Protokoll der Sitzung vom 28.09.2017

Das Problem, was wir politisch oder auch rechtlich oder auch parlamentarisch haben, ist: Wie begegnet man auf der Ebene eines Staatsvertrags genau diesen Risiken? Denn der Staatsvertrag – auch das wurde bereits benannt – eröffnet den Weg und zeigt den Rahmen auf, sagt, was zulässig ist, beschreibt das Ziel und beschreibt den Zweck einer solchen Einrichtung. Aber genau diese Risiken, die ich gerade benannt habe, auszuschließen, ist Aufgabe dann einer dem Staatsvertrag nachfolgenden, zeitlich nachgeordneten Feinplanung.

Ich will aber als Erstes auch eines positiv bewerten am Staatsvertrag selbst und am Umgang in Thüringen. Es unterscheidet den Freistaat Thüringen und seine verfassungsrechtlichen Regelungen von anderen Bundesländern, dass, bevor der Gesetzentwurf den Landtag erreicht, die Landesregierung den zuständigen Ausschuss über den Staatsvertrag informieren muss und dass der Ausschuss eine solche Beratung in öffentlicher Sitzung durchführt. Das zeichnet, glaube ich, auch die Beratung in solchen Fragen in Thüringen aus, unterscheidet uns eben auch von anderen parlamentarischen Verfahren. Ich finde es auch positiv, dass beispielsweise die Bedenken der Datenschutzbeauftragten, die natürlich auch auf Risiken, die Feinplanung betreffend, hinweisen, aber im Staatsvertrag schon selbst Änderungen eingefordert haben, dass diese Änderungswünsche auch aufgenommen worden sind, damit die Kontrollrechte der Datenschutzbeauftragten gewährleistet bleiben. Aber, meine Damen und Herren, das reicht uns eben nicht, weil wir glauben, dass sich die parlamentarische Kontrolle tatsächlich auch nach der Verabschiedung des Staatsvertrags fortsetzen muss, und wir haben Ihnen – Frau Marx ist darauf eingegangen – einen Entschließungsantrag vorgelegt. Mit beiden Aspekten der parlamentarischen Beratung, mit der Zustimmung zum Gesetzentwurf zur Zustimmung zum Staatsvertrag und mit dem Entschließungsantrag, glauben wir, dass wir nicht nur, Frau Marx, die Ersten sein werden, die den Staatsvertrag ratifizieren, wir werden auch diejenigen sein, die ihn am qualitativsten begleiten. Denn ich zweifle an, dass in Sachsen vielleicht ein so ähnlich lautender Entschließungsantrag verabschiedet wird. Aber ich glaube auch, dass beides in Kombination deutlich macht, worin unser Abwägungsprozess gelegen hat, worin unsere Interessen und Ziele liegen, nämlich einerseits das für die Gewährung der Sicherheit, für die Gewährung der Sicherstellung und der Strafverfolgung Notwendige zu tun und damit die Grund- und Bürgerrechte nicht aus dem Auge zu verlieren und für den technischen und rechtlichen Datenschutz zu sorgen und sicherzustellen, dass parlamentarische Kontrolle und die Kontrolle der Datenschutzbeauftragten weiterhin sichergestellt sind und damit eben auch tatsächlich ein Abwägungsprozess zwischen Sicherheitspolitik und Bürgerrechtserfordernissen passiert, denn es ist eben keine leere Floskel, das beides in Abwä

gung zu bringen. Erst hier wird sichtbar, dass es auch gelingen kann.

Auch wenn Frau Kollegin Marx einige Punkte aus dem Entschließungsantrag schon benannt hatte, will ich doch auf einige noch einmal stichpunktartig eingehen. Ich denke, wir müssen uns auch bei einer Zustimmung zum Staatsvertrag wirklich eines immer vergewissern, dass über allem, was wir hier machen, Artikel 10 Grundgesetz und der Schutz des gesprochenen Wortes in der Kommunikation zwischen Menschen steht. Bei allem, was wir tun an Eingriffsbefugnissen, Eingriffsrechten und wenn wir über die technischen Ausstattungen befinden, heißt das, wir müssen es immer im Lichte des Artikels 10 des Grundgesetzes diskutieren und bewerten, ob es noch zulässig und verhältnismäßig, zweckmäßig und erforderlich ist. Aber wir müssen uns natürlich auch neuen technischen Herausforderung stellen, was beispielsweise die Fragestellung der verfassungsrechtlichen Zulässigkeit der Quellen-TKÜ betrifft. Deswegen ist es uns wichtig, auch hier auf die daran orientierte bundesverfassungsgerichtliche Rechtsprechung zu verweisen, die genauso über allen tatsächlichen Umsetzungsschritten stehen muss. Uns ist es auch wichtig, festzustellen und auch nach außen öffentlich zu dokumentieren, dass sichergestellt werden muss, dass diese Anstalt erst dann in Betrieb genommen werden kann, wenn sichergestellt ist, dass die polizeilichen Ermittlungen nur Zugriff auf Telekommunikationsüberwachungsdaten aus ihrem Zuständigkeitsbereich haben und ein Zugriff auf Telekommunikationsüberwachungsdaten anderer Bundesländer ausgeschlossen ist, genauso ausgeschlossen ist wie eine über die Bundesgesetzgebung oder über die Landesgesetzgebung Thüringens hinausgehende Erweiterung von Befugnissen.

