Protokoll der Sitzung vom 08.12.2023

Es ist eine lange Geschichte, Kollege Bergner hat umrissen, wie der Gang der Gesetzgebung war. Es gab die Zuschriften von Anzuhörenden, wir haben das sehr genau abgewogen. Wir haben die Kritik sehr ernst genommen, wir haben das Gesprächsangebot an alle im Ausschuss beteiligten Kollegen unterbreitet. Dieses Gesprächsangebot vor der Sommerpause wurde ausgeschlagen. Jetzt waren wir es am Ende leid, der weiteren Verzögerungstaktik nachzugeben. Insofern ist es heute Diskussion hier im Landtag und nicht das Ende der Demokratie.

Es gibt zwei Ebenen, über die wir reden, einmal die politische Ebene. Und die politische Ebene ist einfach, dass nach Umfrage des MDR 78 Prozent der Thüringer Bevölkerung Windkraft im Wald ablehnen. Wenn ich die Bevölkerung auf dem Land befragen würde, wäre wahrscheinlich der Satz noch größer.

(Beifall Gruppe der FDP)

Ich sage es noch mal ausdrücklich: Wir sind nicht gegen Windkraft. Aber Windkraft gehört an die Stellen, wo Windkraft wirklich Sinn macht, wo sie energetisch verbraucht werden kann, bedarfsgerecht hingestellt werden kann.

(Zwischenruf Abg. Dittes, DIE LINKE: Ja, eben!)

Insofern haben wir Initiativen: Wasserstoffzukunftsgesetz, Wasserkraft zu nutzen. Es gibt hier vielerlei Möglichkeiten, erneuerbare Energien einzusetzen.

(Zwischenruf Abg. Gleichmann, DIE LINKE: Wo kommt denn der Wasserstoff her?)

Wir kommen zur rechtlichen Ebene. Das Bundesverfassungsgericht hat das Verbot von Windkraft im Wald gekippt, weil das Bodenrecht eben nicht Gegenstand der thüringischen Gesetzgebung war. Der vorliegende Gesetzentwurf sieht aber überhaupt kein Verbot vor.

(Beifall Gruppe der FDP)

Ich sage es noch mal ausdrücklich: Es gibt kein Verbot, es sollen sechs Absätze des Waldgesetzes geändert werden. Da kommt nur einmal das Wort „Windkraft“ vor, und zwar bei den Regelungen zum Brandschutz. Wir wollen Abwägungsentscheidungen beeinflussen und dies nicht nur für den Fall, dass Waldflächen für

Windkraft umgewandelt werden, sondern für jegliche geplante Nutzungsänderung von Waldflächen.

Im neuen Entwurf ist Artikel 1 Nr. 2 c) aa) wahrscheinlich am verfassungsrechtlich strittigsten. Es ist strittig, nicht eindeutig verfassungswidrig. Wir stützen diese Regelung auf Artikel 74 Abs. 1 Nr. 17 Grundgesetz, die Sicherung der Ernährung. Nach dem Bonner Grundgesetzkommentar fällt darunter alles, was die Versorgung mit den erforderlichen Nahrungsmitteln zum Ziel hat.

(Zwischenruf Abg. Montag, Gruppe der FDP: Agrarstrukturgesetz!)

Die strittige Regelung besagt, dass Ausgleichsaufforstungen für die Umwandlung von Waldflächen nicht auf landwirtschaftlichen Flächen erfolgen soll. Ich betone nochmals: Es gibt kein Verbot. Der Bundesrechnungshof hat bereits 2012 in einem Bericht festgestellt, dass die Rechtsvorschriften für die Ernährungsnotfallvorsorge unübersichtlich, uneinheitlich und unvollständig sind.

(Beifall Gruppe der FDP)

Bund und Länder hätten Reformbedarf zwar erkannt, jedoch seit 1990 kein einheitliches Regelungswerk für Versorgungskrisen erlassen. Versorgungssicherheit hat vor dem Hintergrund diverser Kriege wieder eine höhere Relevanz. Dies kommt nicht von uns, sondern das steht in den Kommentierungen. Aus diesem Grund wollen wir mit diesem Gesetzentwurf landwirtschaftliche Flächen im Freistaat erhalten. Daher sind wir

der Auffassung, dass diese Regelung auf Artikel 74 Abs. 1 Nr. 17 Grundgesetz gestützt werden kann, da sie wohl in den sachlichen Anwendungsbereich fällt und die Materie vom Bund nicht abschließend geregelt worden ist.

