Protokoll der Sitzung vom 09.06.2022

Damit schließe ich den Tagesordnungspunkt. Ich rufe auf den Tagesordnungspunkt 8 a

Beratung des Vorschlags für eine Richtlinie des Europäischen Parlaments und des Rates zur Änderung der Richtlinie 2010/75/EU des Europäischen Parlaments und des Rates vom 24. November 2010 über Industrieemissionen (integrierte Vermeidung und Verminderung der Umweltver- schmutzung) und der Richtlinie 1999/31/EG des Rates vom 26. April 1999 über Abfalldeponien; KOM (2022) 156 endg. – gemäß § 54 Abs. 3 der Geschäftsordnung des Thüringer Landtags (Drucksa- chen 7/5636, 7/5651 und 7/5653)

(Minister Prof. Dr. Hoff)

dazu: Verhältnismäßigkeitsbedenken gegenüber dem Vorschlag für eine Richtlinie des Europäischen Parlaments und des Rates zur Änderung der Richtlinie 2010/75/EU des Europäischen Parlaments und des Rates vom 24. November 2010 über Industrieemissionen (inte- grierte Vermeidung und Verminderung der Umwelt- verschmutzung) und der Richtlinie 1999/31/EG des Rates vom 26. April 1999 über Abfalldeponien; KOM (2022) 156 endg. (Druck- sache 7/ 5636) geltend machen Antrag der Fraktion der CDU - Drucksache 7/5652 -

Es ist das Wort zur Begründung gewünscht. Das Wort hat Herr Abgeordneter Urbach, bitte schön.

Meine sehr geehrten Damen und Herren, nach der großen Einmütigkeit, die wir eben hier erzielen konnten, freue ich mich, dass wir über ein weiteres wichtiges Thema sprechen können. Die Fraktion der CDU beantragt zu dem im Frühwarndokument vorliegenden Vorschlag – die Richtlinie wurde genannt –, Verhältnismäßigkeitsbedenken geltend zu machen.

Für die Ausübung der Zuständigkeit der Europäischen Union gilt neben dem Grundsatz der Subsidiarität zugleich auch der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit, der das Handeln der EU-Organe beschränken soll. Nach dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit sollen die von der EU vorgesehenen Maßnahmen nicht über das zur Erreichung bestimmter Ziele der Verträge erforderliche Maß hinausgehen. Das Prinzip der Verhältnismäßigkeit ist in Artikel 5 des Vertrags über die Europäische Union festgeschrieben – ich darf zitieren –: „Nach dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit gehen die Maßnahmen der Union inhaltlich wie formal nicht über das zur Erreichung der Ziele der Verträge erforderliche Maß hinaus.“ Herr Kollege Gleichmann hatte im Ausschuss dazu auch verschiedene Ausführungen gemacht. Um nicht mehr und nicht weniger geht es.

Aufgrund der ambitionierten Zielvorgaben, des enormen Umfangs der umzusetzenden Maßnahmen sowie auch wegen der absehbaren enormen Kosten und des auch absehbaren bürokratischen Mehraufwands für die betroffenen Bereiche von Landwirtschaft und Industrie werden erhebliche Bedenken gegenüber der Einhaltung des oben genannten Verhältnismäßigkeitsprinzips nach Artikel 5 gesehen. Mit dieser Erkenntnis steht die CDU-Fraktion ganz offenkundig nicht allein. Sie wird nicht nur außerhalb Thüringens in anderen Bundesländern geteilt, sondern ebenfalls von einer Mehrheit der Fachexperten diesen Hohen Hauses in den Fachausschüssen für Wirtschaft, Wissenschaft und Digitale Gesellschaft, für Infrastruktur, Landwirtschaft und Forsten sowie für Umwelt, Energie und Naturschutz und des Thüringer Wirtschaftsministeriums, die jeweils im Ergebnis ihrer Beratungen Bedenken hinsichtlich der Einhaltung des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes geltend gemacht haben – im Übrigen, Frau Kollegin Henfling, im Wirtschaftsausschuss sogar einstimmig. Auch dort gab es anderslautende Äußerungen in der Diskussion im Ausschuss. Wir haben da noch mal nachgeforscht.

Sehr geehrte Damen und Herren, aufgrund dieses eindeutigen Votums der Experten in den mitberatenden Fachausschüssen sowie der Landesregierung halten wir eine abschließende Beratung des genannten EU-Richtlinienvorschlags im Plenum des Thüringer Landtags für zwingend erforderlich, um auf dessen negative Auswirkungen für unser Land und insbesondere die Menschen aufmerksam zu machen, aber auch um Änderungen anzuregen. Vielen Dank.