Wir wollen klarstellen, dass die Sicherstellung der parlamentarischen Kontrolle und weitergehender Kontrollrechte der Landesdatenschutzbeauftragten in der Anstalt öffentlichen Rechts gewährleistet ist, und wir wollen natürlich, ich bin darauf eingegangen, den technischen Datenschutz gesichert wissen. Zu diesen vier Grundsätzen, die wir dem Staatsvertrag praktisch begleitend stellen, haben wir der Landesregierung Untersetzungsschritte mitgegeben. Damit – und damit komme ich zum Ende – will ich auch auf zwei wesentliche Aspekte hinweisen, wonach Bürgerinnen und Bürger in Thüringen sicher sein können, dass ihre Daten bei uns auch in sicheren Händen liegen. Das ist erstens: Wir werden den Prozess als Innen- und Kommunalausschuss weiter begleiten. Die Landesregierung wird uns über die Umsetzung der Punkte aus dem Entschließungsantrag unterrichten und – ich bin am Anfang darauf eingegangen – wir werden die Transparenz erhöhen, weil wir die Berichtspflicht über TKÜ-Maßnahmen über das, was im PAG bislang geregelt ist, hinaus erweitern. Ich glaube, da

mit gehen wir auch in dieser Frage der Transparenz einen neuen Weg und insofern kann ich ankündigen, sollten sich bis morgen keine neueren oder anderen Erkenntnisse ergeben,

Nun ist die Redezeit vorbei.

werden wir auch als Fraktion Die Linke dem Staatsvertrag in Begleitung, in Kombination mit dem Entschließungsantrag unsere Zustimmung geben. Vielen Dank.

(Beifall DIE LINKE, SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Schön. Nun hat Abgeordneter Fiedler für die CDUFraktion das Wort.

Herr Präsident, meine sehr geehrten Damen und Herren, wir beschäftigen uns heute mit dem Gesetzentwurf der Landesregierung, den Rest lese ich aus Zeitgründen nicht vor. Aber wenn ich so dem Herrn Kollegen Dittes in den letzten Minuten/halbe Stunde zugehört habe,

(Zwischenruf Abg. Dittes, DIE LINKE: 18 Mi- nuten!)

Frau Kollegin Marx und anderen, frage ich mich manchmal, wer denn eigentlich in dem Land regiert.

(Zwischenruf Abg. Hey, SPD: Wir!)

Ich frage mich, wer denn eigentlich in dem Land regiert. Ich will erst mal etwas vorwegnehmen, damit nicht ein falscher Eindruck entsteht. Ich will mal darauf hinweisen, meine Damen und Herren, um das vorwegzustellen: Wir begrüßen ausdrücklich die Einrichtung des Gemeinsamen Zentrums zur Telekommunikationsüberwachung. Ich will das ausdrücklich dazusagen, dass meine Fraktion und ich das begrüßen. Dabei haben wir übrigens auch Ihren Vorgänger, den zehnten Minister, immer heftig unterstützt.

(Beifall CDU)

Was nur wichtig oder was mir vollkommen unklar ist, wir haben ja auch mal eine Weile in dem Land regiert, komischerweise haben wir mit unseren Ministern immer geredet, wenn wichtige Dinge anstanden.

(Zwischenruf Ramelow, Ministerpräsident: Ehrlich?)

Ja, wir haben mit denen geredet und wir haben sogar sehr oft Auskünfte bekommen.

