn Sie so etwas hören würde, sagen würde: Das möchte ich für mein Kind nicht! Ich möchte es für meine Kinder nicht und ich glaube, die Mehrheit der Eltern in Thüringen möchte es für ihre Kinder nicht. Das ist für mich ein Ideologie-Projekt.
Inklusion, das muss auch noch kurz angesprochen werden – Sie haben es betont, Minister Prof. Dr. Hoff hat es betont: Dort, wo es alle wollen, ja. Aber ich habe Ihnen doch die Forsa-Umfrage kurz dargestellt. Ich habe Ihnen dargestellt, dass der Ausbildungsinhalt Inklusion überhaupt gar nicht in irgendeiner relevanten Dimension ausgeprägt ist in der Lehrerschaft, die aber inklusiv unterrichten soll.
Ich habe Ihnen von psychischen und physischen Belastungen der Lehrer erzählt und ich habe Ihnen erzählt, dass die Lehrer sich – was die Inklusion angeht – allein gelassen fühlen. Es wollen nicht alle. Machen Sie doch eine Umfrage. Machen Sie eine Umfrage, Herr Bildungsminister, Kultusminister i. V., Prof. Dr. Hoff, machen Sie doch eine Umfrage. Wenn alle in einer Schule sagen – Eltern, Schüler, alle Beteiligten –: „Ja, wir wollen Inklusion“, dann machen Sie an dieser Schule Inklusion. Aber diese Umfrage wird ja nicht gemacht. Ich sage Ja zu dieser Umfrage, machen Sie sie.
Abschließend: Wir haben viel von Entlastung gesprochen. Wir haben auch viel davon gesprochen, dass wir gemeinsam die Situation hier in Thüringen jetzt konkret verbessern wollen. Ja, das wollen wir auch. Und Inklusion ist im Augenblick, wo es viele andere Herausforderungen für Lehrer an unseren Schulen gibt, eine Belastung. Das wird Ihnen kaum ein Lehrer anders erzählen, wenn Sie mit ihm sprechen. In dieser Situation, wo der Unterricht nicht abgedeckt werden kann, wo Lehrer zusätzliche Vertretungsstunden absolvieren müssen, wo sie wirklich an der Belastungsgrenze angekommen sind, warum stoppt man nicht – zunächst zumindest – dieses Inklusionsprojekt? Das wäre eine wirkliche Entlastung in dieser Situation.
Deswegen noch einmal meine Bitte: Überlegen Sie sich mal ein Moratorium Inklusion. Ich danke Ihnen für Ihre Aufmerksamkeit.
Gibt es weitere Wortmeldungen aus den Reihen der Abgeordneten? Das sehe ich nicht – doch, Herr Tischner hat sich jetzt doch entschlossen. Sie haben das Wort.
Sie haben mich so freundlich aufgefordert, Herr Präsident. Herr Präsident, meine sehr geehrten Damen und Herren, ich glaube, die Debatte hat gezeigt, dass wir uns doch in einer Sache alle einig sind, nämlich dass wir das Beste für das Thüringer Schulsystem wollen und dass wir die Qualität sehr hoch halten wollen. Was für mich neu war, was ich noch gern mitnehme, ist, dass auch die Koalitionsfraktionen übereinstimmend, alle Redner, betont haben, sie sind für die eigenverantwortliche Schulentwicklung, für die Stärkung der Schulen vor Ort. Das nehmen wir gern mit. Das werden wir stark einfordern. Schade, dass die Landesregierung im letzten Jahr das Modellprojekt beendet und die nötigen Ressourcen zur weiteren Stärkung der, glaube ich, von Herrn Matschie schon eingeführten – vielleicht
Es sind ein paar Sachen gesagt worden, auf die möchte ich ganz kurz eingehen, weil ich die auch nicht so stehen lassen will. Zunächst einmal, weil jetzt Herr Minister Hoff wieder da ist, der Hinweis mit der Einladung an uns: Es ist durchaus richtig und gut und wichtig, dass alle hier im Hause vereinten Fraktionen bildungspolitisch an einem Strang ziehen. Allerdings lassen wir uns als CDU-Fraktion auch nicht vorführen und diesen Eindruck haben wir bei der Kommission, bei der sogenannten Ramelow-Kommission, schon gehabt. Es ist nämlich nicht so, Herr Minister, dass Sie uns gleichberechtigt in diese Gruppe eingeladen haben, sondern Sie haben lediglich in einer SMS angeboten, ob wir vielleicht Lust und Interesse haben, mal 20 oder 30 Minuten vorzutragen. Das ist keine Diskussion auf Augenhöhe, damit bekommt man nicht das hin, was man vielleicht will, nämlich einen gemeinsamen parlamentarischen Deal in der Bildungspolitik. Es ist nicht auf Augenhöhe gewesen, wir sollten lediglich vortragen, wir waren nicht als Teil der Kommission vorgesehen.
