Protokoll der Sitzung vom 28.09.2017

(Präsident Carius)

Aufgabe des GKDZ wird es insbesondere sein, Daten aus der polizeilichen Telekommunikationsüberwachung aufzubereiten und den polizeilichen Ermittlern in auswertbarer Form zur Verfügung zu stellen. Dabei werden – wie ich betonen möchte – keine hoheitlichen Kompetenzen abgegeben. Wir haben bewusst ein Modell gewählt, welches die volle Verantwortung der Landesregierung für das gewährleistet, was das GKDZ regelmäßig auf richterlichen Beschluss für die Polizei und die Staatsanwaltschaften erledigt. Die Anstalt wird die Trägerländer nämlich im Rahmen der Auftragsdatenverarbeitung unterstützen. Es werden also keine vollzugspolizeilichen Befugnisse an die Anstalt übertragen und keine neuen Kompetenzen erteilt. Das GKDZ darf für die Thüringer Polizei also nur solche Maßnahmen umsetzen, die nach dem in Thüringen geltenden Bundes- und Landesrecht zulässig sind. In kurzen Worten: Die Anstalt darf nicht mehr, aber sie macht es besser und billiger.

Sehr geehrte Damen und Herren, damit möchte ich mich noch einmal dem wichtigsten Punkt, den Kosten, widmen. Wir haben für das Vorhaben von einer externen Beraterfirma eine Wirtschaftlichkeitsbetrachtung nach anerkannten Maßstäben des Bundesministeriums des Innern anfertigen lassen. Diese weist nach, dass es günstiger ist, wenn sich fünf Länder die Aufwendungen für Technik und Fachpersonal teilen. Allein im Bereich der Investitionen zur Errichtung des GKDZ wird in den nächsten fünf Jahren eine Einsparung bei allen Trägerländern gemeinsam in Höhe von circa 10,7 Millionen Euro prognostiziert. Mit der geplanten Inbetriebnahme des GKDZ im Jahr 2019 sinken die jährlichen Betriebskosten im Vergleich zur Länderlösung um circa 32 Prozent. Dabei ist gleichzeitig eine technische Verbesserung der polizeilichen TKÜ der Trägerländer zu erwarten. Darüber hinaus fallen nicht monetäre Vorteile des GKDZ möglicherweise noch ungleich stärker ins Gewicht. Hier ist zum Beispiel an die Gewinnung der auch von der Privatwirtschaft stark umworbenen IT-Spezialisten zu denken, die im Rahmen des Gemeinschaftsprojekts eingebunden werden können, was den Ländern bei einer einzelnen Projektierung wohl nicht möglich gewesen wäre.

Sehr geehrte Damen und Herren, Sie sehen also, dass der Freistaat Thüringen durch das Gemeinschaftsprojekt nicht unerhebliche Mittel einsparen wird. Keineswegs werden dadurch jedoch die Kontrollmöglichkeiten sowohl aufseiten der Landesregierung oder des Parlaments begrenzt. Dies ist mir wichtig herauszustellen und deshalb begrüße ich den Entschließungsantrag der Regierungsfraktionen ausdrücklich, der beispielsweise die Gewährleistung der parlamentarischen Kontrolle des GKDZ zugleich herausstellt und einfordert. Dies ist für die Landesregierung selbstverständlich und wird sichergestellt werden. Zudem wird die Landesregie

rung den Landtag über die weitere Entwicklung und Schritte während des Errichtungsprozesses regelmäßig informieren und eingebunden halten.

Herausstellen möchte ich in diesem Zusammenhang auch einen dritten Punkt: Genauso selbstverständlich werden im Zusammenhang mit dem GKDZ die Regelungen und Vorgaben des Datenschutzes auf Bundes- und Landesebene beachtet und eingehalten werden. Hierzu wird sich die Landesregierung insbesondere auch mit dem Thüringer Landesbeauftragten für den Datenschutz und die Informationsfreiheit abstimmen.

Sehr geehrte Damen und Herren, ich hoffe, Ihnen die wesentlichen Inhalte, Hintergründe und Zusammenhänge des Vorhabens mit meinen Ausführungen dargelegt zu haben. Es ist ein sehr wichtiges Vorhaben für unser Land und die Sicherheit unserer Bürgerinnen und Bürger. Ich darf Sie sehr herzlich um Ihre Unterstützung und Zustimmung bitten; so können wir unseren Freistaat gemeinsam noch sicherer machen. Herzlichen Dank.

