Meine Damen und Herren, die kreative Klasse, wie sie in Anlehnung an einen Buchtitel gern genannt wird, geht ihren Tätigkeiten sicherlich nicht umsonst nach, also wie der Franzose sagt: nicht „L‘art pour l’art“. – Französisch muss auch mal sein, Frau Henfling. – Wir leben in einer Wirtschaftsgesellschaft und Künstler und Autoren sind die treibenden Kräfte für die Kreativwirtschaft, die sich in den vergangenen Jahren zu einem dynamischen Wirtschaftszweig in Deutschland entwickelt hat – mit einem Jahresumsatz von etwa 150 Milliarden Euro. Viele derjenigen, die hieran beteiligt sind, sind Selbstständige mit oft geringem Einkommen. Die Künstlersozialkasse gibt aktuell als durchschnittlichen Jahresverdienst der Versicherten knapp 16.000 Euro an. – Da krankt Ihr Antrag so ein bisschen: also nicht 15.000 Euro, wie es in Ihrem Antrag steht, sondern knapp 16.000 Euro. – Und 16.000 Euro – das kann man unterstreichen – sind mehr oder weniger prekäre, also angespannte finanzielle Verhältnisse.
Aber die gibt es nicht nur im Bereich der sogenannten Kreativwirtschaft. Es gibt auch zahlreiche andere Bereiche, in denen Freiberufler und selbstständige Einzelkämpfer für ein sehr geringes Einkommen arbeiten müssen. Ich denke etwa an freiberufliche Dozenten in der Erwachsenenbildung oder an freiberufliche Pflegekräfte. Für diese Freiberufler existieren keine Sozialversicherungsprivilegien in Form einer eigenen Sozialkasse. Es gibt hier also zwei Klassen, die geschaffen werden, wofür es keinen Grund gibt. Also eine Ungleichbehandlung, eine Ungerechtigkeit, von sozialer Gerechtigkeit weit entfernt! Wir haben nämlich auf der einen Seite die Künstler im Sinne des Sozialversicherungsgesetzes und auf der anderen Seite die Nichtkünstler. Und da müssen wir uns doch fragen: Leisten nicht die Letzteren – also die freiberuflichen Dozenten beispielsweise und die freiberuflichen Pflegekräfte – einen vielleicht sogar noch wertvolleren Beitrag für unsere Gesellschaft als der ein oder andere Künstler? Wenn man das bejaht, muss man sich fragen, ob das Privileg, das die Künstlersozialkasse für Künstler ohne Zweifel bedeutet, für einen bestimm
Die Umbruchprozesse und dynamischen Entwicklungen im Bereich der Kreativwirtschaft, die sich als Folge der elektronischen Revolution eingestellt haben, lassen längst die Grenzen zwischen den künstlerischen Tätigkeiten und anderen – etwa handwerklichen – Tätigkeiten verschwimmen. Das gilt beispielsweise für den Bereich des sogenannten Designs, bei dem nicht leicht zu bestimmen ist, wo er beginnt und wo er endet. Wenn in dieser Weise Grenzen zwischen Berufsfeldern und Tätigkeitsfeldern verschwimmen, stellt sich jedoch die Frage, ob eine begrenzte Sonderversicherung, die an die Kunst anknüpft, überhaupt noch sinnvoll ist. Aber auch unabhängig von den neuen technischen Entwicklungen stellte sich und stellt sich immer wieder die Frage, welche Tätigkeit, welcher freie Beruf nun als künstlerischer Beruf im Sinne des Künstlersozialversicherungsgesetzes anzusehen ist und welcher nicht. – Frau Mitteldorf hat schon auf die innerfamiliären Probleme hingewiesen. – Das liegt natürlich nicht nur an den Formulierungen des Gesetzes, sondern in der Natur der Sache, um die es hier geht: nämlich der Kunst – und die ist nun mal schwer zu fassen und schwer zu definieren. Darüber werden immer wieder Gerichtsverfahren geführt, bis zum Bundesverfassungsgericht: Was ist Kunst und was nicht? Ausweislich einer von der Künstlersozialkasse selbst veröffentlichten Berufsliste sind beispielsweise Trickzeichner, anders als Tätowierer, versicherungspflichtig – ebenso versicherungspflichtig übrigens wie Büttenredner, Frau Marx. Da müssen wir bei Ihrer nächsten Rede mal darauf achten, ob Sie bei der Künstlersozialversicherung einzahlen müssen. Eine Designerin für Brautmoden beispielsweise ist auch Künstlerin im Sinne des Gesetzes, ebenso wie ein freiberuflicher Tanzpädagoge, nicht hingegen eine freiberufliche Tangolehrerin. Das verstehe, wer will. Mir erscheint diese Abgrenzung sehr willkürlich,
ähnlich wie die Abgrenzung bei den verschiedenen Mehrwertsteuersätzen, die auch nicht nachvollziehbar ist.
