Protokoll der Sitzung vom 02.06.2017

belastet wird. Wir brauchen gar nicht weit zu schauen. In Erfurt belastet die verfehlte Kindergartenpolitik die fleißigen Eltern in ganz besonderer Weise. Für den Oberbürgermeister und SPD-Vorsitzenden ist es deshalb ein doppeltes Wahlgeschenk, was hier heute von der Regierung auf den Weg gebracht wird.

(Beifall CDU)

Bausewein treibt die Kita-Gebühren in Erfurt in die Höhe und das Land muss nun einspringen.

(Zwischenruf Abg. Rothe-Beinlich, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Das stimmt doch gar nicht!)

Das sind Wahlbonbons auf Kosten des Landes. In den letzten Wochen habe ich viel mit Freunden und Bekannten über das Thema geredet, das wir heute hier beraten, und sie gefragt, was sie von einem geplanten beitragsfreien letzten Kindergartenjahr halten. Und immer wieder war zu hören: Wenn der Kindergarten gut ausgestattet ist, wenn genügend Erzieherinnen da sind, wenn ich unbesorgt mein Kind in die Betreuung geben kann, wenn ich weiß, es gibt gute Angebote, wenn ich Wahlfreiheit in der Kinderbetreuung habe, dann ist mir das wichtiger als eine finanzielle Entlastung. Wenngleich natürlich die Freunde und Bekannten sagen: Wenn wir ein bisschen Geld kriegen, warum sollen wir es denn nicht nehmen? In diesem Sinne sagen wir Ihnen: Es ist der falsche familienpolitische und der falsche bildungspolitische Ansatz, den Sie mit diesem Gesetz geben. Sie investieren nicht in die Qualität. Sie erreichen keine höheren Betreuungsquoten. Sie sorgen für Kostensteigerungen im gesamten Kita-System, statt sich insgesamt für eine Kostendeckung der Elternbeiträge und Wahlfreiheit, wie es die CDU seit vielen, vielen Jahren fordert, einzusetzen.

(Beifall CDU)

In diesem Sinne kann ich Ihnen schon heute versprechen: Viele Gemeinden werden sich zukünftig genau anschauen, wie die Kostensteigerungen nicht bei den Familien aufschlagen, das ist ja auch gut, sondern vom Land zu tragen sind. In diesem Sinne versagen Sie finanzpolitisch mit Blick auf die junge Generation im Freistaat Thüringen. Das sind die falschen Signale, Sie belasten auf die Zukunft gesehen die Thüringerinnen und Thüringer massiv.

Meine Damen und Herren, für die CDU-Fraktion steht die Betreuungs- und Förderqualität in unseren Kindertageseinrichtungen im Vordergrund. Denn sie entscheidet darüber, ob unsere Kinder ein alters- und entwicklungsgemäßes Umfeld ermöglicht bekommen, und es entscheidet darüber, dass sie weder überfordert noch in ihrer Entwicklung behindert werden. Das Land nimmt nun nach eigenen Berechnungen mal 29 und mal 33 Millionen Euro in die Hand für ein beitragsfreies Kindergartenjahr.

Aus Sicht der CDU-Fraktion ließe sich mit diesen 33 Millionen viel Sinnvolleres für Familien tun, als das Vorschuljahr beitragsfrei zu stellen. Beispielsweise finde ich mit Blick auf die Entwicklungsschritte des Kindes die Forderung, die auch von der Landeselternvertretung hin und wieder zu hören ist, nach einem zusätzlichen Betreuungsschlüssel für Kinder im Alter zwischen drei und vier Jahren einen sehr vernünftigen und diskutablen Vorschlag. Familienfreundliche und sozial verträgliche Elternbeiträge sind ein wichtiger Baustein, um die hohe Qualität in unseren Einrichtungen zu sichern. Die CDUFraktion setzt sich dafür ein, die Kosten der Eltern durch Kita- und Hortgebühren insgesamt in den Blick zu nehmen und sie vor allem zu deckeln. Damit könnten wir vor allem Mehrkindfamilien entlasten. Außerdem sollte in allen Thüringer Kommunen eine soziale Staffelung der Elternbeiträge eingeführt werden, sodass keine Familie durch Kindergartenbeiträge zu stark belastet wird. Dafür müssen die Kommunen dann auch die entsprechenden Zuschüsse vom Land erhalten. Denn insgesamt ist es um die Thüringer Ausfinanzierung der Kindergärten nicht gut bestellt, gerade auch im Nachgang der Änderungen von 2010.