(Abg. Dittes)

Herr Kollege Dittes, Sie haben noch mal 60 Fragen an die Landesregierung gestellt. Ich will darauf verweisen, die sind zurückgegangen auf einen Vorgänger, das war dann der neunte Innenminister – damit ich nicht durcheinander komme, muss ich ein bisschen aufpassen. Komischerweise haben Sie irgendwo übersehen, Herr Kollege Dittes, dass drei Jahre Herr Kollege Poppenhäger Innenminister war. Also irgendwie müssen Sie das gerade nicht mitgekriegt haben; Sie haben ihn ja selber mit abgemessert. Deswegen, meine Damen und Herren, ist es schon abenteuerlich, was hier vorgetragen wird. Wir haben ja die Beratung im Innenausschuss usw. mitgemacht – was da für Fragen immer wieder gestellt wurden. Ich will Ihnen auch gleich sagen, Herr Kollege Dittes, wir hätten uns auch vorstellen können, dass der Verfassungsschutz entsprechende Dinge hier mit machen kann. Das hätten wir uns durchaus vorstellen können.

(Beifall CDU)

Dass die Linke das abschaffen will, Herr Ministerpräsident, das wissen wir. Ich weiß zwar nicht, wie dann Rot-Rot-Grün woanders hätte regieren sollen mit solchen Maßnahmen, aber ich will noch mal darauf verweisen, dass wirklich in den letzten zwei, drei Jahren die Kriminalität und andere Sicherheitslagen im Lande heftig angestiegen sind. Wer das nicht bemerken will oder kann, hat nicht gemerkt, was in diesem Lande Thüringen, in der Bundesrepublik und in den mitteldeutschen Ländern, die hier dabei sind, überhaupt passiert ist.

Manchmal denke ich, das interessiert überhaupt nicht, dass man sich hier überhaupt mal auf den Weg gemacht hat. Wir haben es angefangen und es dauert lange genug. Das zeigt doch aber, dass es sich die Länder untereinander gar nicht so einfach gemacht haben, wenn ich hier, Herr Kollege Dittes, die Länder Berlin, Brandenburg, Sachsen, Sachsen-Anhalt und Thüringen ansehe. Ich glaube, Berlin und Brandenburg werden nicht Schwarz regiert, weil Sie alles infrage stellen, was da passiert, welche bösen Buben das sind, dass die nicht hingucken, den Datenschutz nicht beachten. Ich will Sie nur daran erinnern, die werden von anderen regiert.

(Zwischenruf Abg. Korschewsky, DIE LINKE: Und nicht schlecht!)

Ich könnte sie Ihnen auch noch mal sagen, aber Sie wissen es ja. Was war?

(Zwischenruf Abg. Korschewsky, DIE LINKE: Nicht schlecht regiert!)

Das kann ich nicht beurteilen. Doch, ich kann es beurteilen, Sie werden schlecht regiert, weil es in den Ländern chaotisch bei Polizeieinsätzen und anderen Dingen aussieht, also zumindest an Berlin und Brandenburg mache ich mal ein kleines Fragezeichen. Man sollte von außen nicht zu sehr dort

reinschauen. Es reicht, wenn wir uns auf uns konzentrieren und in unserem Lande hinschauen. Dass wir alle – ich will das an der Stelle nur einfügen – die Polizeien in Bund und Ländern in den letzten zehn Jahren zurückgefahren haben, das wissen alle. Es war ein Fehler und jetzt wird er korrigiert – außer von Thüringen. Ja, Herr Minister, Sie werden noch viele, viele dicke Bretter bohren müssen. Sie haben nur einen Vorteil: Sie sind der elfte Innenminister, der Ministerpräsident kann es sich nicht leisten, in dieser Legislatur noch einen zu opfern, und die SPD gleich gar nicht.

(Beifall CDU)

Sie müssen nun zu dem Minister stehen. Der Poppi mag ja – der Herr Poppenhäger, freundlich gesagt „Poppi“, das war nicht böse …

(Zwischenruf Ramelow, Ministerpräsident: Sie sind immer fröhlich zu denen, die weg sind!)

Ich bin immer fröhlich, auch zu denen, ich bin auch zu dir fröhlich, Herr Ministerpräsident. Und wenn es ums Politische geht, gehen wir hart zur Sache. Das muss auch so sein, dafür ist nämlich eine Opposition da. Und Herr Minister Poppenhäger hat eine unsinnige Gebietsreform mit unsinnigen Dingen vorangetrieben, das haben wir nun durch das Gericht erledigt, das muss man mal festhalten.

