Wissen Sie, ich kann normalerweise so etwas respektieren – manchmal ist es das nicht wert –, aber wissen Sie, was mich wirklich zunehmend stört? Wissen Sie, ich bin ein religiöser Mensch. Ich nehme das für mich in Anspruch. Ich akzeptiere, wenn das jemand nicht ist. Aber ich kann auch akzeptieren, wenn es Menschen gibt, die einer anderen Religion folgen.
Aber bitte schön zu glauben, dass man einen Menschen auf ein einziges Merkmal reduzieren kann – und das tun Sie nämlich, Sie reduzieren Muslime auf das Merkmal ihrer Religion –, das ist beschämend.
Was haben denn in Bangladesch geborene Muslime, in Saudi-Arabien geborene Muslime und in Aserbaidschan geborene Muslime, wo auch 90 Prozent Muslime sind, aber die hundertprozentig anders herumlaufen als Muslime in Saudi-Arabien, gemein? Die haben ihre Religion gemein, aber ansonsten gibt es viele Dinge, die die absolut nicht miteinander teilen. Sie betrachten weder Klasse, sie betrachten weder Beruf. Es gibt in Bildung, in Sprache, in Kunst, in Wissenschaft so viele Unterschiede, die Menschen ausmachen. Begreifen Sie doch endlich mal, dass Menschen unterschiedlich sind. Das finde ich beschämend, dass Sie das nicht akzeptieren und so undifferenziert hier wiedergeben.
Sie miniaturisieren die menschliche Existenz. Das ist für jemanden, der jetzt ein Buch über den Islam hier rausgegeben hat, nun wirklich eigentlich lächerlich, was Sie hier abgegeben haben. Ich will es
nur mal vorbringen, weil mich das wirklich innerlich bewegt. Nach Amartya Sen kann man als Person relativ widerspruchsfrei gleichzeitig ein deutscher Bürger sein, der karibischer Herkunft ist, aber dessen Vorfahren aus Afrika stammen, der Christ ist, liberal, eine Frau, heterosexuell, Langstreckenläuferin, Tennisspieler – was auch immer –, das sind alles Merkmale, die einen Menschen ausmachen. Und Sie versuchen, die Komplexitätsreduktion immer wieder auf die Religion zurückzuführen. Das, finde ich offen gestanden, gehört sich nicht für ein deutsches Parlament, weil Sie damit versuchen, die Leute draußen kirre zu machen. Ihre Aufgabe ist es eigentlich auch, eine inhaltliche Führungsfähigkeit zu zeigen und zu sagen: Ja, wir sind eine offene Gesellschaft und wir bejahen auch, dass Menschen anders sind. Ich finde, im 21. Jahrhundert gehen Ihre marktgängigen Tiraden gegen den Islam einfach nicht mehr an.
Da Sie ja immer so auf Carl Schmitt abheben: Ich habe den auch gelesen. Und hier geht es um eine ganz entscheidende Frage, und das können Sie sich ruhig noch einmal anschauen, um die Frage zwischen Legalität und Legitimität. Was Sie tun, ist – und deswegen sind Sie an bestimmten Stellen schon Vorboten dessen, was Ihnen manchmal ins Stammbuch geschrieben wird – nämlich das, was wir an Debatten in den 30er-Jahren erlebt haben. Das ist genau das gewesen, dass die Leute nicht begriffen haben, dass der Rechtsstaat – ich will Ihnen nur sagen, was Ihr eigentliches Problem ist – genau den Schutzraum bietet, dass jemand, der aus dem religiösen Bewusstsein heraus lebt, aber vielleicht sich einer anderen Kultur anschließen will, wie zum Beispiel der deutschen Kultur, die Möglichkeit dafür hat. Was Sie aber tun, ist nichts anderes, als den Rechtsstaat zu unterminieren, weil Sie mit Ihren Kulturkämpfen dazu beitragen – und das zeigt Ihr Antrag –, dass der Rechtsstaat nämlich genau gegen diese Individualität vorgehen soll. Das ist, finde ich offen gestanden, die große Schwierigkeit. Sie widerlegen sich quasi selbst. Und weil Sie das tun, setzen Sie den Islam mit Islamismus als Gefahr für Freiheit gleich und predigen damit Totalitarismus. Und diesen Totalitarismus lehnen hier so viele Parteien ab
und wir als Union auch, weil wir das für historisch falsch halten und weil wir glauben, dass man in einer freien Gesellschaft nicht eine einzelne Person auf ein einzelnes Merkmal reduzieren kann. Das ist das, was uns alle ausmacht und Sie offensichtlich nicht.
