Protokoll der Sitzung vom 03.11.2017

Sehr geehrter Herr Präsident, sehr geehrte Damen und Herren Abgeordnete, zunächst möchte ich auch noch mal – wie von Herrn Thamm angesprochen – auf die große Herausforderung eingehen, die Alleinerziehende hier in Deutschland haben. Wir wissen, wenn Menschen alleinerziehend werden, ist das leider oft mit einem großen Armutsrisiko verbunden, dem diese Menschen dann unterworfen sind. Ich sehe auch, dass es ein Skandal ist, dass dann insbesondere die Väter – so ist es leider meistens – ihren Verpflichtungen des entsprechenden Unterhalts nicht nachkommen. Es ist gut, dass der Staat hier auch Verantwortung übernimmt.

Wir haben die Novellierung des Unterhaltsvorschussgesetzes auch auf Bundesebene begleitet. Es gab auch von Thüringen durchaus Kritik, weil wir natürlich wissen, dass nicht alle Kinder tatsächlich von dem neuen UVG auch profitieren werden, weil der Unterhaltsvorschuss dann mit Sozialhilfe verrechnet wird. Wir werden das auf Bundesebene weiter begleiten und auch unsere Forderungen dazu weiter stellen. Aber es war ein erster Schritt. Wir sind als Land natürlich in der Verpflichtung und nehmen diese auch wahr, zu begleiten, dass die Eltern bzw. die Kinder auch ihre finanzielle Unterstützung erhalten.

Insofern möchte ich jetzt gern auch auf den Antrag der CDU-Fraktion eingehen und zunächst darauf

verweisen, dass wir bereits in der Plenarsitzung am 27. September 2017 im Rahmen der Aktuellen Stunde Stellung genommen haben. Deshalb verzichte ich an dieser Stelle darauf, wiederholt auf die grundsätzlichen Inhalte der Novellierung des Unterhaltsvorschussgesetzes durch den Bund einzugehen. Die CDU-Fraktion hat gebeten, dass wir zum Stand der Umsetzung der Gesetzesänderung zur Erweiterung des Unterhaltsvorschusses für alleinerziehende Mütter und Väter berichten. Sie hat dazu konkrete Fragen gestellt, die ich gern beantworten möchte.

In Frage 1 möchten die CDU-Abgeordneten wissen, wie viele Anträge hinsichtlich des erweiterten Leistungsumfangs eingereicht wurden und wann mit der Bewilligung dieser Anträge zu rechnen ist. Die Anträge werden in den kommunalen Gebietskörperschaften gestellt und dort auch bearbeitet. Damit sind für die Beantwortung der Frage die Mitteilungen der kommunalen Spitzenverbände erforderlich. Nach Angaben der kommunalen Spitzenverbände wurden in diesem Jahr, mit Stand 30. September 2017, 30.194 Anträge auf Unterhaltsvorschuss in den Landkreisen und kreisfreien Städten in Thüringen gestellt. Erst seit der Bekanntgabe der Verabschiedung der Gesetzesnovelle am 17. August 2017 durch das Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend können die Anträge für den erweiterten Personenkreis in den Landkreisen und kreisfreien Städten bearbeitet werden. An die Landesregierung wurden bisher keine Hinweise herangetragen, dass Anträge nicht gestellt oder bearbeitet werden können. Zweifelsfrei gab es nach der Veröffentlichung der Rechtsgrundlage einige Fragen der kommunalen Verwaltung, die gemeinsam mit dem Land und dem Bund geklärt werden konnten.

In Frage 2 erkundigen Sie sich nach dem Leistungs- bzw. Vollzugsaufwand in Thüringen, insbesondere für die Kommunen, in den Jahren 2017, 2018 und 2019. Für den Vollzug des Unterhaltsvorschussgesetzes wurde auf der Grundlage der Förderstatistik zurückliegender Haushaltsjahre und aufgrund von Annahmen für die Haushaltsjahre 2018, 2019 im Einzelplan 08 ein Ansatz von insgesamt jeweils 39,1 Millionen Euro geplant. Dabei handelt es sich um den 30-prozentigen Landesanteil von 16,7 Millionen Euro und den 40-prozentigen Bundesanteil von 22,35 Millionen Euro der Gesamtaufwendungen für das UVG. Für die Kommunen, die den gleichen Anteil wie das Land im UVG tragen, werden die Aufwendungen des UVG über den Kommunalen Finanzausgleich gedeckt. Sowohl für den Einzelplan 08 als auch für den Kommunalen Finanzausgleich wurden bereits im Mai im Rahmen der Haushaltsplanung entsprechende Mehrbedarfe angezeigt und entsprechend der damaligen Schätzungen berücksichtigt. Diese mögen sich im Lichte der inzwischen gestellten Anträge als zu niedrig er

