Klaus Käppeler

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Frau Präsidentin, liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich gebe es gern zu: Als wir am 1. Juli 2004, also vor über einem Jahr, hier in diesem Haus über Perspektiven für die zukünftige Entwicklung des Truppenübungsplatzes Münsingen und über Naturschutz diskutierten, war mein Redebeitrag von mehr Skepsis geprägt, als es der heutige ist.
Aber wer konnte damals ahnen, dass der langjährige Ministerpräsident aus dem Amt gedrängt würde
und damit endlich der Weg frei würde, das Bundesnaturschutzgesetz in einem Landesgesetz umzusetzen?
Dass es jetzt so zügig in die Umsetzung geht, ist zu begrüßen.
Unseren Antrag dazu vom 19. April 2004 und einen ähnlichen Antrag der Grünen haben Sie damals mit Ihrer Mehrheit abgelehnt. Wenn Sie heute nun diesen Forderungen nachkommen, freut uns das. Noch mehr würden wir uns freuen, wenn Sie das auch sagen würden.
Was bisher insbesondere von kommunaler Seite angedacht und vorangetrieben wurde, kann sich sehen lassen: Die Städte Münsingen und Bad Urach sowie die Gemeinde Römerstein erklärten, sie stimmten der Ausweisung eines Biosphärengebiets zu und würden unter Federführung des Landrats die Zusammenarbeit mit den Behörden beim Projektantrag vorantreiben.
Auch vonseiten des Landes wird agiert. Eine Lenkungskommission wurde eingerichtet, und auch ein Fachbeirat hat schon getagt.
Ende dieses Sommers habe ich eine geführte Radtour über den Truppenübungsplatz organisiert. Ich sage Ihnen: Die Landschaft ist überwältigend. Sie können stundenlang unterwegs sein und merken nichts von Zivilisation,
und – was am meisten beeindruckt – Sie können die Stille hören.
Nun ist die Verabschiedung eines Gesetzes die eine Sache, die Umsetzung danach aber eine ganz andere.
Bei genauer Nachfrage stellt man fest, dass das ganze Projekt unter dem Vorbehalt der Finanzierung steht. Ohne ausreichende Dauerfinanzierung wird das Projekt Makulatur bleiben. Nach ersten Berechnungen bedarf es mindestens zehn hauptamtlicher Kräfte, die den Platz pflegen und Besucherströme lenken, sowie zusätzlicher Gelder, um Projekte durchführen zu können. Das heißt, unter 1 Million € jährlich ist das Ganze nicht zu machen.
Zur Finanzierung schwirren unterschiedliche Zahlen und bei den Verantwortlichen unterschiedliche Vorstellungen und Forderungen umher. Da wird von Landesseite gern auf die Verantwortung des Bundes verwiesen. Die Grünen sprachen in einem Antrag vom Juli 2003 das Bundesprogramm für Naturschutzgroßprojekte an, das es beim Bundesamt für Naturschutz geben soll. Der frühere Landrat Dr. Wais nannte vor ca. einem Jahr in einer Pressemeldung den Betrag von 8 Millionen €.
Nun laufen die Überlegungen, und es gibt wohl auch schon einen Antrag des Ministeriums für Ernährung und Ländlichen Raum an die Landesstiftung, sich in eine Unterstiftung einzubringen, die jährlich 1 Million € abwirft, also ein Volumen von mindestens 20 Millionen € haben sollte. Genaues weiß man nicht: Was zahlt der Bund, was bringt das Land? Wir fordern eine rasche Offenlegung dieser Zahlen und eine Klärung des rechtlichen Zustands. Natürlich wäre
es wünschenswert, wenn die Landesstiftung im Rahmen ihrer Möglichkeiten hier mitfinanzierte.
Aber man muss wissen, dass eine Unterstiftung eine rechtlich äußerst komplizierte Angelegenheit ist und schwierig zu konstruieren ist, dass eine Dauerfinanzierung nicht möglich sein kann, weil staatliche bzw. gesetzliche Aufgaben durch die Stiftung nicht wahrgenommen werden dürfen. Ein dankbares Feld für Juristen und Steuerprüfer tut sich hier auf – Ausgang offen.
Deswegen muss ich, auch wenn wir als SPD-Fraktion die Neuordnung des Naturschutzrechts insgesamt befürworten, meiner Forderung Nachdruck verleihen, die ich am 1. Juli 2004 an dieser Stelle erheben habe. Wir haben nun ein Konzept. Jetzt fehlt noch das Entscheidende, das Geld. Aber vielleicht hat der Ministerpräsident bei seinem angekündigten Besuch im Januar nächsten Jahres seine Schatulle dabei.
Der von der Konversion gebeutelten Region ist das zu wünschen.
Danke schön.
Herr Präsident, meine sehr geehrten Kolleginnen und Kollegen! Der vorliegende Gesetzentwurf zur Änderung des Schulgesetzes und des Landesbesoldungsgesetzes findet meine Zustimmung und auch die Zustimmung meiner Kolleginnen und Kollegen von der SPDFraktion.
Frau Vossschulte, Sie dürfen also mit Konsens rechnen.