(Beifall DIE LINKE, SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Vielen Dank, Herr Innenminister. Wünscht jemand aus den Koalitionsfraktionen das Wort zur Begründung des Entschließungsantrags? Das sehe ich nicht. Es gibt keine Begründungswünsche, sodass wir direkt in die Beratung einsteigen. Ich erteile zunächst dem Abgeordneten Henke für die AfD-Fraktion das Wort.

Sehr geehrter Herr Vorsitzender, werte Abgeordnete, werte Gäste! Erst mal meinen Dank an den Herrn Innenminister Maier für den Vortrag. Wir reden ja hier über ein Gesetz, dass nun schon vor drei/vier Jahren selbst von der alten CDU-Regierung damals eingebracht wurde und schon lange in der Beratung ist. Es wird langsam Zeit, dass wir da zu Potte kommen. Die AfD im Landtag steht für eine umfassende Aufklärung über das geplante Gemeinsame Dienstleistungszentrum für polizeiliche Telekommunikationsüberwachung. Davon zeugen drei Kleine Anfragen, davon eine an den Datenschutzbeauftragten, und zwei Anträge auf Selbstbefassung im Innen- und Kommunalausschuss. Wir werden auch die Umsetzung des Vorhabens konstruktiv kritisch begleiten. Es gilt, zwischen dem legitimen Grundrechtsschutz der Bürger und der Privatsphäre, ein schutzwürdiges Gut, und dem ebenfalls legitimen Bedürfnis unserer Sicherheitsorgane nach einer technischen Waffengleichheit im Kampf gegen die Kriminalität abzuwägen. Die Kriminellen nämlich schlafen nicht. Jedenfalls verschlafen sie nicht die technische Entwicklung.

(Minister Maier)

Um es vorwegzunehmen: Wir finden, dass diese Abwägung im vorliegenden Gesetzentwurf der Landesregierung ganz gut gelungen ist. Unsere Fragen und Kritikpunkte sind umfänglich berücksichtigt worden. So wird gemäß § 13 der gesetzlich normierte Zugriff der Polizei auf die Datensätze der polizeilichen Telekommunikationsüberwachung nicht erweitert. Es soll keine schleichende Ausweitung der Telekommunikationsüberwachung durch die Hintertür zugelassen werden. Die Trennung der Speicherbereiche hat nicht nur nach Bundesländern, sondern darüber hinaus auch nach repressiven und so weit nach jeweiligem Landesrecht zulässigen präventiven Maßnahmedaten zu erfolgen. Schließlich soll der Zugriff auf die Daten nach den beteiligten Bundesländern getrennt erfolgen. Die Zugriffsregelungen sollen ausschließlich dem jeweilig zuständigen Landesbeamten einen Zugriff zur Maßnahmenachbearbeitung im Einzelfall und nicht darüber hinaus eröffnen. Für die datenschutzrechtliche Kontrolle ist unser bewährter Landesdatenschutzbeauftragter verantwortlich.

Was hingegen der Klärung bedarf, ist die Speicherfrist. Unter § 14 heißt es dazu: „Datenbestände und Kopien von Daten, die im Zuge der Verarbeitung temporär angelegt werden, sind zum frühestmöglichen Zeitpunkt zu löschen.“ Nun kann man sich zu Recht fragen, was der frühestmögliche Zeitpunkt ist. Da besteht durchaus auch im Sinne der Rechtsklarheit noch Klärungsbedarf.

Auch die Umsetzung wird sich problematisch gestalten. Nach den letzten vorliegenden Zahlen, die wir durch unsere Kleine Anfrage rausbekommen haben, sind mit Stand zum 31. Mai im Polizeivollzugsdienst 714 Dienstposten unbesetzt. Das entspricht 11 Prozent aller Dienstposten. Hinzu kommen die eingeschränkt dienstfähigen und dienstunfähigen Polizeibeamten. Das sind noch mal 564 Polizeivollzugsbeamte bzw. fast 9 Prozent aller Dienstposteninhaber. Der Personalnotstand bei unserer Landespolizei ist erschreckend. Im Polizeivollzugsdienst, also auf der Straße, fehlt so gut wie jeder fünfte Polizeibeamte. Für das neue Dienstleistungszentrum werden höchstwahrscheinlich Polizeivollzugsbeamte abgeordnet, die dann wiederum auf der Straße fehlen. Die Landesregierung ist aufgefordert, uns darüber aufzuklären, wie viele es sein werden, von welchen Dienststellen die Abordnungen erfolgen und wie sie kompensiert werden sollen. Klar ist, wenn die Tischdecke zu klein ist, hilft es nichts, sie andersherum zu legen. Gegen den Personalnotstand bei unserer Polizei hilft nur ein umfassender Personalaufbau, der natürlich nicht von heute auf morgen erfolgen kann.