(Zwischenruf Abg. Wahl, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Agrarstrukturgesetz?)

Ich möchte nochmals betonen, Windkraft im Wald wird nicht pauschal verboten. Das Entscheidungsermessen liegt bei den entscheidenden Behörden. Sie können damit Interessensabwägungen im Einzelfall vornehmen. Das heißt, die Behörden können im Rahmen ihres Ermessens die Windkraft im Wald auch erlauben.

Meine Damen und Herren, ich plädiere an dieser Stelle noch mal an das Hohe Haus: Lasst uns ein Zeichen setzen auch im Sinne der Thüringer und des Thüringer Walds, für den Landschaftsschutz, für die Menschen da draußen, dass wir ihnen das Gefühl geben, dass wir ihre Sorgen und Nöte auch wirklich ernst nehmen. Das Bundesverfassungsgericht hat in seinem Urteil auch geurteilt, der Wald ist schutzbedürftig und schutzwürdig.

(Beifall Gruppe der FDP)

Damit ist es auch unsere Aufgabe im politischen Bereich …

Herr Kemmerich, erlauben Sie eine Zwischenfrage der Abgeordneten Lukin?

Nach meiner Rede, Danke schön.

Es ist damit auch unsere Aufgabe, den Thüringer Wald hier zu schützen. Es ist das grüne Herz Deutschlands und damit eine Identität aller Thüringer. Und insofern ist das keine Ablehnung von einer Energiewende. Aber die Energiewende, wie Sie sie hier vorhaben, ist einfach am falschen Ende angepackt, stört den Thüringer. Und nochmals: Der Thüringer Wald verdient unseren Schutz und wir wollen ihm heute mit diesem Beschluss diesen Schutz auch geben. Danke schön.

(Beifall CDU, Gruppe der FDP)

Jetzt ist aber die Redezeit zu Ende, deswegen ist keine Zeit mehr für eine Zwischenfrage. Als Nächstes erhält Abgeordnete Hoffmann für die AfD-Fraktion das Wort.

Sehr geehrte Frau Präsidentin, Kolleginnen und Kollegen, liebe Zuschauer, wenn mehr als 80 Prozent des Thüringer Waldes nicht gesund sind, hilft man dem Wald, indem man ihn aufforstet. Man hilft ihm nicht, indem man ihn abholzt, versiegelt und industrialisiert.

(Beifall AfD)

Das habe ich in der ersten Beratung gesagt und es ist aktueller denn je. Daran wird sich eine Landesregierung mit linker und grüner Beteiligung immer messen lassen müssen. Aktueller denn je, sage ich, weil wir mittlerweile 110.000 Hektar Schadfläche in Thüringen haben. Monokulturen, trockene Jahresperioden, zu wenig Forstpersonal und zu geringe Gelder für die Wiederbewaldung haben ihre Spuren oder Schneisen

(Abg. Kemmerich)

hinterlassen. Nun würde jeder mit gesundem Menschenverstand sagen, dass diese Schadflächen aufgeforstet werden müssen – aktiv oder durch natürliche Verjüngung –, nicht so die Thüringer Landesregierung. Sie möchte Schadflächen industrialisieren durch Windanlagen. Selbst Wälder ohne Schadflächen sind vor dieser Ideologie nicht sicher, denn auch die sollen abgeholzt werden. Bäume, CO2-Senken, Sauerstoffproduzenten

sollen abgeholzt werden, etwa beim Windvorranggebiet W 6 in meinem Landkreis Hildburghausen, wo ein Waldgebiet von über 400 Hektar abgeholzt werden soll für die Windkraftindustrie.

(Zwischenruf Abg. Höcke, AfD: Furchtbar!)

(Zwischenruf Abg. Bilay, DIE LINKE: Das ist bestimmt nicht Ihr Landkreis!)

Während das Thünen-Institut den Waldboden zum „Boden des Jahres 2024“ erklärt, forciert die rot-rot-grüne Landesregierung, dass tausende Tonnen Fundament den Boden zerstören, den Wasserhaushalt zerstören, dass das Mikroklima zerstört wird und dass Tiere wie der Rotmilan, der Mäusebussard oder Schwarzstorch geschreddert werden.

