Harald Wolf

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Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Herr Wansner! Wenn sich die Vorschläge der CDU der letzten 40 Jahre in der Integrationspolitik in Reinform durchgesetzt hätten, würden Lukas Podolski und Miroslav Klose wahrscheinlich noch für Polen Fußball spielen, Gerald Asamoah für Ghana und Oliver Neuville für die Schweiz.
Und dann könnten Sie Ihre albernen Fähnchen jetzt leise weinend einrollen, weil wir dann schon längst ausgeschieden wären.
Selten ist ein politisches Projekt so lange öffentlich und unter Beteiligung der Betroffenen diskutiert worden wie das Integrationskonzept. Das war von uns auch so gewollt. Die Debatte ist mit dem heutigen Tag auch keinesfalls abgeschlossen. Das Integrationskonzept markiert einen Paradigmenwechsel in Berlin. Endlich haben wir ein Leitbild, das anerkennt, dass Berlin eine Einwanderungsstadt ist, was die CDU über Jahrzehnte hinweg geleugnet hat, das anerkennt, dass Pluralität irreversibel ist, das Einwanderung als Chance begreift, und damit den Defizitdebatten etwas entgegengesetzt wird. Vielfalt fördern, Zusammenhalt stärken – das ist ein Leitbild, das einer demokratischen, offenen und toleranten Gesellschaft angemessen ist. Zu diesem Paradigmenwechsel gehört auch, dass alle Senatsverwaltungen einbezogen sind und dass Integrationspolitik als Querschnittsthema behandelt wird. Ich danke allen Beteiligten, besonders dem Integrationsbeauftragten, den Mitgliedern des Integrationsbeirats, den Verbänden und Initiativen, herzlich für ihre Mitarbeit und ihre Vorschläge im Namen meiner Fraktion.
Das historisch Bedeutsame an dieser Konzeption ist, dass endlich der Gedanke des Vielfaltförderns, der Anerkennung und Wertschätzung von Menschen mit Migrationshintergrund in den Mittelpunkt staatlicher Politik gesetzt wurde. Das ist leider keine Selbstverständlichkeit. Integration wird endlich auch als Herausforderung und Forderung an die so genannte Mehrheitsgesellschaft formuliert. Dass viele Migrationsprobleme neben sozialer Marginalisierung und Ausgrenzung wesentlich in rassistischen, kulturellen und religiösen Vorurteilen begründet sind, beweist die Stigmatisierungsdebatte der letzten Jahre. Solange die CDU wie in Hessen und NordrheinWestfalen mit ausländerfeindlichen Kampagnen Wahl
kämpfe führt, solange – wie aktuell in Heinersdorf – ein banaler Kirchenbau zu einer Angstkampagne und Hysterie führt, muss die Integrationsbereitschaft der so genannten Mehrheitsgesellschaft im Fokus der Politik stehen.
Neben der Arbeitsmarkt- und Bildungspolitik ist die interkulturelle Öffnung des öffentlichen Dienstes von herausragender Bedeutung. Erst wenn der Anteil der Menschen mit Migrationshintergrund im öffentlichen Dienst dem Anteil in der Stadtgesellschaft entspricht, können wir von Normalität sprechen. Die Kampagne „Berlin braucht dich“ ist sicher ein guter Anfang.
Der Teil der Integrationspolitik, der uns trotz aller Fortschritte in Berlin am meisten Sorgen macht, ist die Flüchtlingspolitik. Die Reform der Ausländerbehörde geht uns zu schleppend. Der Umgang mit den Voten der Härtefallkommission ist uns in vielen Fällen unverständlich. Das zeigt aber auch, dass die Arbeit mit der Integrationskonzeption weitergehen muss.
Was die Anträge der Opposition angeht, will ich mich aus Zeitgründen nur mit dem längeren Antrag der Grünen befassen. Inhaltlich, liebe Freunde von den Grünen, sind wir uns nicht fern. Aber das Bedauerliche an dem Antrag ist, dass er ein ziemlich buntes Potpourri von Forderungen ist, die entweder schon längst integraler Bestandteil des Integrationskonzeptes oder Teil von laufenden Kampagnen und Arbeitsschwerpunkten des Integrationsbeauftragten sind. Eine Reihe interessanter Forderungen ist zurzeit noch nicht durchsetzungs- und mehrheitsfähig. Der Antrag enthält aber auch einen großen Teil Symbolismus, der – Herr Kollege Kleineidam hat schon darauf hingewiesen – eher schädlich wirken kann, z. B. die Bildung
Ihr wahres Gesicht zeigen SPD und Linkspartei aber erst so richtig bei der Flüchtlingspolitik. Da beschließen zwar die Parteitage der SPD und der Linkspartei hübsche Resolutionen, aber sie lassen es zu, dass minderjährige Kinder, die hier geboren und groß geworden sind, in ein für sie fremdes Land abgeschoben werden, dass junge Menschen drei Monate vor ihrem Realschulabschluss abgeschoben werden. Das ist die rot-rote Flüchtlingspolitik.
Erst ein Jahr vor dem Ende seiner Amtsperiode, im Herbst letzten Jahres, legte der Senat eine Konzeption zur Integrationspolitik vor. Seine große Botschaft lautet: Integration ist eine ressortübergreifende Aufgabe. – Schön! Aber wo spiegelt sich das in Berlin wider? Wo findet diese ressortübergreifende Arbeit statt? Wo sind konkrete Projekte? – Die Aktivitäten eines Integrationsbeauftragten machen noch lange keine ressortübergreifende Zusammenarbeit aus. Nun war das alles bereits Ende 2005 bekannt. Fast alle Expertinnen und Experten, die wir zur rotroten Integrationskonzeption angehört haben, kritisierten: keine systematische Analyse, keine klaren Ziele, keine Zeitpläne, keine Zielerreichungskriterien, keine klaren Zuständigkeiten. – Wir haben eine Reihe konstruktiver Anträge zum Leitbild, zur Gesamtkonzeption und zu einzelnen Bereichen gestellt. Und selbst die CDU hat zwei vernünftige Anträge gestellt.
eines eigenen Integrationsministeriums. Man kann nicht einerseits fordern, dass Integrationspolitik Schwerpunkt aller Verwaltungen sein soll, und sie durch die Schaffung eines Einzelministeriums wieder aus der Verantwortung nehmen. Weil dieser Antrag so ein Potpourri ist, ist er leider nicht zustimmungsfähig.
Auf den bevorstehenden Integrationsgipfel auf Bundesebene ist Berlin gut vorbereitet. Dort wird übrigens, Herr Wansner, der Regierende Bürgermeister Berlin vertreten. Die Bundesrepublik braucht insgesamt eine Integrationskonzeption, in der für Vielfalt, Toleranz und friedliches Zusammenleben geworben wird. Dafür muss hart gearbeitet werden. Die Bundesregierung wäre gut beraten, dem Beispiel Berlins zu folgen. – Ich danke für Ihre Aufmerksamkeit.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Die Koalition hat das Thema „Integrationskonzept für Berlin – Betroffene zu Beteiligten machen“ beantragt. Sie werden sich erinnern: SPD und PDS haben ein solches Integrationskonzept noch vor der Sommerpause vom Senat gefordert und die Vorlage in diesem Haus auf den 1. September terminiert. Heute ist der 1. September. Das Konzept ist vom Senat beschlossen und sollte hier und heute an prominenter Stelle und nicht unter ferner liefen diskutiert werden. Das gebietet, glaube ich, schon allein der Respekt vor den 600 000 Migrantinnen und Migranten in Berlin.
Die Aktualität des Themas könnte ich auch mit der erstaunlichen Leistung des Kollegen Ratzmann begründen, der es geschafft hat, schon wenige Minuten nach dem Senatsbeschluss die 83 Seiten studiert und im Wesentlichen nur Lyrik gefunden zu haben, während der Kollege Trapp auf der andren Seite schon einmal vorsorglich Klage gegen Maßnahmen zur interkulturellen Öffnung der Verwaltung empfohlen hat.
Jetzt sind wir fast beim Tagesgeschäft. Bevor ich das aber eröffne, habe ich dem Kollegen Dr. Fritz Felgentreu zum Geburtstag zu gratulieren. – Herzlichen Glückwunsch! Alles Gute, gute Gesundheit!
Wir wollen wissen, wie sich die Opposition zu den 12 Essentials der Berliner Integrationspolitik verhält, ob sie zu einer seriösen Auseinandersetzung zu einem zentralen Zukunftsthema unserer Stadt bereit ist. Wir wollen wissen, ob die Grünen nur mit uns „Literarisches Quartett“ spielen wollen oder an der Qualifizierung und Umsetzung sinnvoller integrationspolitischer Maßnahmen teilnehmen wollen. Und wir wollen wissen, ob die CDU auf ihrem integrationspolitischen Stammtischniveau bleibt, das da lautet: deutsch werden oder abschieben. Die Aktualität könnte ich auch damit begründen, dass im Bundestagswahlkampf erneut einzelne Politiker aus verschiedenen Parteien, inklusive meiner eigenen, gefährlichen Unsinn zur Einwanderung und Integration äußern.
Dann komme ich zum Geschäftlichen. Mit Schreiben vom 29. August bittet die CDU-Fraktion, ihren in der 70. Plenarsitzung am 16. Juni des Jahres überwiesenen Antrag über „Mittelstand bei Charité-Aufträgen auch zukünftig berücksichtigen“, Drucksache 15/4082, der an den Ausschuss für Gesundheit, Soziales, Migration und Verbraucherschutz überwiesen wurde, zusätzlich mitberatend an den Ausschuss für Wirtschaft, Betriebe und Technologie zu überweisen. Der Gesundheitsausschuss erhält also die Federführung. – Widerspruch dazu höre ich nicht. Dann ist das so beschlossen.
Am Montag sind vier Anträge auf Durchführung einer Aktuellen Stunde eingegangen,
Das vorliegende Integrationskonzept ist da mehr als nur ein Zeichen, dass es Koalition und Senat ernst meinen, den von Rot-Rot eingeleiteten Paradigmenwechsel in der Integrationspolitik in einem Gesamtkonzept zu bündeln und unumkehrbar zu machen, nämlich zu begreifen: Einwanderung, Integration ist eine Zukunftschance und Herausforderung in allen Ressorts und gesellschaftlichen Bereichen. Und das gilt es zu gestalten. Vielfalt ist kein Problem, Vielfalt ist die Normalität einer pluralen Gesellschaft. Sie muss gefördert werden, um Austausch produk
1. Antrag der Fraktion der SPD und der Linkspartei.PDS zum Thema: „Integrationskonzept für Berlin – Betroffene zu Beteiligten machen“,
2. Antrag der Fraktion der CDU zum Thema: „Sinkende Studentenzahlen, überschuldete Charité, Mittelkürzungen – Flierls trostlose Hochschulpolitik ruiniert Berliner Leistungen für Deutschland“,
t!
tiv zu machen. Rassismus und Diskriminierung müssen bekämpft werden. Zusammenhalt muss gestärkt werden.
Das fordert alle in der Gesellschaft, auch die so genannte Mehrheitsgesellschaft. Deshalb ist der Ansatz, Integrationspolitik als prioritäre Querschnittsaufgabe zielorientiert und partizipativ zu bearbeiten, beispielgebend, auch für andere Bundesländer und die Bundespolitik.
Genau! – Dazu muss erst noch dieser Senat abgewählt werden, also hoffen wir auf das nächste Jahr.
Der wichtigste Grund für die Aktuelle Stunde aber ist, dass die Verbände und Initiativen in dieser Stadt nach dem Integrationskonzept für Berlin verlangen. Sie wollen es lesen, prüfen und sehen, welche ihrer Vorschläge und Forderungen Eingang gefunden haben, und Öffentlichkeit und Transparenz ist die wichtigste Voraussetzung für die Partizipation der Betroffenen. Sie werden nicht nur den Senat, sondern alle politischen Parteien in diesem Hause befragen und beurteilen, wie sie sich zu Konzept und Umsetzung verhalten – und womit? – Mit Rech
Das Lachen müsste Ihnen vergehen, wenn Sie genau hingucken, was Sie in den vier Jahren Ihrer Regierung angerichtet haben. Das ist zumindest für Hochschulen und Forschung deprimierend.