(Beifall AfD)

Dazu werde ich bei der Behandlung unseres Antrags „Personalnotstand in der Landespolizei besei

tigen – Feldjäger und Informatiker für unsere Polizei“ ausführlich Stellung nehmen.

Um es zusammengefasst zu sagen: Wir werden die Umsetzung des Dienstleistungszentrums weiterhin kritisch begleiten und unseren Datenschutzbeauftragten in diese Begleitung einbeziehen. Wir werden Sie unterstützen. Vielen Dank.

(Beifall AfD)

Danke schön, Herr Henke. Als Nächste hat Abgeordnete Marx für die SPD-Fraktion das Wort.

Herr Präsident, verehrte Kolleginnen und Kollegen, zunächst einmal herzlichen Dank auch noch mal an Minister Maier für die Einführung in dieses Gesetzeswerk. Denn es ist in der Tat so, dass wir im Vorfeld einige Fragen diskutiert haben. Eine wichtige Frage war natürlich auch: Ist es denn überhaupt wirtschaftlich, eine solche Stelle zusammenzulegen? Zunächst einmal erscheint das ja beim ersten Überlegen vielleicht eine noch nicht naheliegende Frage, weil man denkt, klar, wenn man was zusammen macht, ist es immer billiger. Aber der Teufel liegt hier im Detail. In der Tat müssen verschiedene Rechtsvorgaben verschiedener Bundesländer, verschiedene Polizeiaufgabengesetze, verschiedene Ermächtigungsgrundlagen technisch zusammengeführt werden bzw. gerade nicht technisch zusammengeführt werden. Deswegen hat zwar dieses Gemeinsame Dienstleistungszentrum dann eine Hardware, die für alle Länder zuständig sein soll, die muss aber in ihrer Anwendung im Einzelfall getrennt sein. Deswegen hat sich schon die Frage gestellt: Ist der Aufwand, der dann auch wieder für die Datensicherheit und für die Abtrennung der einzelnen Bereiche zu betreiben ist, im Ergebnis wirklich kostengünstiger? Oder wäre es nicht möglicherweise sicherer, datensicherer und anwendungssicherer auch für die Rechtskreise in den einzelnen Ländern, weil es eben Ländersache ist, Polizeiaufgabengesetze zum Beispiel festzulegen, wäre es da nicht doch einfacher, man belässt es bei der bisherigen Ländertrennung? Deswegen kann man hier anders als bei anderen Kooperationsvereinbarungen in Sicherheitsfragen nicht von vornherein sagen, dass wir das – klar – alles zusammen machen, sondern dazu bedarf es einer Reihe von einzelnen Regelungen.

Es ist richtig – der Einwurf kam ja vorhin schon als Zwischenruf –, dass es in Thüringen ein bisschen gedauert hat, bis der Staatsvertrag unterschrieben wurde. Ich möchte aber gleich hier sagen, wenn es dazu kommt – und es sieht danach aus –, dass wir morgen hier diesem Staatsvertrag zustimmen, dann sind wir in Thüringen die Ersten, die diesen Staats

(Abg. Henke)

vertrag quasi ratifizieren. Das heißt, wir haben dann die anderen Bundesländer wieder eingeholt und von daher müssen wir hier nicht von irgendeiner Verzögerung reden.

