Karin Korte
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Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen und Herren! Wir beraten heute über einen Antrag der CDUFraktion, der medizinische Altersfeststellungen bei geflüchteten Jugendlichen als Regelfall einführen will. Der Titel Ihres Antrags beginnt allerdings anders, nämlich: „minderjährige Flüchtlinge, die keine sind“. – Diese Formulierung halte ich für irreführend und provozierend, denn wir reden über Geflüchtete, die welche sind.
In Ihrem Antrag fordern Sie, dass die medizinische Altersfeststellung, die heute bereits in § 42f SGB VIII verankert ist, zum Regelfall wird. Neben dieser gut funktionierenden, im Gesetz verankerten Rechtslage gibt es medizinische Gründe und auch ganz praktische Gründe, Ihre Forderung abzulehnen. Ich möchte mit dem beginnen, was heute schon – anders als es von Ihnen mit den im Antrag genannten Zahlen suggeriert wird – funktioniert. Das ist das in § 42 festgelegte, stufenweise interdisziplinäre Verfahren. Die darin verankerte qualifizierte
(Cornelia Seibeld)
Inaugenscheinnahme, die durchgeführt wird, wenn das Alter anhand von Ausweispapieren nicht zweifelsfrei bestimmt werden kann, bietet eine Vielzahl an Möglichkeiten.
Erfahrenes, gut ausgebildetes und sachverständiges Personal geht dabei systematisch und professionell vor. Sozialpädagoginnen und -pädagogen des Landesjugendamtes und Psychologinnen und Psychologen eines freien Jugendhilfeträgers arbeiten dabei Hand in Hand. Bei Bedarf sind Befragungen weiterer Personen oder die Einsicht in die Unterlagen möglich. All dies geschieht ohne unverhältnismäßigen Aufwand für die ausführenden Stellen und ohne unverhältnismäßige Risiken oder Eingriffe für die Betroffenen. In Zweifelsfällen sind medizinische Untersuchungen bereits heute möglich. Sie sind aber nur in wenigen Fällen nötig.
Und das ist der nächste irreführende Punkt Ihres Antrags: Die Zahlen, die Sie nennen, zeigen in keinster Weise, dass die Inaugenscheinnahmen zu fehlerhaften Ergebnissen und zu hohen Dunkelziffern führen. Sie suggerieren etwas, das Sie nicht belegen können.
Ich möchte auf einen weiteren Aspekt eingehen. Der betrifft die Frage der Belastbarkeit der Ergebnisse der medizinischen Untersuchungen. Diese wird von wissenschaftlicher Seite stark bezweifelt, denn es wird nicht davon ausgegangen, dass die Fehlerquote niedriger ist als bei den qualifizierten interdisziplinären Inaugenscheinnahmen.
Sicher hingegen ist, dass die Untersuchungen selbst – es handelt sich hier um Röntgenuntersuchungen – schädlich sein können,
und deshalb nur bei absoluter Notwendigkeit angewendet werden sollten. Diese absolute Notwendigkeit ist hier nicht erkennbar. Deshalb sollte diese Art der Untersuchung auch die Ausnahme bleiben und nicht zum Regelfall werden.
Ich gehe davon aus, dass Ihnen die Kosten, von denen die Senatsverwaltung ausgeht – etwa 1 500 Euro pro Fall – bekannt sind. Bei den aktuellen Fallzahlen sind es etwa 1,4 Millionen Euro pro Jahr.
Ich möchte die letzten Sätze nutzen, um etwas Grundsätzliches anzusprechen. Der Ansatz der Koalitionsfraktionen und mein ganz persönlicher Ansatz im Bereich der Integrationspolitik ist eine humanitäre Politik, die sich für menschenwürdige Verfahren und das Abbauen von Grenzen und Ressentiments einsetzt. Deshalb werden wir es
nicht zulassen, dass Menschen – in diesem Fall junge, geflüchtete Menschen – lediglich wegen ihrer Zugehörigkeit zu einer bestimmten Gruppe unter einen Generalverdacht gestellt werden und an ihnen ein Exempel statuiert wird.
Das stufenweise Verfahren, die qualifizierte Inaugenscheinnahme und die medizinischen Untersuchungen in den wenigen Zweifelsfällen haben sich bewährt. Wir haben gutes Personal, das sich der Fälle annimmt, und wir haben eine klare Vorstellung von Integrationspolitik, die funktioniert und das Wohl aller Menschen im Blick hat. Deshalb werden wir Ihren Antrag ablehnen.