Heute legen Sie endlich – nach einer quälenden Phase der Neustrukturierung ein Unimed-Gesetz vor – so selbstgefällig würde ich, Herr Flemming, an Ihrer Stelle nicht gucken –, das den zentralistischen Großbetrieb Charité sichern soll. Ausgangspunkt war die absurde Idee der neuen rot-roten Koalitionspartner, das Universitätsklinikum Steglitz zu einem städtischen Haus zu degradieren, der FU den Status als Volluniversität zu nehmen, Drittmittel in dreistelliger Millionenhöhe in den Wind zu blasen und die HBFG-Mittel an den Bund zurückzuzahlen. Anstelle dieses Unfugs wurde dann das neue Monstrum Charité in der heutigen Form gebildet, nur leider mit einem völlig untauglichen Vorschaltgesetz, mit dem diese hervorragende Einrichtung zwei Jahre leben musste. Doch statt Erleichterung, weil heute ein endgültiges Gesetz vorgelegt wird, wieder Enttäuschung und Entsetzen bei den Betroffenen, denn Sie, Herr Flierl, und Ihre herrlichen Mitstreiter aus PDS und SPD haben nichts dazugelernt.
Die Koalition versteht diese Aktuelle Stunde als Auftakt für eine breite und ausführliche Beratung nicht nur in diesem Haus, sondern auch und gerade mit den Betroffenen und Interessierten. Verbesserungsvorschläge, sofern sie den Essentials des Integrationskonzepts nicht zuwiderlaufen, sind seitens der Koalition ausdrücklich erbeten. – Danke schön!
Wir haben von Herrn Apelt keine Kreuzritterrede zur Verteidigung des Abendlandes gehört, wie sie sonst Herr Henkel üblicherweise vorträgt,
Das ist nicht unsere Aufgabe. Es schürt in dieser aktuellen Auseinandersetzung eher Vorurteile, anstatt dass es zum Frieden in dieser Stadt beiträgt.
Es ist bekannt, dass es zwischen SPD und PDS eine Reihe von ernsten Differenzen in diesem so genannten Kopftuchstreit gab. Ich habe an dieser Stelle am 19. Februar gesagt – und finde das auch nach wie vor richtig –: Mit staatlichen Verboten, die auf religiöse und weltanschauliche Symbole zielen, sollte man vorsichtig sein, und zwar aus grundsätzlichen bürgerrechtlichen und rechtsstaatlichen Erwägungen, aber auch mit Blick auf die praktischen Risiken und Nebenwirkungen. – Sicher ist, dass wir keiner Regelung zustimmen werden, die allein gläubige Muslime – so, wie Herr Apelt das gemacht hat – unter den Verdacht stellt, das Neutralitätsgebot des Staates zu verletzen.
Darin sehen wir uns auch durch das Urteil des Bundesverwaltungsgerichts vom 24. Juni bestätigt. Frau Schavan glaubte, sie könne mit einem Trick im Schulgesetz und mit der Definition, dass die Nonnentracht künftig ein Blaumann sei, in Baden-Württemberg die Gleichbehandlung untergraben. Aber sie musste erleben, dass das nicht geht. Das Grundgesetz und die Gleichbehandlung
Der Islam ist die drittgrößte konfessionelle Gruppe in Deutschland. Der Dialog ist unterentwickelt, vorurteilsbe
laden und durch vielfältige Auslegung kompliziert. Der Arbeitskreis „Islam und Schule“ soll sowohl Kompetenz zur Beratung von Verwaltung bündeln als auch als Plattform des Dialogs zwischen Mehrheitsgesellschaft und muslimischen Religionsgemeinschaften dienen. Insbesondere sollen hier Hilfsangebote für den Umgang mit interreligiösen Konflikten an der Schule und außerdem im Dialog Standards für den islamischen Religionsunterricht erarbeitet werden.
Zu einer vernünftigen Integrationspolitik gehört auch der Kampf gegen Diskriminierung. Deshalb wollen wir eine Antidiskriminierungsleitstelle einrichten, und zwar im Vorgriff auf bundesgesetzliche Regelungen.
Meine Redezeit geht zu Ende. – Wir können in den Ausschüssen über dieses Thema noch fleißig weiter diskutieren. Ich möchte abschließend festhalten: Dieses Gesamtpaket stellt für uns einen ausgewogenen Kompromiss dar, der auch einer weltoffenen und multikulturellen Metropole so, wie wir sie uns wünschen, dienen kann. – Danke!
Danke schön, Herr Präsident! – Meine Damen und Herren! Dies ist die erste Plenarsitzung nach dem 1. Mai. Wenn man die letzten 17 Jahre 1. Mai in Kreuzberg und den Verlauf des diesjährigen 1. Mais betrachtet, müsste man zur Aktualität des Themas kaum noch etwas sagen. Ich möchte Ihnen aber dennoch einige Argumente vortragen, warum wir heute mit Ihnen darüber diskutieren wollen.
Die Berichterstattung zum diesjährigen 1. Mai spart nicht mit Lob für die gelungene Einsatzkonzeption der Polizei, für das Engagement der Bezirksbürgermeisterin von Kreuzberg und der Organisatoren des „Myfestes“ in Kreuzberg – zu Recht!
(D
Was hier geleistet wurde, ist in der Bundesrepublik einmalig und vorbildlich. Es ist nicht nur überaus aktuell, sondern auch geradezu ein Gebot der Redlichkeit gegenüber einem Polizeipräsidenten, den Sie von der CDU nicht haben wollten, gegenüber einem Innensenator, den Sie, liebe CDU, ein Sicherheitsrisiko genannt haben, und gegenüber dem zivilgesellschaftlichen Engagement, das Sie nie ernst genommen haben, diese geleistete Arbeit im Rahmen einer Aktuellen Stunde ausführlich zu würdigen.
Präsident Momper eröffnet die Sitzung um 13.03 Uhr.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Mit staatlichen Verboten, die auf religiöse oder weltanschauliche Symbole zielen, sollte man nach unserer Auffassung sowohl aus grundsätzlichen bürgerrechtlichen und rechtsstaatlichen Erwägungen, aber auch hinsichtlich der praktischen Risiken und Nebenwirkungen vorsichtig sein. Es ist ja bekannt, dass wir in Sachen Kopftuchverbot Differenzen mit dem Koalitionspartner haben. Der Kollege Felgentreu hat es bereits erwähnt. Sie sind auch – entgegen anderslautenden Presseberichten – nicht ausgeräumt. Wir glauben nicht, dass ein Kopftuchverbot im Kampf gegen politischen Islamismus zielführend ist. Im Gegenteil: Das Verbot birgt die Gefahr, die mehrheitlich unpolitischen Muslima in unserer Stadt zu stigmatisieren,
Dr. Felgentreu
die Deutungen der Fundamentalisten aufzuwerten und damit Konflikte zu verschärfen, anstatt sie zu lösen.
Wir wissen, dass wir in einer Konstellation, in der alle Fraktionen in diesem Haus außer uns eine Verbotsregelung wollen, über Kompromisse verhandeln müssen. Wir haben uns in der Koalition geeinigt, der gesellschaftlichen Debatte Raum und Zeit einzuräumen, auch in der Hoffnung, dass mit der Dauer der Diskussion die integrationspolitischen Aspekte und Risiken genauer überprüft werden können. Sicher ist, dass wir keiner Regelung zustimmen werden, die allein gläubige Muslima unter den Verdacht stellt, das Neutralitätsgebot des Staates zu verletzen.
Viele haben sich geäußert, die nachdenklichen, warnenden Stimmen werden mehr. Der Berliner Integrationsbeauftragte und die Integrationsbeauftragten der Bezirke – Frau Senftleben hat sie gerade erwähnt – haben gestern einen Text veröffentlicht. Seit längerem gibt es den Aufruf „Religiöse Vielfalt statt Zwangsemanzipation – Aufruf wider eine Lex Kopftuch“. Dort werden Argumente geliefert, von denen wir meinen, dass sie vernünftig und zu diskutieren sind. Wer allerdings Marie-Luise Beck, Barbara John, Renan Demirkan, Lieselotte Funke, Rita Süssmuth, Heidi Knake-Werner und andere, die diesen Aufruf initiiert haben, als
„naive, nützliche Idioten des Islamismus“ bezeichnet, wie es die Junge Union getan hat, zeigt, dass es in dieser Debatte um einen Kulturkampf und eine Angstdiskussion geht, nicht um die Prüfung von Argumenten.
Wir müssen aufpassen, dass zugewanderte Frauen nicht stigmatisiert werden, nur weil sie ein Kopftuch tragen.
Es ist nicht bewiesen und entspricht auch nicht der Realität, dass das Kopftuch in jedem Fall Ausdruck einer extremistischen, politisch fundamentalistischen Grundhaltung ist und zum Zweck der Missionierung getragen wird. Wir bestreiten überhaupt nicht, dass für islamische Fundamentalisten das Kopftuch ein politisches Symbol darstellt und auch ein Instrument zur Unterdrückung der Frau ist, dass sie versuchen, damit Politik zu machen. Wir wissen aber auch: Nicht jede muslimische Frau, die sich für das Kopftuch entscheidet, teilt diese Deutung, wurde dazu gezwungen, vertritt den politischen Islam oder sympathisiert mit dem Fundamentalismus. Selbst das Landesamt für Verfassungsschutz, dessen Studien die PDS eher selten zitiert, unterscheidet grob acht verschiedene individuelle Motive für das Tragen eines Kopftuches. Eines der Motive kann Missionierung und Agitation gegen das Grundgesetz sein. Es können aber auch andere, ungefährliche Motive sein. Wichtig ist, was in dem Kopf drin ist, was herauskommt, und nicht, was draufsitzt.
Sollte eine Lehrerin oder ein Lehrer, den wir mit einem Kopftuchverbot nicht träfen, missionieren, agitieren oder in irgendeiner Weise gegen die freiheitliche Grundordnung verstoßen, kann dem mit Hilfe der individuellen Eignungsprüfung und dem Disziplinarrecht Einhalt geboten werden.
Im Unterschied zur FDP, unserem Koalitionspartner und den Grünen, die zumindest das Problem einer Stigmatisierung der unpolitischen Muslime manchmal einräumen, treibt der CDU-Antrag die Sache auf die Spitze. In der Pose der Retter des Abendlandes vor den Heiden – ganz in der christlichen Tradition der Kreuzzüge – darf nicht nur, sondern soll auch der rechte Glaube bekundet werden, wohingegen das Bekenntnis zum Islam durch Tragen eines Kopftuches unzulässig sei
ich zitiere auszugsweise aus der Begründung –, weil „zumindest ein Teil seiner Befürworter mit ihm sowohl eine mindere Stellung in Gesellschaft, Staat und Familie als auch eine fundamentalistische, kämpferische Stellungnahme für ein theokratisches Staatswesen verbindet“.
Weil zumindest ein Teil etwas verbindet, werden alle in Sippenhaft genommen. Ist das die Logik, die dem zu Grunde liegt? – Ich für meinen Teil bin nicht bereit, alle Christen in Sippenhaft zu nehmen für die Haltung von einzelnen frauenfeindlichen Bischöfen oder die Machenschaften von Opus Dei.
Bei aller Anerkenntnis der realen Probleme, die mit der Gefahr einer zunehmenden Politisierung des Islam einhergehen, bei allen kulturellen Alltagskonflikten in einer Einwanderungsgesellschaft sollten wir uns der Mühe unterziehen, Argumente und Mittel zu prüfen.
Wem nutzt eine Stigmatisierung? – Die Gefahr, dass die Debatte, wie sie von der CDU geführt wird, die unpolitischen Muslime in die Arme von Fundamentalisten treibt, wird meines Erachtens von den Befürwortern eines Verbots unterschätzt. Integrationspolitisch ist und bleibt es jedenfalls problematisch. Wie auch immer am Ende von Verhandlungen mögliche Kompromisse zur Regelung aussehen, wichtig ist, dass damit nicht alle gläubigen Muslime an den Pranger gestellt werden. Muslime sind so plural in ihren Weltanschauungen wie Christen, Juden und Atheisten. Sie gehören zu Berlin. Für alle sollten die gleichen Regeln gelten.