Also das ist schon interessant. Ich muss Ihnen sagen, Sie haben schon eine rhetorische Begabung, Herr Dr. Voigt, eine rhetorische Begabung, um das eigentliche Thema drum herumzureden, dem Redner Dinge zu unterstellen, die er im Leben nie gesagt hat, und das Ganze dann am Ende noch mit interessanten Feststellungen zu verknüpfen, die wir allerdings wiederholen werden, auch wenn es wie eine Schallplatte für Sie klingt, und zwar eine, die nicht gut klingt. Also wir merken uns erst einmal, dass Sie es nicht mit Identitätspolitik haben. Die Identität ist Ihnen eigentlich völlig wurst. Identität gehört aber, mein lieber Kollege Voigt, zu einem Staatsvolk dazu. Ein Staatsvolk ist nicht irgendeine amorphe Masse. Das hat eine Identität
und diese Identität ist natürlich schützenswert. Das hat auch nichts damit zu tun, wenn man sich um diesen Schutz dieser Identität kümmert, dass man irgendwelche Menschen, die hier zuwandern, die auch entsprechende Begabungen mitbringen, die auch die Bereitschaft mitbringen, Deutscher zu werden, ausgrenzen wolle. Aber das ist auch meilenweit entfernt von dem, was die CDU veranstaltet, und noch mehr entfernt von dem, was das rot-rotgrüne Lager will. Wir wollen in der Tat Zuwanderung, die zu diesem Land passt. Ihnen ist sie egal. Sie behaupten immer nur, dass Ihnen die Integration am Herzen liegt, dass Ihnen das ganz wichtig ist und Sie dies und das tun. Aber wie die Integration funktioniert, das sehen Sie doch überall in den Städten und den Gemeinden, wo sich eine entsprechend große ethnische Minderheit schon gefunden hat, dass sie sich separieren kann und dann ihr eigenes Süppchen kochen kann. Das finden Sie doch im Westen zuhauf. Das ist genau der Grund, warum wir uns dieses Themas auch weiterhin annehmen. Da können Sie uns beschimpfen, wie Sie wollen, Sie können uns Totalitarismus vorwerfen.
Aber eines sage ich Ihnen ganz offen: Demokratie geschieht nicht nur unter der Prämisse, dass man für Ihre Art der offenen Gesellschaft ist. Man kann da durchaus auch andere Standpunkte vertreten.
Ich habe jetzt weitere Wortmeldungen aus den Reihen der Abgeordneten in der Reihenfolge: Frau Abgeordnete Marx, SPD-Fraktion, und dann noch Frau Abgeordnete Pelke.
Es ist eben noch einmal deutlich geworden. Herr Möller, war sich ja nicht dumm genug, hier noch mal hinzugehen und noch mal sein völkisches Weltbild über uns auszugießen.
aber verstanden wird es nicht und es soll ja auch nicht verstanden werden. Sie haben eben noch mal ernsthaft gesagt: Wir brauchen nur Leute, die zu uns passen, und die Identität muss geschützt werden. Also zu Ihrer Identität möchte ich persönlich überhaupt nicht passen, das möchte ich jetzt mal sagen.
Und wenn Sie sagen „Sie nicht zu meiner“, dann möchte ich mal wissen, ob Sie mir sagen können, wie weit Ihre Familie sich in deutsche Gefilde, von denen Sie immer so schwärmen, zurückverfolgen lässt. Also bei mir geht es in das 17. Jahrhundert. Da sind wir mal gespannt, wer hier länger schon Deutschländer oder Identitärer – oder was dieser ganze Schwachsinn von Ihnen ausmacht – gewesen ist. Sie reduzieren Ihre ganze Hetze, die Sie hier ständig über uns ausgießen, darauf, dass Sie Leute dafür diffamieren, dass sie einer Religionsgemeinschaft, nämlich dem Islam, angehören. Sie haben hier mehrfach und wiederholt betont, dass vom Islam sozusagen das Böse ausgeht und dass alle, die etwas anderes behaupten, verblendet wären, dem Volk Schaden zufügen. Sie haben dann alle möglichen Menschen diffamiert. Das ist einfach plumpe, gruppenbezogene Menschenfeindlichkeit. Das ist eine Islamophobie, wie sie wirklich schlimmer nicht sein kann. Dann wundern Sie sich, dass Sie hier in diesem Haus auf erbitterten Widerstand wirklich von allen Seiten stoßen, die sich hier einer Demokratie, einer vielfältigen Gesellschaft, einer demokratischen Entwicklung verbunden fühlen, die wissen, dass Menschen nicht homogen sind. Jeder
Einzelne von uns hat viele verschiedene Eigenschaften – Herr Dr. Voigt hat das sehr gut betont. Es ist einfach immer wieder grässlich, wie Sie in Ihrer Einfalt glauben, hier dumpfe nationalistische und völkische Vorurteile bedienen zu müssen. Deswegen werden wir auch diesen Antrag wieder ablehnen. Und es verstärkt sich doch immer mehr der Eindruck, dass es eigentlich gar keine Frage gibt, in der man mit Ihnen zusammenarbeiten kann, denn Leute, die ein solches Grundverständnis von einer menschlichen Gesellschaft haben, schließen sich doch einfach selbst aus vielen demokratischen Prozessen aus.