Die Anpassung der Sonderregelung für Klassenpflegschaften an Entwicklungen der dualen Ausbildung halten wir für notwendig. Die Formulierung „in denen neben der schulischen Ausbildung ein Berufsausbildungsvertrag geschlossen wird“ umfasst zukünftig alle Schularten, zum Beispiel die Berufsfachschule für Altenpflegehilfe und die Berufskollegs in Teilzeitunterricht. Um die Dualpartner wirklich in die Klassenpflegschaft einzubinden, bedarf es jedoch mehr als nur der Schaffung der gesetzlichen Voraussetzungen. Hier erwarten wir von den betroffenen Schulen eine positive Grundhaltung und Aktivitäten zu deren Umsetzung.
Des Weiteren tragen wir die Anpassung in § 80 des Schulgesetzes – Ruhen der Berufsschulpflicht bei dem Besuch von bestimmten Ergänzungsschulen – mit. Auch zukünftig hängt es von der Qualität einer Einrichtung ab, ob das Ruhen der Berufsschulpflicht angeordnet werden kann. Der hohe Praktikumsanteil führt teilweise dazu, dass die Schülerinnen und Schüler rechnerisch keine 30 Unterrichtsstunden pro Woche mehr erhalten. Aber da wir davon ausgehen dürfen, dass ebenso intensiv im Rahmen der beruflichen Bildung gearbeitet wird, begrüßen wir die Anpassung.
Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen, am 1. Juni dieses Jahres haben wir hier im Plenum über das Projekt „Schulverwaltung am Netz“ diskutiert. Ich erspare mir eine Wiederholung der dort angesprochenen Probleme und Bedenken, die besonders den Datenschutz und den Unterrichtsausfall betrafen. „Schulverwaltung am Netz“: immer wieder versprochen, immer wieder verschoben – auch heute noch das gleiche Lied.
Den vorliegenden Gesetzentwurf unterstützen wir. Denn er schafft die rechtlichen Rahmenbedingungen zum Aufbau einer operativen Datenbank – übrigens nur mit Zugriffsmöglichkeit der Schule – sowie der Verarbeitung von Schülerdaten in einer Auswertungsdatenbank, pseudonymisiert und anonymisiert. Dabei wird unserem Anliegen, das auch das Anliegen des Landeselternbeirats ist, Rechnung getragen und werden Vorkehrungen getroffen, die den Missbrauch personenbezogener Daten verhindern. Dass dies in der Praxis dann auch so funktioniert, darf man nicht nur erhoffen.
Dass es bisher aus Versehen oder aus anderen Gründen zu ungenauen Meldungen von Schülerzahlen kam, lässt den Schluss zu, dass derjenige Rektor die beste Lehrerzuweisung erhalten hat, der am elegantesten eine Statistik geschönt hat. Nun gehen Sie davon aus, dass ein solches Verhalten mit der Einführung von E-Stat erheblich erschwert wird; so steht es zumindest in der Begründung Ihres Gesetzentwurfs. Ich meine, ein solches Verhalten sollte in Zukunft nicht mehr möglich sein. Aus Gründen der Gerechtigkeit ist Ihre Absicht zu begrüßen. Leider ändert dies an der insgesamt äußerst angespannten Unterrichtsversorgung rein gar nichts.
Wir begrüßen, dass mit dem neuen Verfahren nunmehr die Voraussetzungen geschaffen werden können, besonders im Bereich der beruflichen Vollzeitschulen, also bei Berufskollegs oder bei beruflichen Gymnasien, die Mehrfachbewerbungen kenntlich zu machen. Dies wird eine effizientere Personalplanung und Personalsteuerung erleichtern. Jahre
lang hat die Landesregierung die Deckelung der beruflichen Vollzeitschulen mit dem nicht vorhandenen Datenmaterial bei der Auswertung der Bewerberzahl verschleiert und verharmlost. Dem Drängen nach Abhilfe, das insbesondere durch meinen Kollegen Peter Wintruff immer wieder vehement vorgetragen wurde, kommt die Landesregierung nun nach. Die Gesetzesänderung in § 115 schafft dafür die notwendigen Voraussetzungen.
Aber noch funktioniert in den beruflichen Schulen der Anschluss an E-Stat nicht. Deshalb muss nach wie vor mit großem Aufwand ein Abgleich durchgeführt werden. Nun weiß die Schulverwaltung zwar quantitativ, ob neue Klassen und weitere Lehrerstunden benötigt werden. Dem einzelnen Schüler ist aber nicht geholfen, weil er nicht frühzeitig erfährt, ob und wo er nun eine Zusage erhält. Wir fordern Sie dringend auf, auch die Regelung für das Problem der Mehrfachbewerber zu optimieren und in E-Stat zu integrieren.
Zu der von den kommunalen Landesverbänden durch die Einführung von E-Stat erhofften Effizienzsteigerung und der damit verbundenen Verminderung des Personalaufwands muss darauf hingewiesen werden, dass die Schulsekretärinnen – ihnen obliegt ja meistens die Datenpflege – in Zukunft nicht weniger zu tun haben, sondern eher mehr.
Auch wenn sie in diesem Bereich entlastet werden, fällt durch die Einführung der autonomen Schule doch deutlich mehr Verwaltungsarbeit an. Die hierzu geäußerten Hoffnungen werden deshalb wohl Hoffnungen bleiben. Mit der Effizienzrendite haben wir an anderer Stelle schon unsere Erfahrungen gemacht.