(Beifall CDU)

Aber er hat zumindest immer wieder versucht, Herr Minister Maier – Herr Kollege Dittes hat es angesprochen –, Dinge auf den Weg zu bringen, zum Beispiel die Bodycams. Da waren die Linken und die Grünen voll dagegen – niemals und nicht usw., weil ja Datenschutz wichtiger ist als Täterschutz. Er hat das also hier wirklich von sich aus gemacht, und er hat das überhaupt auf den Weg gebracht. Mal sehen, ob Sie es zu Ende bringen oder ob Sie wieder Querschüsse kriegen, dass das Schöne, was hier notwendig ist, nicht angewendet werden darf und kann.

Der Innenminister sprach vorhin von dem Entschließungsantrag der Regierungskoalition – drei Seiten, wir haben es vorhin erst aus dem Fach geholt. Mal nebenbei: Dass das so auf den letzten Metern noch kommt, zeigt nämlich nur eines, dass die Koalitionäre – mindestens zwei von ihnen – nicht zustimmen wollten – das eine waren die Linken und das andere waren die Grünen. Das ist ja alles nachweisbar, es ist im Mitteldeutschen Rundfunk gekommen.

(Zwischenruf Abg. Adams, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Dann wird es ja stimmen!)

Bei dem, was der Rundfunk bringt, da konnte ich noch nicht sagen, dass da bestimmte wichtige Dinge nicht gestimmt haben.

Da steht geschrieben vom 19.07.2017, wer noch dagegen ist: Frau Henfling und mehrere andere sagen, sie können dem nicht zustimmen usw. usf.

Meine Damen und Herren, wir vergessen wahrscheinlich oder einige wollen es nicht wahrhaben – ich will ja nicht mal sagen „vergessen“ –, dass es hier darum geht – da hat der damalige Innenminister Poppenhäger wirklich zu Recht heftig aufs Tempo gedrückt: Die Polizei braucht dringend diese neue Technik, denn wir haben neue Gefährdungslagen in Größenordnungen. Im Klartext heißt das, dass wir bei schweren Verbrechen – bei Mördern, Kinderschändern – natürlich auch in der Lage sein müssen, Telefonate zu kontrollieren und abzuhören. Das erfordert technische Voraussetzungen, wo ein kleines Land wie Thüringen natürlich zunehmend überfordert ist, dass man endlich mal die Ressourcen bündelt, die Fachleute bündelt, die Technik bündelt. Trotzdem, meine Damen und Herren, wollten doch zum damaligen Zeitpunkt mehrere nicht zustimmen. Das hat der MDR geschrieben, das ist nicht von mir, ich stimme dem aber zu.

Es reden immer alle von Ein-Stimmen-Mehrheit, es gibt ja noch zwei Hilfsräder, die hier sitzen, da weiß man ja immer nicht so richtig, wo sie gerade hinstimmen;- schauen wir mal, meine Damen und Herren.

Herr Abgeordneter Fiedler, die beiden Kollegen als „Hilfsräder“ zu bezeichnen, halte ich doch für etwas übertrieben. Ich würde Sie dafür rügen.

Also „Hilfsräder“ ist doch etwas Schönes. Herr Präsident, wissen Sie nicht, wenn Kinder Fahrradfahren lernen, da haben die so Hilfsräder hüben und drüben dran.

(Zwischenruf Ramelow, Ministerpräsident: Stützräder!)

Aber selbst „Stützräder“ ist ein Gegenstand.

Wenn ich sie „Stützräder“ nenne, kann es vielleicht noch schlimmer werden.

(Zwischenruf Abg. Wucherpfennig, CDU: Er freut sich aber!)

Herr Präsident, ich nehme Ihre Einlassung auf, aber nicht wahr.

Das ist nicht möglich!

Meine Damen und Herren, ich will noch mal deutlich darauf verweisen: Man hat doch den Eindruck – ich habe nämlich vorhin gezuckt, wo Sie vom Entschließungsantrag gesprochen haben: Drei Seiten hat hier die Koalition aufs Papier gebracht, um da noch mal zu untermauern und was weiß ich was alles. Es ist doch wohl hanebüchen, wenn ich nur den Punkt 1 nehme: „Der Landtag bekennt sich zur Unverletzlichkeit des Fernmeldegeheimnisses nach Artikel 10 Grundgesetz und zum Grundrecht auf Gewährleistung der Vertraulichkeit und Integrität informationstechnischer Systeme, das durch das Bundesverfassungsgericht 2008 [...] aus dem Grundgesetz abgeleitet wurde.“ Das ist doch wohl das Normalste von der Welt, dass wir uns natürlich selbstverständlich an die Gesetze halten und auch an das Grundgesetz.

(Beifall CDU, AfD)