Protokoll der Sitzung vom 25.03.2015

Köckert hat angekündigt, so lange in Erfurt aufzumarschieren, bis sie die Route laufen können, die sie auch laufen wollen. Das heißt also, da steht uns noch was bevor. Neben den braunen Montagsdemonstrationen finden in Thüringen zahlreiche Veranstaltungen statt. Allein die uns bekannten Konzerte, Veranstaltungen und Aufmärsche müssen uns aufhorchen lassen. Das Spektrum reicht von monatlichen Nazikonzerten in Kirchheim, über Lesungen mit Holocaustleugnern am Tag der Befreiung von Buchenwald in der neuen erworbenen Immobilie von Tommy Frenck in Kloster Veßra bis hin zu den genannten Thügida-Aufmärschen. Am 1. Mai marschieren in Saalfeld Anhängerinnen und Anhänger des „Dritten Weges“, einer Partei, die Neonazis aus Süddeutschland eine neue Heimat bietet. Die meisten von ihnen kommen aus dem im Juli 2014 verbotenen Kameradschaftsnetzwerk „Freies Netz Süd“. „Der Dritte Weg“ vertritt klar nationalsozialistische Positionen und breitet sich derzeit auch in Thüringen aus. Gleichzeitig findet eine Demonstration der NPD in Erfurt statt.

So unterschiedlich die Gruppierungen der extremen Rechten in Thüringen sind, in einer Sache sind die sich mittlerweile sehr einig: ihre klare Ablehnung und Hetze gegenüber Asyl suchenden Flüchtlingen, Migrantinnen und Migranten. Die sonst so gespaltene extrem rechte Szene steht zusammen, wenn es um den rassistischen Grundkonsens ihres Weltbilds geht. Das zeigt auch der Aufmarsch an diesem Montag in Erfurt. Während dort nämlich die extrem rechte Partei NPD und „Der Dritte Weg“ immer noch über die zwei Aufmärsche zum 1. Mai streiten, verteilen Neonazis im Beisein von Mitgliedern des NPD-Landesvorstands Flyer für den Aufmarsch des „Dritten Weges“ in Saalfeld. Die Teilnehmerinnen und Teilnehmer werden dabei angeheizt durch das Landesvorstandsmitglied der NPD Patrick Weber und über allem weht eine Fahne der „Europäischen Aktion“. David Köckert, seines Zeichens Mitglied der NPD in Greiz, ist von Anfang an dabei, wenn es

um die Hetze gegen Flüchtlinge in Thüringen geht. Bereits die ersten Demonstrationen gegen die Unterbringung von Flüchtlingen in Greiz-Pohlitz hat er organisiert und das war bereits im Herbst 2013. Seitdem ist er tatkräftig dabei, wenn Hetze und Rassismus in Thüringen auf die Straße getragen werden. Der Zweite im Bunde, schon erwähnt, Tommy Frenck vom extrem rechten Bündnis „Zukunft Hildburghausen“ hat erst im Dezember 2014 eine Immobilie, eine ehemalige Gaststätte in Kloster Veßra erworben und dort finden nun wöchentlich die sogenannten „Deutschen StammtischAbende“ statt. Ich habe es schon erwähnt, am 11. April, also tatsächlich am Tag der Befreiung des Konzentrationslagers Buchenwald, hat er den Holocaustleugner Günter Deckert zu einer Lesung eingeladen. Der Erwerb des Objekts in Veßra reiht sich dabei in eine ganze Zahl von Häusern der extremen Rechten in Thüringen ein. Sie bieten in der Mitte Deutschlands eine gute Grundlage für diverse Ideologisierungsveranstaltungen. Nicht von ungefähr befinden sich diese Immobilien insbesondere im ländlichen Raum, wo mit wenig Widerstand zu rechnen ist.