Im Übrigen: Wie Sie mit Mitgliedern in verschiedenen Kommissionen umgehen, erleben ja nicht nur wir als CDU, sondern aktuell auch viele Verbände im Inklusionsbeirat, der im Ministerium tagt. Da sind beispielsweise im vergangenen Jahr in einer sehr, sehr strittigen Abstimmung Eckpunkte zum inklusiven Schulgesetz beschlossen worden. Was macht die Landesregierung? Sie verkauft nach außen hin, es wäre ein einstimmiges Votum des Inklusionsbeirats für das inklusive Schulgesetz gewesen – Eckpunkte inklusives Schulgesetz im letzten Beirat. Das ist im Grunde kein fairer Umgang, wenn man in einer Kommission mitarbeitet, wir uns dort natürlich auch kritisch eingebracht haben und dann nach außen gesagt wird, wir waren uns ja alle einig.
Und da bin ich bei Herrn Matschie, ich will nur einen Punkt herausgreifen: Sie haben auf das gemeinsame Lernen verwiesen. Herr Minister a. D. Matschie, noch mal zum Thema „Inklusion“: Sie haben es heute auch noch mal gesagt, dass unter CDU-Regierungszeiten das gemeinsame Lernen im Schulgesetz und im Förderschulgesetz Eingang gefunden hat. Wenn man aber die entsprechenden Passagen liest, dann kommt genau das raus, was wir als CDU-Fraktion hier immer wieder und immer wieder sagen. Da steht nämlich drin, § 53 Thüringer Schulgesetz: „Gemeinsamer Unterricht von [Schülerinnen und] Schülern mit und ohne sonderpädagogischem Förderbedarf findet in den Schularten nach § 4 in enger Zusammenarbeit mit den Mobilen Sonderpädagogischen Diensten der Förderschule und an den Förderschulen statt.“ Dann lasse ich zwei Sätze aus und dann steht da der entscheidende Satz: „Den sich ergebenden Förderbedarf erfüllen die Schulen, soweit eine angemessene perso
nelle, räumliche oder sächliche Ausstattung vorhanden ist.“ Wir bleiben uns also über alle Jahre in unserer Argumentation treu.
Und vielleicht auch noch mal ein Plädoyer für das Thüringer Förderschulgesetz, denn da steht es sogar noch etwas ausführlicher drin. Da steht in § 1 Abs. 2 – ich zitiere das Förderschulgesetz –: „Schüler mit sonderpädagogischem Förderbedarf werden,“ – und jetzt kommen die entscheidenden Worte – „soweit möglich, in der Grundschule, in den zum Haupt- und Realschulabschluss, zum Abitur oder in zu den Abschlüssen der berufsbildenden Schulen führenden Schularten unterrichtet [...]. Können sie dort auch mit Unterstützung durch die Mobilen Sonderpädagogischen Dienste nicht oder nicht ausreichend gefördert werden, sind sie in Förderschulen zu unterrichten, damit sie ihren Fähigkeiten und Neigungen entsprechende Schulabschlüsse erreichen können.“ Genau das ist gesetzliche Grundlage.
Herr Abgeordneter Tischner, einen kleinen Augenblick. Gestatten Sie eine Zwischenfrage des Abgeordneten Matschie?