Den Änderungen im Landesbesoldungsgesetz stimmen wir auch zu.
Insgesamt kann ich, wie zu Beginn, sagen, dass wir dem Gesetz als Ganzes zustimmen werden.
Danke schön.
Frau Präsidentin, meine sehr geehrten Kolleginnen und Kollegen! Aufgrund des Antrags meiner Fraktion zu den so genannten Brennpunkt-Hauptschulen beschäftigt sich dieses hohe Haus nach längerer Zeit wieder einmal mit der Hauptschule.
Ich erlaube mir, zur Hauptschule insgesamt zu sprechen, weil Sie zwischenzeitlich den viel positiveren Begriff „Schulen mit besonderer pädagogischer und sozialer Aufgabenstellung“ gefunden haben, der die problematische Situation dieser Schulart geschönt umreißt.
Im Grunde genommen trifft diese elegante Beschreibung mehr oder weniger auf alle Hauptschulen zu. Dies kann weder Ihnen noch dem Ministerium entgangen sein, wenn Sie den Pressespiegel des Landtags regelmäßig aufmerksam durchblättern. Es geht also – ohne „so genannt“ – nur um den Brennpunkt Hauptschule.
Bevor ich mich mit der Stellungnahme des Ministeriums auseinander setze, erlauben Sie mir an dieser Stelle, allen Lehrerinnen und Lehrern, also meinen Kolleginnen und Kollegen an der pädagogischen Front, die an so genannten Brennpunkt-Hauptschulen unterrichten und betreuen, aber auch an allen anderen Hauptschulen, meinen aufrichtigen Dank und eine gehörige Portion Respekt für ihr Wirken auszusprechen.
Sie sind es, die sich unter teilweise schwierigsten Bedingungen für die ihnen anvertrauten Kinder einsetzen und die sich trotz immerwährender Frustrationen und trotz Kränkungen durch die Gesellschaft immer wieder aufrappeln, um den guten Anlagen, die in jedem Menschen schlummern, zum Erfolg zu verhelfen.
Auf das Gehalt und die Ferien angesprochen, halten sich hartnäckig Vorurteile. Auf den Vorschlag, doch einmal zu tauschen, möchte aber besonders dann niemand eingehen, wenn man erzählt, dass man an einer Hauptschule unterrichtet. Deswegen gilt es diejenigen zu würdigen, die ihre aufopferungsvolle Aufgabe nicht als Job, sondern als Berufung begreifen. Ich gehe davon aus, dass Sie mir hier nicht widersprechen, auch nicht vonseiten der Regierungskoalition. Eigentlich dürften Sie dafür allesamt ruhig einmal Beifall klatschen.
Um von vornherein der einfachen Ausrede zu begegnen, wenn nur die Opposition die Hauptschule nicht schlechtreden würde, gäbe es die Ablehnung in der Gesellschaft nicht – nach einer Untersuchung schicken nur noch 6 % der Eltern ihre Kinder freiwillig und bewusst in die Hauptschule –, möchte ich Ihnen nachfolgend Fakten auflisten, die Sie nicht länger ignorieren können und die Sie dringend dazu veranlassen müssten, auch über Strukturveränderungen nachzudenken oder wenigstens offen nachdenken zu lassen, wenn Sie es selbst nicht können.
Obwohl es Hauptschulen unterschiedlichster Prägung gibt – ich gebe gern zu, dass städtische Hauptschulen anders sind als Hauptschulen auf dem Land –,
gilt der drohende Besuch einer Hauptschule bei fast allen Grundschuleltern als Stigma.
Es wird alles unternommen, um ja nicht in der Hauptschule zu landen: Nachhilfeunterricht, Gespräch mit dem Beratungslehrer, die gemeinsame Bildungsempfehlung oder noch die Aufnahmeprüfung.
Wenn dann alles nicht geholfen hat und das Kind nun wohl oder übel in der fünften Klasse ist, wird es unbewusst oder bewusst von den Eltern, von Verwandten und Bekannten, von Mitschülern und Nachbarn dafür bemitleidet, dass es jetzt die „Restschule“ besucht. Dabei wird dieses Wort ja nicht direkt benutzt,
aber wenn die Grundschullehrerin die Eltern zu trösten versucht und sagt, es sei ja noch nicht alles verloren, man könne die mittlere Reife ja später noch nachmachen,
dann sagt das doch schon alles aus. Die Hauptschule verliert an Wert. Die „Südwest Presse“ schrieb am 15. März dieses Jahres unter der großen Überschrift „Die Krise der Hauptschule“: Kaum Zukunft für das Sorgenkind.
Meine Damen und Herren, vor vier Jahren waren Sie hier noch der Meinung, es gebe keinen Bedarf und keine Mehrheit für die Ganztagsschule. So, wie Sie in dieser Frage hoffnungslos ins Hintertreffen geraten sind, so werden Sie es beim Thema Hauptschule wieder erleben. Das prophezeie ich Ihnen. Lassen Sie das starre Festklammern am dreigliedrigen Schulsystem. Ermöglichen Sie eine sechsjährige Grundschule und darauf aufbauend die vierjährige Regionalschule, in der die Schüler und Schülerinnen nach ihren Fähigkeiten
sowohl den Hauptschulabschluss als auch die mittlere Reife erwerben können.
