Um es zusammenzufassen: Es braucht aus meiner Sicht Dreierlei bei der Auseinandersetzung mit Rassismus und Rechtsextremismus. Es braucht erstens eine klare Haltung von Gesellschaft und Politik, wo Toleranz ihre Grenzen hat. Es braucht zweitens eine starke und selbstbewusste Zivilgesellschaft und drittens braucht es auch auf der repres
siven Ebene klare Ansagen. Ich begrüße in diesem Zusammenhang ausdrücklich die Aussagen von Innenminister Maier mit Blick auf die Ereignisse in Themar. Auch wenn hier aus meiner Sicht noch nicht das Ende der Fahnenstange erreicht ist, war der Hinweis mehr als nötig, dass Nazimusik, Hitlergrüße und Sieg-Heil-Rufe keine Lappalien sind und dass sie staatliche Antworten nach sich ziehen müssen.
Liebe Abgeordnete, der Thüringen-Monitor zeigt erneut, dass eine übergroße Mehrheit der Menschen die Demokratie unterstützt, aber auch dass deutlich weniger mit der jetzigen Form zufrieden sind: Das haben wir schon ansatzweise hier am Pult gehört. Während sich die Zustimmung zur Demokratie an sich zwischen Einkommen und sozialer Lage kaum unterscheidet, ist die Zufriedenheit mit der Demokratie bei ärmeren Menschen deutlich geringer. Ich glaube auch hier wird klar: Ihre Stimmen werden in dieser Gesellschaft offenbar zum einen weniger gehört, zum anderen aber wird vor allem weniger Politik für die Ärmeren in diesem Land gemacht – und das trifft vor allem die Bundespolitik.
Die Menschen in Thüringen verstehen Demokratie nicht nur als freiheitliche, sondern vor allem auch als soziale Gesellschaftsordnung. Ohne gleiche Teilhabe aller Menschen kann es keine wirkliche Freiheit und keine wirksame politische Teilhabe und Mitbestimmung geben. Soziale Grundrechte und politische Grundrechte müssen eine Einheit bilden. Doch gerade in Sachen sozialer Grundrechte haben das Grundgesetz und die Thüringer Verfassung noch Verbesserungsbedarf.
Selbst 57 Prozent derjenigen, die mit der Demokratie zufrieden sind, sagen, dass die Anliegen der Menschen durch die Politiker und Parlamente nicht mehr richtig und ernsthaft vertreten sind. Wir alle sagen: Na klar, irgendwas muss dann schieflaufen, wenn uns Menschen das sagen. Mögliche Antworten darauf sind: mehr Transparenz, mehr Demokratie, weniger Lobbyismus. Als Linke streiten wir seit Langem für mehr Transparenz in der Politik. Um ganz konkret ein Beispiel zu nennen: Es mag auch als eine Winzigkeit erscheinen, aber wenn es darum geht, was ein Parlament tut, ist es eben auch von Belang, ob die Ausschüsse des Thüringer Landtags in Öffentlichkeit tagen oder nicht.
Dazu wäre eine Änderung des Artikels 62 der Thüringer Verfassung notwendig, eigentlich keine große Sache, wenn man sich darin einig ist – Mike Mohring hat vorhin erklärt, alles muss demokra
tischer werden –, aber es wäre eine Sache mit Wirkung. Doch wer blockiert das seit Jahren, diese nötige Mehrheit zur Verfassungsänderung? Es ist die CDU. Und wenn Mike Mohring sich hier ernsthaft hinstellt, von Mitmachen spricht, von mehr Teilhabe an Demokratie, und im selben Atemzug den Bildungsminister dafür kritisiert, dass er mit über tausend Menschen über die neue Schulstruktur spricht, und in einem zweiten Schritt zivilen Ungehorsam ächtet – dann weiß ich nicht, welche Auffassung von Demokratie Mike Mohring hat, wahrscheinlich nur die eine: Stellvertreterdemokratie
durch die gewählten Abgeordneten im Parlament. Das ist nicht mein Bild von Demokratie, sondern Demokratie muss überall gelebt werden: Das ist auf der Straße, das ist in den Parlamenten, das ist in Vereinen, Verbänden. Ich glaube, da werden wir wesentlich weiterkommen, wenn wir unser Bild von Demokratie mehr schärfen als: Das Parlament und der Staat werden es schon von ganz allein richten.