(Beifall CDU)

Vielen Dank. Damit eröffne ich die Aussprache. Mir liegen im Präsidium keine Wortmeldungen vor, deshalb bitte ich um entsprechende Handzeichen. Frau Abgeordnete Hoffmann für die Fraktion der AfD und ich sehe Herrn Abgeordneten Bergner für die Gruppe der FDP. Frau Hoffmann, Sie haben zunächst das Wort.

Vielen Dank, Frau Präsidentin. Liebe Kolleginnen und Kollegen Abgeordnete, liebe Zuschauer hier und am Livestream, am vergangenen Freitag tagte der Ausschuss für Europa, Kultur und Medien. Auf der Tagesordnung standen zwei EU-Frühwarndokumente, im vorliegenden Antrag geht es um eines dieser Papiere. Zu diesem Vorschlag der

(Präsidentin Keller)

EU-Kommission lagen aus den drei mitberatenden Ausschüssen jeweils Bedenken zur Einhaltung der Verhältnismäßigkeit vor. Dies waren der Ausschuss für Infrastruktur, Landwirtschaft und Forsten, der Ausschuss für Umwelt, Energie und Naturschutz und der Ausschuss für Wirtschaft, Wissenschaft und Digitale Gesellschaft. Im Umweltausschuss hat unsere Fraktion zu diesem Dokument nicht nur Bedenken zur Wahrung der Verhältnismäßigkeit eingereicht, sondern auch zur Wahrung der Subsidiarität. Dazu zitiere ich aus unserem Vorschlag für eine Stellungnahme des Ausschusses, zu sehen in Vorlage 7/3819: „Der Ausschuss äußert Bedenken bezüglich der Wahrung der Verhältnismäßigkeit. Auf Grundlage des Green Deal beziehungsweise in Ergänzung dessen will die Kommission ihre Ziele auf verschiedene, erweiterte Sektoren anwenden, darunter auch Rinder-, Schweine- und Geflügelhaltungsbetriebe. Der Vorschlag bedeutet für alle betroffenen Unternehmen eine zunehmende Bürokratisierung. Im Bereich Tiermast führt der Vorschlag zur Existenzgefährdung der heimischen Landwirtschaft [...]. Zur Wahrung der Subsidiarität äußert der Ausschuss ebenfalls Bedenken.“ Unser Vorschlag fand im Umweltausschuss keine Mehrheit. Dafür votierte eine knappe Mehrheit im Ausschuss zumindest für Bedenken zur Verhältnismäßigkeit. Grundlage unserer Vorlage waren die Stellungnahmen betroffener Verbände, so der Deutsche Industrie- und Handelskammertag, der vor Mehrbelastungen warnt, und der Verband der Chemischen Industrie, der keinen Mehrwert und das Umweltrecht berührt sieht, der Verband der Schweinehalter Deutschlands warnt vor dem Aus schweinehaltender Betriebe.

Drei Ausschüsse attestierten dem Vorhaben, wie gesagt, immerhin Zweifel zur Verhältnismäßigkeit angesichts der weitreichenden Pläne. Da ist es verwunderlich, dass der Europaausschuss in seiner öffentlichen Sitzung zu den genannten EU-Papieren am letzten Freitag trotz der Ergebnisse der drei mitberatenden Ausschüsse mit sechs zu sechs und aufgrund des Fehlens eines Ausschussmitglieds diese Bedenken zur Verhältnismäßigkeit weggestimmt hat und die Vertreter der Landesregierung ihrerseits keine Bedenken sehen wollen.

(Beifall AfD)

Und das ist nicht das erste Mal. Auch schon bei höchst bedenklichen Vorschlägen zur Energieeffizienz von Gebäuden wurden die Mitberatungsergebnisse anderer Ausschüsse im Europaausschuss ignoriert: damals durch eine gleiche Ja-/Nein-Konstellation und aufgrund einer Enthaltung.

(Beifall AfD)

Eine Debatte über den Vorschlag der EU, der im Zuge des Green Deals und im Rahmen des „Fit for 55“-Programms publiziert wurde, ist daher aus unserer Sicht angebracht.

(Beifall AfD)

Der Bayerische Landtag hat übrigens zu diesem Papier Subsidiaritäts- und Verhältnismäßigkeitsbedenken gemeldet.

