Peter Luther
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Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich frage den Innensenator Dr. Körting:
1. Trifft es zu, dass es der Berliner Feuerwehr nicht gelingt, alle freien Stellen für die Ausbildung für den feuerwehrtechnischen Dienst zu besetzen, und wenn ja, wie viele freie Stellen blieben in den Jahren 2007 und 2008 unbesetzt?
2. Wie gedenkt die Feuerwehr die in der Folge fehlenden Kräfte zu ersetzen, und warum wird trotz des bestehenden Mangels eine stärkere Unterstützung der Feuerwehr durch die Hilfsorganisationen nicht in Betracht gezogen?
Herr Senator ! Das klingt gut, aber ich frage Sie dennoch: Ist es richtig, dass Ihr Landesbranddirektor Gräfling in Neukölln die Bundeswehr einsetzen will, um den Mangel an Feuerwehrleuten, insbesondere an Rettungsassistenten, auszugleichen? Die Bundeswehr kann unseres Wissens bei zivilen Belangen nur im Kriegszustand eingesetzt werden. Ja – ist denn in Neukölln schon Kriegszustand?
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Zu so später Stunde mit so vielen netten Hinweisen, dass man zu später Stunde überhaupt noch reden darf, das ist beinahe so etwas Ähnliches wie das Wort zum Sonntag oder in dem Fall das Wort zum Freitag. Zu später Stunde vor Katastrophen zu warnen, das mache ich gerne.
Worum geht es? – Herr Jotzo hat es im Wesentlichen gesagt: Schützen vor Katastrophen. Und wenn man schützen will, muss man vorher warnen. Das ist okay. Das wissen Sie alle. Das gibt es bei den Menschen seit vielen Tausend Jahren. In der Antike gab es Läufer, die geschickt worden sind, um vor einer Katastrophe, die angekündigt wurde, zu warnen. Vor 3 000 Jahren war das üblich. Sie wissen, dass im Mittelalter Feuer gemacht wurden. Da wurde mit Feuertürmen gewarnt. Auf Kreta oder Mallorca können Sie das alles noch sehen.
Und wer Karl May gelesen hat, weiß, dass Rauchzeichen bei Indianern ein Mittel sind, um vor schlimmen Geschichten zu warnen. In der letzten Zeit haben wir deshalb – Erster Weltkrieg, Zweiter Weltkrieg – Sirenen gehabt, gute alte Sirenen, die die Menschen vor großen Katastrophen gewarnt haben. Aber – wir haben es gehört – diese Sirenen wurden 1992 flächendeckend in Deutschland abgeschafft. Und dann ist es völlig legitim, dass man sich Gedanken macht: Was machen wir denn jetzt? – Also: Sirenen gibt es nicht mehr. Der Stand heute ist – wie heißt das Wort genau? –: Satellitengestütztes Warnsystem bei Rundfunk und Fernsehen, abgekürzt Satwat. Da könnte man sagen: Dat war’s.
Aber wir machen uns Gedanken. Und da ist der Hinweis von der FDP, über das Handy nachzudenken, gar nicht so schlecht. Wir wissen: Über 90 Prozent aller Menschen bei uns haben ein Handy. Also ist doch logisch, dass man nachdenkt, darüber vor großen Katastrophen zu warnen. Ich bin Mitglied im Datenschutz, kein Profi, das gebe ich gern zu, aber ich weiß, dass es da Probleme gibt, wenn man flächendeckend auf die Handys aller Bewohner einer Region Zugriff gestatten will. Ganz zu schweigen davon, dass heute 80 Prozent aller Kinder unter 14 Jahren bereits ein Handy haben. Wie soll das gehen, wie soll die Botschaft an die Kinder unter 14 lauten? Was steht da in dem Handy?
Hinweis zwei: Überlastungen der Handys. Sie wissen das, wenn Sie schon mal Silvester mit Ihrem Handy telefonieren: Wenn das überlastet ist, dann funktioniert das auch nicht so richtig mit dem „An-alle-Handys-Warnen“. Dann kommt noch das Thema: Wer macht welchen Text? Wer macht welche SMS?