Herr Tischner, Sie kennen das ja als Lehrer. Stimmen Sie mir zu, dass genau diese gesetzliche Grundlage für jedes einzelne Kind abgeprüft wird, dass festgestellt wird – erstens –, was ist der Förderbedarf und wo kann er – zweitens – erfüllt werden, und dass deshalb nur, wenn die Voraussetzungen da sind, ein Kind in den gemeinsamen Unterricht geschickt wird?
Da stimme ich Ihnen voll und ganz zu, dass wir genau gucken müssen, was die Voraussetzungen sind, dass ein Kind ordentlich beschult werden kann, dann braucht es Hilfe und Unterstützung. Aber wenn das Bildungssystem, letztendlich wir als
Politik, aufgrund von verschiedensten Ressourcenmängeln das nicht zur Verfügung stellen können, dann schaden wir letztendlich dem Kind.
Dann noch mal zwei Punkte zur Vergangenheit: Ja, es hat auch draußen gerade eben vor dem Landtag eine Rolle gespielt, wir haben in den letzten 27 Jahren in Thüringen eine Revolution – so muss man es nennen – im Lehrer-Schüler-Verhältnis erfahren. Eine Revolution dahin gehend, dass wir 1992 400.000 Schüler hatten und 30.000 Lehrer und dass wir jetzt 200.000 Schüler haben, 50 Prozent weniger, und 20.000 Lehrer. Es sind keine 50 Prozent weniger, aber wir haben einen massiven Einbruch in den Schülerzahlen gehabt. Das ist nicht nur in Thüringen passiert, das ist auch in SachsenAnhalt, in Sachsen, in Brandenburg und in anderen Ländern passiert, aber das hat eben auch leider dazu führen müssen, dass viele Kolleginnen und Kollegen nicht so eingestellt werden konnten, wie wir das gern wollten.
Und ich habe das ganz persönlich 2008 auch erlebt, wie es war, als die Verbeamtung ausgelaufen ist, auf einmal die Tausenden von Stellen mehr da waren und ich dann keine Stelle bekommen habe und halt drei Jahre woanders arbeiten durfte, was mir aber auch gut getan hat. Aber das war eben die Ursache: Wir hatten zu wenige Schüler, um den Generationswechsel so zu gestalten, wie wir wollten.
Wir haben trotzdem in jeder Wahlperiode, auch gemeinsam mit der SPD, immer 2.000 neue Lehrer eingestellt, obwohl es wahrscheinlich gar nicht notwendig gewesen wäre. Wir haben es gemacht und es war auch richtig, es hätten gern auch noch mehr sein können. Und wir haben – Herr Matschie ist darauf eingegangen – sukzessive die Referendarausbildung erhöht von 200, 300, 400, 500 2014 und 2015 sollten es die besagten 600 sein. Die jetzige Landesregierung hat dann eben nur die 400 Referendare eingestellt, die jetzt übrigens in diesem Jahr fertig werden. Wir wundern uns vielleicht, dass wir nicht genügend Kolleginnen und Kollegen finden; das liegt auch daran, dass wir vor zwei Jahren viel zu wenige Referendare eingestellt haben. Und da waren die Kapazitäten da, wir haben vorher auch 500 ausgebildet.
Ansonsten zum Thema „Betreuungsschlüssel in Horten“ vielleicht wirklich noch einmal der Hinweis: Es ist tatsächlich so, dass durch die Überführung, so wie sie gekommen ist, ein Mehrbedarf entstanden ist. Es ist Ihre Pflicht, der gehen Sie nach, dass dieser Bedarf jetzt auch aufgelöst werden soll. Schade ist, dass Sie die 170 Stellen aus den anderen Schularten abziehen und dann die Horte damit füllen. Das ist ein reiner Hin-und-Her-Verschiebebahnhof.
in die Debatten einzubringen. Unsere Vorschläge liegen in vielfältigsten Anträgen hier im Landtag auf dem Tisch. Einige sind noch im Ausschuss. Ich befürchte nur, dass die Koalitionsfraktionen auch diese Sachen wieder vom Tisch nehmen werden und dann hinterher vielleicht selbst kommen und sagen: Ach, das sind ja gute Ideen. Okay, sei es drum, das ist das Los der Opposition. Auf der anderen Seite freuen wir uns, wenn Sie doch die eine oder andere Sache von uns aufgreifen. Danke schön.