Auch auf die Gefahr hin, dass unsere Entscheidung ebenfalls zu einem medialen Theaterdonner, zur Einschaltung des Ministerpräsidenten und des Parteivorsitzenden der CDU, womöglich zu einem Angebot über einen Frieden für Frühwarndokumente oder zu einem Rückzug des Antrags führt, stimmen wir diesem Antrag zu. Vielen Dank für die Aufmerksamkeit.

(Beifall AfD)

Für die Gruppe der FDP erhält Herr Abgeordneter Bergner das Wort.

Vielen Dank, Frau Präsidentin. Meine sehr verehrten Kolleginnen und Kollegen, meine Damen und Herren, wir Freien Demokraten stehen grundsätzlich für Subsidiarität, das bedeutet: Was unten entschieden werden kann, soll auch unten entschieden werden. Das ist ein Grundsatz, der die gesamte DNA unserer Programmatik wie ein gelber Faden durchzieht. Und wir hätten auch in der Vorlage Gründe gesehen, über Subsidiarität zu diskutieren, es wäre aber in den Ausschüssen nicht mehrheitsfähig gewesen. Deshalb ist in meinen Augen der Antrag der CDU-Fraktion zum Thema „Verhältnismäßigkeit“ ein guter Ansatz, auf den man sich verständigen kann.

Meine Damen und Herren, wir sehen gerade in dieser Zeit, wie wichtig der europäische Gedanke ist. Wir sehen, dass wir in dem Bereich der Europäischen Union eine Friedensphase haben, die es so lange auf unserem Kontinent noch nie gab. Und wir sehen, dass es deswegen wichtig ist, diesen europäischen Gedanken zu stärken und zu stützen und nach vorn zu tragen. Umso wichtiger ist es, dass die Europäische Union nicht primär als ein bürokratisches Monster wahrgenommen wird, das unangemessen in das alltägliche Leben der Menschen eingreift. Umso mehr ist es wichtig, dass wir es schaffen, den Vorteil, den Mehrwert des europäischen Gedankens, nämlich für Verständigung der Völker und für Wahrung des Friedens nach vorn zu tragen und eben nicht –

(Abg. Hoffmann)

(Beifall CDU)

danke – in dem Kleinklein der großen Paragraphenwelt zu verharren. Deswegen, meine Damen und Herren, werbe ich von dieser Stelle aus um Zustimmung zu der Vorlage der CDU-Fraktion. Ich danke Ihnen.

(Beifall CDU, Gruppe der FDP)

Für die Fraktion Die Linke erhält Herr Abgeordneter Gleichmann das Wort.

Sehr geehrte Frau Präsidentin, sehr geehrte Damen und Herren, liebe Zuschauerinnen und Zuschauer am Livestream und auch hier auf der Tribüne, zuerst möchte ich mich tatsächlich erneut bei der CDU bedanken, denn mit Ihrem Antrag haben Sie zum zweiten Mal einen Beteiligungsprozess der EU von der Beratung im zuständigen Europaausschuss hier in das Plenum des Thüringer Landtags gehoben. Die Bedeutung der EU und deren Partizipationsmöglichkeiten für regionale und kommunale Gebietskörperschaften wird so erneut einer größeren Öffentlichkeit präsentiert.

Im heutigen Fall haben Sie per Platzierung sogar dafür gesorgt, dass die Debatte zur Primetime der Plenarsitzung, am Donnerstagvormittag, stattfindet. Schade ist jedoch, dass Sie diese Öffentlichkeit dazu nutzen, mit Ihrer Argumentation wie im vorliegenden Antrag auf Verhältnismäßigkeitsbedenken ein negatives, teilweise dystopisches Bild der Auswirkungen der „Fit for 55“-Richtlinien zu zeichnen. Ich zitiere aus Ihrem Antrag: „Der Richtlinienvorschlag ist wegen seiner ambitionierten Zielvorgaben und der erheblichen Ausweitung des Anwendungsbereichs sowie des Umfangs der umzusetzenden Maßnahmen und deren erheblichen Kosten geeignet, die Tierhaltung in Europa in ihrer Existenz massiv zu gefährden.“

(Beifall CDU)

Dieser Satz zeigt das Dilemma, in dem sich Teile der Politik in Europa befinden und warum es mit dem Klimaschutz und den Anpassungsmaßnahmen an den Klimawandel nur schleppend vorangeht. Auf der einen Seite klopfen sich alle auf die Schultern, wenn auf Klimagipfeln Ziele definiert werden; ich erinnere da unter anderem an die Bundesregierung, die die Ergebnisse des Pariser Klimaschutzabkommens als bahnbrechenden Erfolg feierte – auch parteiübergreifend. Am 22. April 2021 freute sich die damalige Bundeskanzlerin Angela Merkel bei einem virtuellen Klimatreffen auf Einladung des US