Zu den einzelnen Punkten, die uns wichtig scheinen, liegt Ihnen ja ein gemeinsamer Entschließungsantrag der Koalitionsfraktionen vor und dazu werden die Kollegen sicherlich auch noch einiges ausführen. Ich möchte nur mal ein paar Punkte herausgreifen. Wir haben eben hier ein paar Leitplanken eingezogen, die wichtig und unverzichtbar sind, damit dieses gemeinsame Datenerhebungszentrum auch wirklich rechtskonform funktionieren kann. Das Erste ist natürlich auch, ich habe das bereits angesprochen, die technischen Voraussetzungen zu klären, dass wir nicht nur Abtrennungen von bestimmten Rechtsbereichen haben, dass wir auch wichtige organisatorische Maßnahmen ergreifen müssen, „um Unbefugten den Zutritt zu den Verarbeitungsanlagen, um unbefugte Zugriffe auf Datenträger zu verwehren, um die unbefugte Eingabe von personenbezogenen Daten und die unbefugte Kenntnisnahme, Veränderung und Löschung von gespeicherten personenbezogenen Daten sowie die Nutzung automatisierter Verarbeitungssysteme mit Hilfe von Einrichtungen zur Datenübertragung durch Unbefugte zu verhindern“. Dieser lange Absatz betrifft einen wichtigen Rechtsbereich, das ist der Bereich der Datensicherheit. Die Datensicherheit ist mittlerweile zu einem vielleicht sogar tragenden Bestandteil des Bereichs des Datenschutzes geworden, nämlich betreffend den Schutz vor einem Eindringen Unbefugter in auch legitim entstandene Datensammlungen und auch den Schutz der Identität gespeicherter Daten, das heißt, jemand von außen, der unbefugt zugreift, kann nicht nur Daten abziehen, die ihm nicht zustehen, er kann unter Umständen auch Daten verändern. Das sind sehr wichtige technische Dinge, die im Rahmen der Datensicherheit zu klären sind, dass man die Sensibilität solcher Systeme auch entsprechend nach außen abdeckt, und das wird natürlich umso schwieriger und die Anforderungen werden höher, wenn ich mehrere Landesbehörden zusammenlege und dann entsprechend auch sehr viel mehr Datenaustausch stattfindet, als das nötig wäre, wenn wir das weiterhin hier im Land alleine machen würden.

Wichtig in dem Zusammenhang ist auch – ich greife jetzt mal einen weiteren kleinen Punkt aus unserer Aufzählung raus, das war eben der Punkt b, jetzt nehme ich mal den Punkt f unter der Ziffer 5 –, dass wir eine Dokumentationspflicht haben, wo entsprechend dann genau festgestellt und festgehalten werden kann, wer hat wann weshalb auf welche Daten zugegriffen und wie sind diese Daten ausgetauscht worden. Als weiteres Beispiel, noch mal sehr wichtig, dass sich ständig dafür eingesetzt werden muss, das ist der Buchstabe h, dass diese unterschiedlichen Rechtsvoraussetzungen gewahrt

werden. Wie gesagt, die Gefahr ist doch evident und nicht klein, dass, wenn man sagt, man macht das zusammen, sich dann möglicherweise rechtliche Vorgaben einschleifen. Dass das nicht passiert, ist deswegen wichtig, nicht, weil wir hier total sensibel sind und vielleicht überkorrekt sein wollen, sondern weil diese ganzen Telekommunikationsüberwachungen immer eines Richtervorbehalts bedürfen; und wenn da irgendwelche Fehler in der Rechtsanwendung auftreten, dann führt das dazu, dass aus dieser Überwachung gewonnene Erkenntnisse strafprozessual überhaupt nicht verwendet werden dürfen. Das heißt, die Datensicherheit, die Rechtssicherheit ist hier auch ein elementarer Bestandteil, der dafür dienen muss oder dafür zu dienen hat, dass wir solche Daten überhaupt für den Zweck verwerten können, für den wir sie erheben, nämlich für die Kriminalitätsbekämpfung.

Und schließlich und endlich nehme ich hier noch mal die Punkte j, k und am Schluss l heraus, dass wir natürlich auch die Berichtspflichten normieren. Wir bitten darum, das ist auch von der Landesregierung zugesagt, dass wir regelmäßig Bericht bekommen, wie jetzt diese Punkte im Einzelnen umgesetzt werden, dass wir dann auch unterrichtet werden über die Inhalte der bisher wohl noch nicht abgeschlossenen Verwaltungsabkommen, der Satzung, der Geschäftsordnung, der Benutzungsordnung und ganz wichtig des Sicherheitskonzeptes der künftigen Anstalt und dass wir, genau wie wir das bisher bei der hier betriebenen TKÜ hatten, auch nach der Zusammenlegung einer solchen Behörde hier einen jährlichen Bericht bekommen über Anzahl, Umfang, zeitliche Dauer und rechtliche Grundlage der im Zuständigkeitsbereich Thüringens über das GKDZ durchgeführten TKÜ-Maßnahmen. Denn – und das hat auch die Fragen in der Koalition und hier im Parlament noch etwas herausgeschoben – das war der Punkt, dass dieses Zentrum bis jetzt in der Feinausführung noch gar nicht läuft. Wir haben die Absicht, wir haben den Staatsvertrag, dass es jetzt errichtet wird, und wenn dort allgemein zum Beispiel drinsteht, dass Datensicherheits- und Datenschutzbestimmungen selbstverständlich gewahrt werden, dann muss man das natürlich in der Feinausführung noch überprüfen. Nach all diesen Worten und nach all diesen Inhalten, die im Entschließungsantrag festgehalten werden, können wir hier jetzt auch frohen Herzens einer Einrichtung eines solchen Zentrums zustimmen und damit unseren Beitrag zu einer verbesserten Sicherheitsarchitektur leisten. Herzlichen Dank.