Ich schaue noch einmal in die Reihen der Abgeordneten, da liegen mir jetzt keine weiteren Wortmeldungen vor. Herr Minister Hoff hat sich noch einmal zu Wort gemeldet.
Sehr geehrte Damen und Herren, Herr Präsident, ich danke Ihnen für die Diskussion, die wir in Reaktion auf diese Regierungserklärung geführt haben. Es liegt in der Natur der Sache, dass wir in einer ganzen Reihe von Punkten eine unterschiedliche Bewertung haben. Es liegt in der Natur der Sache, dass Herr Tischner, Herr Mohring eine andere Sichtweise darauf haben, was bereits erreicht worden ist.
Ich danke Christoph Matschie in zweifacher Hinsicht. Ich habe ihm schon eine SMS geschrieben und gesagt, seine Rede und auch er als Abgeordneter sind eine Herausforderung in jeder Hinsicht. Ich meine das ganz positiv. Denn natürlich weiß er aus der Funktion des früheren Ministers noch viel besser als ich, was die Mühen der Ebene sind, um Dinge zu erreichen. Aber es gehört auch Mut dazu, sich als ehemaliger Minister hierhinzustellen, Fehler oder Dinge, die man nicht weit genug und die man zu schnell gemacht hat, einzugestehen und gleichzeitig ausgehend davon auch einen fairen und solidarischen Ratschlag an Kollegen, in diesem Fall an mich, zu geben und gerade deshalb zu sagen: Macht die gleichen Fehler nicht noch einmal, lasst uns gucken, wie wir das hinkriegen. Ich finde, dass diese Diskussion mehr als andere gezeigt hat, dass wir tatsächlich auch Gemeinsamkeiten herstellen können, weil wir an der Stelle – vier Fraktionen, die hier im Haus sind – bei einer ganzen Reihe von Punkten an einem gemeinsamen Strang ziehen.
Und ja, Herr Tischner, ich breche mir auf Deutsch gesagt überhaupt keinen Zacken aus der Krone, wenn Sie eine gute Idee haben, die Idee auch umzusetzen. Ich würde Sie aber bitten, vielleicht an einer Stelle ein bisschen offensiver zu sein. Wenn ich Sie anschreibe und frage, ob Sie in der Kommis
sion ihre Position darstellen wollen, und Sie sagen, dass Sie Themen hätten, die viel mehr als die Zeit benötigen, die ich Ihnen gebe, dann sagen Sie doch einfach: Mit mehr Zeit stelle ich sie Ihnen dar. – Denken Sie, ich hätte das abgelehnt? Stattdessen haben Sie einfach gesagt: Nein, ich komme erst gar nicht.
Und ein letzter Punkt: Ich habe lange überlegt, als ich zugehört habe, was Herr Höcke hier zum Bildungsplan gesagt hat, wie man darauf reagiert. Ich bin hier als Kabinettsmitglied nicht in der Lage, so darauf zu reagieren, wie das Christoph Matschie in seiner heutigen Rolle als Abgeordneter gemacht hat.
Gestatten Sie mir vielleicht, dass ich wie folgt auf Sie reagiere, Herr Höcke: In der Regel, wenn ich den Beiträgen Ihrer Fraktion zuhöre, dann erinnere ich mich an die Studien von Erich Fromm über den autoritären Charakter. Aber heute war das, was Sie dargestellt haben, ein Prototyp der von Wilhelm Reich in der „Massenpsychologie des Faschismus“ beschriebenen Triebunterdrückung
Vielen Dank, Herr Minister. Ich sehe keine weitere Wortmeldung. Damit schließe ich diesen Tagesordnungspunkt.
Bevor wir in die nunmehr doch wohlverdiente Mittagspause eintreten, habe ich noch eine Mitteilung zu machen, einen Hinweis nämlich auf den Beginn einer Sitzung des Freundeskreises Kaliningrad 5 Minuten nach Beginn dieser Mittagspause im Raum F 004. Wir setzen die Sitzung um 14.05 Uhr mit dem Aufruf der Fragestunde fort.