Präsidenten, dass Deutschland und die EU gemeinsam mit den USA ihre Klimaschutzanstrengungen verstärken werden. Unter anderem feierte sie dies mit diesen Worten: „Wir haben in Deutschland ein verbindliches Klimaschutzgesetz, das den Weg zur Klimaneutralität beschreibt“, so Kanzlerin Merkel. Die Europäische Union schreibt ihr höheres Klimaschutzziel bis 2030 von mindestens 55 Prozent weniger Emission ebenfalls gesetzlich fest. Und jetzt kommt es: „Alle großen Emittenten sind gefordert“, sagte Merkel.

Bei der uns heute vorliegenden neu gestalteten Richtlinie 2010/75 zum Thema „Industrieemissionen“ geht es nun ganz konkret um die Umsetzung der Ziele, die sich die Welt, Europa und – ja – auch unsere Bundesregierung, wir selbst gesetzt haben. Wo es nun konkret wird, will die CDU Thüringen einen Rückzieher machen.

Ich möchte gern noch etwas tiefer in die Materie einsteigen, um deutlich zu machen, welche Rolle die regionalen Gebietskörperschaften im Rahmen des Subsidiaritätsprinzips spielen. Wir haben als Thüringer Landtag zwei Aufgaben bei der Beratung der EU-Richtlinien. Zum einen sollen wir beurteilen, ob Ziele einer Maßnahme wegen ihres Umfangs oder ihrer Wirkungen von den Mitgliedstaaten nicht ausreichend verwirklicht werden können, sondern besser auf der Ebene der EU zu verwirklichen sind. Das wären Subsidiaritätsbedenken. Diese haben die Fachausschüsse und der Europaausschuss im vorliegenden Fall nicht gesehen. Deswegen will ich darauf auch nicht näher eingehen.

Etwas schwieriger wird es aber bei der zweiten Aufgabe der Beurteilung, ob die Vorschläge der EU dem Verhältnismäßigkeitsprinzip widersprechen. Dazu müssen wir konkreter werden. Es gibt vier Punkte auf der Liste abzuarbeiten: zum einen legitimer Zweck, zum anderen Geeignetheit, Erforderlichkeit und Angemessenheit. Wir wollen die Industrieemissionen senken, um den Ausstoß an Schadstoffen bis 2055 deutlich zu reduzieren. Dieser Zweck ist in Anbetracht der schon erwähnten weltweiten Festlegung von Klimaschutz mehr als legitim.

(Beifall DIE LINKE)

Die in der Richtlinie vermerkten Grenzwerte haben einen kausalen Zusammenhang zwischen dem Zweck der Richtlinie und dem zu erreichenden Ziel. Dementsprechend sind die Maßnahmen geeignet. Frage drei ist, ob es mildere Mittel gibt, die zur Verfügung stehen und die gleichermaßen geeignet wären. Die 50.000 Industriebetriebe in der EU – etwa 30.000 große Industrieanlagen und rund 20.000 große Geflügel- und Schweinehaltungsbetriebe, die

(Abg. Bergner)

unter die aktuelle Version der Richtlinie fallen – sind für 50 Prozent der Emissionen von Schwefeloxiden, Schwermetallen und anderen Schadstoffen verantwortlich. Darüber hinaus werden 40 Prozent der Treibhausgase und rund 30 Prozent der Stickoxide und des Feinstaubs emittiert. Ziel der Richtlinie ist es, Emissionen in die Luft, das Wasser und den Boden so weit wie möglich zu vermeiden und zu vermindern bzw. am Ende auch zu beseitigen. Ferner sollen Wettbewerbsverzerrungen durch Gewährleistung horrender Umweltanforderungen vermieden und Innovationen gefördert werden. Also genau die von der CDU in ihrem Papier gefürchtete Verzerrung des Wettbewerbs, unter anderem in der Landwirtschaft, soll mit einheitlichen Standards aufgehoben werden. Ein Agrarbetrieb in Griechenland soll die gleichen Anforderungen an Umweltstandards erfüllen wie in Ungarn oder hier in Thüringen. Mit der neu formulierten Richtlinie würden zu den genannten Betrieben etwa 165.000 weitere Nutztierhaltungsbetriebe hinzukommen. Das hört sich erst einmal sehr viel an, es handelt sich aber letztendlich trotzdem nur um 13 Prozent entsprechender Agrarbetriebe in Europa. In Thüringen betrifft die Richtlinie 472 Unternehmen, davon 130 Mastbetriebe mit Ställen ab 150 Großvieheinheiten bzw. 500 Schweinemastplätzen. Es betrifft also weniger die kleinen Familienbetriebe, um die sich die CDU in ihrem Antrag sorgt, sondern mehr die größeren Betriebe.