Herr Präsident, meine Damen und Herren, wenn die Herrschaften von der AfD reden, habe ich immer das Gefühl, das läuft nach dem Motto: Ich weiß erst, was ich denke, wenn ich höre, was ich sage. Und mit dem, was Sie sagen, entlarven Sie Ihre Denke und die ist grauenhaft, die ist ganz grauselig.
Nein, es ist nicht nur so, dass sie mir nicht gefällt, aber ich glaube, Sie offenbaren mit Ihrer Sprache, was Sie denken. Und ich denke mal, die Vorredner wie Herr Dittes oder Frau Marx oder auch andere haben das eben auch noch mal ganz deutlich gesagt: Ihr Sprachgebrauch ist erbärmlich. Sie reden von irgendwelchen Menschen, die zu uns kommen. Das ist so was von entlarvend. Sie reden von Menschen, die hierherkommen, nicht arbeiten können, aber Leistungen in Anspruch nehmen, was Frau Herold ja heute schon gesagt hat. Sie haben einen Sprachgebrauch, der erinnert wirklich – und ich denke, dass haben Herr Dittes und Herr Prof. Voigt noch mal in aller Deutlichkeit auch ausgesprochen – an Zeiten, die sich keiner hier zurückwünscht. Sie wundern sich immer, dass Sie es dann unterstellt bekommen, dass Sie – und ich formuliere es jetzt noch ganz positiv – Rechtspopulisten sind. Das sind Sie und wahrscheinlich noch viel mehr. Sie entlarven sich in solchen Diskussionen, wenn Sie denn auch beispielsweise sagen – und den Satz hat mir die Kollegin Marx eigentlich schon vorweggenommen –: Menschen braucht es hier nur, die zu unserer Kultur passen. Nein, es ist nicht nur so, wie Frau Marx gesagt hat, dass ich zu Ihrer Kultur nicht
Und es gibt den Satz: Das Pendel schlägt dann irgendwann mal in die andere Richtung aus. Ich glaube, die Leute erkennen zunehmend, was hinter Ihren vorgegebenen familienpolitischen und Menschenaspekten tatsächlich steckt. Sie haben etwas anderes vor und das ist schlimm. Das ist nicht das, was wir hier wollen, Gott sei Dank, und deswegen will ich mich hier abschließend noch einmal ganz herzlich bedanken, dass bei dieser Debatte die demokratischen Parteien in einer Reihe stehen und Ihnen das ganz deutlich gesagt haben. Ich hoffe, das bleibt so und dass Sie das mitnehmen für die Zukunft. Die Bürgerinnen und Bürger werden Ihnen das auch noch sagen. Herzlichen Dank.
Herr Präsident, meine sehr verehrten Damen und Herren, die freiheitliche demokratische Grundordnung durchsetzen, verfassungswidrige Bestrebungen unterbinden, das sind die Aufgaben des Staates, seiner Institutionen und Sicherheitsbehörden, aber auch der Gesellschaft. Insofern würde der Antrag der AfD nichts anderes formulieren als einen Konsens, wenn er nicht den Blick allein auf einen möglichen unterstellten religiösen Extremismus wenden würde. Die AfD-Fraktion zeigt damit erneut den Tunnelblick, mit dem sie durch die Welt zieht.
Ich will konkret für Thüringen sagen: Den Sicherheitsbehörden in Thüringen liegen nach wie vor keine Anhaltspunkte für eine konkrete Gefährdung der Thüringer Bürgerinnen und Bürger durch religiös beeinflusste Extremisten vor. Daher ist es wichtig zu sagen und ich will es auch erneut an dieser Stelle betonen: Die große Mehrheit der Muslime übt ihren Glauben im Einklang mit dem Grundgesetz aus. Die Zielstellung ihres Antrags, eine Spaltung zwischen „denen“ und „uns“ herbeizuführen, muss deshalb ganz klar zurückgewiesen werden. Thüringen ist ein Land, in dem sich die Menschen frei entfalten können sollen. Auf das grundrechtlich verbürgte Recht auf freie Religionsausübung will ich