Noch mal zu „mehr Demokratie“: Auch mehr direkte Demokratie kann die Akzeptanz der Demokratie stärken. Rot-Rot-Grün hat bereits Mitbestimmung gestärkt, nur wenig darüber gesprochen. Aber es ist jetzt schon möglich, auf kommunaler Ebene mit 16 Jahren zu wählen oder das Ratsreferendum durchzuführen. Ratsreferendum heißt nichts anderes, als dass ein Stadtrat sagen kann: Zu einer bestimmten Frage befrage ich alle meine Einwohner. Auch das ist jetzt schon möglich. Und wir Linke wollen endlich das Finanztabu aus der Verfassung streichen, damit die Menschen auch über Themen abstimmen können, die Geld kosten.
Ich hoffe, dass die notwendige Mehrheit des Hauses endlich in dieser Frage über ihren Schatten springt und nicht nur populistische Luftblasen ablässt, sondern tatsächlich eine Verfassungsänderung mittragen wird.
Und drittens: Rot-Rot-Grün hat mit dem Ministergesetz den Übergang vom Ministeramt in die Wirtschaft neu geregelt bzw. wird das jetzt im Parlament neu tun. Das bedeutet, wir werden den für das Ansehen und die Glaubwürdigkeit von Politik und Demokratie schädlichen Interessenverquickungen einen Riegel vorschieben. Das bedeutet, die Landesregierung hat zukünftig das Recht, ehemaligen Amtsinhabern problematische Tätigkeiten für die Zeit von 18 Monaten nach dem Ausscheiden aus dem Amt zu verbieten.
Das heißt im Klartext: So verhindern wir Lobbyjobs von ehemaligen Ministern in der Wirtschaft und sonst irgendwo.
Das ist ein Schritt, dem natürlich auch weitere folgen müssen, um den Einfluss von Konzernen und Lobbyinteressen zurückzudrängen und ein Stück weit demokratische Gleichheit herzustellen.
Sehr geehrte Abgeordnete, der Monitor beleuchtet zentral die soziale Frage, also Fragen nach der Verteilung von Eigentum und Reichtum, von Arbeit und Erwerbslosigkeit, vom Zusammenleben in Thüringen und von der Benachteiligung von Menschen in den ostdeutschen Bundesländern. Positiv wird der Rückgang der Erwerbslosigkeit benannt, zu der die rot-rot-grüne Landesregierung unter anderem mit dem Programm zur Verringerung der Langzeitarbeitslosigkeit und Stärkung der öffentlich geförderten Beschäftigung beigetragen hat. Doch die Menschen in Thüringen stellen richtigerweise auch deutlich schlechtere Löhne, prekäre Arbeit oder Erwerbslosigkeit in den letzten Jahrzehnten fest. Dadurch kam und kommt es nicht nur zeitweise zu Arbeitslosigkeit oder prekärer Arbeit. Durch die in der Vergangenheit massenhafte, in Teilen bis heute verfestigte und teils strukturell bedingte Erwerbslosigkeit, Niedriglöhne oder unfreiwillige Teilzeitarbeit kommt es dauerhaft zu Armut, zu Altersarmut und zu über Generationen vergebenen Chancen. Deutlich wird von den Befragten eine deutliche Ungleichverteilung der Einkommen festgestellt. Die heutigen Zustände sind auch das Ergebnis einer verfehlten Industrie-, Infrastruktur- und Arbeitspolitik der vergangenen Jahrzehnte. Die Schere zwischen Einkommen, Eigentum und sozialer Lage klafft auch in der Bundesrepublik immer weiter auf. In den ostdeutschen Bundesländern spitzen sich die Zustände zu. Wer reich ist wird reicher, wer arm ist, hat kaum eine Chance, sich nach oben zu arbeiten.
Der Ministerpräsident hat vorhin ausgeführt, was Rot-Rot-Grün als ausgleichende Maßnahme tatsächlich versucht, zum Beispiel das gebührenfreie Kita-Jahr im letzten Jahr, zu gewährleisten. Das bedeutet eine deutliche finanzielle Entlastung gerade für diejenigen, die finanziell schlecht abgesichert sind, und das ist eine Möglichkeit, wie das Land Thüringen reagieren kann, um Armut abzumildern.