Aber auch für die Betroffenen heißt es nicht Umstellung von heute auf morgen. Es werden jedoch verpflichtende Transformationspläne bis 2030 in der Industrie bzw. 2034 in der Landwirtschaft und darüber hinaus gefordert. Dabei geht es speziell darum, dass eine effizientere Verwendung von Ressourcen, also Wasser und Boden zum Beispiel, realisiert wird. Emissionsgrenzwerte sollten sich an der besten zur Verfügung stehenden Technik orientieren und die Kontrolle soll effektiver werden. Das mit der neuen Richtlinie überarbeitete und gestraffte Genehmigungsverfahren entspricht dem im Vergleich zu Industrieanlagen geringeren Risiko der Nutztierhaltungsbetriebe und wird sowohl für die 20.000 bisher bestehenden Betriebe gelten, die unter die Richtlinie fallen, als auch für die neu hinzukommenden. Das heißt, es werden sogar bürokratische Hürden abgebaut. Die Genehmigung wird laut EU-Angaben etwa 2.400 Euro pro Jahr und Betrieb kosten.

Gleichzeitig bietet die EU-Förderung im Bereich von Innovationen wirksamere Genehmigungen, Materialeffizienz und Dekarbonisierung an. Die Landwirtschaftsbetriebe werden also nicht allein gelassen – im Gegenteil. Die im Rahmen der Verhältnismäßigkeit zu prüfenden Punkte – also Erforderlich

keit und Angemessenheit, die noch offen waren in meiner Liste – können von dieser Warte aus also ebenfalls nicht bemängelt werden.

In Abwägung des genannten Subsidiaritätsprozesses kam der Europaausschuss im Thüringer Landtag mehrheitlich am vergangenen Freitag zu dem Ergebnis, keine Bedenken auszusprechen.

(Zwischenruf Abg. Urbach, CDU: Das ist falsch!)

Die CDU konnte – wie auch mit dem heute vorliegenden Papier – nicht konkret deutlich machen, wie die EU-Richtlinie die entsprechenden formalen Kriterien explizit verletzt und welche Alternative sie bei den Mitteln gleicher Eignung sehen würde. Der Antrag ist also abzulehnen.

Neben dieser formalen Prüfung, wie ich sie eben geschildert habe, ist natürlich unbestritten, dass es eine große Herausforderung ist, die gestellten Ziele des Pariser Klimaschutzabkommens und der sich daraus ableitenden nationalen und subnationalen Klimapläne zu realisieren. Ein erneut hoher Anpassungsbedarf von Stallanlagen und Tierhaltung an strengere Bestimmungen zwingt die Thüringer Tierhaltung erneut zu Investitionen, die in der heutigen Krisenzeit für viele schwer zu stemmen sind. Schon jetzt haben sich ganz unabhängig von Grenzwerten oder sonstigen EU-Regularien viele tierhaltende Betriebe von der Tierhaltung verabschiedet. In Thüringen sind wir weit unter einer Tierdichte, die man als nachhaltig bezeichnen kann, wenn man den Nährstoffkreislauf Boden-Tier-Pflanze-Boden sicherstellen möchte. Die Ursachen sind vielfältig und ein lange währender und schleichender Prozess.

Ja, die Tierhaltung ist in der Krise, doch dabei vergisst man neben den Investitionskosten auch die andere Seite. Gerade in der aktuellen Krise fossiler Energieträger, generell auch der Globalisierung, wird deutlich, wie wichtig regionale hochqualitative Produkte sind und wie wenig Wertschätzung diese teilweise erhalten. Das gilt monetär wie gesellschaftlich. Als Linke stehen wir hierbei an der Seite der Beschäftigten in Industrie und Landwirtschaft und werden daher gemeinsam mit R2G alle Möglichkeiten nutzen, um mit Innovation und Solidarität den Dreiklang Ökologie, Ökonomie und Soziales deutlich zu machen.