In den neuen Bundesländern können Sie dies besichtigen. Wie wir erst vor kurzem in Thüringen gesehen haben, kommen immer mehr Schulen von der additiven Lösung ab, also der Trennung von Haupt- und Realschülern, und wenden sich den integrativen Formen zu. Lassen Sie doch wenigstens einmal Versuche zu und lehnen Sie dies nicht alles stur ab, wie vor kurzem unseren Antrag, gemeinsamen Unterricht an Verbundschulen zu ermöglichen. Über kurz oder lang werden Sie nicht mehr daran vorbeikommen. Ihr Juniorpartner in der Regierung zeigt sich da erfreulicherweise durchaus schon flexibler.
Von Herrn Röhm immer.
Also, das Wort hat der Abg. Käppeler. Vielen Dank.
Herr Röhm, ich komme nachher bei meinen Ausführungen genau auf das Thema noch einmal zu sprechen.
Alle Anstrengungen der Landesregierung haben nicht zum Stopp oder zur Trendumkehr geführt, im Gegenteil. Sie haben den Hauptschulen mit dem Reformkonzept IMPULSE einen guten Weg gezeigt. Sie haben mit LIPSA den Start in der Hauptschule verbessert,
um allerdings nach einigen Jahren die zusätzlich gewährten Stunden wieder zu kassieren. Mit diesen Programmen haben Sie freilich außerdem kaschiert, dass erfolgreiche Maßnahmen wie das erweiterte Bildungsangebot, wie Arbeitsgemeinschaften, wie Stütz- und Förderunterricht nur noch auf dem Papier oder in Ihren Antworten auf unsere Anfragen stehen. In Wirklichkeit gibt es diese seit längerem nicht mehr. Man ist froh, den Pflichtunterricht noch recht und schlecht abdecken zu können.
Eine Ausnahme bilden die so genannten Brennpunkt-Hauptschulen. Dort gibt es an Ganztagseinrichtungen – fast alle übrigens in Württemberg, deutlich weniger in Baden – zusätzliche Lehrerstunden, durchschnittlich 22 pro Schule. Dazu sage ich nur: Gut so! Aber was diesen Schulen recht ist, muss den anderen billig sein. Im Zusammenhang mit der Antragstellung zum IZBB-Programm fragen sich schon manche Schulen, warum sie nicht als Brennpunktschule eingestuft wurden. Denn sie haben erkannt, dass eine bessere Förderung der Schüler nur durch einerseits mehr Zuwendung und damit mehr Unterrichtsstunden und andererseits einen ganztägigen Unterricht mit Betreuung zu gewährleisten ist.
Auch wenn Sie dies statistisch nicht erfasst haben: Manches Hauptschulkollegium hat bei der Erarbeitung des pädagogischen Konzepts gerätselt, warum es an seiner Schule keine zusätzlichen Stunden gibt, wo doch auch die unterprivilegierten Schichten überwiegen, wo doch auch ein schwieriges soziales Umfeld zu verzeichnen ist, wo es doch auch eine hohe Jugendarbeitslosigkeit gibt, wo doch auch ein hoher Anteil an Ausländern oder Aussiedlern zu verzeichnen ist, wo doch auch viele allein erziehen oder wo es viele Schlüssel- und Straßenkinder gibt. Diese Kollegen würden sich gerne, wie es an Brennpunkt-Hauptschulen teilweise gelungen ist, auf den Weg machen, unterstützt auch durch Schulsozialarbeiter, die sich schwierigen Kindern annehmen können, die Abschlussschüler bei der Suche nach ei
nem Beruf begleiten. Aber die Mittel für Schulsozialarbeit haben Sie ja leider gekürzt.
Besonders betroffen davon sind vor allem Hauptschülerinnen und Hauptschüler, die es am schwersten haben.
Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen, vor kurzem hat der VBE mit einer Pressemitteilung ein weiteres Problem drastisch beleuchtet. Überschrift: „Hauptschule darf nicht mehr Auffangbecken für gescheiterte Realschüler und Gymnasiasten sein.“ Sie sprechen von Durchlässigkeit, die aber in Wahrheit nur von oben nach unten funktioniert.
Von zehn Schülern, die die Schulart wechseln, ist es gerade mal einer, der von der Hauptschule in die Realschule oder von der Realschule in das Gymnasium wechselt. Für neun dagegen bedeutet Durchlässigkeit Abstieg.
Ich zitiere weiter aus der Pressemitteilung des VBE vom 13. Mai 2005:
Ein wichtiger Grund, einen Bogen um diese Schulart zu machen, die einst wirklich einmal die „Haupt“Schule war, sei die Tatsache, dass sie zum Sammelbecken für Gutwillige und Schulunlustige, für verhinderte Gymnasiasten und gestrauchelte Schulabbrecher geworden sei …
Und weiter heißt es:
Das sukzessive Aussortieren und Abschieben …
… führe zu massiven Problemen im Unterricht der Hauptschule und schaffe vielerorts ein pädagogisches … Klima, das am Selbstbewusstsein aller Betroffenen zehre und ein leistungsorientiertes Arbeiten zunehmend unmöglich mache.