Die Problematik, die ich jetzt hier anspreche, ist nicht neu und hat bereits eine oder mehrere Novellierungen des Gesetzes nach sich gezogen. Das Gesetz als solches blieb aber im Grundsätzlichen bestehen. Viele Kunden oder Verwerter wissen auch schlicht nicht, dass sie für die mehr oder weniger regelmäßige Inanspruchnahme einer Dienstleistung abgabenpflichtig werden, also einen Betrag an die Künstlersozialkasse zahlen müssen. Diese Rechtsunsicherheit könnte man beheben, wenn man wollte, indem man beispielsweise Künstlern und Publizisten aufgäbe, in ihren Kostenvoran
schlägen oder Rechnungen auszuweisen, was an Beiträgen wohin abzuführen ist. Aber daran hat offenbar keiner Interesse, auch der Künstler nicht, weil er um seine Aufträge und seine Auftritte fürchtet. Aber das wäre natürlich ein gangbarer Weg, wenn die Künstler selbst darauf hinweisen würden und nicht derjenige, der Dienstleistungen in Anspruch nimmt, jahrelang im Ungewissen bleiben muss, ob tatsächlich dann irgendwann mal die Deutsche Rentenversicherung bei ihm aufschlägt und irgendwelche Prüfungen vornimmt. Diese Problematik, meine Damen und Herren, verschärft sich durch die Finanzierungsfrage, denn immer wieder sieht man die Finanzkraft der Künstlersozialkasse in Gefahr und beschuldigt dann die sogenannten schwarzen Schafe unter den Unternehmen, ihre Beiträge nicht zu bezahlen. Teilweise sind es allerdings viele unwissende schwarze Schafe, weil das wirklich nicht durchschaubar ist, ob und inwieweit man da abgabenpflichtig ist. Also müssen insbesondere diese Unternehmen kontrolliert werden, ob sie Künstlerabgaben auch wirklich bezahlen. Bei mir in meiner Zwei-Mann-Kanzlei in Gera schlug die Rentenversicherung auf und machte eine Tiefenprüfung, weil ich eine Internetseite habe. Da war der Verdacht, dass derjenige, der die Internetseite gemacht hat, vielleicht ein Künstler gewesen sein könnte. So läuft das in Deutschland, dass also bis nach unten durchkontrolliert wird, ob vielleicht irgendwo ein Künstler am Werk war. Da wird versucht, die letzten Euros zusammenzufegen.
Die Kontrollen führt die Deutsche Rentenversicherung durch – ich hatte das erwähnt –, und zwar seit einer Gesetzesänderung im Sommer 2014 ziemlich umfangreich, ziemlich penetrant und ziemlich nervtötend. Das kostet selbstredend wieder viel Geld für Verwaltung auf der Rentenversicherungsseite und bringt den Unternehmen Ärger und Arbeit. Von Entbürokratisierung, meine Damen und Herren, wie sie gestern der Herr Müller von den Grünen angesprochen hat, sind wir da weit entfernt. Die AfD will das gern ändern.
Ungeachtet der rechtsstaatlichen Problematik, die ich gerade aufgezeigt habe, ist das Ganze also ein immer teurer werdender Spaß für eine an der Gesamtzahl der Erwerbstätigen gemessen doch sehr überschaubar kleine Gruppe. Mit dem Künstlersozialversicherungsgesetz ist eine überaus fragwürdige Klientelwirtschaft entstanden, resultierend aus der sozialliberalen Koalition Ende der 70er-Jahre – das kann man politisch ableiten –, und die weitet sich aus und wächst sich in den letzten Jahren aus. Es wird immer mehr Bürokratie geschaffen, gleichwohl die Kosten steigen, obwohl jetzt vor Kurzem mal die Beiträge leicht gesenkt wurden, was wohl auf die verschärften Prüfungen zurückzuführen ist.
Der Antrag von Rot-Grün in diesem Landtag zielt auf eine weitere Ausweitung der Struktur dieser unsozialen Zweiklassengesellschaft mit dem sehr durchsichtigen Hintergedanken, sich bei einer bestimmten Klientel positiv beliebt zu machen – wir denken auch an die Kampagne zu Jungwählern gestern, auch da war wieder Klientel und Nepotismus im Spiel; ähnlich ist es hier. Es wird soziale Klientelpolitik für Sondergruppen betrieben, während die eigentlichen Probleme, nämlich die Probleme der Zukunftsfragen der Sozial- und Rentenpolitik, überhaupt nicht angegangen werden und auch im Thüringer Landtag brachliegen. Wir von der AfD kümmern uns in Zukunft darum und werden auch das vernünftig angehen.
