spektive zu finden. Ich finde, das ist uns zum Teil ganz gut gelungen. Ich denke aber, zumindest für die Koalitionsfraktionen sprechen zu können, wenn ich sage, wir dürfen auch in diesem Bemühen nicht nachlassen und wir werden in diesem Bemühen auch nicht nachlassen, um Antworten zu finden.
Werte Abgeordnete, die inhaltliche Aufarbeitung und das Bemühen um Aufklärung mögen zwar wichtige Aspekte sowohl unserer staatspolitischen Verantwortung als auch mit Blick auf die Opferangehörigen und die von den NSU-Verbrechen Betroffenen sein, sie sind es eben aber auch nicht allein. Daneben tritt auch die Verantwortung, das persönliche Leid der Opfer und ihrer Angehörigen wenigstens zu mildern. Neben den immateriellen Schäden, welche die Taten und die anschließende entwürdigende und teilweise rassistisch geprägte Ermittlungsarbeit und öffentliche Rezeption der Taten angerichtet haben, gab es für die von den Verbrechen Betroffenen auch ganz handfeste und teils schwerwiegende Einbußen finanzieller Art. Es wurde teils die Existenzgrundlage zerstört, Ausbildungen mussten abgebrochen werden und die psychische Belastung führte zu Arbeitsunfähigkeit. Mit dem heute hier behandelten Antrag zur Einrichtung eines Opferentschädigungsfonds wollen wir einen Beitrag dazu leisten, wenigstens eine teilweise Wiedergutmachung dieser Schäden zu leisten.
Wir sehen uns, wir sehen Thüringen als Ursprungsland des NSU hierbei in einer besonderen Verantwortung, hoffen aber zugleich, dass andere Länder unserem Beispiel folgen werden.
Werte Abgeordnete, der Abschlussbericht des Untersuchungsausschusses „Rechtsterrorismus und Behördenhandeln“ der letzten Legislaturperiode verknüpfte bereits im Vorwort das Gedenken an die Opfer mit dem Bekenntnis zu Engagement, der Bekämpfung von Rassismus und der Zurückdrängung der extremen Rechten in allen Formen. Dazu gehört nach unserer Auffassung auch – so haben wir es auch im rot-rot-grünen Koalitionsvertrag niedergelegt – die Errichtung einer Stätte der Erinnerung und Mahnung für die Opfer des Nationalsozialistischen Untergrunds. Uns ist es wichtig, dass hierbei nicht nur ein Ort entsteht, der an die Verbrechen des NSU erinnert und die Opfer ehrt, sondern durch den auch die Ursachen von Rassismus in den Blick genommen werden und der zu aktivem Auseinandersetzen mit gesellschaftlichen Phänomenen, die solche Taten, die Rassismus in verschiedensten Erscheinungsformen ermöglichen, anregt. Das geht natürlich nur unter Einbeziehung derjenigen, die von den Verbrechen betroffen waren, die mit Verdächtigungen und rassistischen Zuschreibungen
konfrontiert, deren Leben und Gesundheit von neonazistischen Mördern, rassistische Stereotype wiederkäuenden Ermittlern und einer dies unreflektiert aufgreifenden Öffentlichkeit beschädigt und zum Teil zerstört wurden.
Deshalb, liebe Abgeordnete hier im Haus – die Haushaltsberatungen für die nächsten beiden Jahre laufen –, müssen wir uns jetzt politisch bekennen, müssen uns jetzt politisch verhalten und die notwendigen Voraussetzungen im Rahmen der Haushaltsberatungen schaffen, wenn wir in Thüringen unserer Verantwortung zeitnah nachkommen wollen.
Damit eröffne ich die gemeinsame Beratung und als Erster hat sich Ministerpräsident Ramelow zu Wort gemeldet.
Enver Şimşek, Abdurrahim Özüdoğru, Süleyman Taşköprü, Habil Kılıç, Mehmet Turgut, İsmail Yaşar, Theodoros Boulgarides, Mehmet Kubaşık, Halit Yozgat und Michèle Kiesewetter.