Aus eigener Anschauung kann ich diese Aussage nur bestätigen.
Herr Röhm, ich muss Ihnen leider, weil mir die Präsidentin das Wort entzieht, die Antwort auf Ihre Frage schuldig bleiben.
Frau Präsidentin, wenn ich die Frage beantworten darf, mache ich das gerne.
Ich darf?
Herr Röhm, an meiner Schule gibt es im nächsten Schuljahr noch 4 Hauptschüler. Vor 25 Jahren, als ich an dieser Schule angefangen habe, hatten wir noch zwei Jahrgangsparallelklassen. Jetzt sind es noch 4 Hauptschüler und 16 Realschüler. Wenn Sie in Ihrer Gemeinde nachfragen, dann merken Sie, dass es dort ähnlich aussieht. Wenn Sie in Hayingen – ebenfalls in unserer Nähe – nachfragen, erfahren Sie: Wir haben kaum mehr Hauptschüler, und wir werden ein Problem bekommen. Dieses Problem der kleinen Hauptschulen müssen Sie lösen. Ich frage mich, ob Sie es jetzt noch tun oder nach der Landtagswahl.
Wenn Sie heute den Hauptschullehrern zugestehen – die machen das gern, und die machen das gut –, dass sie die Klassen 5 und 6 gemeinsam unterrichten, dass sie die Klassen 7 und 8 gemeinsam unterrichten und in Zukunft vielleicht auch noch die Klasse 9 mit, also zwei Klassen für fünf Jahrgänge, dann schaffen die Lehrer es auch, Realschüler mit zu unterrichten. Wenn Sie die Realschüler nicht in die große Schule nach Münsingen schicken, sondern zum Beispiel bei Ihnen in Gomadingen behalten, dann haben Sie jeweils eine Klasse, und diese Klasse führen Sie sowohl zum Realschulabschluss als auch – die Schwächeren – zum Hauptschulabschluss. Ich weiß nicht, wo da das Problem liegen soll.
Herr Kollege Seimetz, habe ich Sie richtig verstanden? Sie haben mir gerade vorgeworfen, dass ich nicht zur Werkrealschule gesprochen hätte. Sie sprechen im Moment über die verlässliche Grundschule. Wann sagen Sie etwas zur Hauptschule?
Herr Präsident, meine sehr geehrten Kolleginnen und Kollegen! Erneut beraten wir einen Antrag meiner Fraktion aus dem Jahr 2003, der seit der Stellung
nahme des Finanzministeriums nichts an Aktualität und Brisanz verloren hat, im Gegenteil.
Lassen Sie mich mit einem Zitat unseres früheren Ministerpräsidenten Erwin Teufel aus der Plenardebatte vor knapp einem Jahr beginnen. Er sprach über die Verwaltungsreform und die Übertragung von Aufgaben an die Kommunen. Er sagte:
Wissen Sie, die Geschichte ist mir ja nicht neu. Wir haben über die Kosten diskutiert, als wir die Aufgabe der Schülerbeförderung auf die Kreise übertragen haben. Damals habe ich an diesem Pult gesagt: „Wir wollen keine Mark einsparen, sondern wir wollen, dass das bürgernäher erledigt wird.“ Deswegen haben wir das vom Land an die Kreise gegeben. Nun will ich Ihnen Folgendes sagen: Es gibt Kreise, die haben von der Übertragung der Zuständigkeit für die Schülerbeförderung so viel profitiert, dass sie damit ein neues Landratsamt bauen konnten.
An dieser Stelle verzeichnet das Protokoll: „Lachen der Abg. Beate Fauser FDP/DVP“.
Wenn Sie wollen, nenne ich Ihnen die Orte.
So weit das Zitat.
Wolfgang Drexler bekam übrigens keine Antwort auf seine Frage.
Ich sage, Landesregierung und Landräte sanieren ihre Haushalte auf Kosten der Familien und Schüler im ländlichen Raum.
Ich selbst kenne seit der vergangenen Kommunalwahl nun auch das Landratsamt in Reutlingen. Das ist bei Gott kein Neubau. Wissen Sie, was der Kreistag in Reutlingen am 16. März dieses Jahres mehrheitlich beschloss, weil niemand eine Erhöhung der Kreisumlage riskieren wollte? Die Erhöhung der Eigenanteile für die Schülerinnen und Schüler.
Unser Kreis war nicht allein. Landauf, landab blieb den Kreisräten auch im Zusammenhang mit dem Subventionsabbau – bekannt als Koch/Steinbrück-Papier – nichts anderes übrig, als die nicht gedeckten Schülerbeförderungskosten an die Eltern weiterzugeben. Der Alb-Donau-Kreis zum Beispiel hat in diesem Jahr eine Erhöhung um 6,50 € auf 28,50 € beschlossen.
Diese Situation wird sich in den kommenden Jahren noch verschärfen. Die schrittweise Kürzung der Ausgleichszahlungen beträgt in diesem Jahr 4 %, im nächsten Jahr 8 %, 2007 dann schon 12 %. Im Grunde handelt es sich um eine Verschlechterung der Chancengleichheit auf Bildung. Denn wer wird seit Jahren immer stärker zur Kasse gebeten? Die Eltern von Grundschülern, von Hauptschülern und von Förderschülern, wie auch die Stellungnahme zu unserem Antrag deutlich gemacht hat.