Die Gefahr von Missionierung und Agitation im Schuldienst besteht immer, unabhängig von der Art des Glaubensbekenntnisses und der Kleidung.
Ich komme zum Schluss. – Deshalb gibt es das Neutralitätsgebot, Mäßigungsgebot und Disziplinarrecht. Ich möchte SPD, FDP und Grüne inständig bitten, im Sinne ihrer bürgerrechtlichen Tradition noch einmal zu überprüfen, ob wir das Mäßigungsgebot auch mit anderen Mitteln für Lehrerinnen und Lehrer sichern und die Einzelfallprüfung als Prinzip erhalten können.
Zumindest aber möchte ich bitten, dass wir gemeinsam dem gefährlichen deutschen Leitkulturgerede der CDU entgegentreten und über Antidiskriminierungsregelungen für Muslime nachdenken. – Danke schön!
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Wer geglaubt hat, dass nach 15 Jahren einer sich aufschaukelnden Gewaltspirale, nach zwei Jahren des Einsetzens eines neuen Konzepts die Gewalt einfach verschwindet am 1. Mai und am 30. April im Mauerpark und in Kreuzberg, der glaubt an Wunderheilung. Sie trauen uns ja viel zu, aber die Wunderheilung haben Sie uns auch nicht zugetraut. Deswegen war es sinnvoll, dass frühzeitig, wie schon erwähnt wurde, an Gegenstrategien und Konzepten gearbeitet wurde. Wir gehen Schritt für Schritt auf einem Weg, für den man einen ziemlich langen Atem braucht.
Es erfordert aber auch den Ausbruch aus überkommenen Feindbildern. Liebe Kolleginnen und Kollegen von der CDU, ich befürchte, dass Sie auf der gleichen intellektuellen Ebene – nicht mit den gleichen Auswirkungen, aber auf der gleichen intellektuellen Ebene – nicht bereit sind, aus dem Ritual auszusteigen, Feindbilder zu produzieren, die real so nicht mehr existieren.
Die politischen Demonstrationen waren friedlich, die politischen Veranstaltungen waren friedlich. Das ist ein riesengroßer Fortschritt. Wenn der Kollege Henkel im
Es ist auch ein Novum, dass zum ersten Mal, seit ich die Debatte zum 1. Mai seit 17 Jahren erlebe, dass ein Innensenator und eine Polizeiführung selbstkritisch und offen über Probleme reden, was die Einsatzgestaltung angeht, und offen einräumen, dass es polizeitaktische Fehler im Einzelfall gegeben hat, ohne gleich eine Debatte darüber loszutreten, dass alle Konzepte zum Scheitern verurteilt sind und man für das nächste Jahr schon wieder einen Konzeptwechsel vorbereiten muss. – Nein, es kommt darauf an – der Kollege Wieland hat darauf hingewiesen –, diesen langen Atem zu beweisen und Schritt für Schritt in dieser Richtung deutlich das Signal auszu
senden: Diejenigen, die Politik am 1. Mai auf die Straße bringen wollen, diejenigen, die auch ihre Kritik an der Senatspolitik artikulieren wollen, sind das Zentrum der Auseinandersetzung am 1. Mai. Das muss gewaltfrei geschehen. Dazu sind die Leute auch bereit. Die Leute sind auch bereit, gewaltfrei Feste zu feiern. Darauf muss angemessen reagiert werden.
In diesem Sinn muss ich noch auf etwas hinweisen, weil der Herr Kollege Ritzmann etwas gesagt hat zu der schlechten konzeptionellen Vorbereitung etc. pp. Wir haben über Ihre Vorschläge, Anträge im Innenausschuss schon vor längerer Zeit ausführlich geredet. Dass dies ein munteres Potpourri aus Selbstverständlichkeiten und Sachen, die einfach unsinnig sind, ist, das haben wir ihnen zu erklären versucht. Es kommt schon darauf an, dass man ein bisschen Kenntnis der Geschichte des 1. Mais in Kreuzberg mitbringt und auch der Personenkreise, um die es geht, um zu wissen, dass das Angebot, in Steglitz oder in Zehlendorf ein Popkonzert zu machen, die Randale in Kreuzberg nicht verhindern kann. Da muss man sich etwas Ernsthaftes überlegen, Herr Kollege Ritzmann.
In diesem Zusammenhang will ich Ihnen nur Eines noch sagen, weil Sie eine langfristige Vorbereitung gefordert haben: Die IG Oranienstraße, das Bezirksamt Kreuzberg, die Veranstalterinnen und Veranstalter verschiedener Feste treffen sich bereits heute, um den 1. Mai auszuwerten. Ich kann nur aufrufen und auffordern: Bitte lasst euch nicht kirre machen, auch von der Eskalationsstufe, die die CDU versucht, in die Konzeptdebatte hereinzubringen! – Bereiten wir zusammen den nächsten 1. Mai vor, die Bürgerinnen und Bürger Kreuzbergs, die politischen Veranstalter der Demonstrationen und die Polizei gemeinsam. – Danke schön!
vergangenen Innenausschuss sagte, es sei schon immer kein Problem gewesen mit den Demonstrationen,
im letzten Jahr?
in den letzten Jahren: Herr Henkel, warum hat Herr Wertebach dann immer wieder versucht, sie zu verbieten, und hat damit immer wieder einen Eskalationsstil eingeführt im Vorfeld des 1. Mais? Damit ist man aus der Gewaltspirale nicht ausgetreten, sondern hat sie weiter nach oben getrieben. – Sie haben ja auch nichts anderes zu bieten, Sie haben skandalisierende Bilder im Innenausschuss angeboten. Darauf hat Herr Wieland schon hingewiesen, auf Ihren Vergleich mit Beirut und Belfast. Was ist denn die Konsequenz von einem solchen Unsinn, der da erzählt wird? – Dass wir demnächst mit Militär in Kreuzberg einmarschieren, oder was? – Das ist doch völlig hanebüchener Unsinn.
Was wir geschafft haben, ist schon erwähnt worden: Die politischen Veranstaltungen sind friedlich geblieben. Wir haben es geschafft, dass viele Kreuzbergerinnen und Kreuzberger nach der vernünftigen Initiative vom letzten Jahr von Grottian dieses Mal selbst im Kiez die Veranstaltung mit vorbereitet haben und dass sie massenweise auf der Straße waren. Was wir geschafft haben im Unterschied zu den letzten Jahren, ist, dass – obwohl dann auch wieder eine Personengruppe, an die gegenwärtig im Moment mit keinem Konzept heranzukommen ist, weder links noch rechts – dort, wo die Randale stattgefunden hat, die Polizei zugegriffen hat, auf der anderen Seite aber noch auf dem Oranienplatz und auf der Adalbertstraße, Ecke Oranienstraße friedliche Feste stattgefunden haben und der beschriebene Solidarisierungsprozess zwischen Zuschauern und Randalieren nicht stattgefunden hat.
Ich danke ausdrücklich der Polizeiführung und den Beamtinnen und Beamten, die vor Ort im Einsatz waren, sie sind aus den Feindbildern herausgetreten und haben versucht, Feindbilder abzubauen, waren kommunikationsbereit gegenüber friedlichen Leuten einerseits und haben versucht, anderen Orts Straftaten konsequent zu verfolgen.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Wir sind uns alle darin einig, dass der missliche Zustand, die Risiken der Bankgesellschaft bereits abgeschirmt, gleichzeitig jedoch noch keine Controllinginstrumente entwickelt zu haben – es findet nur ein provisorisches Controlling statt, wie es in der Antwort des Finanzsenators auf die Große Anfrage dargestellt worden ist –, möglichst schnell überwunden werden muss. Herr Matz, ich gehe davon aus, dass uns die Vorlage auf normalem Weg zugeleitet wird, nachdem der Senat am vergangenen Dienstag diese für die Errichtung dieser Controllinggesellschaft beschlossen hat. Sie muss an den Hauptausschuss geleitet werden und möglichst schnell für die nächste ordentliche Sitzung des Vermögensausschusses auf die Tagesordnung gesetzt werden, damit wir sie konkret beraten können.
Bei aller Sorgfalt, die wir bei der Beratung über diese Controllinggesellschaft an den Tag legen müssen, wäre es gut, wenn wir nicht über alle damit verbundenen Fragen, aber über die Frage der Errichtung dieser Gesellschaft noch vor der Sommerpause eine parlamentarische Entscheidung treffen könnten, damit der Aufbau dieser Gesellschaft, der eine gewisse Zeit beanspruchen wird, angegegangen werden kann. Es muss auch der Apparat innerhalb dieser Gesellschaft völlig neu aufgebaut werden. Es sind schwierige strukturtechnische und personelle Probleme zu lösen. Es ist auf jeden Fall anzustreben. Die Voraussetzung dafür ist, dass wir dies jetzt auch unverzüglich im Hauptausschuss und im Vermögensausschuss trotz der parallel stattfindenden Haushaltsberatungen vorbereiten.
Das Grundsatzproblem bei der Risikoabschirmung besteht darin, dass wir eine Trennung zwischen dem Management des Immobiliendienstleistungsgeschäfts auf der einen Seite und der Ergebnisverantwortung auf der anderen Seite haben. Das Management befindet sich zur Zeit bei der Bankgesellschaft sowie der Geschäftsführung der IBAG und LPFV. Die Ergebnisverantwortung liegt letztendlich beim Land Berlin. Genau in diese Lücke muss die Controllinggesellschaft eingreifen. Es ist zwar notwendig, das Controlling möglichst effektiv zu entwickeln. Es bleibt aber bei dem Grundsatz, dass die Frage der wirtschaftlichen Interessiertheit der Akteure sowohl in der Controllinggesellschaft an der Risikominimierung und in der Perspektive auch der Geschäftsführung des Immobiliendienstleistungsgeschäfts oder der Bankgesellschaft an einer Minimierung der Risiken, die sich realisieren, der eigentlich wichtige und zentrale Weg sind. Man wird die Risiken nur über wirtschaftliche Anreize minimieren können, wenn die wirtschaftlichen Mechanismen stimmen, und nicht über noch so viele Buchprüfungen und Kontrollen mittels Computer, bei denen man die Daten auf einen Knopfdruck abrufen kann. Das ist alles notwendig. Der wirtschaftliche Mechanismus muss jedoch stimmen. Ich halte den Einbau eines solchen für notwendig.
Nun komme ich zu der Frage der Kontrollmechanismen selbst. Ich teile vieles von dem, was der Kollege Matz an persönlicher Meinung geäußert hat. Für die parlamentarische Kontrolle ist es nicht vorteilhaft und sinnvoll, dass das Parlament selbst Vertreter in den Aufsichtsrat der Controllinggesellschaft schickt, weil dies zu einer Vermischung der Aufgaben führt und letztendlich sogar die Gefahr beinhaltet, dass die Kontrollfähigkeit des Parlaments beeinflusst wird.
Deshalb bin ich im Übrigen auch der Meinung, dass wir bei den Mitgliedern des Aufsichtsrats der Controllinggesellschaft
auch darauf achten sollten, dass keine Personalunion mit Vertretern in Aufsichtsgremien der Bankgesellschaft existiert, weil auch hier wieder unterschiedliche Rollen bestehen. Das muss man zumindestens personell sauber trennen. Deshalb müssen wir über die parlamentarische Kontrolle als eine eigenständige Aufgabe diskutieren, die unabhängig von der Aufsicht über die Geschäftsführung der Controllinggesellschaft und unabhängig über die Aufsicht ist, die in den Aufsichtsgremien der Bankgesellschaft wahrgenommen wird.