Nein! – Das war meine letzte Rede in diesem Haus. Ich bedanke mich für die gute Zusammenarbeit, besonders mit den Kolleginnen und Kollegen aus den Bereichen Integration, Arbeit und Soziales, Kultur sowie Bürgerschaftliches Engagement und Partizipation. Ab dem 28. Februar werde ich voraussichtlich Bezirksstadträtin für Bildung, Schule, Kultur und Sport in Neukölln sein. Ich hoffe dann auf eine weiterhin gute Zusammenarbeit, vor allem natürlich mit dem Hauptausschuss.
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen und Herren! Die Integration von geflüchteten Menschen in unsere Gesellschaft kann nur gelingen, wenn ihnen die Möglichkeit gegeben wird, mit ihrem Umfeld und den Menschen, die darin leben, Kontakt aufzunehmen. Dafür brauchen sie Unterstützung, zum Beispiel in Form von Sprachkursen, Bildungsangeboten und anderen Beratungen, die ihnen bei der Orientierung helfen. In vielen Not- und Gemeinschaftsunterkünften wurde und wird diese Arbeit von engagierten Trägern geleistet. Wir haben aber auch erfahren, dass das häufig nicht klappt und es Unterbringungsbedingungen gibt, die schlecht und dringend verbesserungswürdig sind. Aus eigener Anschauung weiß ich, dass es nach Trägerwechseln, die mit dem Umzug von einer Not- in eine Gemeinschaftsunterkunft zusammenhingen, zu massiven Beschwerden von Bewohnerinnen und Bewohnern sowie von Willkommensbündnissen und anderen unterstützenden Institutionen gekommen ist: nicht nur, weil bekannte Betreuerinnen und Betreuer dort nicht mehr arbeiteten, sondern weil es schlicht und ergreifend auf einmal keine Beratungs-, Bildungs- und Freizeitangebote mehr gab, und weil nicht ausreichend für die Sicherheit der Bewohnerinnen und Bewohner gesorgt worden ist. Das liegt daran, dass bei diesen Vergabeverfahren nur der kostengünstigste Anbieter den Zuschlag erhalten konnte.
Es kann nicht immer nur um Geld gehen. Es ist eine Selbstverständlichkeit, dass Menschen, die in unserem Land Zuflucht suchen, weil sie aus Kriegs- und Krisen
gebieten fliehen mussten, hier ordentlich untergebracht werden.
Dafür reicht es nicht, ihnen ein Bett und Essen zu geben. Sie brauchen auch Betreuung, soziale Beratung, Freizeit- und Bildungsangebote, an eine Anbindung an Kitas und Schulen, eine Vernetzung mit Einrichtungen im Umfeld, im Wohnumfeld und damit eine gesellschaftliche Einbindung im Stadtteil. Deshalb ist es richtig, dass mit diesem Antrag gefordert wird, Qualitätsstandards bei der Unterbringung geflüchteter Menschen sicherzustellen. Qualitätsstandards, die all das beinhalten, was für eine gelingende Integration notwendig ist, damit wir die Menschen nicht nur unterbringen, sondern schon in den Unterkünften gute Grundlagen für die folgenden Jahre legen. Damit können wir eine positive Entwicklung im Bereich der Integration verstärken, verbunden mit einer klaren Forderung: Wir benötigen ein standardisiertes Verfahren zur regelmäßigen Überprüfung der Unterbringungsbedingungen in allen Berliner Gemeinschafts- und Notunterkünften.
Nur so können wir eine Verbesserung der Lebensbedingungen für die Bewohnerinnen und Bewohner aller Berliner Unterkünfte für Geflüchtete erreichen. Zusätzlich schaffen wir damit die Möglichkeit zu lernen. Wir können die Erfahrungen aller Beteiligter nutzen und anhand einer Evaluation von Best-Practice-Beispielen Bedingungen und Standards weiter kontinuierlich verbessern.
Die Koalition schlägt mit diesem Antrag eine echte Verbesserung in den Berliner Unterkünften vor, bei der Land, Bezirke, Organisationen und die Betroffenen selbst beteiligt werden. Diese Verbesserung wird allen zugutekommen, den Geflüchteten selbst, aber auch den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern, den ehrenamtlich tätigen Menschen, den Menschen in den Stadtteilen und Kiezen. Damit wird auch ein wichtiger Beitrag für die Integration der geflüchteten Menschen geleistet. Das kommt der ganzen Stadt zugute. Deshalb bitten wir Sie, diesem Antrag zuzustimmen.
Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren! Keine regelhafte doppelte Staatsbürgerschaft – Wiedereinführung der Optionspflicht. Worum geht es hier überhaupt? – Die Regelung, die die AfD abschaffen will, betrifft in Deutschland geborene und aufgewachsene Kinder ausländischer Eltern. Sie dürfen seit 2014 neben der deutschen Staatsangehörigkeit auch die ausländische ihrer Eltern dauerhaft behalten. Diese Rechtslage wird, anders als von der AfD behauptet, von einer großen Mehrheit in Deutschland in Politik und Gesellschaft getragen und für gut befunden.
Diese gute und sichere Rechtslage abzuschaffen, wie es Ihr Antrag vorsieht, würde einen Rückschritt bedeuten. Dieser Rückschritt hieße nicht nur, dass es eine Ungerechtigkeit im Hinblick auf das Verhältnis von EUBürgern und Nicht-EU-Bürgern gäbe. Dieser Rückschritt würde alle vor den Kopf stoßen, die von dieser neuen Regelung profitieren. Das sind junge Menschen, die hier nicht erst ankommen müssen, sondern die hier bereits angekommen sind.
Sie müssen sich nicht erst in Deutschland zurechtfinden, sie sind hier zu Hause, sie haben hier die Kita besucht, sie haben hier die Schule besucht. Vielleicht haben sie schon eine Berufsausbildung oder ein Studium begonnen.
Es ist gut, dass diese jungen Menschen sich nicht mehr entscheiden müssen zwischen dem Land, in dem ihre Familien ihre Wurzeln haben, und dem Land, in dem sie leben und zu Hause sind, zu dem sie eine Bindung haben.
Nein! – Die Tatsache, dass sie über eine doppelte Staatsangehörigkeit verfügen, dass sie zwei Pässe haben, bedeutet nicht zwangsläufig, dass sie Loyalitätskonflikte haben, im Gegenteil. Man kann durchaus loyal gegenüber zwei Staaten sein.
Eine Optionspflicht steht für das Aberkennen von Teilen der eigenen Identität, und das ist integrationshemmend.
Sie befürchten in Ihrem Antrag eine sogenannte massenhafte doppelte Staatsangehörigkeit. Schauen wir uns doch mal die Zahlen an. Laut dem letzten Mikrozensus leben in Deutschland gerade einmal knapp 1,8 Millionen Menschen mit doppelter Staatsangehörigkeit. Das sind deutlich weniger als 3 Prozent der Bewohner Deutschlands. Die Prognosen des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge zeigen, dass sich diese Zahl in den kommenden Jahren auch nicht signifikant steigern wird.
Deshalb frage ich Sie: Wovor haben Sie eigentlich Angst? Ich glaube, dass es Ihnen in Wahrheit um etwas ganz anderes geht.
Es ist Ihnen doch egal, ob Österreicher, Italiener, Franzosen oder Briten einen zweiten Pass haben. Ihnen geht es in erster Linie um die Türkei, um türkeistämmige Menschen, auch wenn Sie in Ihrem Antrag betonen, dass die infrage stehende Regelung einen allgemeinen Charakter habe.
Von den türkeistämmigen Deutschen haben übrigens gerade einmal 247 000 einen Doppelpass.
Sie stellen diese Menschen, das zeigt auch Ihre Quellenauswahl in Ihrem Antrag, unter einen Generalverdacht. Sie unterstellen Ihnen, ohne eigene Meinung der verlängerte Arm des türkischen Präsidenten Erdoğan zu sein. Das ist absurd. Das ist unfair und entbehrt jeder Grundlage. Viele türkeistämmige Deutsche zeigen mit ihrem Engagement und Einsatz für Demokratie und Meinungsfreiheit, dass sie sich in allen Bereichen unserer Gesellschaft einsetzen.
Nein! – Wir können stolz sein auf diese Bürger unseres Landes. Sie von der AfD sind mit Ihren völkischen Ansichten sehr viel dichter bei Erdoğan.
Das zeigt die Wortwahl Ihres Antrags.
Sie schreiben zum Beispiel von der Gefahr der Etablierung fremdstaatlicher Interessen, von fremden kulturellen Standards, von der Gefahr einer Fremdeinflussnahme, von Massenphänomenen oder von Fremdstaatlern und einer Etablierung von fremdkulturellen Zonen, und das alles auf deutschem Boden.
Die jungen Menschen, um die es geht, die hier geboren und aufgewachsen sind, sind hier nicht fremd. Sie haben ein Recht auf den deutschen Pass.
Die heutige gültige Rechtslage haben wir hart erkämpft.
Mit ihr bekennt Deutschland sich zu den Kindern seiner Einwanderer.
Deshalb werden wir diesem Antrag, der einen Rückschritt in das letzte Jahrhundert bedeuten würde, nicht zustimmen.