Das sind die Namen der ermordeten Menschen, deren Namen viel zu wenig erwähnt werden, aber die Täter und diejenigen, die die Taten zu verantworten haben, deren Namen sind tagtäglich immer wieder Gegenstand von Berichterstattung. Damit tut man den Opfern und ihren Angehörigen immer wieder neues Leid an, indem der Fokus immer auf die Täter gerichtet ist und die Opfer dabei sehr schnell vergessen werden. Diesen Tag, als der Camper in Eisenach gefunden wurde, werde ich in meinem Leben nicht mehr vergessen. Ich kam mit André Blechschmidt von einer Dienstreise aus Saarbrücken. Christine Lieberknecht als Ministerpräsidentin rief mich an, um mir zu sagen, da gibt es Umstände, die darauf hindeuten, dass die Mörder zumindest erkennbar zum ersten Mal näher dingfest gemacht wurden bzw. zu diesem Zeitpunkt schon tot waren.
Die Frage, die wir uns nicht erklären konnten, war: Was wird jetzt alles passieren? Es war die damalige Ministerpräsidentin, die die Fraktionsvorsitzenden im Thüringer Landtag sofort zusammengerufen und gesagt hat: Was machen wir jetzt? Wie gehen wir mit den Erkenntnissen um, die jetzt langsam wachsen? Es wurde von der damaligen Landesregierung zu Recht – was ich sehr begrüßt habe – ein Sonderermittler eingesetzt. Dieser hat versucht,
sich sofort mit allen Akteuren in Verbindung zu setzen, die Akten zu sichern, soweit man sie sichern konnte.
Danach haben wir im Thüringer Landtag beschlossen, einen Untersuchungsausschuss einzusetzen. Auch dieser Untersuchungsausschuss wurde einstimmig beschlossen. Es gab keinen Streit darum, wie wir die Themen bearbeiten, sondern es gab eine große Verantwortung aller Beteiligten. Ich werde nicht vergessen, wenige Tage nachdem klar war, dass Mundlos, Zschäpe, Böhnhardt und darüber hinaus eine größere Anzahl von Menschen alle aus dem Umfeld des Thüringer Heimatschutzes – eine seltsame Verballhornung des Namens Heimat, die geschützt wird, indem man Menschen ermordet – herausgewachsen sind, haben wir haben uns damals vor der Staatskanzlei zu einem Trauergedenken versammelt. Die Ministerpräsidentin und die Regierung hatten sich sofort mit dazugestellt und wir haben gemeinsam vor der Staatskanzlei die Namen verlesen. So haben wir auch die Landtagsdebatte dann begonnen, indem wir gemeinsam all der Opfer gedacht haben.
Ich erwähne das, weil ich das Gefühl hatte und mein Eindruck war, dass es hier im Landtag eine große Bereitschaft gab, Licht in das Dunkel des teilweise Undurchdringlichen zu bringen. Es war der Untersuchungsausschuss, der sehr, sehr viel Kraft investiert hat, um mehr Erkenntnis wachsen zu lassen. Die Frage: Wer steckt alles mit hinter den Taten? Waren es nur die genannten Namen? Sind es nur diejenigen, die zurzeit in München vor Gericht sitzen und die beiden, die tot sind? Oder gibt es weitere Verstrickungen?