Herr Zimmer, ich habe in einer der letzten Diskussionen des Hauptausschusses schon angesprochen, dass wir darüber nachdenken sollten, inwieweit wir dazu nicht ein eigenes parlamentarisches Gremium, einen eigenen parlamentarischen Ausschuss schaffen sollten. Dies würde auch eine andere Form der Verbindlichkeit und der Kontinuität der Auseinandersetzung beinhalten. Wir müssen uns auch noch einmal klar über die Frage, welche Kompetenzen für einen solchen Ausschuss vonnöten sind, verständigen. Wir haben einerseits im Zusammenhang mit der Abstimmung über die Risikoabschirmung eine umfangreiche Berichtspflicht für den Senat und die Controllinggesellschaft an das Parlament festgelegt. Wir müssen über das Thema diskutieren. Ich stehe einer Diskussion ganz offen gegenüber. Wir reden hier über einen Zeitraum von 30 Jahren. In diesem Zeitraum wird irgendwann der für das Land unglückliche Zustand eintreten, dass wir nicht mehr in der Exekutive sind, sondern uns zwischendurch auch einmal in der Opposition wiederfinden. Insofern ist dies eine Überlegung, in der nicht nur der kurzfristige Interessengegensatz zwischen Regierung und Opposition im Vordergrund steht, sondern zu beachten ist, wie das Parlament grundsätzlich über die nächsten 30 Jahre in das Verfahren eingreift. Es muss überlegt werden, inwieweit das Parlament nicht auch noch einmal eigenständige Informationsrechte über die Berichtspflichten, die festgelegt worden sind, bekommen kann. Mit dieser Frage müssen wir uns noch einmal ernsthaft bei der Ausgestaltung der parlamentarischen Kontrolle befassen.
Ansonsten ist das Thema Privatisierung oder Änderung der Eigentümerstruktur angesprochen worden. Es ist klar, dass wir im Rahmen der Privatisierungsverhandlung zum einen deutlich absichern müssen, dass die umfassenden Kontrollrechte des Landes auch weiterhin gewährleistet sind und nicht nach dem Motto verfahren wird, dass es einen neuen Eigentümer gibt und das Land keinen Einblick mehr hat. Das ist zwar schon über die Detailvereinbarung geregelt, aber es besteht die Frage, inwieweit im Rahmen des Privatisierungsverfahrens auch Modifikationen oder Detailvereinbarungen vorgenommen werden. Wenn wir die Risikoverantwortung und die Risikoabschirmung haben, müssen wir auch die entsprechenden Rechte auch bei einer neuen Eigentümerstruktur haben. Das ist aber sicher Konsens.
In diesem Zusammenhang möchte ich noch eines anführen; die Diskussion dazu haben wir bereits bei der Risikoabschirmung geführt. Es geht um die Ausgliederung der IBB. Bei diesem Thema sind wir uns alle einig. Es gibt keinen Dissens in der Feststellung, dass die IBB ausgegliedert werden muss. Ich bin nur nach wie vor der Meinung, dass die Frage der Ausgliederung der IBB und der daraus resultierenden finanziellen Folgen, weil haftendes Eigenkapital der Landesbank bei der Ausgliederung ersetzt werden muss, in Zusammenhang mit den Verkaufsverhandlungen zu klären ist. Und das Gleiche gilt für die Herauslösung des Immobiliendienstleistungsbereichs. Der Kollege Matz hat die zwei Varianten angesprochen: Entweder Herauslösung, oder wir schaffen es, dass künftig bei der Bank auch eine Ergebnisverantwortung, sprich eine Neuaufteilung des Risikos, existiert.
Ich weiß, der Kollege Eßer findet das immer etwas kurios.
Der Genosse Flowers findet das nicht kurios, der Genosse Flowers findet, dass man darüber diskutieren kann. – Das ist alles eine Frage von Verkaufsverhandlung. Ich bin nur der Meinung, dass es die schlechtere Variante wäre, wenn wir eine landes
(A) (C)
(B) (D)
eigene Immobiliendienstleistungs- und Vorverwaltungsgesellschaft aufbauen müssten – das schafft wieder ein zusätzliches Problem –, als wenn ein professionelles Management, das etwas von diesem Geschäft versteht, die Risiken abarbeitet und ein eigenes wirtschaftliches Interesse hat. Diese Optionen sollten wir uns nicht vor Abschluss dieser Verhandlungen hier vergeben,
sondern wir sollten die Verhandlungen zu Ende führen und dann über diese beiden Optionen entscheiden, ob im Rahmen der Änderung der Eigentümerstruktur auch ein Risk-Sharing zu verhandeln ist, oder ob man sagt, es gibt eine Heraustrennung des Immobiliendienstleistungsbereichs und damit eine andere Form der Abarbeitung der Risiken. Aber das ist eine Frage, die jetzt nicht entschieden werden kann. Was jetzt sehr schnell entschieden werden muss, ist der Aufbau der Controllinggesellschaft und der Beginn der Ausgestaltung der parlamentarischen Kontrolle im Zusammenhang mit der Controllinggesellschaft.
Ich habe nicht behauptet, dass es eine Verbesserung gibt, was die Summe angeht. Nach meiner Kenntnis von Flowers und anderen wird darüber diskutiert, ob noch nicht abgeschirmte Bereiche mit in eine Risikoübernahme hineingenommen werden. Die Frage ist, ob es einen Bereich gibt, wie den Immobiliendienstleistungsbereich, wo es überhaupt kein Risiko mehr bei der Bank gibt. Könnten Sie sich nicht vorstellen, dass beide Bereiche prozentual zwischen dem Land und dem Investor geteilt werden? – Das wäre eine andere Variante, die aber einen wirtschaftlichen Mechanismus beinhaltet.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Herr Lindner! Glückwunsch! Sie haben es geschafft, in Ihrer Rede nicht nur FDP-Programmatik vorzustellen, sondern es ist Ihnen auch gelungen, gleich FDP-Programmatik umzusetzen, nämlich Ihrem Ziel eines schlanken Staates sind Sie schon ein Stück nähergekommen, indem Sie das Parlament in Ihrer Rede drastisch verkleinert haben. Besten Dank!
Na ja, noch einmal zu den Zwischenrufen der FDP. Ich lasse mich gern auf zwei Bemerkungen mehr ein, da Sie der Beteiligungsbericht so beeindruckt hat. Herr Lindner, es genügt nicht, nur von der Dicke des Beteiligungsberichtes beeindruckt zu sein und zu meinen, weil er so dick ist, würde er besonders viel Wert repräsentieren und deshalb der Haushaltssanierung zu Gute kommen, die Werthaltigkeit hängt nicht von der Dicke des Papiers ab, sondern von den Unternehmen, die er beschreibt. Wenn Sie sich das einmal genauer ansehen, werden Sie feststellen, dass Sie damit den Berliner Landeshaushalt über eine Privatisierungsoffensive nicht werden sanieren können.
Meine Damen und Herren von der FDP! Weil Sie vorhin die Beliebtheit der PDS angesprochen haben: Ich bin auch der Meinung, dass das noch verbesserungsfähig ist. Aber die Konkurrenz um die beliebteste Partei, die nehmen wir gern mit der FDP und ihren Wahlergebnissen auf. Ich glaube, davor brauchen wir uns nicht zu scheuen.
Jetzt aber zur eigentlichen Aussprache zur Regierungserklärung und dem Beitrag, den der Vertreter der stärksten Oppositionsfraktion hier gehalten hat. Herr Steffel! Am Anfang Ihrer Rede hatte ich durchaus den Eindruck, dass auch Sie versuchen, einen Mentalitätswechsel zu vollziehen. Sie haben begonnen mit selbstkritischen Bemerkungen über die Vergangenheit der CDU, der großen Koalition, Sie haben sogar das Wort „Entschuldigung“ in den Mund genommen.
Aber Sie haben es dann auch wieder sehr schnell entwertet. Der Wert von Selbstkritik und Entschuldigung hängt nicht davon ab, dass man es schnell dahinsagt, sondern die Frage ist, ob man die Konsequenzen daraus zieht. In Ihrer weiteren Rede war keine Konsequenz zu erkennen, sondern das war die alte Denke, das war Landowsky pur.
Sie haben wieder das alte Lied vorgespielt, dass Sie uns schon seit Jahren an Realitätsverweigerung vorstellen. Sie sind wieder aufgetreten und haben gesagt: Man darf nicht die Mentalität eines Buchhalters haben, sondern wir sind für den Aufbruch.
Sie haben gesagt: Wir müssen investieren, um die Zukunftschancen dieser Stadt zu nutzen. Und Sie haben gesagt, wir wür
den diese Stadt nur als Sanierungsfall betrachten. – Das Problem, Herr Steffel – vielleicht hören Sie einmal zu, das ist eigentlich üblich! –
das Problem bei Ihrer Rede und Ihrem Auftritt besteht darin, dass Sie die Chancen, die diese Stadt in der Tat hat, genutzt haben, um wieder völlig von den Problemen abzulenken und sich in Ihrer Rede mit keinem Wort diesen Problemen zu widmen. Sie haben eine Rede gehalten, in der Sie wieder ausführlich erzählt haben: Ich wünsche mir, dass Berlin so ist. Ich wünsche mir, dass Berlin ein Brückenkopf zwischen Warschau und Washington ist. Ich wünsche mir dieses Schöne, ich wünsche mir jenes Schöne. – Sie haben sich an keinem Punkt Ihrer Rede mit den Realitäten dieser Stadt, mit den Rahmenbedingungen und den Wegen, wie man dort hinaus kommt, auseinandergesetzt.
Wer der Meinung ist, dass die zentralen Probleme dieser Stadt die Auflösung der Reiterstaffel ist, die Rettung des Polizeiorchesters
und die Abschaffung der Zuschüsse für das Schlosspark-Theater, wer dieses für zentrale Probleme dieser Stadt hält und meint, damit Oppositionspolitik machen zu können, der lebt gedanklich in einem Paralleluniversum und nicht in den Realitäten dieser Stadt.
Wer wie Sie, Herr Steffel, zur Wirtschaftspolitik nichts außer Luftblasen produziert, uns hier eine Sonderkonjunktur Berlin verspricht, indem er Herrn Stoiber hierher holt, der disqualifiziert sich selbst für eine ernsthafte politische Auseinandersetzung.
Nein! Zu den Zwischenfragen des Kollegen Niedergesäß hat sich schon Michael Müller ausführlich geäußert.
Nein, meine Damen und Herren, der Mentalitätswechsel, der eingefordert wird in der Regierungserklärung, der muss sich darin ausdrücken, dass wir die Realitäten dieser Stadt zur Kenntnis nehmen und die Chancen zur Kenntnis nehmen. Und nicht die Chancen nutzen, um die Probleme wegzureden, sondern die Chancen nutzen, um an der Bewältigung dieser Probleme zu arbeiten. Und diese Probleme sind riesig. Das heißt, dass man alle Bereiche zur Kenntnis nehmen muss, dass man die dramatische Haushaltslage dieser Stadt und ihre Überschuldung zur Kenntnis nehmen muss. Und, Herr Steffel, das, was man sich Ihrer Aufzählung nach vielleicht in den 90er Jahren alles nicht habe leisten können – das war nicht das Problem. Das Problem war, dass Sie die Gegenfinanzierung in den 90er Jahren nicht gebracht haben. Sie agieren wie jemand, der einen Versandhauskatalog vor sich hat, immer wieder bestellt, anschließend überschuldet ist und sagt: „Ich hätte mir das schöne Sofa nicht kaufen sollen!“ – Das ist eine Mentalität, die die Stadt in die Handlungsunfähigkeit getrieben hat.
Wir müssen uns dem Problem stellen, dass diese Stadt überschuldet und ihr Haushalt ein Sanierungsfall ist. Und wir müssen uns der Realität stellen, dass Berlin in seiner Wirtschaftskraft weit hinter anderen vergleichbaren Großstädten, geschweige denn Metropolen, zurückliegt. Berlin hat die Wirtschaftskraft, hat
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ein Bruttoinlandsprodukt von Einwohnern, das die Hälfte von München beträgt, die Hälfte von London und von Brüssel. Das ist die Realität, und daran muss gearbeitet werden.
Ich komme noch darauf. Ich habe doch eine halbe Stunde Redezeit! Nicht so ungeduldig bei den Liberalen!