(Abg. Thamm)

weisen. Möglicherweise erforderliche Anpassungen sind im parlamentarischen Verfahren jedoch nicht mehr seitens der Landesregierung möglich. Dennoch sind wir uns der Verantwortung für die alleinerziehenden Mütter und Väter, aber auch für die Kommunen im Freistaat Thüringen sehr bewusst. Aus diesem Grund haben wir seit Inkrafttreten des UVG die Entwicklung der Fallzahlen beobachtet. Dem Vernehmen nach wird diese Entwicklung nun von den regierungstragenden Fraktionen aufgegriffen, um die Belastungen abzumindern. Hierzu sollen wohl entsprechende Änderungsanträge vorbereitet werden. Das begrüße ich sehr. Den im Haushaltsjahr 2017 entstehenden Mehrbedarf der Kommunen für die Zweckausgaben des UVG und deren Umsetzung können die Landkreise und kreisfreien Städte im Rahmen des Thüringer Finanzausgleichs abdecken. Darauf hat Frau Staatssekretärin Feierabend im September bereits hingewiesen. Aber auch hier gibt es dem Vernehmen nach einen Änderungsantrag, um entsprechend die Kommunen auch im Jahr 2017 zu unterstützen.

Zu Frage 3, wie viele Personalstellen in den Thüringer Kommunen geschaffen wurden bzw. noch geschaffen werden müssen: Für die Bearbeitung der maßgeblich gewachsenen Antragszahlen werden nach den Angaben der Aufgabenträger zusätzlich 75 Vollzeitstellen in den Unterhaltsvorschussstellen der Landkreise und kreisfreien Städte benötigt. Davon seien zum gegenwärtigen Zeitpunkt noch 23 Stellen zu besetzen. Zwei Drittel der Stellen sind also bereits besetzt.

Zu Frage 4, welche Maßnahmen die Landesregierung ergriffen hat, um gemeinsam mit den zuständigen Kommunen eine schnelle Abarbeitung der Anträge sicherzustellen: Grundsätzlich sind die Kommunen im eigenen Wirkungskreis für die Gewährleistung des UVG zuständig. Um eine reibungslose Einführung zu sichern und die Einarbeitung von neuen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern in den Unterhaltsvorschussstellen zu unterstützen, wurden im Zeitraum von Juni bis Anfang November 2017 sieben Fortbildungsveranstaltungen vom Land durchgeführt. Insgesamt wurden also 2.012 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter von den Unterhaltsvorschussstellen geschult. Ich denke, auch daran können wir sehen, dass wir die Kommunen sehr intensiv bei der Umsetzung des Gesetzes unterstützen.

In Frage 5 fragen Sie an, was getan werden muss, um die Informationsweitergabe zwischen Bund, Land und Landkreisen, kreisfreien Städten zu verbessern und welche Organisationsstrukturen bei der zuständigen Landesbehörde erforderlich sind, um notwendige Unterstützung und Beratung der Unterhaltsvorschussstellen und einen möglichst einheitlichen Vollzug des UVG sicherzustellen. Dazu kann ich Ihnen sagen, dass zur Klärung dieser Fragen eine Arbeitsgruppe im TMASGFF unter Mitwirkung aller Beteiligten eingerichtet wurde. Mit

Blick auf notwendige Gespräche mit den Ressorts und den kommunalen Spitzenverbänden diesbezüglich werden wir zugunsten der Leistungen und der Betroffenen mit den Kommunen natürlich vertrauensvoll zusammenarbeiten.

Zu Punkt II möchte ich noch mal auf meinen vorhergehenden Punkt verweisen, also dass die regierungstragenden Fraktionen sich mit der Situation des laufenden Haushaltsjahrs 2017 beschäftigt haben und entsprechend auch aktiv werden wollen im Vollzug des Haushalts.

Lassen Sie mich abschließend noch ein paar Sätze zum Antrag der AfD-Fraktion vortragen.

(Zwischenruf Abg. Kuschel, DIE LINKE: Das lohnt nicht!)