(Beifall DIE LINKE, SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Danke schön. Als Nächster hat Abgeordneter Dittes für die Fraktion Die Linke das Wort.

(Abg. Marx)

Herr Präsident, meine Damen und Herren, die Frau Abgeordnete Marx ist darauf eingegangen: Der Schutz des gesprochenen Wortes in der Kommunikation zwischen Menschen ist ein diese Bundesrepublik auszeichnendes Grundrecht und es ist ein bedeutendes Grundrecht. Das erfordert auch eine gewisse Sensibilität und Ernsthaftigkeit immer dann, wenn wir über rechtliche Befugnisse, auch über technische Möglichkeiten reden, in dieses Recht durch den Staat einzugreifen, denn das ist selbstverständlich möglich, nämlich unter den gesetzlichen Voraussetzungen. Es ist auch im Einzelnen durchaus notwendig, wenn es tatsächlich darum geht, die in der Strafprozessordnung in § 100 a aufgeführten Straftaten zu verfolgen, oder wenn es im Bereich der Gefahrenabwehr entsprechend § 34 a des Thüringer Polizeiaufgabengesetzes etwa notwendig ist, eine unmittelbar bevorstehende konkrete Gefahr zu verhindern oder eben auch Leben zu retten. Wir selbst kennen ja in Thüringen durchaus auch Beispiele, wo die Telekommunikationsüberwachung zur Straftatsaufklärung tatsächlich beigetragen hat. Ich nenne hier etwa Bereiche von Ermittlungsverfahren der organisierten Kriminalität, über die ja der MDR Thüringen auch regelmäßig berichtet. Ich erwähne natürlich auch durchgeführte TKÜ-Maßnahmen im Zusammenhang mit der Ermittlung zur Aufdeckung des NSU-Umfelds im Nachgang des November 2011. Und ich will auch explizit ein Beispiel aus dem Bereich der Gefahrenabwehr benennen, nämlich als eine Telekommunikationsüberwachungsmaßnahme im Jahr 2010 einen geplanten Brandanschlag von drei Neonazis auf einen Bus von Linken zu verhindern vermochte. Das zeigt, dass die Telekommunikationsüberwachung durchaus unter den rechtlichen Voraussetzungen ein notwendiges und auch rechtlich zulässiges Eingriffsmittel ist.

(Beifall DIE LINKE, SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Aber, meine Damen und Herren, es ist eben ein sehr grundrechtssensibles Eingriffsmittel, es ist ein tiefer Eingriff in die Rechte von Menschen, und das heißt auch, verantwortungsvoll mit diesem Recht umzugehen, und das heißt, sensibel – Frau Marx ist darauf eingegangen – natürlich die Grenzen zu diskutieren, ab denen der Eingriff erfolgen darf. Und das heißt eben auch, darüber zu diskutieren und sensibel sich dessen bewusst zu sein, wie mit den einmal erhobenen Daten dann tatsächlich auch umgegangen wird, denn diejenigen, die beispielsweise Gegenstand einer Telekommunikationsüberwachung geworden sind, müssen, auch wenn sie nicht im Wissen dieser Maßnahmen sind, doch mindestens darauf vertrauen, dass die dabei erhobenen Daten lediglich zu diesem einen Zweck Verwendung finden und eben nicht missbräuchlich zweckentfremdend verwendet werden oder in die Hände