Seien Sie überrascht, Herr Adams! Sie können natürlich gut reden mit Ihrer fetten Abgeordnetenrente, aber hören Sie mal zu, was ich Ihnen jetzt noch erzähle.
Altersarmut und mangelnde soziale Absicherung betreffen keineswegs nur einige Tausend freischaffende Künstler und Publizisten.
Inzwischen sind Hunderttausende, Millionen draußen – Herr Adams, das wissen Sie vielleicht nicht in Ihrer grünen Blase – von Altersarmut bedroht.
Tatsache ist, dass wir die Problematik der sozialen Absicherung von Künstlern in einen umfassenden Gesamtzusammenhang stellen wollen und dass wir nicht an einer Ausweitung von Sonderlösungen arbeiten oder Klientelwirtschaft betreiben wollen. Wir denken vielmehr darüber nach, eine solidarische Bürgerrentenversicherung zu etablieren, in die selbstverständlich auch die freien Künstler einbezahlen, aber auch andere Selbstständige, nämlich alle, und auch die Abgeordneten dieses Landtags. Wir hatten ja schon einen entsprechenden Antrag eingebracht, der von Ihnen allen von den Altparteien abgelehnt wurde. Also tun Sie doch nicht so, als wenn Sie sozial wären. Sie füllen sich zunächst Ihre eigenen Taschen und gucken dann auf Ihre Klientel und was hinten noch überbleibt, die Brosamen, verteilen Sie draußen nach Gutsherrenart.
Meine Damen und Herren, eine Reform der Künstlersozialversicherung muss also ganz anders aussehen als das, was Sie uns hier präsentiert haben und wie es der rot-grüne Antrag nahelegt. Wir lehnen diesen Antrag, wie er vorliegt, ab. Er zementiert nur ein ungerechtes, unsolidarisches Mehrklassensystem im Rentenrecht. Das ist mit uns nicht zu machen. Genauso überflüssig wie der Antrag ist auch der wahrscheinliche Antrag auf Überweisung an irgendwelche Ausschüsse. Der Sozialausschuss darf keine Plattform für Wahlkampfgetöse werden. Deshalb würden wir auch einer Überweisung an die Ausschüsse nicht zustimmen. Vielen Dank.
Sehr geehrte Frau Präsidentin, sehr geehrte Damen und Herren Abgeordnetenkollegen, sehr geehrte Besucher auf der Besuchertribüne! Auch wir als CDU-Fraktion schätzen die gute Arbeit der Künstlersozialkasse für die Thüringer Künstlerinnen und Künstler sehr hoch.
Sie ist eine begehrte und europaweit einzigartige Einrichtung, welche derzeit etwa 180.000 selbstständigen Künstlern und Publizisten den Zugang zur Kranken-, Renten- und Pflegeversicherung gewährt, und zwar zu bezahlbaren finanziellen Bedingungen. Tag für Tag gehen bei der Künstlersozialkasse mit dem Sitz in Wilhelmshaven rund 80 Aufnahmeanträge aus dem gesamten Bundesgebiet ein.
Sie werden gestellt von A wie Akrobaten und Autoren über Bildhauer, Clowns, Journalisten und Liedermachern bis Z wie Zauberern und Zeichnern. Die ganze Palette kreativen künstlerischen Schaffens findet sich in der Künstlersozialversicherung wieder. Die Finanzierung ist wie die ganze Versicherung einmalig. Sie erfolgt solidarisch und wird von vielen starken Säulen getragen, denn freie Künstler und Publizisten sind mit ihrem meist nur sehr geringen Einkommen auf eine solidarische Finanzierung ihrer Sozialversicherung angewiesen. Freischaffende Künstler und Publizisten leisten einen wichtigen Beitrag zur Kultur in unserem Land und daher ist es auch wichtig, dass die Künstlersozialkasse besonders gefördert wird.
Anders als ein selbstständiger Handwerksmeister müssen hier die freischaffenden Versicherten nur die Hälfte ihrer Sozialversicherungsbeiträge selbst zahlen. Der Rest wird zu 30 Prozent von den künstlersozialabgabenpflichtigen Unternehmen und zu 20 Prozent vom Bund getragen. Allerdings verdeutlicht dies auch, dass die eigene Leistungskraft der Künstlersozialkasse begrenzt ist, wenn man die individuelle Förderung pro Künstler nicht einschränken möchte. Genau das aber wäre die Konsequenz des uns heute hier vorliegenden Koalitionsantrags.