Der massive Kahlschlag von Industrie in den frühen 90er-Jahren, massenhafte Entlassungen und die Folgen für ganze Regionen wirken bis heute nach – in individuellen Biografien der Menschen und in Wirtschafts- und Industriestrukturen. Es ist dringend nötig, die Verheerungen der Treuhand in den 90erJahren endlich ehrlich aufzuarbeiten.
die Wahrnehmung und Bewertung der Arbeitertreuhandanstalt zu untersuchen. Die Linke hat in ihrem Bundestagswahlprogramm eine Enquetekommission zur Aufarbeitung gefordert – das sollten wir aus Thüringen unterstützen und SPD und Linke vielleicht gemeinsam in der Opposition im Deutschen Bundestag voranbringen.
Darüber hinaus braucht es auch den Blick auf die individuellen Biografien der Menschen, um am Ende politische Maßnahmen und verfestigte und andauernde Benachteiligung endlich zu beenden. 27 Jahre nach der Einheit muss endlich die Angleichung der Lebensverhältnisse Ost-West umgesetzt werden. Löhne, Renten, Infrastruktur und Chancen müssen endlich angeglichen sein.
Die Benachteiligung der Menschen im Osten muss beendet werden. Hier darf nicht länger gewartet werden, das wissen wir alle. Auch da ist der Ministerpräsident Thüringens in aller Härte auch gegenüber der Bundesregierung unterwegs. Nicht zuletzt zeigen das auch Umfragen, die ihn als den Ministerpräsidenten des Ostens beschreiben, der am meisten für die Interessen der ostdeutschen Länder eintritt – und das trifft natürlich auch die Thüringerinnen und Thüringer.
Eine neue Bundesregierung müsste aus meiner Sicht das Thema „Ostdeutschland“ noch mal ganz neu auf die Tagesordnung setzen, wenn sie ernsthaft Politik im Namen der Menschen im Osten Deutschlands machen möchte. Der Thüringen-Monitor weist deutlich darauf hin, dass die reale, erlebte und gefühlte Benachteiligung – die sogenannte Ostdeprivation – ein signifikanter Erklärungsbeitrag für Rechtsextremismus ist. Mit sozialer Sicherheit und Zukunftsperspektiven steigen dagegen Akzeptanz und Zufriedenheit mit der Demokratie.
Wer den industriellen Kahlschlag der Treuhand in den Neunzigern zu verantworten hat, der muss auch die Verantwortung dafür übernehmen, dass die Folgen bis heute nachwirken. Wer in der Thüringer Politik auf die hiesigen Niedriglöhne stolz war, muss heute die politische Verantwortung für die gesellschaftlichen und sozialen Verwerfungen tragen. Wer fast 25 Jahre lang den Freistaat als sein Eigentum betrachtet hat und Pöstchen nach Parteibuch besetzt hat, braucht sich über Skepsis gegenüber der Politik nicht wundern.
Und wer bis heute ausschließlich im Eigeninteresse handelt, wenn es um Demokratie und Transparenz geht, ist für Politikverdrossenheit mit verantwortlich – und das adressiere ich ausdrücklich an die CDU!
Am Ende geht es doch um eines: um ein gutes Leben für alle in Thüringen, gute Arbeit, gute Bildung, sozial und gerecht, und möglichst weitgehend demokratische Beteiligung, kurz – einen Sozialstaat, der seinen Namen verdient, einen Staat, der aktiv für sozialen Ausgleich sorgt und Freiheit garantiert. Das ist der Kern einer stabilen Demokratie.
Frau Präsidentin, vielen Dank. Meine sehr geehrten Damen und Herren, meine Vorrednerin Susanne Hennig-Wellsow hat das getan, ich will es an dieser Stelle auch gern noch mal wiederholen: von meiner Seite und auch namens meiner Fraktion noch einmal herzlichen Dank an das Team des ThüringenMonitors um Dr. Best. Wie auch in den vergangenen Jahren liegt hier ein hochinteressantes Kompendium vor, das heute hier im Landtag debattiert wird.