(Beifall AfD)

Die Landesregierung möchte, dass die Landesforstanstalt ihre Flächen zur Verfügung stellt für Windkraftindustrie – aus rein finanziellen Gründen. Rot-Rot-Grün verkauft unsere Natur.

(Beifall AfD)

Ich zitiere dazu aus der Antwort auf meine Frage 5300, auch um eine Behauptung aus SPD-Reihen zu widerlegen.

Frage: Welche Landesforstflächen kommen aktuell für den Bau von Windindustrieanlagen grundsätzlich aus welchen Gründen infrage? Antwort: Grundsätzlich kommen für den Bau und Betrieb von diesen Anlagen solche Flächen infrage, die nicht von der regionalplanerischen Ausschlusswirkung erfasst werden. Frage: Welche Einnahmen sind nach Auffassung der Landesregierung grundsätzlich für den Bau und Betrieb von wie vielen Windkraftanlagen auf welchen Landesforstflächen jährlich – landesweit betrachtet – ab welchem Zeitpunkt realistisch? Antwort: Die genaue Anzahl und der Zeitpunkt der möglicherweise zukünftig zu entwickelnden Standorte für Windanlagen auf Flächen im Eigentum des ThüringenForst sind zum jetzigen Zeitpunkt nicht bekannt. Abhängig vom Standort erscheinen nach jetzigem Stand jährliche Pachteinnahmen von 80.000 bis 150.000 pro Windenergieanlage und Standort möglich.

Ausverkauf unserer Natur! Die AfD stellt sich mit allen Kräften gegen diesen Irrsinn. Wir haben den Antrag „Thüringens Wälder schützen – Wiederbewaldung steigern, heimische Holzwirtschaft stärken“ eingereicht. Wir haben zum vorliegenden Gesetzentwurf einen Entschließungsantrag eingereicht mit der klaren Forderung, dass weder Flächen von ThüringenForst noch Privatflächen der Windindustrie geopfert werden.

(Beifall AfD)

Wir haben zum Haushalt den Antrag „Widerbewaldung auskömmlich finanzieren – Kalamitätsflächen aktiv aufforsten, Saatgutbestände erhöhen, Forstpersonal gewinnen, das Grüne Herz Deutschlands erhalten“ eingereicht und sehen für den Haushalt für die Wiederbewaldung fast 20 Millionen Euro vor, die aber wie jedes Jahr abgelehnt werden werden.

(Beifall AfD)

Und ich zitiere zum Schluss noch aus der Anhörung zum Gesetzentwurf. So schreibt die Arbeitsgruppe Artenschutz: „Wenn wir tatsächlich die Gratisleistungen der Wälder – Klimasituation, CO2-Bindung, Bildung

von Landschaftswasserhaushalt, Kühleffekte, Erholungswert, Lebensraum für Tier- und Pflanzenarten und Holzproduktion – als letzte Rückzugsgebiete erhalten wollen, dann dürfen Windkraftanlagen in Wäldern nicht errichtet werden.“

(Beifall AfD)

Daran ändert auch inhaltlich nichts der Verfassungsbeschluss. Er stärkt lediglich das Privatrecht zum Bau von Windanlagen auf eigenem Grund und Boden. Ob davon Gebrauch gemacht wird, hängt von Erkenntnissen, ökologischen und ökonomischen Zusammenhängen der jeweils handelnden Personen ab.“

Der Verein für Landschaftspflege, Artenschutz und Biodiversität – ein Wort, das Rot-Rot-Grün gern benutzt – sagt: „Wir bitten die Thüringer Landesregierung, sich grundsätzlich gegen den Windkraftausbau im Wald zu entscheiden. Wälder sind für den Arten-, Klima-, Natur- und Wasserschutz von großer Wichtigkeit.“

Und die Bürgerinitiative „Kleiner Thüringer Wald“ äußert sich wie folgt: „Die Schutzbedürftigkeit des Waldes ist unumstritten, wie im Thüringer Waldgesetz Art. 2 Abs. 1 klar definiert [ist]. Die sogenannten Kalamitätsflächen stellen nach wie vor Waldflächen dar und bedürfen einer engagierten, klugen Wiederaufforstung mit widerstandsfähigeren Baumarten. Einen Missbrauch des Waldes im Allgemeinen, aber auch insbesondere der Kalamitätsflächen lehnen wir ausdrücklich ab.“