Ich erinnere deswegen daran, weil die Spur viel, viel länger, viel, viel früher schon erkennbar war. In den neunziger Jahren war es Kollegin Katharina König-Preuss, die eine handfeste Erfahrung gesammelt hat, als sie zusammengeschlagen worden ist. Es waren die Kolleginnen Gudrun Lukin und Karin Kaschuba, die von Böhnhardt und Mundlos an Info-Ständen fotografiert worden sind. Es waren ganz normale Wahlstände. Auf die Frage, warum sie fotografiert werden, bekamen sie die Antwort: Damit wir euch schneller internieren können, wenn wir die Macht haben. Und es war auch meine persönliche Erfahrung, als 1996 der wegen Rädelsführerschaft einer terroristischen Vereinigung verurteilte Manfred Roeder hier in Erfurt die Wehrmachtsausstellung überfallen und geschändet hatte. Im Prozess, der dem dann folgte, waren es Böhnhardt und Mundlos, die mich permanent verfolgten. Ich habe dieses Verfolgtsein mit großer Sorge weggesteckt und völlig vergessen, bis zu dem Tag, als Christine Lieberknecht mir mitteilte, Mundlos und Böhnhardt sind diejenigen, die man im Moment erkennt. Und erst als ich das Foto in der Zeitung gesehen habe, wusste ich, dass sind die, die offenkundig sehr lange hinter mir her waren. Und diese
Erkenntnis, wie viele von uns an den verschiedensten Stellen direkt oder indirekt betroffen waren, macht ja nur deutlich, wie viele insgesamt weit weg von uns betroffen waren, Menschen, die anders aussehen, die eine andere Haarfarbe haben, die aus einem anderen Land kommen, und damit ein Klima in Jena erzeugt worden ist und das eben nicht nur in Jena. Wir haben es ja dann auch an verschiedenen anderen Stellen erleben müssen, wo die Häuser gekauft worden sind und aus den Häusern die Strategie der Angst organisiert worden ist. Ich sage es deswegen, weil es so wichtig war, dass der Landtag vom ersten Tag an die Aufarbeitung gemeinsam betrieben hat. Da kann ich sagen, die Vorsitzende Dorothea Marx, die da sehr viel Kraft investiert hat, aber auch meine Kollegin Martina Renner und alle, die sich in den Ausschuss hineinbegeben haben, mussten sich mit sehr unappetitlichen Themen auseinandersetzen. Eine Auseinandersetzung, bei der ich auch sagen muss – bei allem, was mich sonst von Herrn Geibert trennt –, aber als die Frage im Raum stand, ob die Akten offengelegt worden sind bzw. der Versuch unternommen worden ist, dass diese Akten nicht offengelegt werden, wurden sie dann offengelegt und waren Teil der Untersuchung, über die wir heute zu reden haben. Deswegen waren all diese Dingen immer auch mit vielen Schwierigkeiten verbunden und dem Willen, gemeinsam Aufklärung zu leisten, immer im Interesse der Angehörigen dieser ermordeten Menschen. Denn die eigentliche Schuld haben all diejenigen auf sich genommen, die nicht nur die Ermordung vorgenommen haben, sie haben die strafrechtliche Schuld übernommen, sondern auch Behörden, die anschließend den Opfern noch die Schuld zuweisen wollten. Auch damit ist eine Schuldverschiebung eingetreten, die zu sehr quälenden und schweren Verwerfungen geführt hat. Frau Hennig-Wellsow hat gerade darauf hingewiesen. Ich will deshalb erwähnen, dass es wiederum eine gemeinsame Initiative des damaligen Landtags gab, mit Christine Lieberknecht und Christoph Matschie, als der Prozess in München begann und alle Anwälte der Nebenkläger staatliche Leistungen bekommen haben und die Angehörigen nicht. Die Angehörigen sollten irgendwie sehen, wie sie klarkommen, wie sie ihre Hotelkosten bezahlen. Da gab es eine gemeinsame Initiative und Christine Lieberknecht hat damals 100.000 Euro aus den Lottomitteln genommen und hat gesagt: Wir geben es Frau John. Frau John möge sich als Opferbeauftragte darum bemühen, das so zu platzieren, dass es gezielt hilft, damit die Angehörigen zumindest am Prozess teilnehmen können. Es war der NSUUntersuchungsausschuss im Thüringer Landtag, der mitten in der heißen Wahlkampfphase den Wahlkampf unterbrochen hat und gesagt hat: Wir stellen den Abschlussbericht vor. Der ganze Plenarsaal war damals voll, es waren alle Angehörigen und deren Familien nach Thüringen eingeladen.