Was bleibt übrig vom Recht auf kostenfreien Besuch der Pflichtschule? Vor Jahren war genau für diese Gruppe die Schülerbeförderung noch kostenfrei. Heute werden die Eltern dieser Kinder kräftig geschröpft – ein weiterer Beweis dafür, dass Sie an der Sozialauslese unbeirrt und angesichts der PISA-Ergebnisse offensichtlich auch ohne jede Einsicht weiter festhalten.
Auch der Landeselternbeirat beobachtet die Entwicklung der Elternanteile an der Schülerbeförderung mit Sorge. Im vergangenen Jahr befürchtete der LEB eine weitere Erhöhungswelle nach der Kreistagswahl. Nun wissen wir: Die Befürchtungen haben sich bewahrheitet.
Inzwischen sagen Sie das auch offen, wie zum Beispiel beim CDU-Forum in Biberach – ich zitiere aus einem Artikel aus der „Schwäbischen Zeitung“ vom 13. Mai dieses Jahres –:
Die Bildungsbudgets werden nicht erhöht werden können. Hier müsse man auch an mögliches „Schlachten heiliger Kühe“ heran, wie die Lernmittelfreiheit und/ oder die kostenlose Schülerbeförderung.
So, wie Sie das über die Verlagerung der Zuständigkeit nach unten bei gleichzeitigem Einfrieren der Landeszuschüsse machen, erinnert mich das Vorgehen an den langsamen Tod durch Verdursten. Wie können Sie vom „Kinderland Baden-Württemberg“ sprechen, gleichzeitig aber diejenigen, die sich für Kinder entschieden haben, in unverhältnismäßig starkem Ausmaß zur Kasse bitten? Wie überzeugen Sie junge Leute zur Gründung von Familien, wenn diese in der Zeitung lesen, dass sie dann, wenn ihre Kinder in die Schule kommen, enorm hohe Schülerbeförderungskosten zu tragen haben, von anderen Kosten ganz zu schweigen?
Sie senden an Eltern und Schüler bildungsferner und damit meist auch sozial unterprivilegierter Schichten ein fatales Signal. Man kann und sollte von dieser Gruppe durchaus mehr individuelle Anstrengungen in Schule und Ausbildung einfordern, wozu nicht zuletzt auch die Bereitschaft gehören muss, lange Fahrzeiten in Kauf zu nehmen. Ihnen aber noch zusätzlich in die Tasche zu greifen ist nicht nur sozial ungerecht, sondern blockiert in bestimmten sozialen Milieus jede Einsicht in die Notwendigkeit einer guten Ausbildung zur Verbesserung der eigenen Lebensperspektive.
Einmal mehr benachteiligt ist der ländliche Raum. 95 % der Fahrgäste im ländlichen Raum sind Schüler und Azubis. Das heißt, dort wirken sich die Kürzungen überproportional aus. Die Eigenanteile der Eltern werden weiterhin deutlich ansteigen. Die Ausdünnung der Fahrpläne ist als Einsparungsmaßnahme untauglich.
Am Beispiel meiner zwei Söhne, die ein berufliches Gymnasium in Reutlingen besuchten, möchte ich Ihnen dies ver
deutlichen: Abfahrt morgens in meinem Heimatort Zwiefalten – also typisch ländlicher Raum – um 5:25 Uhr,
Rückkehr gegen 18 Uhr, bei längerem Unterricht gegen 20 Uhr.
Was ist zu tun? Das Land darf die Landkreise nicht im Regen stehen lassen.
Wir fordern die Landesregierung deshalb in unserem Änderungsantrag auf, eine Konzeption vorzulegen, mit der sich das Land an den Kostensteigerungen bei der Schülerbeförderung zur Hälfte beteiligt bzw. mit der die 1997 eingefrorenen Beiträge wieder dynamisiert werden.
Ich möchte Ihnen einige sehr konkrete Vorschläge machen, wie ein finanzieller Ausgleich geschaffen werden kann:
Entzerren Sie die Fahrgastspitzen durch einen späteren Schulbeginn! Dies wäre ohnehin lernpsychologisch vernünftiger.
Schaffen Sie die Zwangstickets für Studierende dort ab, wo sie im Vergleich zu den Schülermonatskarten unverschämt billig sind, wie zum Beispiel in Pforzheim, wo der Student 1,66 € zahlt, der Schüler aber 33 €.
Wohlgemerkt: Die Studierenden zahlen 1,66 € im Monat, nicht pro Fahrt.
Setzen Sie verstärkt auf Ganztagsschulen! Dann entfallen die zwei Fahrten über die Mittagszeit, die für die Schüler und Schülerinnen angeboten werden müssen, die Nachmittagsunterricht haben.
Nebenbei: Warum verlangen Sie keinen Nachweis von den Kommunen über die Verwendung der nicht unerheblichen Landeszuschüsse? Dann wäre schnell nachzuvollziehen, ob die Kreise mit dem Geld wirklich teure Neubauten von Landratsämtern bezahlt haben
oder damit den eigenen ÖPNV finanzieren.
Lassen Sie mich in diesem Zusammenhang auch noch etwas zu den Finanzbeziehungen zwischen Land und Kommunen sagen.
