Herr Möller, Jahrgang 75, im Osten geboren, entschuldigen Sie – Sie haben null Erfahrung, wirklich null Erfahrung,
Werte Kolleginnen und Kollegen, wir haben das Gaststättengesetz ausführlich und unter Einbindung zahlreicher Akteure in den Ausschüssen diskutiert. Dabei ist eines klar geworden: Wir können es nicht jedem recht machen, aber es besteht ein allgemeiner Grundkonsens, dass die Regelungen richtig und notwendig sind. Eigenartigerweise sahen einige Anzuhörende gerade den Diskriminierungsschutz als nicht sonderlich dringend an. So würde das Allgemeine Gleichstellungsgesetz, das AGG, bereits jetzt hinreichend vor Diskriminierung schüt
zen. Ich glaube, meine Ausführungen eingangs zeigen sehr deutlich, dass es das eben nicht tut. Dem ist nach unserer Ansicht aber nicht so, ganz im Gegenteil. Die Best-Practice-Beispiele aus Niedersachsen – und hier möchte ich wirklich das Beispiel aus Hannover nehmen – zeigen doch, dass eine erfolgreiche praktische Umsetzung möglich ist. Thüringen kann als drittes Bundesland eine Vorreiterrolle beim Diskriminierungsschutz übernehmen, das möchte ich hier noch einmal deutlich hervorheben. Die CDU sah das im Ausschuss mitunter anders und hat darauf verwiesen, dass das Allgemeine Gleichstellunggesetz einen hinreichenden Schutz bieten würde. Leider ist das nicht richtig. Das Allgemeine Gleichstellungsgesetz verbietet Benachteiligungen in zivilrechtlichen Schuldverhältnissen. Zu einem solchen Schuldverhältnis kommt es aber am Eingang von Diskotheken zwischen Gast und Betreiber und der beauftragten Sicherheitsfirma. Außerdem, auch das habe ich Ihnen eben schon geschildert, scheuen diskriminierte Gäste den Gang vor Gericht, da sie zunächst selbst das Kostenrisiko tragen müssten, solche Verfahren sich bei einer sehr kurzen Klagefrist dann noch lange hinziehen und es zudem schwierig ist, überhaupt einen Rechtsbeistand zu finden, der sich mit dem AGG ausreichend auskennt.
Es geht, sehr geehrte Damen und Herren, auch nicht darum, den Geschädigten einen Schadenersatz in Form von Geld zu zahlen, sondern es geht schlicht und ergreifend und im Kern um ein diskriminierungsfreies Leben in allen Bereichen unseres Landes und auch vor Diskotheken.
Dieses Ziel erreichen wir aber nur präventiv, und zwar mit genau diesem Gesetz. Wenn dann aber gesagt wird, es gäbe keine bekannten Fälle von Diskriminierung, dann verweise ich hier noch einmal ausdrücklich auf die Anhörung, denn auch da wurden konkrete Beispiele aufgeführt. Beispielsweise aus der Erfurter AG „Toleranz und Vielfalt der Studierenden“ und der Testing-Aktion des Menschenrechtsbüros in Nürnberg aus dem Jahr 2014, wo in vier von fünf Diskotheken gegen ein Diskriminierungsverbot verstoßen wurde.
Ein Missbrauch des Gesetzes ist quasi auszuschließen, da überhaupt kein Anreiz besteht, missbräuchliche Anzeigen zu erstatten, da daraus für denjenigen kein geldwerter Vorteil entsteht. Außerdem würden diese Fälle spätestens bei den Ermittlungen durch das Ordnungsamt aufgedeckt werden. Aber auch ein Mehraufwand für die Ordnungsämter wurde beispielsweise durch die Stadt Hannover eben nicht bestätigt. Ganz im Gegenteil waren die Ordnungsämter eher froh darüber, dass sie auf einer sicheren Rechtsgrundlage nach
pflichtgemäßem Ermessen nun endlich reagieren konnten. Tests, ob sich die Diskriminierungsrate an den Eingängen der Diskotheken vermindert, müssen auch nicht zwangsläufig von den Ordnungsämtern durchgeführt werden, sondern können auch von anderen Akteuren übernommen werden, die mit den Behörden zusammenarbeiten. Was die Höhe von Bußgeldern angeht, muss jede Stadt für sich selbst entscheiden und wird dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit sicherlich dort auch Folge leisten.
Es ist auch nicht richtig, dass dadurch in das Hausrecht der Diskothekenbetreiber eingegriffen würde. Es wird stattdessen auf ein solides gesetzliches Fundament gestellt, bei dem niemand diskriminiert werden soll. Die Betreiber von ihnen beauftragter Sicherheitsfirmen sind nun gefragt, ihr Verhalten entsprechend zu optimieren, und es scheint auch – das zeigt die Erfahrung – zu funktionieren. Verwundert hat mich allerdings die Stellungnahme der DEHOGA, die davon ausgeht, dass Thüringen hier keine Handlungskompetenz besäße. Aber selbstverständlich haben die Länder diese Kompetenz, was man gerade an den Regelungen in Niedersachsen und Bremen sehen kann. Auch wird das AGG mit der Gesetzgebung nicht ausgehebelt, sondern besteht parallel weiter fort. Jeder hat weiterhin die Möglichkeit, zivilrechtliche Ansprüche einzuklagen.