Deswegen erwähne ich, dass es etwas ganz Besonderes war, auch eine ganz besondere Form der Verantwortung, die alle Landtagsabgeordneten und die damalige Landesregierung gemeinsam übernommen haben. Wir wissen, einige der Täter, die identifizierbar sind, kommen aus Thüringen, aber alle Opfer – mit Ausnahme von Michèle Kiesewetter, um deren Tod sich immer noch das meiste rankt, die auch eine Thüringerin ist –, aber alle rassistisch Ermordeten sind woanders ermordet worden, außerhalb Thüringens. Deswegen haben wir auch keinen Opferort, an dem wir der Opfer gedenken können. Es ist auch deswegen komplizierter zu sagen, wie wir mahnend und gedenkend die Verantwortung übernehmen können, die der Thüringer Landtag übernommen hat, die die Thüringer Landesregierung der letzten Legislatur übernommen hat, und auch in der Verpflichtung, in der sich die jetzige Landesregierung in der Verantwortung sieht. Es ist nicht ganz einfach, mit dem Thema umzugehen, während der Prozess noch läuft und die Untersuchungsausschüsse noch in der Arbeit sind. Einige Bundesländer – das will ich mir schon erlauben, zu sagen – haben bei den Untersuchungsausschüssen – sagen wir mal – nicht mal ansatzweise mit der Intensität gearbeitet wie unser Untersuchungsausschuss bzw. unsere beiden Untersuchungsausschüsse. Ich hätte mir gewünscht, dass andere Bundesländer genauso intensiv in die Themen eingestiegen wären, weil die Täter nicht ganz allein aus Thüringen oder isoliert aus Thüringen kamen, sondern an vielen Stellen Unterstützung bekommen haben, wo auch staatliche Stellen weggeschaut haben.
Wenn ich in einem Bericht des Militärischen Abschirmdienstes ein Zitat lese, dass diejenigen, die im NSU alle identifiziert sind, von einem Training aus Südafrika zurückkommen und der MAD notiert, sie konnten alles schießen, nur Handgranatenwerfen hat dieses Mal gefehlt, dafür verabredet man sich noch mal in Polen – das wird in einem staatlichen Bericht manifestiert –, aber es wird angeblich nicht erkannt, wie stark sich mittlerweile der braune Terrorismus mörderisch durch Deutschland gefressen hat, dann ist die Frage immer wieder an staatliche Stellen zu adressieren.
Wir hatten einen zweiten mit diesem Sachverhalt gar nicht direkt in Verbindung stehenden Untersuchungsausschuss, den Trinkaus-Untersuchungsausschuss. Da war es Kollege Primas, der Betroffener war. Da waren es Knut Korschewsky, Frank Kuschel und Birgit Pelke, also mehrere Kollegen hier aus dem Haus, unabhängig von ihrem Parteibuch, die von einem vom Verfassungsschutz geführten VMann persönlich niedergemacht worden sind, öffentlich drangsaliert worden sind, ins Unrecht gesetzt worden sind. Wir haben in diesem Untersuchungsausschuss eine – wie ich finde – einmalige Situation gehabt: Wir hatten immer nur einstimmige
Beschlüsse. Es gab niemals eine parteipolitische Verwerfung oder einen Dissens in der Frage, dass ein V-Mann eines staatlichen Amts niemals frei gewählte Abgeordnete herabsetzen oder zu Unrecht in öffentliche Diskreditierung stellen darf.
Jetzt ist der Trinkaus-Untersuchungsausschuss mit den rassistischen Morden des NSU nicht zu vergleichen. Es wirft aber die Frage auf, die die Opfer stellen: Wie weit habt Ihr davon gewusst? An welchen Stellen hätten die Taten verhindert werden können? Und diese permanente, bohrende Frage der Angehörigen, die sich die Frage stellen: Hätte unser Angehöriger, unser Vater, unser Bruder noch leben können? Diese Frage ist ein Teil unserer moralischen Verantwortung, bei der ich keine Schuldzuweisung zuordnen will, bei der ich auch keine juristische Frage klären will, sondern bei der ich ausdrücklich sage: Die beiden Tagesordnungspunkte gehören ineinander und miteinander, adressiert als gemeinsame Verantwortung. Ich würde mir wünschen, wenn der Landtag in der gleichen Kontinuität wie in der vergangenen Legislatur die beiden Themen behandelt.