Der dritte Punkt, das sind die Chancen dieser Stadt, darin sind wir uns wohl alle einig. Die Chancen liegen darin, dass diese Stadt mittlerweile weltweit Aufmerksamkeit hat durch ihre Bedeutung als politisches Zentrum, als Hauptstadt, durch die Potentiale in Bildung, Wissenschaft und Kultur. Diese Potentiale müssen weiterentwickelt werden. Aber der erste Schritt, den wir gehen müssen, ist die Haushaltskonsolidierung. Diese Koalition hat sich das Ziel gesetzt, die laufenden Einnahmen und die laufenden Ausgaben in diesem Haushalt, die die Stadt sich leistet, endlich zur Deckung zu bringen. Wir geben jedes Jahr mehr als 2 Milliarden § über unsere eigenen Einnahmen hinaus aus, selbst nach Abzug der Zinsausgaben. Jeder in diesem Hause muss sich dazu äußern, ob er diese Zielsetzung teilt, ob er sie für angemessen und für notwendig hält. Von da aus muss die politische Diskussion beginnen. Dann kann man sich über Alternativen zu dem, was diese Koalition vorgelegt hat, streiten. Aber was nicht geht, ist, sich nach dem Motto: „Rette sich, wer kann!“ – zu diesen Realitäten des Haushalts und der Konsolidierungsnotwendigkeiten nicht zu verhalten.
Das Ziel, laufende Einnahmen und laufende Ausgaben ohne die Zinsausgaben im Laufe dieser Legislaturperiode zur Dekkung zu bringen, ist alternativlos. Auch all diejenigen, die sagen: „Wir müssen Haushaltsnotlage deklarieren und versuchen, Haushaltsschuldenhilfen vom Bund zu bekommen!“, die müssen wissen, dass es nach dem Maßstäbegesetz nicht möglich ist, Bundesergänzungszuweisungen zur Finanzierung laufender Ausgaben zu bekommen, sondern nur zur Schuldendiensthilfe. Deshalb sind wir zu diesem Konsolidierungsziel auf jeden Fall verpflichtet, wenn wir die Chance haben wollen, dann in einem zweiten Schritt für die Abtragung unserer Verschuldung Schuldendiensthilfe von Seiten des Bundes zu bekommen. Berlin befindet sich in einer Haushaltsnotlage, wenn man sich die Zahlen ansieht. Da beißt die Maus keinen Faden ab. Deshalb wird diese Koalition auch versuchen, in Verhandlungen mit dem Bund Hilfen zu erreichen, und gegebenenfalls auch den Klageweg beschreiten. Aber die Voraussetzung dafür ist, dass die eigenen Hausaufgaben gemacht werden, dass wir die Konsolidierung anpacken und die Zielsetzung, laufende Einnahmen und Ausgaben zur Deckung zu bringen, auch mit allem Ernst und mit aller Entschiedenheit angehen.
Ich mache noch zu zwei Punkten, die in der Diskussion in der Stadt immer wieder Thema sind, eine Anmerkung. Erstens: Ich höre immer wieder in Diskussionen von Betroffenen: „Wir tragen doch nicht die Verantwortung für die Krise der Bankgesellschaft. Wir tragen auch nicht die Verantwortung für eine verfehlte Politik in den letzten Jahren, die nicht in der Lage war, verantwortungsvoll mit den Finanzen des Landes umzugehen. Und jetzt klagt ihr, Politiker und Politikerinnen, von uns die Solidarität im Rahmen eines Solidarpakts ein, in Forderungen, auf bestimmte Leistungen zu verzichten!“ – Auf diese Argumentation trifft man sehr häufig. Ich habe auch großes Verständnis dafür. Michael Müller hat es angesprochen: Es ist sehr schwierig, irgendjemandem in dieser Stadt klarzumachen, dass er oder sie auf irgendetwas verzichten muss, weil verantwortungslose Manager der Bankgesellschaft in einem System organisierter Verantwortungslosigkeit öffentliches Geld verbrannt haben, das uns jetzt bitter fehlt, was die Menschen in dieser Stadt an allen Ecken und Enden merken. Nur – es gehört auch zur Realitätswahrnehmung, dass dieses Geld nicht wiederzuholen ist und dass auch die Frage nicht so einfach zu beantworten ist: Bist du oder bin ich mitverantwortlich für die eingetretene Situation? – Das Problem ist, dass wir alle in dieser Stadt die Folgen dieser
verfehlten Politik tragen müssen, egal, ob wir daran beteiligt waren oder nicht. Deshalb gibt es keinen anderen Ausweg daraus, als dass wir in einer gemeinsamen Diskussion versuchen, diese Stadt wieder auf die Füße zu bringen und die notwendigen Maßnahmen dafür gegebenenfalls auch kontrovers diskutieren. Es gibt keine Möglichkeit, sich diesem Handlungszwang zu entziehen mit dem Verweis auf die Verantwortlichkeit anderer.
Dazu gehört aber auch die Verpflichtung der Politik und die Verpflichtung des Landes in seiner Eigentümerstellung bei der Bankgesellschaft Berlin – Michael Müller hat es schon angesprochen –, nicht nachzulassen und alles zu tun, damit die Verantwortlichen sowohl straf- als auch zivilrechtlich über Haftung zur Verantwortung gezogen werden. Es ist eine Frage der Gerechtigkeit, dass die Verantwortlichen mit aller Konsequenz herangezogen werden und ihnen auch Privilegien, die sie nach wie vor genießen, entzogen werden, damit die Politik auch wieder die Legitimation hat, mit den Menschen in der Stadt über Sparpolitik zu diskutieren. Wir werden in dieser Legislaturperiode darauf drängen, dass dieses geschieht.
Eine weitere Voraussetzung dafür, die Aufgabe der Konsolidierung angehen zu können, ist auch, dass wir deutlich machen, dass soziale Gerechtigkeit bei allen schmerzhaften Einschnitten, bei allen schwierigen Maßnahmen, die in dieser Legislaturperiode vorgenommen werden müssen, ein durchgehender roter Faden unserer Politik und dieser Koalition ist. Dazu gehört auch die Erkenntnis, dass sich in dieser Stadt ein relativ hoher Prozentsatz von Menschen in Trainingsanzügen durch die Stadt bewegt. Das liegt nicht am mangelnden Modebewusstsein, sondern vielleicht daran, dass wir eine riesige Armutsbevölkerung und eine schwierige soziale Lage innerhalb dieser Stadt haben. Man muss auch deutlich machen, dass diese Koalition und diese Regierung sich dessen bewusst sind.
Eine Senkung von Sozialhilfeausgaben kann nicht angegangen werden, indem die Sozialhilfeempfangenden bekämpft werden, sondern dadurch, dass man die Zustände bekämpft, die Leute in Sozialhilfe zwingen. Es ist die Aufgabe dieser Koalition, Arbeitsplätze zu schaffen und die Menschen in Arbeit und nicht in eine schwierige Situation zu bringen.
Und es muss bei allem, was wir diskutieren, klar sein, dass die Treppe von oben gekehrt wird und dass die Menschen in dieser Stadt jeweils gerecht nach ihrer wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit zu Konsolidierungsmaßnahmen herangezogen werden.
Das heißt auch, dass wir in dieser Stadt eine Diskussion darüber führen müssen, dass sich der Wert eines Politikbereiches, dass sich das, was an Effekt hervortritt, nicht daran misst, was wir für einen Politikbereich ausgeben, sondern dass das entscheidende Kriterium ist – wie ein ehemaliger Bundeskanzler einmal gesagt hat –, was „hinten dabei herauskommt“. Die Effektivität von öffentlichen Leistungen und öffentlicher Verwaltung muss das entscheidende Kriterium sein. Mit möglichst geringem Aufwand möglichst großen Effekt erzielen, das muss der Mentalitätswechsel sein, und nicht zu sagen, weil ich viel Geld dafür ausgebe, muss die Sache auch gut sein. Das, was für die Betroffenen, für die Kundinnen und Kunden des öffentlichen Dienstes dabei an Effekten herauskommt, muss unser Maßstab und unser Kriterium sein.
Es kann mir niemand erklären, dass die Tatsache, dass Berlin pro Einwohner 600 DM und die Stadt Hamburg nur 450 DM für öffentliche Sicherheit ausgeben, nun bedeutet, dass Berlin, weil es viel mehr dafür ausgibt, viel sicherer und besser in der Bekämpfung der Kriminalität wäre. Ich glaube, da muss man sich die Strukturen ansehen und schauen, wie man Veränderungen vornehmen kann, um Effektivität zu gewährleisten und mit gerin
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geren Kosten den gleichen oder sogar noch einen besseren Effekt zu erzielen. Es geht um Strukturreformen und nicht darum, dass man im Politikbereich danach gewichtet, wie viel Geld dafür ausgegeben wird.
In den Berliner Schulen geben wir pro Schülerin und Schüler ungefähr gleich viel Geld wie Hamburg oder andere Städte aus. Es ist nicht immer der entscheidende Punkt, mehr Geld auszugeben, sondern die Strukturen zu verändern, sich anzusehen, wie die Lehrpläne aussehen und wie Unterricht an den Schulen gewährleistet wird. Auch hier liegt ein Effektivierungspotential für eine Verbesserung der Situation, ohne dass wir mehr Geld ausgeben müssen. Das heißt, nicht auf den Input, sondern auf den Output zu achten. Das muss ein Grundsatz sein, wie man an die Umgestaltung an dieser Stadt herangeht.
Zum zweiten Punkt: Das große Thema dieser Legislaturperiode muss Verwaltungsreform sein.
Und noch darüber hinausgehend: Wir müssen es schaffen, dass in dieser Stadt ein Wechsel von der Versorgungsstadt und der Subventionsstadt der Vergangenheit hin zu einer Stadt der Initiativen und des bürgerschaftlichen Engagements geschieht.
Das heißt, dass wir ein neues Verständnis von staatlicher Zuständigkeit und von individueller Verantwortung schaffen müssen, Herr Lindner!
Nein, Herr Lindner! Sie sind noch nicht so lange hier. Sie wissen gar nicht, was für Reden ich früher schon gehalten habe. Ich brauche Ihre Reden nicht, um belehrt zu werden. Aber vielleicht werden wir sehen, dass es doch ein paar Unterschiede in dem gibt, was wir unter staatlicher und individueller Verantwortung verstehen. – Wir wollen nämlich weg von der Kompensation gesellschaftlicher Missstände durch Transferzahlung, weg von der bürokratischen Verwaltung von Missständen, sondern wir wollen für den Staat Rahmenbedingungen schaffen, wodurch Menschen in der Lage versetzt werden, aus ihrer teilweise schwierigen sozialen oder gesellschaftlichen Situation herauszukommen. Deshalb müssen durch staatliche Aktivität die Voraussetzungen geschaffen werden, dass Menschen aus der Sozialhilfe in Arbeit kommen. Deshalb werden wir das Fallmanagement in den Sozialämtern einführen und verbessern.
Wir werden gleichzeitig – das ist ein anderes Beispiel dafür – dafür sorgen, dass Flüchtlinge, statt in Heimen und Verwahranstalten untergebracht zu werden, in Wohnungen untergebracht werden, damit sie ein menschenwürdiges Leben führen, und gleichzeitig die Sozialhilfekassen entlasten, weil es wesentlich billiger ist. Das ist das, was man in dieser Stadt als kooperativen Sozialstaat zu diskutieren beginnen und angehen muss.
Wir müssen die staatlichen Aufgaben daraufhin durchforsten, ob sie notwendigerweise von staatlicher Verwaltung durchgeführt werden müssen. Häufig können sie von anderen Trägern wesentlich problemnäher, zielgenauer und kostengünstiger erledigt werden. Die Arbeit von Vereinen, Stiftungen, Genossenschaften, Nachbarschaftsinitiativen, Kirchen, gemeinnützigen Einrichtungen und Verbänden
müssen gestärkt werden und in staatlichem Handeln einen Kooperationspartner haben, um damit die soziale Stabilisierung in dieser Stadt auch in der schwierigen Haushaltslage vorantreiben zu können.
Na, selbstverständlich auch Unternehmen, Herr Lindner, natürlich Unternehmen! – Ich will es nur an einem Beispiel erläutern: Wenn Sportvereine die Schlüsselgewalt über Sportstätten
übernehmen und sie selbst verwalten, brauchen wir keine Verwaltung in der öffentlichen Bürokratie, sondern das ist aktives bürgerschaftliches Engagement und eine richtige Initiative, die man beschreiten kann.