Meine sehr geehrten Damen und Herren, anstelle einer Diskussion um Beitragsfreiheit muss deshalb die Betreuungsqualität viel stärker in den Blick geraten. Gerade Kinder, deren Entwicklungs- und Entfaltungsmöglichkeiten im häuslichen Umfeld nicht optimal unterstützt werden oder unterstützt werden können, sind auf die Qualität der Betreuung und Erziehung in unseren Kindergarteneinrichtungen angewiesen. In diesem Punkt enttäuscht der Entwurf der Landesregierung, denn der Gesetzentwurf der Landesregierung verweist in diesem entscheidenden Punkt der Qualität lediglich auf den Bund. So sollen – ich zitiere – „weitere Schritte, insbesondere in der Qualität, […] mit der von Bund und Ländern gemeinsam getragenen Qualitätsoffensive und der dauerhaften Bereitstellung zusätzlicher Finanzmittel durch den Bund folgen.“

Meine Damen und Herren, das ist eine Ohrfeige, aber es ist vor allem auch ein Offenbarungseid. An einem so entscheidenden Punkt wie der Verbesserung der Betreuungsqualität in den Einrichtungen auf den Bund zu verweisen, zeigt einmal mehr, dass Linke, SPD und Grüne an ihren eigenen Verheißungen gescheitert sind. Angesichts des hohen Engagements des Bundes beim Ausbau der Betreuung für unter Dreijährige und bei den Investitionen in den Kindertageseinrichtungen ist es realistisch gesehen nicht zu erwarten, dass der Bund in nächster Zeit Geld für den Ausbau der Betreuungsqualität zur Verfügung stellen wird. Will die Landesregierung eine bessere Betreuungsqualität, so hätte sie mit diesem Gesetz die Möglichkeit gehabt und auch die Prioritäten legen müssen.

Meine Damen und Herren, die von Rot-Rot-Grün vielfach gepriesene Erhöhung der Leistungspauschale, also der Stellenanteile, die für die Leitungen der Kindertageseinrichtungen zur Verfügung stehen, hat nur sehr wenig Einfluss auf die tatsächliche Betreuungsqualität, denn sie begünstigt lediglich die großen Einrichtungen mit mehr als 100 Kindern. Für kleinere Kitas im ländlichen Raum bedeutet dies keine Verbesserung und deshalb ist der Gesetzentwurf auch eine herbe Niederlage für Bündnis 90/Die Grünen, denn sie wollten einen Schwerpunkt auf die Betreuungsqualität setzen und haben am Ende nichts erreicht, außer die Erhöhung der Stellenanteile für die Kita-Leitungen. Reduzierung an Bürokratie würde dem Kind mehr bringen, denn so wäre tatsächlich mehr Zeit für die Betreuung zu erreichen.

(Beifall CDU)

Aber wie man hört, ist dieser Deal hier zulasten des Kindergartenbereichs von den Grünen ja wegen eines zukünftigen Wassergesetzes gemacht worden.

(Beifall CDU)

(Zwischenruf Abg. Rothe-Beinlich, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Wie bitte? – Unfassbar, was Sie erzählen!)

Unklar ist außerdem die im Gesetzentwurf enthaltene Gängelung der freien Träger. Auch an dieser Stelle frage ich mich, wo die grüne Handschrift bei diesem Gesetz geblieben ist, denn die freien Träger werden mit diesem Gesetz einmal mehr beiseitegestellt. Beispielsweise dürfen diese ihre Elternbeiträge zukünftig nur noch im Einvernehmen mit den Gemeinden festlegen. Diese Regelung beschneidet in unzulässiger Weise die Trägerautonomie und entspricht nicht dem Grundsatz der Subsidiarität.

Meine Damen und Herren, wir bleiben dabei: Wahlgeschenke zulasten der Qualität sind der falsche Ansatz für unsere Kindergärten. Die Thüringer Kindergärten brauchen dringend eine „Qualitätsoffensive Thüringer Kindergarten“ mit folgenden Schwerpunktsätzen:

1. familienfreundliche und sozial verträgliche Elternbeiträge,

2. eine Höchstgrenze für Elternbeiträge,

3. völlige Transparenz in der Gebührenkalkulation,

4. personelle, materielle und zeitliche Verbesserung der Betreuungsstruktur,

5. die Gewinnung und Qualifizierung von Personal,

6. Investitionsmittel zur Renovierung und Sanierung und

7. Entwicklung eines professionellen Beratungssystems.

(Beifall CDU)

An diesen Punkten wird sich der vorliegende Entwurf in den kommenden Beratungen aus unserer Sicht messen lassen müssen. Ich bin gespannt auf die weiteren Beratungen des Gesetzentwurfs im Finanzausschuss und natürlich vor allem im Ausschuss für Bildung, Jugend und Sport und die damit verbundenen Anhörungen. Glaubt man den im Rahmen der Vorstellung des Gesetzentwurfs getätigten Pressemeldungen der einzelnen Verbände, der Gewerkschaften und Elternvertretungen, so werden wir im Ausschuss noch viel Zeit für die gemeinsame Diskussion benötigen. Und einmal mehr wird sich die faktische Wirkung des Struck’schen Gesetzes entfalten, was da sagt: Nichts geht ins Parlament so rein, wie es herauskommen wird. Vielen Dank.