Wir wissen nicht, wie ein richtiger Gedenkort ausgewählt werden soll. Es wäre auch anmaßend, wenn ich hier vorne politisch stehen und sagen würde: Ich habe da eine Vorstellung. Ich habe dazu keine Vorstellung. Ich sehe dazu den Bedarf, dass wir die Diskussion intensiv führen, so hat es die damalige Ministerpräsidentin auch ausgeführt und gesagt: Wir müssen danach suchen, wir müssen nach einem richtigen Weg suchen, bei dem wir zeigen, dass wir Verantwortung übernehmen, dass wir eine politische Verantwortung übernehmen und aus der politischen Verantwortung heraus auch deutlich machen: Wir werden die Namen der Ermordeten nicht vergessen. Wir werden die Familien der Ermordeten nicht vergessen und wir werden auch klar sagen, dass wir mit einer Entschädigung kein ergangenes Leid abfinanzieren können. Es ist keine fiskalische Form, Leid zu minimieren.
Auch da muss ich ganz klar sagen – Kollege Lauinger wird sich dazu noch als zuständiger Minister zu Wort melden –, dass es nicht um die Übernahme einer juristischen Schuld oder politischen Verantwortung geht, sondern um eine moralische Verantwortung und eine politische Verantwortung und dass wir dabei so vorgehen, wie es eben auch in der letzten Legislatur möglich war, zu sagen, lasst uns 100.000 Euro nehmen, wir nehmen das Geld und stellen es den Familien zur Verfügung, und zwar über Kanäle, die dafür geeignet sind. Das müssen wir bei beiden Themen herausarbeiten. Was ist der richtige Weg? Wo ist der richtige Ort? Wie wollen wir Gedenken organisieren? Wie wollen wir den Menschen deutlich machen, wir wollen wei
terhin in der Verantwortung stehen, dass Aufklärung das wichtigste Gebot der Stunde ist? Deswegen, meine Damen und Herren, wäre ich sehr einverstanden, wenn es ein hohes Maß an Übereinkunft geben könnte, wie diese beiden Tagesordnungspunkte vom Parlament weiter behandelt werden, sodass wir zwischen Parlament und Regierung mit einer Stimme sprechen und den Angehörigen und den Opfern sagen: Wir wissen um unsere Verantwortung. Vielen Dank.
Frau Präsidentin, liebe Kolleginnen und Kollegen, Zuschauer auf der Tribüne! Ich will vorwegschicken, dass ich dem Ministerpräsidenten für seine eindringlichen Worte zu diesem wirklich heiklen Thema, auch nicht einfachen Thema, danke, das uns in den letzten Jahren sehr beschäftigt hat. Dafür erst einmal herzlichen Dank an Sie, Herr Ministerpräsident.
Ich möchte an dieser Stelle daran erinnern, dass vor nicht ganz sechs Jahren der NSU in Stregda aufgeflogen ist – Wohnmobil, Brand und dann die Aufdeckung der Straftaten, die sich daran anschloss. Es wurde sichtbar, welches traurige und dunkle Kapitel, eines der dunkelsten Kapitel überhaupt in der Geschichte der Bundesrepublik, damit einherging. Zehn Morde in der ganzen Bundesrepublik – für uns war damals unvorstellbar, was da stattgefunden hat. Noch immer läuft der Prozess in München, der jetzt kurz vor seinem Abschluss steht, die Bundesanwaltschaft hat ihr Plädoyer gehalten. Wir haben natürlich die große Hoffnung, dass die Täter – und dazu zähle ich auch die Unterstützernetzwerke – ihrer gerechten Strafe zugeführt werden. Ich habe da großes Vertrauen in die Justiz, dass sie das auch so wertet und bewertet, dass man auch nach außen sichtbar macht, dass wir so etwas in keiner Weise tolerieren. Das Plädoyer der Bundesanwaltschaft hat das auch deutlich gezeigt.