Wenn wir ein Straßenbaubeitragsgesetz einführen,
wird das damit verbunden sein, dass wir den Anwohnerinnen und Anwohnern die Möglichkeit geben, über den Ausbaustandard der Straße, für die sie nachher zahlen sollen, mitzubestimmen. Das hat im Übrigen noch den Nebeneffekt, dass man alle diese bürokratischen Verordnungen, Herr Lindner, die Sie angegriffen haben, entrümpeln kann: Vorgeschrieben ist, dass eine Straße die und die Breite haben muss, den und den Bürgersteig, die Straßenbäume die und die Größe und den und den Durchmesser haben müssen und dass die Lampen in dem und dem Abstand stehen müssen. Alles dieses, sowohl die Bürokratie als auch diese teure Ausgabe, kann man sich sparen, wenn man die Initiative an die Bürgerinnen und Bürger gibt. Das muss dieser Senat angehen, und das wollen wir: im Rahmen von bürgerschaftlichem Engagement mehr Selbstverantwortung, ohne dass sich der Staat aus der Verantwortung stiehlt.
Wir wollen einen Staat als starken Partner, aber als Partner einer selbstbewussten Bürgergesellschaft, der Eigenengagement und Eigeninitiative zulässt und Chancen für die Menschen eröffnet und gleichzeitig garantiert, dass soziale Gerechtigkeit und soziale Mindeststandards in dieser Gesellschaft gewahrt bleiben.
Wir haben in der Koalitionsvereinbarung klar gemacht, was unsere Prioritäten sind. Sie liegen in den Bereichen Bildung, Wissenschaft und Kultur, weil hier die wesentlichen Zukunftspotentiale der Stadt liegen und hier ein wesentlicher Faktor für künftige Ansiedlungen liegen wird. Ich verspreche Ihnen, dass wir an dem, was sich in der Vergangenheit angedeutet hat, Ansiedlungserfolge zum Beispiel bei Medien und Kultur, arbeiten werden, dass „Universal“ nicht nur eine Eintagsfliege bleibt, sondern dass es weitere Ansiedlungserfolge in dieser Stadt gibt und damit die Zukunftspotentiale weiter ausgebaut werden.
Man kann ja immer wieder erklären, dass die One-StopAgency schon immer im Munde eines jeden Wirtschaftssenators geführt wurde. Ich verspreche Ihnen: Es gibt einen Unterschied; Sie haben immer nur geredet, wir werden es machen, und es wird die One-Stop-Agency und den Abbau von Mehrfachzuständigkeiten geben, damit Investoren in dieser Stadt endlich nur eine Anlaufstelle haben werden.
Ja, wir werden schauen, und wir werden sehen, es wird so sein.
Zum Thema Flughafen: Wer bislang den Flughafen verhindert und blockiert hat, das war nicht die PDS, sondern eine Politik der großen Koalition und der Gesellschafter, die nicht daraufhin orientiert hat, dieses Projekt verantwortungsvoll durchzuführen. Ein einziges Projekt von Pleiten, Pech und Pannen, Planungsfehlern, Versagen und obendrein noch viel Spekulation.
Wir sagen ganz klar: Wir führen das Planfeststellungsverfahren für Schönefeld durch.
Wir werden das Privatisierungsverfahren für Schönefeld dahin gehend durchführen, dass wir darauf sehen, ob es einen Investor gibt, der ein Angebot abgibt, das nicht darin besteht, alle Risiken auf die öffentliche Hand abzuwälzen und sich an
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sonsten die Rendite von Seiten des Staates garantieren zu lassen. Das kann, Herr Lindner, nicht in Ihrem Interesse als Liberale sein, sondern Unternehmerschaft soll ja Risiko und nicht staatliche Absicherung beinhalten. Wir werden auf jeden Fall dafür sorgen, nachdem in der Flughafenpolitik in Berlin und Brandenburg in den letzten Jahren Chaos angerichtet wurde, dass hier eine klare Linie hineinkommt, eine Begradigung stattfindet und Berlin einen leistungsfähigen Großflughafen im Interesse der Region bekommen wird.
Nein, wir unterhalten uns nachher. Ich habe leider nicht mehr viel Redezeit.
Wir werden auch das Projekt Berlin-Brandenburg, obwohl es angesichts der Berliner Haushaltslage schwer belastet ist, weiter zu verfolgen und voranzutreiben suchen, weil uns klar ist: Es gibt für Berlin nur eine Zukunft in der gemeinsamen Wirtschaftsregion Berlin-Brandenburg. Vor allem werden wir die Möglichkeiten und Chancen der Osterweiterung der EU nur gemeinsam mit Brandenburg und nicht gegen Brandenburg nutzen können.
Deshalb werden wir versuchen, diese Chance weiter zu nutzen, an dieser Chance weiterzuarbeiten, um für die Stadt neue Zukunftsmöglichkeiten zu erschließen.
Für die Eröffnung von Zukunftschancen für die Stadt gehört auch dazu, dass wir ein anderes Klima in der Innenpolitik brauchen. Wir brauchen einen Senat – und glücklicherweise haben wir jetzt eine Koalition, die das so vereinbart hat –, die gegenüber den Menschen anderer Nationalität, die in dieser Stadt leben und in diese Stadt kommen wollen, deutlich macht, dass sie hier als Zukunftspotential, als Menschen, die uns Qualifikationen bringen, die Arbeitskräfte sind, die ihre kulturellen Erfahrungen mitbringen, willkommen sind.
Wir wollen diese Menschen und sie hier gleichberechtigt behandeln und ihnen ihre Bürgerrechte geben.
Flüchtlinge werden zukünftig in dieser Stadt anständig behandelt werden und nicht als Objekte genutzt werden, auf deren Kosten man Stammtischparolen zur Befriedigung des rechten Randes in der eigenen Partei von sich gibt. Flüchtlinge werden hier eine Zuflucht und einen anständigen Aufenthaltsort haben.
Wir werden im Rahmen einer Politik der inneren Liberalität deutlich machen, dass die Polizei ein Partner der Bürger bei der Herstellung von innerer Sicherheit ist und dass sie nicht zu parteipolitischen Zwecken genutzt wird, sondern der Herstellung der öffentlichen Sicherheit im Sinne einer Deeskalation und der Kooperation mit den Bürgern dienen kann.
Ich komme nun zum Thema Mentalitätswechsel. In der Regierungserklärung hat der Regierende Bürgermeister gesagt, dass sich in dieser Stadt einiges ändern muss. Es soll nicht mehr diskutiert werden, um nicht zu entscheiden, sondern muss diskutiert werden, um zu entscheiden. Das beinhaltet zwei Elemente: Zum einen müssen wir uns in der Stadt darauf verständigen, was der Ausgangspunkt, was die Realität ist, welches die Probleme sind und welche Chancen es sind, die diese Stadt hat.
Wenn wir eine gemeinsame Problemsicht haben, können wir uns darüber streiten, wie wir Lösungen finden. Es geht allerdings nicht – das sage ich für uns ganz klar; wir werden es nicht hinnehmen –, dass man sich den Realitäten verweigert und so tut,
als ob die Haushaltslage nicht so ist, wie sie ist und so tut, als ob die wirtschaftliche Entwicklung Berlins nicht so ist, wie sie ist. Wir wollen eine gemeinsame Diskussion und eine neue Kultur des Dialogs mit den verschiedenen Interessengruppen in dieser Stadt, die eine Voraussetzung haben, die Wahrnehmung des Ausgangspunkts sowie den Streit und die Diskussion über die Art und Weise, wie die Lösungen und Auswege sein können. Es muss aber zu jedem abgelehnten Vorschlag eine Alternative geben. Sonst hat die Diskussion keine ehrliche Grundlage. Es kann sich hier keiner mehr vor dieser Herausforderung drücken. Es kann sich keiner mehr, weder in diesem Parlament noch in der Stadt, vor der Notwendigkeit drücken, dass wir diese Stadt nur in einem Gemeinschaftswerk aller Bürger und aller Interessengruppen auf die Füße stellen können.
Wir sind bereit, unseren Beitrag zu leisten. Wir haben unsere Vorschläge öffentlich unterbreitet. Wir werden weitere Vorschläge zur Lösung dieser Probleme machen. Diese Vorschläge werden nicht einfach sein. Sie werden in sehr vielen Interessengruppen den Protest hervorrufen. Wir werden bereit sein und haben das Interesse daran, mit all diesen Interessengruppen in die Diskussion und Auseinandersetzung zu gehen, wie wir es am Beispiel der Hochschulmedizin gezeigt haben. Wir sind auch bereit, uns Alternativvorschläge anzuhören.
Nur wenn es keine Alternative gibt, wenn sich dieser Diskussion verweigert wird, dann sind wir auch entschlossen, unsere Vorschläge durchzusetzen und umzusetzen, weil es notwendig ist, dass in dieser Stadt endlich wieder entschieden und gehandelt wird und nicht Verschiebeverfügungen erteilt werden. Die Stadt muss in die Lage versetzt werden, ihre Zukunftsaufgaben zu bewältigen. Wir müssen den Sanierungsfall Berlin, Herr Steffel, durch die Nutzung der Chancen, die diese Stadt bietet, auch sanieren.
Ich bin sofort fertig, Herr Präsident! – Die Chance, die diese Stadt hat, besteht nicht daran, zu leugnen, dass sie ein Sanierungsfall ist, sondern zu wissen, dass sie sanierungsfähig ist. Ich fordere alle auf, sich an diesem Sanierungswerk zu beteiligen und sich nicht den damit verbundenen Notwendigkeiten zu verweigern. Offene Diskussionen und Auseinandersetzungen müssen sein. Es muss aber auch im Interesse der Stadt und vor allem im Interesse der Zukunft der Menschen in dieser Stadt entschieden werden!
Herr Präsident! Wenn man so nett gefragt wird, gebietet es die Höflichkeit, auch zu antworten. Herr Niedergesäß! 1. Wenn ich mich an die Westberliner Zeit richtig erinnere, war der Grund für die Abwahl der CDU 1989 nicht der, dass sie versucht hat, aus dem Westberliner System des sozialen Wohnungsbaus auszusteigen. Der Grund war ein ähnlicher Grund, weshalb sie jetzt abgewählt wurden: Sie war verstrickt in Filz und Korruption.
2. Es ist natürlich richtig, Herr Niedergesäß, dass die zinsgleichen Ausgaben aus dem sozialen Wohnungsbau eine erhebliche Haushaltsbelastung sind. Zur historischen Wahrheit gehört auch, dass die CDU sowohl in der 80er Jahren als auch in den 90er Jahren kräftig mitgemacht hat. Nun wissen Sie – wie ich –, dass diese Verpflichtungen bindend sind und erst einmal bedient werden müssen.
Richtig! – Wenn Sie die Koalitionsvereinbarung aufmerksam gelesen haben, wird Ihnen nicht entgangen sein, dass wir mit dem Bund Gespräche aufnehmen wollen, inwieweit das spezifische System der Wohnungsbauförderung, wie es in Westberlin – und nur dort – bundesweit einmalig existiert hat, nicht auch eine teilungsbedingte Sonderlast ist, von der Berlin durch eine solidarische Aktion entlastet werden muss.
Ansonsten werden Sie auch bei aufmerksamer Lektüre der Koalitionsvereinbarung festgestellt haben, dass wir aus diesem System weitgehend ausgestiegen sind und es keine Wohnungsbauförderung dieser Art mehr geben wird und zumindest keine weiteren Risiken aufbauen. Ich weiß, dass der Finanzsenator intensiv an Möglichkeiten arbeitet, wie man mindestens die bisher gewährten Anschlussförderungen in den Kosten reduzieren kann. Herr Niedergesäß, sachdienlichen Hinweisen und Ideen von Ihrer Seite stehen wir aufgeschlossen gegenüber!