Dritter fallen. Da gibt es eben genau auch, was diese Grundrechtssensibilität anbetrifft, durchaus Bedenken der Linken, ob diese Grundrechtssensibilität in den vergangenen Jahren in den verschiedenen Bereichen der Bundesrepublik wirklich auch bestanden hat. Ich denke tatsächlich an die inflationäre Anwendung von Telekommunikationsüberwachungsmaßnahmen, beispielsweise im Bundesland Sachsen, und da ist in dem Zusammenhang mit dem Staatsvertrag durchaus auch auf dieses Bundesland zu verweisen im Zusammenhang mit einer Handyüberwachung und Telefondatenüberwachung der Fußballfanszene in Leipzig. Ich möchte auch nur mal an den Februar 2011 erinnern, als die sächsische Polizei im Zusammenhang mit einem der größten Naziaufmärsche in Europa über eine Million Handydaten abgefangen hat und erst zwei Jahre später ein Gericht in Dresden diese Überwachungsmaßnahmen als rechtswidrig charakterisiert hat. Ich will aber auch an den Berliner Sozialwissenschaftler Andrej Holm erinnern, der aufgrund seiner gentrifizierungskritischen Beiträge und Aktivitäten zum Gegenstand der Telekommunikationsüberwachung geworden ist und sein komplettes politisches wie privates Umfeld dieser Überwachungsmaßnahme ausgesetzt war. Das Ende dieser Ermittlungen kennen Sie, es blieb am Vorwurf nichts dran, aber es war ein jahrelang andauernder Eingriff in wirklich private Bereiche der Kommunikation. Ich bitte Sie, wenn wir über Telekommunikationsüberwachung reden, das mit zu berücksichtigen. Ich will auch deutlich machen, dass es natürlich auch in dem Bereich der strafprozessual begründenden Telekommunikationsüberwachung Fragestellungen gibt. Wir wissen ausgerechnet auch aus dem NSU-Untersuchungsausschuss und der Kenntnisnahme der Akten dort, dass natürlich Telekommunikationsüberwachungsmaßnahmen den Gerichten vorgelegt worden sind, aber eben nicht die vollständige Information den Richtern mit übertragen worden ist und die Richter in komplexen Verfahren gar nicht in der Lage sind, tatsächlich den Umfang, die Tiefe, die Notwendigkeit, Zweckmäßigkeit und Verhältnismäßigkeit vollumfänglich zu prüfen, und in der Regel Maßnahmen zustimmen, die auf einer halben Seite begründet worden sind. Ich glaube, das wird eben dem Grundrecht selbst nicht gerecht. Ich will im Zusammenhang mit der Telekommunikationsüberwachung auch auf ein Transparenzproblem hinweisen, auf das ich später noch einmal dezidierter im Zusammenhang mit dem Entschließungsantrag eingehen werde. Wir haben auf der einen Seite im Thüringer Polizeiaufgabengesetz eine Informationspflicht über Maßnahmen der besonderen Datenerhebung verankert, insbesondere auch der Telekommunikationsüberwachungsmaßnahmen nach § 34 a PAG. Ein solcher Bericht wird uns jährlich auch durch das Ministerium vorgelegt und ist öffentlich zugänglich. Da können die Zahlen nachgelesen werden. Was aller

dings fehlt, es gibt keine bundeseinheitlichen Berichte, keine nachvollziehbaren Informationen, wie viel Telekommunikationsüberwachungen auf Grundlage der Strafprozessordnung tatsächlich durchgeführt werden. Wir wissen aus einzelnen parlamentarischen Anfragen des Bundestags, dass es hier deutliche Zunahmen gegeben hat. Das macht uns eben auch in diesem Bereich skeptisch, weil wir schon glauben, dass, wenn man eine solche Befugnis in die Hände von Gerichten, Ermittlern und Polizei legt, dann über die Anwendung, über die Befugnis auch Transparenz hergestellt werden muss. Deswegen betrachten wir den Staatsvertrag tatsächlich kritisch.

Ich will auch anmerken, weil vorhin am Zwischenruf der CDU-Fraktion deutlich geworden ist, warum das so lange gedauert hat. Herr Fiedler, ich will wirklich kritisieren, dass erst durch eine Veröffentlichung von Netzpolitik.org eigentlich Politiker, Parlamentarier dieses Landtags vollumfänglich über die Planung unter anderem des Freistaats Thüringen in Kenntnis gesetzt worden sind. Dann befanden wir uns im Rahmen der öffentlichen Debatte. Wir befanden uns im Austausch mit der Landesregierung. Wenn ich mir aber das von Herrn Minister Maier bereits angesprochene Rechtsgutachten zur Hand nehme und nachlese, welchen zeitlichen Vorlauf die Planung dieses Gemeinsamen Kompetenz- und Dienstleistungszentrums hat, dann frage ich wirklich: Wie lange wollte denn die CDU-geführte Regierung bis zum Jahr 2014 die Parlamentarier über eine so weitreichende Planung im Dunkeln lassen?