Meine sehr geehrten Damen und Herren, insbesondere mit Blick auf die vor zwei Wochen durch ezra veröffentlichten Zahlen von Opfern rechtsextremer und rassistischer Gewalt und die bereits Anfang des Monats veröffentlichten Zahlen zu Übergriffen auf Asylsuchendenunterbringungen in Thüringen sollten wir hier aufhorchen. Der Schulterschluss der extremen Rechten in Thüringen kommt hier nicht von ungefähr und die Zahlen von ezra und auch die Angriffe auf Asylunterkünfte belegen, dass es einen Zusammenhang mit der öffentlichen Hetze gegen geflüchtete Menschen in Bezug auf diese Übergriffe gibt.

Meine sehr geehrten Damen und Herren, Zivilcourage gegen Nazis jeglicher Couleur ist in den letzten Monaten dringender denn je. Doch damit dieser Frühling tatsächlich bunt und nicht braun wird, müssen wir hier alle auch ein Stück weit zusammenstehen, insbesondere die demokratischen Parteien in diesem Hause.

(Zwischenruf Abg. Henke, AfD)

Ich höre Sie leider nicht.

(Zwischenruf Abg. Rothe-Beinlich, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Du hast nichts verpasst!)

(Beifall BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Gut, das habe ich mir fast gedacht. Meine Redezeit ist nämlich auch schon um.

Ich möchte mich zuletzt noch bei allen bedanken, die in den letzten Monaten hier Gesicht gezeigt haben, und von dieser Stelle aus sagen, dass sie auch in den nächsten Monaten auf unsere Unterstützung zählen können.

(Beifall DIE LINKE, SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Danke, Frau Henfling. Nun hat Abgeordneter Stephan Brandner für die Fraktion der AfD das Wort.

Herr Präsident, meine Damen und Herren! Frau Henfling, ich wollte immer schon mal nach Ihnen sprechen. Heute wird mir diese Ehre zuteil, vielen Dank! Ich finde es immer wieder interessant, wie Sie und so ein paar andere es schaffen, in jeder Landtagssitzung alle Neonazis, die in Thüringen kreuchen und fleuchen, namentlich zu nennen. Respekt!

(Beifall AfD)

(Zwischenruf Abg. Rothe-Beinlich, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Das waren leider noch lan- ge nicht alle in Thüringen, Herr Brandner!)

Gibt es noch mehr?

Also, meine Damen und Herren, nicht nur Thüringen ist bunt, sondern auch die Welt. Die Welt schaut heute auf uns, auch, wie mir mitgeteilt wurde – ich sehe mal kurz in die Kamera – aus der bunten Republik Südafrika. Dort in der Curro-Serengeti-Schule in Johannesburg wird angeblich diese Plenarsitzung verfolgt und wir wollen uns doch alle benehmen und sehen, Herr Mohring, dass wir gut in die Öffentlichkeit wirken. Also einen herzlichen Gruß nach Südafrika, ein Hallo and Goeiedag, sagt man auf Afrikaans, glaube ich,

(Beifall AfD)

vor allem an die charmante Hannelie Joanna Edwards in Südafrika.

Meine Damen und Herren, Thüringen zeigt Gesicht gegen Extremismus und ist auch gegen Extremismus. Das ist aus unserer Sicht prima.

(Beifall AfD)

Auch wir als AfD sind dabei.

(Zwischenruf Abg. Dittes, DIE LINKE: Wie, die AfD schafft sich ab?)

Extremistische Positionen und Handlungen sind nämlich niemals gut.

Wenn wir uns allerdings über Extremismus unterhalten, müssen wir auch wissen, worüber wir reden. Extremistische Positionen sind gekennzeichnet durch einen – jetzt hören Sie gut zu! – sehr engen Tunnelblick auf die Welt und deren Geschehen und die Unfähigkeit, andere Meinungen neben der eigenen auch nur anzuhören, geschweige denn zu tolerieren. Extremismus setzt rücksichtslos die eigenen Irrwege durch, das ist aus meiner Sicht eine Art

Neurose, die sich da abspielt. Das ist Dogmatismus in übersteigerter Form. Ein eingebildeter Wahrheitsanspruch gilt vollkommen und unumstößlich als das einzige Wahre. Das ist Extremismus.