Unser bestehendes Beziehungsgeflecht mit Umlagen und Ausgleichstock, organisiert durch Städte und Gemeinden, Landkreise, Regierungspräsidien und Ministerien, funktioniert nicht mehr richtig. Ich beobachte prosperierende Kommunen, die sich jeden Fördertopf greifen können, weil es für sie kein Problem darstellt, die Kofinanzierung zu gewährleisten. Aber es gibt auch Städte und Gemeinden in strukturschwachen Regionen, wo genau dieses Geld für den Eigenanteil an den Förderprogrammen nicht mehr aufgebracht werden kann mit der Folge, dass Anträge schon gar nicht mehr gestellt werden oder erst nach mühseligem Diskussions- und Abwägungsprozess und dann unter Umständen zu spät.
Meine Damen und Herren von der Regierungsbank und von der Regierungskoalition, auch hier besteht Handlungsbedarf.
Danke schön.
Frau Präsidentin, meine sehr geehrten Kolleginnen und Kollegen! Heute beraten wir einen Antrag unserer Fraktion, der vermeintlich bereits am 4. Dezember 2003 beantwortet wurde. Ich benutze das Wort „vermeintlich“ ganz bewusst, denn wir machen mit dieser Landesregierung immer wieder die Erfahrung: Wo sie konkrete Fragen der Opposition nicht beantworten kann oder will, wo Versäumnisse, Missstände oder fehlende Konzepte bemän
telt werden sollen, werden Nebelkerzen geworfen oder vertagt man die Lösung der Probleme in die Zukunft und hofft wohl manchmal insgeheim darauf, dass die Opposition, die Medien oder, wie in der Bildungspolitik, Eltern, Lehrer und Schüler später schon nicht so genau hinschauen, was aus vielen der Ankündigungen geworden ist. Wir sprechen heute also keineswegs über einen alten Antrag, vielmehr messen wir die Realität an den baden-württembergischen Schulen an den Maßstäben dieser Regierung, wie sie nicht zuletzt in der Stellungnahme zu unserem Antrag definiert wurden. Diesen Zielvorgaben werden Sie nicht gerecht. Ich komme noch im Detail darauf zu sprechen.
Zunächst einmal: Über die Intention von „Schulverwaltung am Netz“ insgesamt möchte ich mich nicht kritisch äußern.
Im Kommunikationszeitalter ist es sinnvoll und geboten, dass Schulverwaltung und Schulen, aber auch Schulen untereinander und langfristig auch Lehrerinnen und Lehrer miteinander auf modernste Weise kommunizieren, das heißt E-Mails senden und empfangen sowie Daten austauschen können. Dies alles ist unbestritten.
Auch das zweite Ziel ist zu befürworten, nämlich die Einführung der digitalen Übermittlung schulstatistischer Daten ohne Medienbrüche zur zielgenauen Planung und Steuerung der Unterrichtsversorgung. Wir alle hoffen, dass, wenn E-Stat eines Tages richtig funktioniert – bisher tut es dies noch nicht, der von der Landesregierung angegebene Termin „Ende 2003“ ist längst überschritten –, gut geschulte Schulsekretärinnen und Schulleiter oder für die Datenerfassung abgestelltes Personal die Statistiken mit deutlich geringerem Zeitaufwand abgeben können.
Bei allen Veröffentlichungen zu SVN – Schulverwaltung am Netz – kann man lesen, wie wichtig die Sicherheit beim Datenaustausch genommen wird. Von gesichertem zentralem Internetzugang ist die Rede, der den Betrieb von Sicherheitstools ermöglicht und damit den notwendigen Schutz sensibler Daten im Verwaltungsbereich garantiert. Ein Jahr nach der Stellungnahme zu unserem Antrag – zu diesem Zeitpunkt steckte das Projekt noch immer in den Kinderschuhen – wurde bereits der Datenschutzbeauftragte des Landes aktiv. Zum Datenschutzbericht fragte die „Stuttgarter Zeitung“ süffisant, ob wir auf dem Weg zum gläsernen Schüler seien, und die „Schwäbische Zeitung“ titelte am 11. Dezember 2004: „Heikelste Daten auf dem Präsentierteller“. Unter der Zwischenüberschrift „Peinlichkeiten – Schülerdateien in der Kritik“ heißt es da – ich zitiere –:
Etwa 1 000 Seiten umfasst das Konzept des Kultusministeriums für eine zentrale und personenbezogene Schülerdatei. Warum sich das Kultusministerium zum Herrn der Daten aufschwingen wolle, war für Zimmermann nicht nachvollziehbar. Der umfangreiche Datenkatalog für Schüler – selbst Telefonnummern mancher Eleven sollten gespeichert werden – gehe weit über den Kreis der bisher für die Schulstatistik verwendeten Daten hinaus. Da könne man nur spekulieren, ob das Kultusministerium die Schulen wieder mehr an die Kandare nehmen wolle, hieß es.
Der gesicherte Internetzugang schützt uns somit leider nicht vor der Landesregierung.
Zwischenzeitlich konnte ich einer Präsentation zur „Schulverwaltung am Netz“ entnehmen, dass auf die zentral gespeicherten Schülerdaten nur die jeweilige Schule zugreifen darf. Das ist zu begrüßen, und das ist die logische Konsequenz der harschen Kritik von Fachleuten. Ich würde aber keine Wette dazu eingehen, ob das dann tatsächlich auch so funktioniert oder ob sich die Kultusverwaltung, für welche Zwecke auch immer, ein Guckloch offen hält.