Der Antrag der rot-rot-grünen Koalitionsfraktionen ist aus unserer Sicht absolut überflüssig. Dies geht bereits aus der Überschrift des Antrags hervor. Diese suggeriert, dass die Existenz der Künstlersozialkasse gefährdet sei, denn sie sprechen hier von „Erhalt der Künstlersozialkasse“. Hierfür gibt es jedoch keinerlei fundierte Hinweise. Wie kommen Sie eigentlich darauf, dass eine einzelne Meinungsäußerung gleich das gesamte System der Künstlersozialkasse infrage stellen kann? Meiner Fraktion ist nicht bekannt, dass es in der Vergangenheit Versuche gegeben hat, die Künstlersozialkasse abzuschaffen. Auch die Forderungen in Ziffer 2 sind nur Illusionen. Wenn noch mehr Berufsfelder in die Künstlersozialkasse aufgenommen werden sollen, ist zu fragen, wo die Beitragszahlungen herkommen sollen. Letztendlich riskiert man damit, dass die Leistungen reduziert werden. Sie fordern weiterhin eine Klarstellung und Anpassung der Tätigkeitsbereiche. Dabei ist zum einen anzumerken, dass die Künstlersozialkasse laut § 1 und § 2 des Künstlersozialversicherungsgesetzes keine Versicherungspflicht nach Berufen definiert. Zum anderen könnte eine gegebenenfalls unbegrenzte Ausweitung der künstlerischen Tätigkeitsfelder die Versicherung an ihre Grenzen oder gar in den Ruin führen. In diesem Kontext darf mit der Künstlersozialversicherung kein Anreiz zur Auslagerung der Arbeit gesetzt werden. So sollte das normale Arbeitnehmerverhältnis in den meisten Berufen das Ziel bleiben. Eine Ausweitung des Künstlerbegriffs durch Ihre geforderte Klarstellung mit Anpassung der Tätigkeitsbereiche könnte auch hier kontraproduktiv wirken. Weiterhin halten wir die rot-rot-grüne Forderung nach einer Absenkung der Voraussetzung der Aufnahme in die Künstlersozialversicherung für nicht notwendig, da die Geringfügigkeitsgrenze bereits bei 3.900 Euro jährlich, also monatlich 325 Euro liegt. Dabei ist diese Grenze schon sehr gering angesetzt. Auch gilt diese nicht für Berufsanfänger, die sich ihre wirtschaftliche Existenz erst noch erschließen müssen. Für diese hat der Gesetzgeber einen besonderen Schutz vorgesehen. Sie werden auch dann nach dem Künstlersozialversicherungsgesetz in der gesetzlichen Renten-, Kranken- und Pflegeversicherung versichert, wenn sie voraussichtlich nicht das erforderliche Mindestarbeitseinkommen überschreiten werden.
Ebenso die Forderung in Punkt 4, dass auch unständig beschäftigten Künstlerinnen und Publizistinnen der Zugang zur Künstlersozialversicherung erleichtert bzw. überhaupt ermöglicht wird, ist für uns nicht nachvollziehbar. Denn wenn Arbeitnehmer für kurze Zeiträume mal bei diesem, mal bei jenem Arbeitgeber beschäftigt sind, spricht man häufig von unständig Beschäftigten. Sie sind aber grundsätzlich sozialversicherungspflichtig. Ausgenommen ist lediglich die Arbeitslosenversicherung.
Schlussendlich ist auch die Forderung nach einer stärkeren Beteiligung von Amazon und Google zwar schön, aber auch sehr unbestimmt und sehr vage, da sie keine Zusage haben, ob sich die Unternehmen beteiligen. Es ist eher wahrscheinlich, dass diese Forderung ins Leere laufen wird.
Meine sehr geehrten Damen und Herren, zwei Worte vornweg: Herr Brandner, Ihren widerlichen Sexismus können Sie sich sonst wohin stecken, das sage ich Ihnen ganz ehrlich.
(Zwischenruf Abg. Brandner, AfD: Sie haben damit angefangen! Sie haben laut „Hose“ ge- sagt. Schauen Sie in das Protokoll!)
bei uns in der Koalitionsfraktion ist es das nicht. Vielleicht sollten Sie sich mal überlegen, wie Sie hier auftreten. Ich glaube, das ist Ihnen entweder nicht bewusst oder es ist mindestens Absicht, mit welcher Widerlichkeit – und Herr Heym freut sich darüber immer so sehr, da fragt man sich auch, warum das so ist.
Nein, wir müssen das als Frauen hier nicht hinnehmen, dass Sie so etwas hier sagen dürfen – Punkt, Ende, aus!