(Beifall DIE LINKE)

Denn bereits 2007 hat die Arbeitsebene des Thüringer Innenministeriums die Planung im Prinzip auf den Weg gebracht. Im Jahr 2010 haben die Staatssekretäre der Innenministerien eine weitere Vereinbarung auf den Weg gebracht. Es wurde eben nicht von Anfang an das Parlament über den Planungsschritt informiert, sodass wir heute erst tatsächlich über den Staatsvertrag diskutieren. Ich glaube, das wird dem Transparenzgebot in diesem Zusammenhang, wie ich es beschrieben habe, nicht gerecht.

Ich will auch deutlich sagen, die Linke ist auch etwas sensibel, wenn es darum geht, Befugnisse zu erweitern, technische Möglichkeiten auszubauen, immer weiter unter Begründung von tatsächlicher oder angenommener Gefährdung der öffentlichen oder persönlichen Sicherheit die Bereiche staatlicher Überwachung auszubauen. Wir haben morgen auch noch mal einen Antrag auf der Tagesordnung zum Ausbau der Videoüberwachung. Da geht es dann immer weiter und es wird deutlich, was ich damit meine, dass wir im Rahmen der bereits von mir einmal hier im Landtag ausgeführten Sicherheitsesoterik immer wieder eine Entwicklung haben, dass mehr Befugnisse, mehr technische Möglichkeiten gefordert werden. Da gehen wir von einer anderen

Position aus. Wir wollen uns für eine bürgerrechtsorientierte Sicherheitspolitik stark machen, die Sicherheitsbedürfnisse einerseits

(Beifall DIE LINKE)

mit dem Schutz um Grundrechte der Bürger auf der anderen Seite in einem gesunden Maß in Waage hält. Deswegen haben wir uns natürlich auch sehr kritisch mit der Telekommunikationsüberwachung auseinandergesetzt. Wir haben im letzten Jahr selbst einen gutachterlichen Auftrag an den Chaos Computer Club ausgereicht, der sich mit der Überwachung von Telekommunikation beschäftigt. Wir haben mit Blick auf das geplante TKÜ-Zentrum auch mehr als 60 detaillierte Fragen an die Landesregierung gerichtet, die wir im Vorfeld der Beratung auch beantwortet bekommen haben. Ich will ausgehend davon auf einige Risiken, die mit dem TKÜZentrum verbunden sind, eingehen. Ich sage es ganz ehrlich, ich habe es gerade genannt: Derartige Einrichtungen wecken immer wieder neue Begehrlichkeiten, in Grundrechte, in Schutzrechte einzugreifen. Ich will Ihnen ein Beispiel deutlich sagen: Als hier öffentlich über das Gemeinsame Kompetenz- und Dienstleistungszentrum gesprochen und diskutiert worden ist, hat sich als Nächstes der Präsident des Landesamts für Verfassungsschutz, Herr Kramer, zu Wort gemeldet und gesagt, dass er sich im Prinzip so etwas auch wünscht und dass möglicherweise sogar der Verfassungsschutz beteiligt wird. Da sagen wir ganz eindeutig: Nein. Das Trennungsgebot bleibt bestehen.

(Beifall DIE LINKE)

Und wir glauben auch nicht, dass der Verfassungsschutz ein geeignetes Instrumentarium ist, um Straftaten aufzuklären.