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Ich werde nicht vieles von dem, was meine Vorrednerinnen und Vorredner gesagt haben, wiederholen. Ich glaube, dass die heutige Debatte auch deutlich macht, dass die Mitglieder des Vermögensausschusses in dieser Frage hart an der Sache und unabhängig von Parteigrenzen diskutieren und sich alle einen Kopf – erstens – über die Frage machen, ob es Alternativen zu dieser Risikoabschirmung gibt. Da ist der gegenwärtige Erkenntnisstand eindeutig: Nein.
Eine weitere Frage ist, wie die konkrete Ausgestaltung der Detailvereinbarungen sinnvoll angegangen werden kann; da gibt es eine Vielzahl von Problemen und Schwierigkeiten. Ich glaube, es wird noch eine Reihe von Schwierigkeiten und Problemen geben, die man erst entdecken wird, wenn die Detailvereinbarung möglicherweise abgeschlossen ist und das dann in die Umsetzung gehen muss, weil das natürlich bedeuten wird, dass sich das Land Berlin im Rahmen des Controllings intensiv mit einer Vielzahl von Entscheidungen auseinander setzen muss, die eigentlich Entscheidungen im Rahmen eines Bankgeschäfts sind. Das wird noch einmal ganz neue Fragen aufwerfen – um das nur mal anzudeuten –, mit denen wir uns ebenfalls intensiv befassen werden müssen. Ich glaube auch, dass das eine Reihe von rechtlichen und haushaltsrechtlichen Fragen aufwerfen wird, die wir uns dann ebenfalls sehr genau vornehmen müssen, zum Beispiel, wer wann überhaupt das Recht hat, Entscheidungen zu treffen, die im Rahmen einer solchen Risikoabschirmung möglicherweise gravierende Auswirkungen auf den Landeshaushalt haben.
Dieser Prozess ist im Gange. Ich begrüße es ausdrücklich, dass jetzt offensichtlich die Möglichkeit geschaffen wurde, dass sich alle Mitglieder dieses Abgeordnetenhauses Einblick in die Detailvereinbarungen, die ergänzenden Unterlagen und in das ergänzende Material verschaffen können, bei allen Schwierigkeiten und Risiken, die damit auch für die Bank verbunden sind und
aktienrechtlich existieren. Aber ich glaube, dass das angesichts der Bedeutung dieser Entscheidung der richtige und notwendige Schritt ist.
Zu den Themen, die angesprochen worden sind, was die Frage des Gesetzes angeht und die in dieses Gesetz aufgenommene Summe, sind sich, glaube ich, alle Fraktionen innerhalb des Vermögensausschusses einig gewesen, dass hier noch erheblicher Klärungsbedarf besteht zu der Tatsache, dass eine Annahme als Bestimmtheit in diesen Gesetzentwurf aufgenommen wurde und in der Detailvereinbarung von Seiten des Senats aber ein Verpflichtungsrahmen über eine ganz andere Summe festgesetzt wird. Es gibt den Auftrag, dass diese rechtliche Frage bis zur nächsten Sitzung des Vermögensausschusses noch geklärt wird. Ich denke, dass wir dann einvernehmlich im Vermögensausschuss zu einer Regelung kommen werden, die dann auch die haushaltstechnischen und rechtlichen Fragen auf eine saubere Art und Weise klärt.
Es gibt im Detail noch eine Vielzahl von Fragen, die wir diskutieren müssen. Ich sage auch ganz klar, dass es in meiner Fraktion dazu noch sehr intensive Diskussionen geben wird, sowohl über den Grundsatz als auch über die konkrete Abschirmung und die Detailvereinbarung. Das werden wir kurz vor der entscheidenden Abstimmung im Abgeordnetenhaus erst endgültig entscheiden, weil dann erst die Gesamtkonstruktion klar ist.
Ich will noch einen Satz sagen, weil das in der Diskussion gelegentlich aufgekommen ist, ob das nicht auch ein Frage ist, die man an die Bundesregierung oder andere herantragen müsste, da es von der Summe eigentlich nicht mehr vom Land Berlin zu schultern ist. Das gehört zu den Dingen, die man sich immer wieder wünschen und vorstellen kann, aber bei realistischer Betrachtung der Interessenlage wird man feststellen, dass das Land Berlin in der Haftung ist. Vor diesem Hintergrund gibt es überhaupt kein Potential, mit dem man anderen gegenüber auftreten und sagen könnte: Wenn ihr das nicht tut, dann tun wir das und das.
Wir sind in gewisser Weise Gefangene dieser Bankgesellschaft.
Letzter Punkt: Was man sich, glaube ich, im Detail noch einmal sehr genau ansehen und was man klären muss, ist – was u. a. auch Michael Müller in der Debatte vorher angesprochen hat –, inwieweit nicht bei einzelnen Fonds, die nicht Publikumsfonds waren, sondern Exklusivfonds, die an einen bestimmten Personenkreis gegangen sind, Druck gemacht werden kann gegenüber den Anlegern in diesen Fonds, dass hier eine Änderung der Fondsbedingungen oder eine Rücknahme stattfindet. All diese Fragen müssen wir noch sehr genau diskutieren. Insofern sind wir heute in der I. Lesung. Wir wissen, dass wir in den verbleibenden zwei Wochen noch eine ganze Menge Fragen zu klären und zu diskutieren haben, dass wir dann eine Grundlage haben, auf der wir in einer ausführlichen Debatte in der II. Lesung über diesen Gesetzentwurf und über die Teilvereinbarung eine qualifizierte Entscheidung in Abwägung aller Umstände treffen können.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Als der Finanzsenator vor einiger Zeit die Eckzahlen für den Haushalt für diese Legislaturperiode vorlegte, hat er nach einem Superlativ gesucht und hat das Adjektiv geprägt, dass diese Zahlen „abartig“ seien. Es fällt mir schwer, für diesen Vorgang, über den wir diskutieren, einen anderen Superlativ zu finden. Aber das ist mindestens „abartig“, worüber wir diskutieren, nämlich dass das Land Berlin vor der Frage steht, ob es für die Immobilienrisiken der Bankgesellschaft in die Haftung geht und damit die Steuerzahler im Land Berlin in die Haftung für die fehlgeschlagenen Geschäfte der Bankgesellschaft und für die Rendite der Anleger genommen werden. Ich glaube, das ist – da sind wir uns auch alle einig – ein ungeheuerlicher Vorgang, wahrscheinlich auch ein in dieser Form einmaliger Vorgang in der Wirtschaftsgeschichte der Bundesrepublik Deutschland und wahrscheinlich auch darüber hinaus.
Auch die Diskussion heute hat deutlich gemacht, dass das für alle, die mit dieser Entscheidung zu tun haben und darüber diskutieren – letztendlich müssen wir hier alle die Entscheidung treffen –, so ziemlich die schwierigste Entscheidung ist, die in der bisherigen politischen Laufbahn getroffen werden musste. Das ist vor allem eine Entscheidung mit einer Tragweite nicht nur über das nächste Jahr, für die nächste Legislaturperiode, sondern eine Entscheidung, die nachwirken wird in einem Zeitraum, an dem wir hier alle lange keine Politik mehr machen. Ich glaube, dessen sind sich auch alle bewusst. Dass das keine Entscheidung ist, die man einfach so übers Knie brechen kann, wo man sagen kann, was soll’s, weg mit Schaden, es kommt jetzt so nicht mehr drauf an. Das ist jetzt in der Diskussion – und auch in den Beiträgen von Herrn Zimmern und Herrn Eßer – deutlich geworden.
So sehr moralische Empörung bei diesem Vorgang angesagt ist, so ist sie aber auch kein guter Ratgeber bei der Entscheidung, die wir treffen müssen, sondern es ist in der Tat eine Entscheidung, die getroffen werden muss in Abwägung, wie man den Schaden für das Land Berlin begrenzen kann. Ob Schaden eintritt, darüber diskutieren wir ja gar nicht, denn er ist in riesigem Umfang, in Milliardenhöhe eingetreten. Da geht es auf der einen Seite um das Überleben der Bank. Da geht es um mehr als 10 000 Arbeitsplätze. Und es geht um die Frage, die ich am Anfang angesprochen habe, ob es hinnehmbar ist, ob es zwangsläufig ist, dass die Berliner Steuerzahler, dass diejenigen, die auf öffentliche Leistungen angewiesen sind, auf Sozialleistungen, auf Leistungen an den Schulen, auf Schwimmbäder etc. dafür bluten müssen, dass wir diese Risikoabschirmung vornehmen müssen. Dann geht es natürlich auch um die Frage, was die Alternative dazu ist, und ob das alles, wenn wir das nicht machen, noch viel teuerer wird. Das ist letztendlich die Abwägung, die wir alle hier treffen müssen.
Da ist völlig richtig, was Frau Oesterheld eingeklagt hat, was Herr Eßer angesprochen und was Herr Zimmer gesagt hat, dass wir natürlich diese Abwägung in möglichst umfassender Kenntnis sowohl der rechtlichen Bedingungen als auch der ökonomischen Fakten nach der Information über die Risikolage bei der Bankgesellschaft im Immobilienbereich und der Bankgesellschaft selbst treffen müssen. Deshalb machen wir auch eine Sondersitzung des Vermögensausschusses. Deshalb haben wir alle – über die Fraktionen hinweg – sehr umfangreiche Unterlagen angefordert. Sowohl für mich als Person als für meine Fraktion sage ich: Wir werden darauf achten, dass diese Entscheidung so getroffen wird, auf einer Grundlage getroffen wird, die es ermöglicht, sie auch zu verantworten, und zwar nicht nur für die Regierungsfraktionen, sondern für alle Fraktionen in diesem Haus. Das halte ich für eine Grundvoraussetzung in einer solchen Frage.
Ich will aber auch gleichzeitig sagen: Die Frage ist komplizierter und schwieriger, als sie öffentlich häufig diskutiert wird. Ich wäre unglaublich erleichtert, wenn es so einfach wäre, wie es öffentlich manchmal diskutiert wird. Die Fragen von Frau Fehrle sind Fragen, die man sich in der Tat stellen muss. Man muss aber auch als jemand, der im Vermögensausschuss sitzt und der die Sachverhalte etwas genauer kennt, schon ein paar Antworten darauf geben.
Natürlich ist es so, dass sich die Gewährträgerhaftung des Landes Berlin im unmittelbaren Sinne nur auf die Landesbank erstreckt und dass es keine Gewährträgerhaftung für das Immobiliengeschäft und auch keine Gewährträgerhaftung für den privaten Bankbereich gibt. Aber die Kundinnen und Kunden wissen auch, dass es z. B. im großen Umfang eine Kreditierung der Landesbank für die Bankgesellschaft insgesamt gibt und auch eine Kreditierung des Fondsgeschäfts. Mit anderen Worten: Wenn diese Bereiche, für die wir zurzeit keine Gewährträgerhaftung haben, in den Konkurs gehen, haben wir die Kreditausfälle bei der Landesbank und haften damit wieder für dieses Volumen, nicht für die Bankgesellschaft, sondern für die Landesbank. Damit hat man auch hier wieder dieses Insolvenzrisiko in vollem Umfang bei der öffentlichen Hand. Das ist der eine Punkt, der es deutlich macht, dass es nicht so einfach ist: „Lassen wir doch den privaten Bereich jetzt einfach knallen, das ist zwar nicht schön, aber das ist eine Risikominimierung.“ – Es ist schwieriger, komplizierter. Und es hat mir bisher noch niemand einen Ausweg aus dieser Situation aufzeigen können.
Wir wissen auch alle – jedenfalls diejenigen, die sich etwas intensiver mit dem Geschäftsgebaren, soweit man das so nennen kann, der Bankgesellschaft in der Vergangenheit befasst haben –, dass es eine Vielzahl von Patronatserklärungen der Landesbank auch für diesen Fondsbereich gibt, die erst einmal rechtlich Bestand haben. Damit existiert auch eine Haftung der Landesbank für diese Immobiliengeschäfte, damit indirekt wieder des Landes Berlin.