(Beifall AfD)

(Unruhe BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Das lässt bei mir die Frage aufkommen – auch an Frau Rothe-Beinlich –, wieso Thüringen und dieser Landtag kein Gesicht gegen alle Auswüchse des Extremismus zeigen sollen, also auch gegen Linksextremismus,

(Beifall AfD)

der es ja in der vergangenen Woche – und ich knüpfe da an Ihr Thema an – recht bunt getrieben hat. Polizisten wurden grün und blau geprügelt,

(Zwischenruf Abg. Rothe-Beinlich, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Wo denn hier in Thürin- gen?)

gelb loderten die Polizeiwagen, schwarzer Mob wütete unter farbigen Fahnen, rot dominierte, grünes und rotes Führungspersonal empfand zumindest klammheimliche Freude über die Außendienstler und Prügeltruppen aus der Antifa- und BlockupyEcke. So sieht das nämlich bei Ihnen aus.

(Zwischenruf Abg. Rothe-Beinlich, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Sie müssen es ja wissen!)

Das war die Überwindung der Diktatur des Proletariats, das war die blanke Diktatur der Straßenchaoten, das war Extremismus in Reinform und dagegen sind wir doch wohl alle, oder nicht?

(Beifall CDU, AfD)

Jetzt steht hier auf meinem Zettel, eigentlich hatte ich jetzt auch auf Zustimmung von links gewartet. Darauf warte ich immer noch. Ich jedenfalls stehe hier und zeige mein Gesicht, Frau Henfling, auch wenn Sie es vielleicht nicht mögen. Ich zeige mein Gesicht auch gegen Linksextremismus, wenn ich hier stehe.

(Zwischenruf Abg. Rothe-Beinlich, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Ist klar, Sie treten ja auch mit Nazis zusammen auf!)

„Der Frühling wird bunt“, liebe Fraktion der Grünen. „Der Frühling wird bunt“, steht im Titel dieser Aktuellen Stunde. Was soll das nun bedeuten oder heißen? Schwarz und weiß können dabei ja keine Rolle spielen, handelt es sich doch, wie wir hoffentlich alle wissen, bei schwarz und weiß um sogenannte unbunte Farben. Grau ist übrigens auch so etwas. Googeln Sie mal, habe ich vorhin selber gemacht. Braun geht auch nicht, gehört auch nicht zu bunt, das steht ja auch im Titel dieser Stunde. Mischen wir aber alle anderen Farben, die übrig bleiben, ergibt sich grau. Das ist wieder etwas Unbuntes. Also wir wissen nicht genau, was Sie wollen. Teilmi

(Abg. Henfling)

schungen helfen auch nicht weiter. Gestern Abend habe ich einem meiner vielen Kinder zugeschaut, wie er mit dem Wasserfarbkasten gespielt hat. Er mischte rot und grün, und wissen Sie, was rauskam? Braun. Ich dachte, das kann doch nicht wahr sein.

(Beifall AfD)

Ich habe ein bisschen mehr rot dazu geschüttet und was kam raus? Rötliches Braun. Das geht ja wohl auch nicht. Sie sehen also, Sie lassen mich hier völlig verzweifelt zurück mit Ihrer komplizierten und wohl wenig durchdachten Farbenlehre.

(Zwischenruf Abg. Rothe-Beinlich, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Ihre inhaltsleere Farben- lehre können Sie stecken lassen!)

Aber ich bin guter Hoffnung, dass Sie mir im Laufe dieser Sitzung noch weiterhelfen. Danke schön.

(Beifall AfD)

Vielen Dank, Herr Abgeordneter Brandner. Das Wort hat nun die Abgeordnete Lehmann für die SPD-Fraktion.