Aber ich will auch deutlich machen, dass solche Einrichtungen natürlich, wenn wir in die Vergangenheit schauen, neue Begehrlichkeiten auch auf anderer Ebene wecken. Ich will Sie erinnern an die Installation der Toll-Collect-Anlagen auf der Autobahn und die sich daran anschließende Diskussion, ob man diese Daten denn nicht mal auch für die Strafverfolgung, für die Gefahrenabwehr nutzen könnte. Wir hatten dieselbe Diskussion bei der Frage der Videoüberwachung des Rennsteigtunnels. Wir haben die Diskussion natürlich auch mit dem Pilotprojekt der Bodycam in Thüringen zu führen, wenn auf eine Rechtsregelung im Polizeiaufgabengesetz zurückgegriffen wird, um die Bodycam möglich zu machen, die eigentlich dafür gar nicht geschaffen war, sondern eigentlich die Dashcam bei Verkehrskontrollen ermöglichen sollte. Auch hier erwächst aus einer rechtlichen Regelung, die zu einem ganz anderen Zweck im Polizeiaufgabengesetz verankert worden ist, eine neue Begehrlichkeit, die dann ja auch im Pilotprojekt vorerst umgesetzt worden ist.

Natürlich ist ein Risiko auch in der technischen Aufrüstung, wenn ich es so formulieren darf, liegend. Da will ich Sie an die Diskussion um den Skandal oder um die Vorwürfe, die dann ja auch diskutiert worden sind, im Zusammenhang mit der Aufzeichnung und Überwachung von Telefonaten bei der Thüringer Polizei erinnern. Ein Telefon, was wir Abgeordnete alle heute in unseren Büros haben, ist technisch zu vielem in der Lage und das wünschen wir uns nicht, dass diese Technik, die da oben in den Büros steht, tatsächlich auch Anwendung findet: Überwachung des im Raum gesprochenen Wortes, Aufzeichnung, Mitzeichnung, Übertragung an Dritte von Telefonaten. Das wird natürlich auch bei dieser TKÜ-Anlage der Fall sein. Die wird technisch zu viel mehr in der Lage sein als das, was rechtlich eigentlich zulässig ist. Ich gebe zu, das macht mir auch ein Stück weit Angst. Aber ich kann keine technische, keine hardwareseitige Antwort darauf geben. Aber wir müssen uns genau dieser Problemstellung annähern.

Ein Risiko – ich glaube, Frau Marx ist darauf eingegangen – liegt doch darin, dass gerade im Gefahrenabwehrrecht die Eingriffshürden, die Eingriffsschwellen in den fünf beteiligten Ländern unterschiedlich geregelt sind. Ich will Ihnen gar nicht sagen, dass in Thüringen sogar die Einflussbefugnisse sehr großzügig geregelt sind. Es müssen andere Bundesländer sich durchaus mehr Sorgen machen als der Freistaat Thüringen. Aber das ist doch ein rechtliches Risiko, was darin besteht, dass in einer Anlage unterschiedliches Recht zur Anwendung kommt. Und da muss eben sichergestellt sein, dass nur Thüringer Landesrecht zur Anwendung kommt und dass ein Datenabfluss in andere Bundesländer vollkommen ausgeschlossen ist, und zwar technisch wie tatsächlich.

Natürlich stellt sich die Frage: Was ist mit einer Anstalt, die in Sachsen technisch errichtet wird und rechtlich verankert ist und den dortigen Datenschutzbestimmungen, was die Anstalt selbst betrifft, natürlich untergeordnet ist? Dort stellt sich doch ganz automatisch die Frage: Was ist denn mit den parlamentarischen Kontrollrechten gegenüber einer solchen Anstalt öffentlichen Rechts für Thüringer Landtagsabgeordnete, denn dort werden hoheitliche Aufgaben des Freistaats Thüringen bewältigt?

Als letzten Punkt bei den Risiken will ich auch kurz noch erwähnen – Frau Marx ist darauf eingegangen –, dass die Frage der Datensicherheit, nämlich nicht nur die Speicherung und der Schutz vor dem Zugriff durch Unberechtigte, nämlich auch bei der Anstalt öffentlichen Rechts in Leipzig liegt und die Frage der Datenübertragung in Thüringer Polizeibehörden, wo dann die Daten ausgewertet werden. Wie ist da der technische Datenschutz sichergestellt?

Das Problem, was wir politisch oder auch rechtlich oder auch parlamentarisch haben, ist: Wie begegnet man auf der Ebene eines Staatsvertrags genau diesen Risiken? Denn der Staatsvertrag – auch das wurde bereits benannt – eröffnet den Weg und zeigt den Rahmen auf, sagt, was zulässig ist, beschreibt das Ziel und beschreibt den Zweck einer solchen Einrichtung. Aber genau diese Risiken, die ich gerade benannt habe, auszuschließen, ist Aufgabe dann einer dem Staatsvertrag nachfolgenden, zeitlich nachgeordneten Feinplanung.