Da gibt es natürlich Missbrauchsmöglichkeiten. Ich weiß, wie das heute funktioniert. Aber wenn mit einer SMS gewarnt wird, dann könnte man auf die Idee kommen: Was ist eine Katastrophe? Wenn Hertha BSC in der Bundesliga verliert, ist das für viele eine Katastrophe, aber nicht dafür geeignet; dafür könnte das aber missbraucht werden. Es könnte auch sein, dass die SMS sagt: Rot-Rot ist für Berlin eine Katastrophe. Das würden vielleicht schon mehr denken.
Aber vielleicht würden nicht alle dann wirklich sagen: „Katastrophe“. Das gilt nicht für alle. Oder, Herr Albers! Sie können ja ein medizinisches Thema nehmen. Sagen wir einmal, wir haben einen Pest- oder Ebolaausbruch in einem Krankenhaus. Das ist wirklich eine gefährliche Geschichte, kann ich Ihnen sagen. Aber wie warnen wir dann? Ich will damit nur sagen, dass es auch mit dem Handy nicht ganz einfach ist. Außerdem sind in aller Regel die Handys nachts – meines jedenfalls – ausgeschaltet.
Was bleibt? – Ich will Ihnen sagen, wie das in meinem Dorf funktioniert, in Drohndorf, das einige in der Tat kennen. Dort gibt es nach wie vor – wie in vielen Dörfern – die gute alte Sirene – eine im Oberdorf und eine im Unterdorf –, und wenn die geht, hört das jeder Bewohner im Dorf. Die Freiwillige Feuerwehr – also geschultes Personal – macht das und freut sich, wenn sie zweimal im Jahr die Sirenen bedienen dürfen. Da treffen sich alle, und hinterher wird ein Bier getrunken. Das Alarmsystem in den Dörfern funktioniert. Das geht nachts genauso gut wie am Tage. Viele andere Dinge funktionieren nachts nicht. Ich glaube, dass es sich gar nicht schlecht bewährt at. h
Können wir das am Schluss machen?
Dann machen Sie es jetzt!
Davor bewahre uns Gott! Es sind anständige Menschen, die die Sirenen bedienen.
Aber ich will das ernsthaft machen, denn ich habe mir Gedanken gemacht. Ich habe im Internet nachgesehen, was man unter dieser Rubrik findet. Wie kann man das Problem lösen? – Bei Wikipedia finden Sie zu dem Thema Bevölkerung und Katastrophenfall unter der Rubrik „besondere Warnsignale“: Je nach Gefahrenart unterscheiden sich die Signale nach Licht, nach Schallzeichen, Rauchzeichen, Flaggenzeichen. Aha, dachte ich: Rauchzeiten. Da war es wieder! So richtig kommt man damit auch nicht weiter, aber es wird noch sehr viel besser. Wenn Sie unter „Politik“ schauen –
ich sage noch, was dort dazu steht –, steht dort: Warnung und Entwarnung sind die offiziellen Staatsaufgaben im Rahmen des Katastrophenschutzes. Genau das ist es, dachte ich. Was steht darunter? – In Deutschland wurden die Sirenen flächendeckend abgeschafft. Die Politik warnt nur noch bei Reisen ins Ausland vor Krankheiten.
Also: Der Antrag ist nicht falsch.
Sie haben recht! Ich bitte nur den Senat, uns einmal darüber aufzuklären, was das Modell der Zukunft ist. Das könnte Herr Körting machen oder auch Frau Lompscher. Ich erinnere mich, dass es in meiner früheren Senatsverwaltung eine Fachabteilung gab, Frau Lompscher, „Katastrophenschutz“, Dr. Peters war der Referatsleiter. Wenn Sie den noch nicht entlassen haben, könnte der uns eine super Vorlage machen. Der lebt seit 20 Jahren in diesem Thema.
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Eigentlich habe ich überhaupt keine Lust, heute zu diesem Thema zu reden.