Sehr geehrter Herr Präsident, sehr geehrte Damen und Herren Abgeordnete, liebe Gäste! Wir haben in den vergangenen Wochen und Monaten – Madeleine Henfling hat es schon angesprochen – in Art und Umfang rechtsextreme und rassistische Aufmärsche in Thüringen erlebt, wie wir das aus den Vorjahren schlicht und ergreifend nicht kennen; die waren mal mehr und mal weniger erfolgreich. Eins ist sicherlich wichtig und es ist auch gut, das immer zu betonen, dass, wo auch immer Nazis waren, auch immer organisierte Bürgerinnen und Bürger waren, dort waren Vereine, Verbände vor Ort, es sind Gegenaktivitäten gezeigt worden und es ist eben auch gezeigt worden: Hier ist kein Platz für Nazis. Das ist auch erst mal erfreulich und es macht auch Mut für die Arbeit, die wir hier machen. Ich kann Sie beruhigen, Herr Brandner, wenn ich an die Gegendemonstrationen in Suhl denke in den vergangenen zehn Wochen – und die Kolleginnen und Kollegen hier aus dem Haus, die da waren, wissen das auch –, die waren immer friedlich, die waren immer bunt und die haben immer gezeigt, dass die Menschen dort keine Nazis wollen.

Es gibt aber einen anderen Punkt, der mir Sorgen macht, und das sind rechte Einstellungen; die sind in den vergangenen Jahren nicht weniger geworden, sondern eher mehr. Wenn wir an die Ergebnisse des Thüringen-Monitors denken, wir haben sie vor wenigen Wochen hier gehört. 48 Prozent der Thüringerinnen und Thüringer, also beinahe jeder Zweite, sagen, dass die Bundesrepublik durch die

vielen Ausländer überfremdet wird; wenn 55 Prozent der Thüringerinnen und Thüringer sagen, Muslime würden in Deutschland zu viele Forderungen stellen, dann ist das, glaube ich, ebenfalls einfach problematisch. Das geht noch einmal weit über das hinaus, was wir mit dem Demonstrationsgeschehen erleben. Das sind eben nicht nur verfestigte Nazis, das sind nicht nur Abgehängte, das ist nicht nur das Prekariat, sondern das sind Menschen, die mitten in der Gesellschaft stehen. Das sieht man auch, wenn man sich die Milieuauswertung zum Thüringen-Monitor ansieht. Da sieht man nämlich, dass lediglich 17 Prozent aller Thüringerinnen und Thüringer keine Vorurteile und keine Ressentiments gegen Ausländer haben oder keine nationalsozialistischen Einstellungen. Das zeigt einfach, wie groß der Handlungsdruck ist, den wir hier ganz real haben. Ein anderes aktuelles Beispiel ist die Befragung des Ortsteilrats in Gera-Liebschwitz zur Erstaufnahmestelle in Gera. Dort gab es die Möglichkeit, der Aussage „Für den Fall, dass in Gera-Liebschwitz bis zu 150 Asylbewerber aufgenommen werden, bin ich für eine Willkommenskultur, die auf ein verträgliches Miteinander ausgerichtet ist“ zuzustimmen. Dieser Aussage haben von 234 Befragten drei zugestimmt. Es geht nicht um die 150 Asylbewerber, sondern es geht um die Aussage, dass man eine Willkommenskultur leben will. Das zeigt uns, wie groß der Handlungsdruck ist, den wir haben. Wegen genau dieser Beispiele – die kennen wir nämlich nicht erst seit den letzten Wochen und Monaten, die kennen wir schon seit vielen Jahren – bin ich auch froh, dass die Landesregierung schon im vergangenen Jahr das Landesprogramm für Demokratie, Toleranz und Weltoffenheit eingeführt hat und dass hier Projekte und Organisationen unterstützt werden, die sich gegen Rechtsextremismus engagieren und sich das auf die Fahne geschrieben haben. Auch deswegen haben wir gesagt, vor dem Hintergrund dieser aktuellen Probleme, die wir haben, wenn wir über Flüchtlingspolitik reden, wenn wir über Sügida und Thügida reden, dass wir das Landesprogramm weiterentwickeln wollen, dass wir es genau an diese Herausforderungen anpassen wollen und dass wir eben auch eine finanzielle Aufstockung vornehmen müssen.