Für das Fondsgeschäft gilt das Gleiche. Das Fondsgeschäft ist auch in erheblichem Umfang entweder von der Bankgesellschaft oder von der Landesbank Berlin kreditiert worden. Das haben wir ja auch alles ausführlich diskutiert, dass dieses irrsinnige Fondsgeschäft auch deshalb aufgebaut wurde, um die Bankgesellschaft richtig schön aufzublasen, damit sie ihrer Bewertung, die Anfang der 90er Jahre vorgenommen worden ist, hinterherlaufen kann. Das hat jetzt aber den Effekt, dass es hier diese erhebliche Kreditierung für das eigene Fondsgeschäft gegeben hat und damit man auch sagen kann, wir haften zwar für die Fonds und wir lassen die insolvent gehen, damit aber, wenn wir das tun, gleichzeitig die Kreditausfälle bei der Landesbank existieren.
Das sind alles die Probleme, die das nicht so einfach machen, die sagen lassen, nach meinem gegenwärtigen Erkenntnisstand ist die Lösung, die Frau Fehrle in der „Berliner Zeitung“ vorgeschlagen hat, nicht gangbar. Ich gebe mich aber mit diesen Antworten auf diesem Stand noch nicht zufrieden, das sollten wir alle nicht tun, sondern wir müssen wirklich versuchen, daran zu arbeiten, dass nach menschlichem Ermessen alle Auswege und auch alle Möglichkeiten zur Risikominimierung bzw. zur Minimierung der Risikoübernahmedurch das Land geprüft worden sind.
Und da sagen Sie, Herr Sarrazin, das ist gemacht worden von vielen Beratern – das will ich nicht in Abrede stellen –, aber das Parlament und alle diejenigen, die diese Verantwortung übernehmen müssen, müssen zumindest die Möglichkeit haben, das intensiv zu überprüfen, ob sie sich diesen Argumenten anschließen können.
Ein reales Problem, das angesprochen worden ist, sind die Kontrollrechte. Vertrauen, das alles besser wird, haben wahrscheinlich sehr wenige, die Hoffnung vielleicht manche noch, aber man möchte Garantien haben, doch keine Garantien für Verluste, die man übernimmt, sondern Garantien dafür, dass sich wirklich etwas ändert bei der Bankgesellschaft Berlin. Natürlich, wir müssen klar Kontrollrechte installieren, damit nicht alles so
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weitergeht wie bisher. Aber die Probleme sind auch benannt worden. Ich sage auch klar meine Überzeugung: Eine Änderung bei der Bankgesellschaft Berlin wird nur gehen, wenn es auch einen Eigentümerwechsel gibt und damit auch ein Mentalitätswechsel in dieser Bank stattfindet. Aber das löst unser Problem nicht kurzfristig. Und ich finde, wir müssen auch darüber diskutieren, dass wir jetzt im Vorfeld einer möglichen Privatisierung nicht eine Entscheidung treffen, die es möglichen Erwerbern einfacher macht, bestimmte Risiken nicht zu übernehmen und auf wirtschaftliche Art und Weise abzuarbeiten und dann auf das Land Berlin abzulassen. Das sind alles Fragen, die wir diskutieren und klären müssen. Ich sage aber auch gleichzeitig, dass wir uns alle über die Bedeutung dieser Entscheidung nicht nur bewusst sein müssen im Hinblick darauf, was es heißt, dass wir möglicherweise Risiken übernehmen, sondern wir müssen uns auch über die Bedeutung dieser Entscheidung bewusst sein, was es heißt, wenn wir diese Risiken nicht übernehmen oder wenn wir keine Sanierungsperspektive für die Bankgesellschaft übernehmen. Und das ist die Frage dieser Risikoabwägung jetzt für uns als Parlament, für das Land.
Und – klar, ich bin jederzeit dafür, darüber zu diskutieren: Können Fondsanleger mit herangezogen werden? Können wir darüber diskutieren, dass zumindest über die Androhung von Teilinsolvenzen zu Vergleichslösungen gekommen wird; dass darüber diskutiert wird: Können nicht bestimmte Mietgarantien, Rückgaberechte usw. zurückgenommen werden bzw. Verträge modifiziert werden? Das sind alles Fragen, da bin ich jederzeit dafür, nicht nur dafür, sondern selbst davon überzeugt, dass man diese wirklich ernsthaft prüfen und klären muss. Ich sage nur: Irgendwann wird auch der Punkt sein, wo wir alle entscheiden müssen. Und ich hoffe, dass wir dann diese Entscheidung durch von mir aus auch Sitzungen in Permanenz bis Ende März so vorbereitet haben, dass wir sie alle guten Gewissens treffen können; nicht mit einem guten Gefühl dabei, das ist ziemlich klar, aber guten Gewissens, dass wir uns da alle geprüft haben und alle Möglichkeiten abgewogen haben. Aber dann erwarte ich auch, dass diese Entscheidung nach der Sache getroffen wird – das ist jetzt auch hier angesprochen worden – und nicht nach parteipolitischen Kriterien, weil ich glaube, dass dies wirklich eine Entscheidung ist, die von allen geschultert werden muss, wenn sie zu einer bestimmten Erkenntnis gekommen sind. – Danke für die Aufmerksamkeit!
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich hatte nach den ersten beiden Redebeiträgen der Vertreter der neuen Opposition den Eindruck, dass Sie zu Koalitionsvereinbarungen nichts zu sagen haben – bis auf ein paar wenige Anmerkungen.
Es gibt für Sie offensichtlich nur ein Thema, nämlich PDS. Ich glaube, dieses Thema wird die Oppositionsarbeit nicht über fünf Jahre lang tragen können. Sie müssen in der nächsten Zeit noch einiges zulegen, wenn Sie in der politischen Auseinandersetzung hier im Haus und in der Stadt bestehen wollen.
Sie haben sich etwas intensiver mit dem historischen Sinn dieser Koalition beschäftigt. Herr Stölzl hat explizit die Frage gestellt, was der historische Sinn dieses Ereignisses ist. – Herr Stölzl, Sie wissen, dass ich Sie als klugen Diskussions- und Gesprächspartner schätze. – Er hat die Antwort gegeben, dass dem Kommunismus die Tür aufgesperrt wird. Das ist doch nicht im Ernst Ihre Auffassung? Sind Sie doch selbst nicht davon überzeugt, dass es hier darum geht.
Der historische Sinn der heutigen Veranstaltung, der Tatsache, dass heute in Berlin eine Koalition zwischen SPD und PDS zustande kommt, besteht darin – wenn man nach einem tieferen historischen Sinn fragt –, dass wir in einer Situation sind, wo die Schlachtordnung, die Auseinandersetzung zwischen den Ideologien des letzten Jahrhunderts und der letzten Jahrzehnte nicht mehr funktionieren. Davon müssen wir uns verabschieden – auch das bürgerliche Lager.
Ich kann mich gut erinnern, dass ein Fraktionsvorsitzender der CDU zu Beginn der letzten Legislaturperiode in einer durchaus bemerkenswerten Rede genau das angekündigt hat, nämlich dass man sich am Beginn des 21. Jahrhunderts von diesen alten Schlachtordnungen verabschieden muss, wenn man eine Zukunft für die Stadt haben will – gerade in der Stadt, die von Lager und Blockdenken so gebeutelt wurde und darunter gelitten hat –. Darum geht es in dieser Auseinandersetzung.
Wer Zukunft haben will, der muss sich natürlich auch der Vergangenheit stellen. Ohne, dass man dies tut, wird man in der Tat keine Zukunft gewinnen können.
Deshalb haben wir in der Koalitionsvereinbarung und in den Debatten im Vorfeld über Beschlüsse des Landes- und Bundesparteitags seitens der PDS deutlich gemacht, dass wir uns der Verantwortung bewusst sind, die eine Regierungsbeteiligung der PDS in Berlin, der Stadt, durch die die Mauer ging, in der das Leid, die Drangsalierung – wie Sie richtig sagten –, die Erniedrigung, die mit der deutschen Teilung, den Menschenrechtsverletzungen und den Schüssen an der Mauer verbunden waren. Es ist unsere Verantwortung, deutlich zu machen, dass wir als PDS mit dieser Vergangenheit der SED unwiderruflich gebrochen haben. Wir müssen durch unsere Praxis und unser politisches Handeln – nicht nur durch Präambeln – auch gegenüber denjenigen, die dieser Koalition und unserer Regierungsbeteiligung skeptisch oder ablehnend gegenüber stehen, den Nachweis erbringen, dass dieser Bruch mit der Vergangenheit unwiderruflich ist, wir uns gegen jedwede Menschenrechtsverletzung aussprechen und unsere Lektion aus der Geschichte gelernt haben.
Man muss es als historischen Fortschritt begreifen, dass sich die alten Lager auflösen und es von unserer Seite dieses klare Bekenntnis zur Verantwortung gibt. Das ist ein Beitrag zum Zusammenwachsen innerhalb der Stadt. Dazu gehört nicht nur die Anerkennung von Schuld, sondern auch die Möglichkeit zur Versöhnung. Die Aufgabe, der wir uns stellen müssen, ist eine doppelte: das Anerkennen von Schuld und das Arbeiten an der Versöhnung zwischen Ost und West, zwischen denjenigen, die Unrecht begangen haben, und denen, die Unrecht erlitten haben. Das ist eine schwere Aufgabe, aber wir müssen uns ihr stellen, wenn wir Ost und West zusammenführen wollen. Deshalb ist es nötig, sich der Verantwortung zu stellen und sich von der Rhetorik des Kalten Kriegs zu verabschieden.
Wenn wir über Verantwortung hinsichtlich der Vergangenheit reden, muss ich darauf hinweisen, dass es ein Paradoxon ist – dem auch Sie sich stellen müssen –, dass es ausgerechnet die CDU und das bürgerliche Lager waren, die eine Politik gemacht haben, die dem Regierungseintritt der PDS den Weg bereitet hat. Das gehört zu den Sachverhalten, die man hier offen aussprechen muss. Das ist die Verantwortung, die Sie tragen. Wie kam es zu dem Zustand, den Sie jetzt beklagen? Sie haben ihn ganz wesentlich verursacht. Damit müssen Sie zu Rande kommen, wenn Sie eine Chance haben wollen, den beklagenswerten Zustand des bürgerlichen Lagers in der deutschen Hauptstadt zu überwinden und zu besseren Verhältnissen zu kommen.
Diese Stadt befindet sich in einer mehr als schwierigen Situation. Diese Regierungskoalition tritt ein mehr als schweres Erbe an. Die Finanzen dieser Stadt sind ruiniert.
Zu diesem Zwischenruf muss ich eine Anmerkung zu dem machen, was Sie zu Beginn der Sitzung aufgeführt haben, machen. Herr Zimmer, das war deutlich unter Ihrem Niveau. Ich mache immer noch einen deutlichen Unterschied – das sollten auch Sie tun, wenn Sie intellektuell redlich sind – zwischen jemandem, der einen Fonds auflegt und ihn so ausgestaltet, dass der öffentlichen Hand erhebliche Risiken entstehen, und jemandem, der einen solchen Fonds in aller Öffentlichkeit – sie sind ja
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öffentlich angeboten worden – zeichnet. Wenn Sie daraus Filz und Korruption machen, meine Damen und Herren von der CDU, dann ist das die Vertuschung von Verantwortlichkeit und der Versuch, Sparen zu verwischen. Das ist absolut unredlich. Ich rate Ihnen, diesen Stil der Auseinandersetzung zu unterlassen.
Die Stadt ist nicht an den Fondszeichnern zu Grunde gegangen, sondern die Stadt leidet darunter, dass unverantwortlich gehandelt wurde und dass in der Bankgesellschaft ein System der organisierten Verantwortungslosigkeit existierte. Zudem leidet die Stadt daran, dass die große Koalition in der Vergangenheit nicht in der Lage war, frühzeitig die Alarmzeichen der finanziellen Krise zu erkennen, gegenzusteuern und die notwendigen Entscheidungen zu treffen. Diese Entscheidungen wurden immer wieder vertagt. Von Herrn Diepgen wurden stattdessen weiße Salben und beruhigende Worte ausgeteilt. Das ist der Grund für die derzeitige Situation. Diese Koalition steht vor der Aufgabe, diesen Zustand zu beenden, die notwendigen Entscheidungen anzugehen und zu treffen.