X-mal haben wir das Thema im Fachausschuss beraten und mehrfach vertagt. Und nun soll es auch noch im Parlament beraten werden! Ich sage Ihnen, warum das ärgerlich ist.
Wir reden über eine absolute Selbstverständlichkeit für alle Menschen in dieser Stadt, eine Selbstverständlichkeit auch für jeden Abgeordneten. Wir reden darüber, dass die schnelle medizinische Hilfe tatsächlich so schnell wie irgend möglich vor Ort ist. Aber anstatt, dass wir sagen, dass wir das eigentlich alle wollen, spielen wir die Spielchen Opposition gegen Regierung. Nur weil die Opposition es jetzt fordert, sagt die Regierung: Nein, das ist alles falsch, so wollen wir das alles gar nicht.
Was ist eigentlich Schlimmes passiert? – Die FDP hat aufgeschrieben, man möge die Hilfszeiten, die der Rettungstransportwagen – RTW – der Feuerwehr braucht, um zu einem Verkehrsunfall zu kommen, optimieren. Ich frage mich, was an dieser Bitte falsch sein kann. Aber okay! Wir haben gelernt: Politik ist offensichtlich so. Wer etwas fordert, hat noch lange nicht recht, wenn es die anderen nicht haben wollen.
Dabei – die FDP hat recherchiert − stimmen die Zahlen. Natürlich stimmen sie! Sie stammen auch aus der eigenen Verwaltung, aus der Innenverwaltung oder aus der Feuerwehr. Die Zahlen stimmen also. Und wenn das so ist, wäre es eigentlich wirklich an der Zeit, dass auch einmal Regierungsfraktionen, SPD und Linke, über ihren Schatten springen: „Natürlich, machen wir mit!“, könnten sie sagen. – Oder glauben Sie im Ernst, dass bei einem Notruf in der Feuerwehrleitstelle bei einem Herzinfarkt gefragt wird: Gehörst du zur Regierung, zur SPD oder zur Linken? Oder: Bist Du ein CDU-Mann? Oder: Bist du vielleicht ein Grüner? – Nein, das machen sie nicht. Wir alle sind gleichermaßen betroffen. Deshalb ist es einfach nur ärgerlich, dass wir immer wieder darüber streiten müssen, dass die Regierungsfraktionen immer wieder sagen – vor wenigen Minuten wieder gehört –: Das sind Einzelfälle, das ist nur Panikmache. – Das ist es wirklich nicht. Dafür ist dieses Thema zu wichtig.
Ich mache noch eine letzte Anmerkung zu „Panikmache“ und „Einzelfall“. Wenn aus der Statistik der Feuerwehr ein Medianwert herausgelesen wird – ich bin kein Mathematiker, aber der Medianwert ist der Wert, der in der Mitte aller aufgelisteten Werte liegt, der im Regelfall zu erwarten ist – und wenn dieser Medianwert 31 Minuten beträgt, bis der Rettungstransportwagen bei einem Verkehrsunfall, bei einem Herzinfarkt oder bei einem Atemstillstand eintrifft, dann sage ich Ihnen aus medizinischer Sicht – davon verstehe ich mehr als von Mathematik –: Nach 31 Minuten braucht der Rettungstransportwagen in den meisten Fällen gar nicht mehr zu kommen. Oder der Unfall geht für die betroffene Person so schwerwiegend aus, wie er eigentlich nicht hätte ausgehen dürfen.
Es ist einfach nur ärgerlich – und deshalb wollte ich zu diesem Thema nicht reden –, dass immer wieder, wenn aus der Opposition etwas gewünscht oder gefordert wird, nur gesagt wird: Das sind Einzelfälle, das ist Panikmache. – Das sollte man bei solch einem Thema nicht tun.
Lassen Sie uns darüber nicht streiten, denn die Bitte, die ausgesprochen wurde, betrifft uns alle in diesem Haus – Oppositions- wie Regierungsfraktionen gleichermaßen. Und vor allen Dingen würde die Bevölkerung von einer Optimierung der Eintreffzeiten profitieren. Das ist ein Wunsch, den wir alle haben sollten. – Vielen Dank!