Meine sehr geehrten Damen und Herren, wir haben heute die zwei Anträge, einmal zum Opferentschädigungsfonds und zum anderen den Antrag zum Erinnerungsort für die Opfer des NSU. Der Herr Ministerpräsident hatte Ausführungen gemacht. Es ist nicht einfach, dieses Thema nur aus einer Perspektive zu betrachten. Opferentschädigung ist ein The
ma, was letztendlich den schnellen Weg zur Entschädigung und zur eventuellen „Wiedergutmachung“ ermöglicht. Aber unsere Fraktion lehnt einen derartigen Fonds ab. Ich werde auch begründen, warum. Sie haben zu Recht in Punkt I.1 die zehn Morde aufgeführt, dem stimmen wir natürlich auch zu, das ist absolut richtig. Die Morde, die sich über das gesamte Bundesgebiet erstrecken, Opfer, die es in Nürnberg, Hamburg, München, Rostock, Dortmund, Kassel und Heilbronn gab. Viele Behörden in der Bundesrepublik haben daran gearbeitet, Landesbehörden, Bundesbehörden, die die Aufklärung der Morde untersuchten. Inwieweit da Fehler bei der Mordermittlung gemacht wurden, inwieweit Menschen zu Unrecht verdächtigt wurden – auch das hat man ja festgestellt, dass die ursprüngliche Richtung der Ermittlungen zu den Tätern in die falsche Richtung ging –, welche Ermittlungsansätze nicht konsequent und nicht intensiv genug durchgeführt wurden und stattgefunden haben, entzieht sich meiner Kenntnis, da die nicht Gegenstand des Untersuchungsausschusses waren, was die Morde anbelangt, die der NSU verursacht hat. Damit kann natürlich auch der Thüringer Landtag nicht feststellen, inwieweit die Ermittlungen nicht ordnungsgemäß durchgeführt werden konnten, so wie Sie es in Ihrem Antrag stehen haben.
Aus diesem Grund können wir auch dem Punkt I.2 nicht zustimmen. Die Sicherheitsbehörden haben bei der Untersuchung des Abtauchens des NSU sicherlich Fehler gemacht, sie haben auch schlampig gearbeitet. Wir haben in den Untersuchungsausschüssen in der letzten Legislatur und auch in dieser Legislatur, wo wir noch mittendrin stecken, mehrfach festgestellt, dass nicht so ordnungsgemäß gearbeitet wurde, wie wir uns das gewünscht haben bzw. wie man das auch erwarten muss von unseren Sicherheitsbehörden, was das Untertauchen der drei anbelangt.
Aber dass daraus eine stringente Linie zu den Morden abzuleiten ist, ist bisher nicht festgestellt worden. Von keinem Untersuchungsausschuss und auch von keinem Gericht wurde dieses belegt, kein Gericht hat es bisher festgestellt und das sollte man immer auch mit betrachten.
Also kein Gericht hat die direkte Schuld bisher feststellen können. Ich will jetzt daran erinnern, dass gerade hier in Erfurt am Landgericht genau diese Klage anhängig war, wo festgestellt werden sollte, ob der Staat direkte Mitschuld an den Morden hat, die der NSU verursacht hat. Zum ersten Verhandlungstag, wo darüber befunden und das untersucht werden sollte, kamen die drei Fraktionen von RotRot-Grün und haben einen Opferfonds unterbreitet
und haben gesagt, wir regeln das über einen Opferfonds, und damit war die Gerichtsverhandlung an der Stelle beendet.
Ich hätte mir gewünscht, dass das Gericht untersucht hätte, ob es eine direkte Verbindung gab, ob wir direkte Schuld haben, ob der Staat, das Land Thüringen, direkt Schuld an den Morden hat. Ich will das jetzt in keiner Weise abmildern, dass man sagt, es geht jetzt nicht um das Leid der Opfer, nein, es ist wirklich in der Sache zu klären: Haben wir direkte Schuld, ist das Land Thüringen direkt schuld? Das Leid und der Schmerz der Opfer sollen in keiner Weise in Abrede gestellt werden, aber es soll die direkte Verantwortung herausgearbeitet werden, um letztendlich auch auszuurteilen. Ich denke, in einem Rechtsstaat mit unabhängigen Gerichten muss man erst einmal diesen Weg gehen, festzustellen, wer Schuld hat. Darum hätte ich mir gewünscht,
dass man den Gerichten auch diese Chance gibt. Ich weiß, es gibt noch ein zweites Verfahren in München, aber hier in Thüringen wäre es besonders wichtig gewesen, dass man letztendlich diesen Weg geht. Wir haben die Gewaltenteilung und das sollte man an der Stelle auch respektieren und man sollte sie auch nutzen.