Ich möchte noch einmal zusammenfassen: Diskriminierung ist entwürdigend, fördert den Frust bei den Beteiligten, gerade weil es um die Ausgrenzung von Jugendlichen und jungen Erwachsenen geht. Eine solche Form von Diskriminierung fördert die Entstehung von Parallelgesellschaften. Gerade das wollen wir hiermit verhindern.
Jetzt habe ich die Glücksspielautomatenregelung und das Bäckereihandwerk etwas zu kurz kommen lassen. Ich möchte zumindest noch auf einen Punkt eingehen. Der mittlerweile zurückgezogene Antrag des Kollegen Gentele – das haben wir jetzt ausführlich gehört –, die Glücksspielautomaten an Autobahnraststätten in die Regelung mit einzuschließen, finden wir von Bündnis 90/Die Grünen vom Grundsatz her sinnvoll. Es ist ausgeführt worden, dass die Regelungskompetenz leider in diesem Falle nicht bei uns, sondern beim Bund liegt. Deshalb bedauere ich es ausdrücklich, dass wir diesen Aspekt unberücksichtigt lassen müssen, und hoffe, dass suchtkranke Glücksspieler diese Möglichkeit nicht als eine der vielleicht letzten Möglichkeiten in Betracht ziehen. Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.
Aus den Reihen der Abgeordneten gibt es eine weitere Wortmeldung vom Kollegen Harzer, Fraktion Die Linke.
Sehr geehrte Frau Präsidentin, erst einmal Glückwunsch zur Wahl! Liebe Kolleginnen und Kollegen der demokratischen Fraktionen, ich habe mich kurzfristig entschlossen, ans Rednerpult zu gehen, und zwar wieder wegen einer alltäglichen Diskriminierung. Herr Möller von der AfD hat vorhin seine Rede damit eröffnet, dass er die Vorredner des Autismus bezichtigt hat. Auch das ist eine Diskriminierung, das ist eine alltägliche Diskriminierung. Autismus ist eine Krankheit, Herr Möller. Wenn Sie jemanden in der Familie hätten, der autistisch erkrankt ist, dann wüssten Sie, wie bescheiden diese Krankheit ist
und dass es sowohl von Menschen, die nicht reden können, die in eine Ganztagsbetreuung gehen, bis zum Computernerd die unterschiedlichsten Formen von Autismus gibt, und dass Sie damit Menschen diskriminieren, Menschen beleidigen, die an dieser Krankheit erkrankt sind, die autistische Störungen haben,
ihnen quasi Dummheit unterstellen, ihnen Unfähigkeit unterstellen – das ist Ihre Aussage hier. Das ist alltägliche Diskriminierung. Das zeigt, wie wichtig in diesem Gesetz die Regelung ist, um Diskriminierung aus dieser Gesellschaft zu verbannen.
Sie machen das hier an diesem Rednerpult schon mit Ihrem ersten Satz und diskriminieren Menschen, die krank sind, Herr Möller. Denken Sie mal darüber nach. Das ist menschenverachtend, was Sie hier sagen. Das ist unmenschlich, das ist unter aller Würde für dieses Haus, was Sie hier präsentieren,
dass Sie den Menschen einfach unterstellen, nur weil sie krank sind, wären sie schlechte Menschen. Danke.
Aus den Reihen der Abgeordneten sehe ich keine weiteren Wortmeldungen mehr. Dann hat für die Landesregierung Minister Tiefensee das Wort.
Frau Präsidentin, liebe Abgeordnete, meine sehr verehrten Damen und Herren! Es ist mehrfach angesprochen worden, das Gesetz regelt drei Punkte. Sie erlauben mir, da ich einen Konsens bei den demokratischen Parteien sehe, die ersten beiden Punkte beiseite zu lassen,
nämlich die Frage der Regelung für die Spielhallen bzw. für Gaststätten und auf der anderen Seite die Bäckereien und Cafés.