Grundsätzlich gibt es keine Veranlassung, im Zusammenhang mit der Novellierung des Unterhaltsvorschussgesetzes und der daraus resultierenden Mehrbelastungen für Bund, Land und Kommunen die Finanzierungsbeteiligung der Kommunen am Landesanteil des Unterhaltsvorschusses zu ändern. Nicht die prozentuale Beteiligung am Unterhaltsvorschuss wurde durch die Kommunen hinterfragt, sondern die Absicherung des Finanzierungsanteils, der auf die Schlüsselzuweisungen gewährleistet wird. Das Thüringer Ausführungsgesetz zum UVG ist im Jahr 2000 in einem mit den Kommunen und der Thüringer Landesregierung abgestimmten Prozess zu den Inhalten der Finanzierung und den aus der Gewährleistung resultierenden Verantwortlichkeiten erarbeitet worden. Eine Änderung des Ausführungsgesetzes bedarf daher einer systembezogenen Betrachtung und keiner auf die Finanzierungsanteile reduzierten Sicht. Darüber hinaus besteht bereits eine Kooperation mit den kommunalen Spitzenverbänden – ich hatte es schon ausgeführt. In einer zu gründenden Arbeitsgruppe wird der Prozess der Umsetzung der UVG-Novelle gemeinsam mit den Kommunen gestaltet. An einvernehmlichen und tragfähigen Lösungen soll gemeinsam gearbeitet werden. Isolierte Änderungen am Gesetz ohne Berücksichtigung des Gesamtkontextes helfen dabei nicht und stellen das Finanzierungsgleichgewicht des seit 2001 so gelebten Gesetzesvollzugs infrage. Es verbleibt den Kommunen bei jedem erfolgreichen Rückgriff nach der derzeitigen Gesetzesfassung der volle Landesanteil der Finanzierung.

Sehr geehrter Herr Präsident, sehr geehrte Damen und Herren Abgeordnete, ich kann dem Hohen Haus nur empfehlen, beide Anträge abzulehnen, da die Landesregierung in ihrer Zuständigkeit bereits das Möglichste erreicht hat, was hier gefordert wird. Herzlichen Dank.

(Beifall DIE LINKE, SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

(Ministerin Werner)

Vielen Dank, Frau Ministerin.

(Zwischenruf Abg. Kuschel, DIE LINKE: Alles schön!)

Selbstverständlich, Herr Kuschel, wo Sie recht haben, haben Sie recht.

(Zwischenruf Abg. Kuschel, DIE LINKE: Kön- nen Sie das noch mal wiederholen?)

Wo Sie recht haben, haben Sie recht. Aber es kommt ja nicht so oft vor.

Ich frage: Wer wünscht die Beratung zum Sofortbericht zu Nummer I des Antrags? Auf Antrag der Fraktionen Die Linke, Bündnis 90/Die Grünen, der AfD, der SPD und auch der CDU eröffne ich nun die Aussprache. Ich eröffne damit auch die Aussprache zu Nummer II des Antrags der Fraktion der CDU und zum Entschließungsantrag der Fraktion der AfD. Als Erste hat Abgeordnete Scheerschmidt von der SPD-Fraktion das Wort.

(Beifall SPD)

So viele Vorschusslorbeeren gab es noch nie.

Sehr geehrter Herr Vorsitzender, werte Abgeordnete, werte Gäste! Herzlichen Dank an die Sozialministerin Frau Werner für den Sofortbericht. Ich möchte das Wichtigste voranstellen. Die Koalitionsfraktionen Die Linke, SPD und Bündnis 90/Die Grünen haben sich im Zusammenhang mit den Beratungen zu den kommunalrelevanten Änderungsanträgen zum Doppelhaushalt 2018/2019 darauf verständigt, den Landkreisen und kreisfreien Städten für 2017 7 Millionen Euro zusätzlich für die unterjährig entstandenen Kosten zur Ausführung des neuen Unterhaltsvorschussgesetzes zur Verfügung zu stellen.

(Beifall SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Zudem werden auch für 2018 und 2019 die bei der KFA-Berechnung zugrunde gelegten Zahlen für die Leistungen nach dem Unterhaltsvorschussgesetz um jeweils 4,8 Millionen Euro nach oben korrigiert. Die Zahlung für 2017 wird über die Schlüsselzuweisungen für Kreisaufgaben im Jahr 2018 ausgezahlt. Es muss noch bemerkt werden, dass es sich bei den 7 Millionen Euro nicht um konkrete Fallzahlen und tatsächliche Zahlungen handelt, sondern hier sind es reine Kostenschätzungen.