(Beifall CDU)

Als nächste Rednerin hat Abgeordnete Pelke, Fraktion der SPD, das Wort.

Sehr geehrte Frau Präsidentin, meine Damen und Herren, liebe Vertreter der Landeselternvertretung, liebe Gäste! Ich frage mich, Herr Tischner, nach Ihren Ausführungen, welchen Spüragenten Sie befragt haben, um diesen Deal zwischen Wassergesetz und Kita-Gesetz –

(Zwischenruf Abg. Rothe-Beinlich, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Ja, ganz schlechter Spä- her!)

falsch, also Spüragent, falsch, suchen Sie sich einen neuen oder fragen Sie einfach einmal nach, dann können wir Ihnen vielleicht auch eine Antwort geben, aber so einen Deal hat es überhaupt nie gegeben.

(Beifall DIE LINKE, BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN)

(Zwischenruf Abg. Tischner, CDU: Ja klar!)

Na ja, klar! Wieso sollen Sie das wissen! Wenn wir sagen, es war nicht so, dann war es nicht so. Ganz einfach!

(Unruhe CDU)

Zweiter Punkt: Sie reden hier vom Mittelstand und von einer Entlastung des Mittelstandes durch ein beitragsfreies Kita-Jahr und stellen das so ein bisschen höhnisch infrage, verstehe ich überhaupt nicht. Ich habe gedacht, die CDU wäre auch immer froh, wenn der Mittelstand einmal entlastet werden würde, und wir als Sozialdemokraten haben gemeinsam mit den anderen regierungstragenden Fraktionen gesagt, dass dieses beitragsfreie KitaJahr dazu da ist, um Familien zu entlasten. Dazu stehen wir nach wie vor. Und ich finde, das haben

(Abg. Tischner)

wir verdammt richtig gemacht, was den Mittelstand angeht. Ich komme dann noch mal dazu – erster Punkt.

Zweiter Punkt: Ich verstehe überhaupt nicht, wieso auch Sie als Vertreter der CDU als gegeben hinnehmen, dass vorschulische Bildung bezahlt wird. Nein! Vorschulische Bildung muss genauso freigestellt sein wie der andere, der folgende Bildungsbereich.

(Beifall DIE LINKE, SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Ich würde mir wünschen, dass Sie sich dafür einsetzen. Sie hatten ja mal so eine geniale Familienoffensive unter Herrn Althaus – in Anführungsstrichen bitte ich das zu sehen –, und da haben wir ja gesehen, dass aus dieser Offensivbewegung eine Defensivbewegung geworden ist und dass es im Prinzip – ja – ein Rohrkrepierer war. Das haben wir dann alle mitbekommen.

(Beifall SPD)

Aber wenn Sie sich an dieser Stelle auch mal mit dafür einsetzen würden, dass vorschulische Bildung als das Wichtigste, was man Kindern mitgeben kann, genauso gebühren- und beitragsfrei sein muss wie der Besuch einer Regelschule oder eines Gymnasiums, also dann würde ich mich ja freuen, wenn das bei Ihnen endlich mal ein bildungspolitischer Aspekt wäre.

(Beifall DIE LINKE, SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

(Zwischenruf Abg. Tischner, CDU: Dann soll- te man alles kostenfrei machen?)

Und dass der Bund – wieso Sie das auch noch in Frage stellen, verstehe ich ja überhaupt nicht! – natürlich auch der Bund eine Verantwortung für den vorschulischen Bildungsbereich hat, das ist doch völlig klar. Und dass wir das einfordern, dass der Bund seiner Verantwortung gerecht wird, ja wo ist denn da ein Problem? Also Entschuldigung, das wird ja gerade auf Bundesebene in einer anderen Form der Koalition auch gemacht, sehr deutlich gemacht.

(Zwischenruf Abg. Tischner, CDU: Selber was tun!)

Selber was tun – das tun wir ja. Deswegen haben wir ja hier dieses Kita-Gesetz.

(Zwischenruf Abg. Tischner, CDU)

Ja, wer lesen kann, ist klar im Vorteil.