Ich würde ganz gern auf den dritten Punkt, nämlich die Fragen der Ordnungswidrigkeiten, zu sprechen kommen. Da es mehrfach angesprochen worden ist, dass das in der Verantwortung der Staatskanzlei vorangetrieben wurde, würde ich ganz gern namens der Landesregierung zu diesem Punkt noch einmal kurz Stellung nehmen dürfen. So wie in Niedersachsen und Bremen schätzt die Landesregierung ein, dass es nicht ausreicht, was wir momentan an Schutz vor diskriminierenden Handlungen im Hinblick auf ethnische und religiöse Zugehörigkeit in der Hand haben. Diskriminierung allein dem Anwendungsbereich des Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetzes und damit dem Zivilrecht zu überlassen, reicht nicht. Die Bedenken gegen eine weitere Sanktionsnorm sind gründlich abgewogen worden. Das steht im Übrigen gegen die Meinungen mancher Redner, die meinten, dass wir nicht abgewogen hätten. Nach Auffassung der Landesregierung muss es die Möglichkeit geben, durch entsprechende Anzeigen bei staatlichen Stellen zumindest künftig Schutz zu erhalten. Dem trägt nun der vorgeschlagene Ansatz Rechnung. Das Gaststättengesetz knüpft wesentlich an das Tatbestandsmerkmal der gewerberechtlichen Zuverlässigkeit an. Deshalb ist die Behauptung, unsere Gastronomen würden hier unter den Generalverdacht der Diskriminierung ihrer eigenen Kunden gestellt, abwegig. Vielmehr obliegen die Ermittlungen im Einzelfall den Behörden, da der bußgeldbewehrte Ordnungswidrigkeitentatbestand bei der Diskriminierung wegen Ethnie und Religion schuldhaftes Handeln voraussetzt. Die Behörden besitzen zudem hinreichend Professionalität, die hier zum Teil problematisierten, möglicherweise missbräuchlichen Anzeigen, etwa von Konkurrenten, in den von Amts wegen durchzuführenden Ermittlungen zu würdi
gen. Die Landesregierung verkennt aber nicht, dass die für das Betreiben eines Gaststättengewerbes Verantwortlichen sowie die zuständigen Ordnungsbehörden nicht alleingelassen werden dürfen. Es gilt also, nicht nur zu sensibilisieren, sondern den Akteuren auch größtmögliche Handlungssicherheit zu geben. Deshalb sind neben Schulungen, die zum Themenbereich unter anderem durch die IHKs angeboten werden, weitere Anstrengungen nötig, beispielsweise in Form von Vertragsklauseln mit Sicherheitsunternehmen zur Personalschulung oder in Form gemeinsamer Zertifizierung im Sicherheitsgewerbe.
Meine Damen und Herren, Ziel muss es sein, dass die vorgelegte Änderung erst gar nicht zur Anwendung kommen muss. Hoffen wir, dass sie ihre Signal- und Stoppfunktion entsprechend ausfüllt. Ich bitte um Zustimmung zum Gesetzentwurf. Vielen Dank.
Zunächst wird über den Änderungsantrag der Fraktion der CDU in Drucksache 6/4548 abgestimmt. Wer diesem Änderungsantrag zustimmt, den bitte ich um das Handzeichen. Das ist die Fraktion der CDU. Wer stimmt gegen diesen Änderungsantrag? Das sind die restlichen Fraktionen und der fraktionslose Abgeordnete Krumpe. Wer enthält sich? Abgeordneter Gentele. Damit ist dieser Änderungsantrag abgelehnt.
Wir kommen dann zur Abstimmung über die Beschlussempfehlung des Ausschusses für Wirtschaft und Wissenschaft in Drucksache 6/4511 unter Berücksichtigung des Ergebnisses der Abstimmung von eben. Wer der Beschlussempfehlung des Ausschusses zustimmt, den bitte ich um das Handzei
chen. Das sind die Koalitionsfraktionen und die fraktionslosen Abgeordneten Krumpe und Gentele. Wer ist gegen die Beschlussempfehlung des Ausschusses? Die Fraktionen der CDU und der AfD. Damit ist die Beschlussempfehlung des Ausschusses angenommen.
Wir stimmen jetzt ab über den Gesetzentwurf in der Drucksache 6/3684 in zweiter Beratung unter Berücksichtigung des Ergebnisses der Abstimmung über die Beschlussempfehlung in der Drucksache 6/4511. Wer ist für den Gesetzentwurf? Das sind erneut die Koalitionsfraktionen und die fraktionslosen Abgeordneten Krumpe und Gentele. Wer ist gegen den Gesetzentwurf? Die Fraktionen von CDU und AfD. Wer enthält sich? Keine Enthaltungen.
Wir kommen jetzt zur Schlussabstimmung, dazu bitte ich Sie, sich jeweils von Ihren Plätzen zu erheben. Wer dem Gesetzentwurf in der Schlussabstimmung zustimmt, den bitte ich, sich zu erheben. Das sind erneut die Koalitionsfraktionen, der Abgeordnete Gentele und der Abgeordnete Krumpe. Wer stimmt gegen diesen Gesetzentwurf? Das sind die Fraktionen von CDU und AfD. Damit ist der Gesetzentwurf angenommen.
Ich schließe diesen Tagesordnungspunkt und gleichzeitig auch die heutige Sitzung und lade Sie herzlich ein, morgen um 9.00 Uhr zur 95. Plenarsitzung wieder hier zu sein. Ich erinnere noch mal an den parlamentarischen Abend des Landessportbunds, der um 19.30 Uhr beginnt. Kommen Sie gut durch die Nacht.