Ich will allerdings auch gleich zu Beginn meiner Rede noch mal auf einen meiner Vorredner abstellen, das ist der Kollege Mohring. Er ist jetzt im Moment nicht da, und das sage ich gar nicht vorwurfsvoll, seit 9.00 Uhr läuft diese Debatte, er kann das später im Protokoll nachlesen und unsere gesamten Redebeiträge werden ja gestreamt. Ich habe zwei herzliche Bitten an ihn: Zum einen ist es so, dass mit der Legendenbildung in diesem Landtag nach wie vor nicht aufgehört wird, über einen Vorfall, der sich vor einiger Zeit ereignet hat – letztes oder vorletztes Jahr –, da müsste ich noch mal nachgucken – und der mich nach wie vor auch persönlich sehr ärgert, aber auf den immer wieder abgestellt wird: Wenn Herr Mohring in dieser Debatte sagt, dass er sich ernsthaft Sorgen macht um Befunde im Thüringen-Monitor, die sich auf populistische Aussagen beziehen oder auf die Frage, wie Populisten mittlerweile auch in der Mitte unserer Gesellschaft Wirkung entfalten und Wirkung erzielen, dann gehört zur Wahrheit auch dazu, dass er an einer Stelle, immer dann, wenn es um das Thema „Innere Sicherheit“ hier in Thüringen geht – eine Geschichte
hochzieht, die sich vor einiger Zeit hier zugetragen hat. Und da sagt er eben leider auch nicht die Wahrheit. Die Grenze zwischen auch im Plenum nicht die Wahrheit sagen, bestimmte Dinge weglassen oder diese Wahrheit nicht voll zu erzählen, um einen bestimmten Eindruck zu erzielen, zum Populismus hin ist auch fließend. Es hat sich damals ereignet, dass wir hier – es war an einem Freitag, ich weiß das noch – im Plenarsaal ein Gesetz für mehr demokratische Prozesse und Beteiligungen in den Kommunen verabschiedet haben – ein sehr wichtiges Gesetz. Danach, weil wir in enger Abstimmung mit dem Bündnis für mehr Demokratie in Thüringen standen, haben sich Susanne Hennig-Wellsow, Dirk Adams und auch ich oben an der Mauer zum Schriftzug „Thüringer Landtag“ versammelt und haben ein Plakat hochgehalten, wo für dieses Projekt „Für mehr Demokratie in den Kommunen“ geworben wurde – das war ein Transparent. Danach ist ein Schnappschuss entstanden – gemeinsam mit meinen beiden Kollegen, also meiner Kollegin Susanne Hennig-Wellsow und meinem Kollegen Dirk Adams. Und in diesen Schnappschuss hinein – ich habe das damals nicht feststellen können – hat, noch bevor er getwittert und geteilt wurde, ein – ich glaube – Fraktionsmitarbeiter oder ein Mitarbeiter der Linken – das weiß ich jetzt nicht mehr ganz genau – den Schriftzug „ACAB“ in dieses Mauerwerk hineinkopiert, mit fototechnischen Mitteln, das ist ja heutzutage alles keine …
Dieser Schriftzug „ACAB“ – der an der Mauer so versteckt reinmontiert wurde, dass selbst Mike Mohring vier Tage gebraucht hat, ehe er es festgestellt hat, und ich es damals auch nicht gleich gesehen habe – ist das Kürzel für „All Cops Are Bastards“. Den findet man in der Nähe von Fußballstadien, an öffentlichen Gebäuden, überall. Der ist natürlich diffamierend gegenüber unseren Sicherheitskräften. Ich habe mich auch sofort davon distanziert, als wir dann später darauf angesprochen wurden und ich das Bild dann gesehen habe. Das gehört auch zur Wahrheit dazu, dass man sich nicht hier hinstellt und wieder und wieder diese Geschichte erzählt und sagt: Die drei Fraktionsvorsitzenden würden bewusst die Polizisten als Bastarde beleidigen. Das ist – mittlerweile bin ich in einer Verfassung, die an Ungeduld grenzt – eine Geschichte, die nur zur Hälfte stimmt. Man kann sie hier nicht immer und immer wieder erzählen,
ohne diesen sehr wichtigen Teil. Ich ärgere mich nach wie vor sehr darüber. Ich habe meinen Unmut auch gegenüber der Fraktion der Linken sehr deut