Wir hoffen, dass mit diesen vorgesehenen Änderungen die Debatte um die Finanzierung des neuen Unterhaltsvorschussgesetzes beendet ist, die das eigentliche Anliegen dieser Gesetzesnovellierung leider zunehmend in den Hintergrund gedrängt hat. Wie bereits meine zwei Vorredner möchte ich noch mal daran erinnern, dass dieses neue Unterhalts

vorschussgesetz für viele Alleinerziehende und vor allem für deren Kinder eine deutliche Verbesserung ihrer Lebenssituation bringt, denn gerade in dieser Bevölkerungsgruppe besteht nachgewiesenermaßen ein hohes Armutsrisiko.

Frau Abgeordnete Scheerschmidt, erlauben Sie eine Zwischenfrage der Abgeordneten Floßmann?

Frau Floßmann, bitte.

Vielen Dank. Können Sie bitte noch mal erläutern – weil wir das hier akustisch nicht verstanden haben –, ob die 7 Millionen Euro für die Neueinstellungen noch in diesem Jahr an die Kommunen zugewiesen werden oder dann mit dem Haushalt 2018?

Die werden 2018 mit der Schlüsselzuweisung für Kreisaufgaben ausgezahlt. Ich kann dazu dann auch noch was sagen.

2018, damit ist das auch klar.

2018 wird es ausgezahlt über die Schlüsselzuweisung für Kreisaufgaben. Wie gesagt, ich möchte noch mal daran erinnern, wir sind froh, dass dieses Gesetz überhaupt noch auf den Weg gekommen ist, denn zeitweise war es fraglich, ob es die schwarz-rote Regierung überhaupt in dieser Legislatur noch schafft. Der ursprünglich avisierte Termin konnte nicht gehalten werden. Es wurde dann der 1. Juli 2017, und das auch nur rückwirkend. Mit der Verschiebung des Inkrafttretens kam die Bundesregierung jedoch der Forderung der kommunalen Spitzenverbände nach. Der späte Einführungstermin mit dem rückwirkenden Inkrafttreten ist für die zuständigen Landkreise und kreisfreien Städte natürlich eine immense Herausforderung. Hierfür trägt jedoch nicht die Thüringer Landesregierung die Verantwortung.

An der Stelle möchte ich auch die Gelegenheit nutzen, den Verantwortlichen und Beschäftigten, vor allem in den Jugendämtern, der Kreise und kreisfreien Städte in Thüringen ganz herzlich zu danken, dass sie trotz aller Widrigkeiten dieser Gesetzesentstehung dafür Gewähr tragen, dass den antrag

stellenden Alleinerziehenden in Thüringen kompetent geholfen wird und die Anträge zügig bearbeitet werden.

(Beifall DIE LINKE, SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Trotz der auch noch bestehenden Probleme bei der Umsetzung des neuen Unterhaltsvorschussgesetzes bin ich zumindest froh, dass es die alte schwarz-rote Bundesregierung überhaupt noch auf den Weg gebracht hat.

(Beifall SPD)

Natürlich, so ein Gesetz, wenn es in so einem Hauruck-Verfahren eingeführt wird, bringt immer Probleme im Vollzug. Das ist durchaus klar. Es ist auch denkbar, dass hier noch mal nachgebessert werden muss. Aber wichtig ist, dass es auf den Weg gebracht ist und dass es den Betroffenen hilft.

Zu den Finanzen noch mal: Der Schöpfer des aktuell existierenden Thüringer Finanzausgleichsgesetzes, der frühere Finanzminister Herr Dr. Voß von der CDU, hat diesen Finanzausgleich so gestaltet, dass unterjährige Veränderungen bei den über den Finanzausgleich finanzierten Aufgaben im eigenen Wirkungskreis weder in die positive noch in die negative Richtung finanziell ausgeglichen werden. So steht es im gültigen Thüringer Finanzausgleichsgesetz. Die Thüringer Landesregierung dürfte also den Thüringer Kommunen nach dieser Gesetzeslage für den zusätzlichen kommunalen Kostenanteil nach dem neuen Unterhaltsvorschussgesetz aktuell keinerlei finanziellen Ausgleich gewähren. Es gibt dafür keine Ermächtigung durch den Haushaltsgesetzgeber.

(Beifall DIE LINKE)

(Zwischenruf Abg. Kuschel, DIE LINKE: Ge- nau!)

Insofern ist die unter Punkt II aufgeführte Forderung der CDU-Fraktion eine Aufforderung an die Landesregierung zum Gesetzesbruch.

(Beifall DIE LINKE)

(Zwischenruf Abg. Kuschel, DIE LINKE: Richtig! So seid ihr! Schämt euch!)