Zur Datenerhebung über Unterrichtsversorgung und Unterrichtsausfall, der eigentlichen Intention unseres Antrags, erhielten wir mit der Stellungnahme vom 4. Dezember 2003 folgende Auskunft – ich zitiere –:
Mit dem schulischen Berichtswesen „E-Stat“, das mit „Schulverwaltung am Netz“ (SVN) eingeführt wird, stehen nach jetzigem Zeitplan ab dem kommenden Schuljahr alle Informationen zur Unterrichtsversorgung zur Verfügung. Deshalb kann auf Stichprobenerhebungen verzichtet werden.
Genau diese Stichprobenerhebungen hatte die SPD in ihrem Antrag gefordert, analog zu den Jahren 2000 bis 2002. Unter dem „kommenden Schuljahr“ war in der Stellungnahme wohl das Schuljahr 2004/2005 gemeint. Nun erfuhr ich durch einen Anruf beim Helpdesk des Kultusministeriums am 18. Mai dieses Jahres, dass das Projekt bzw. die Technik nebst allen Applikationen inzwischen voll funktionsfähig sei und dass die E-Stat-Datenerhebung zwar laufe, jedoch noch nicht flächendeckend.
Erlauben Sie mir einen kurzen Ausblick in die Zukunft: Auch zu Beginn des kommenden Schuljahres 2005/2006 wird es also noch keine flächendeckende elektronische Datenerhebung geben, die uns Auskunft über die tatsächliche Unterrichtsversorgung und über den Unterrichtsausfall gibt. Sie wollten uns darüber schlicht keine Auskunft geben, und deswegen sage ich hier in aller Deutlichkeit: Sie haben uns bei der Wahrnehmung eines zentralen Rechts des Parlaments, des Rechts auf Information über die Handlungen der Regierung, hintergangen.
Warum Sie das tun, liegt klar auf der Hand. Die E-Stat-Daten werden belegen, dass es mit der flächendeckenden und ausreichenden Unterrichtsversorgung nicht weit her ist. Diese Erkenntnis werden Sie den Betroffenen kaum vorenthalten können. Nur sollen es die Menschen erst nach der Landtagswahl im März nächsten Jahres erfahren.
Zwischenzeitlich erzählen Sie dem Parlament, man könne auf Stichprobenerhebungen verzichten, weil ja die Daten bald komplett verfügbar seien, und wahrscheinlich werden Sie uns heute – neun Monate vor der Wahl – mitteilen, das Projekt habe Anlaufschwierigkeiten, sodass jetzt leider überhaupt keine Daten zur Verfügung stünden. Eine solche Argumentation entspräche nachweislich nicht den Tatsa
chen und wäre zudem intellektuell unredlich. Denn selbstverständlich können Schwierigkeiten bei der Schnittstelle zur Schulverwaltungssoftware eintreten und wird es bei der Einführung einer neuen Technologie und der durch sie bedingten Reorganisationsmaßnahmen immer auch zu Verzögerungen kommen. Aber genau deshalb wäre es gerade Ihre Pflicht gewesen, die von uns geforderten Stichprobenerhebungen parallel durchzuführen.
Ob es nun zu der von Ihnen angekündigten flächendeckenden Auswertung der Unterrichtssituation und des Unterrichtsausfalls an öffentlichen Schulen bei Bedarf kommt, steht in den Sternen. Zu Beginn des Projekts erweckten Sie den Eindruck, durch E-Stat würde mit einem Mausklick eine Übersicht über die aktuelle Situation an allen Schulen im Land abgerufen werden können, sodass Arbeitskraft pädagogisch und unterrichtlich sinnvoller genutzt werden könnte als für das Zusammentragen von Daten zur Beantwortung von Landtagsanfragen der Opposition, weil diese dann sowieso in kürzester Zeit beantwortet werden könnten.
Wir möchten – und darauf bestehen wir – in Zukunft nicht nur den Istzustand für den Tag der Abgabe der Statistik irgendwann im Herbst erfahren, sondern wir möchten die neue Technik auch für uns als Opposition genutzt wissen, um stichprobenartig über Umfang und Ausmaß von Unterrichtsausfall informiert zu werden. Vielleicht passen dann die Klagen von Eltern, Lehrern und Schulleitern genauer mit den uns von Ihnen vorgelegten Zahlen zusammen.
Ich sagte es bereits: Wir sind überzeugt, dass, wenn wir das Ist der tatsächlich erteilten Stunden vom Soll abziehen, die Zahl der nicht gehaltenen Stunden deutlich zutage tritt. Dann wird das strukturelle Defizit an den Berufsschulen deutlich. Dann sehen wir, dass an den Sonderschulen eine Verschlechterung der Unterrichtsversorgung eingetreten ist. Dann erfahren wir, dass an Hauptschulen kaum noch Arbeitsgemeinschaften, erweitertes Bildungsangebot sowie Stütz- und Fördermaßnahmen angeboten werden, und dann werden wir amtlich bzw. digital mitgeteilt bekommen, dass sich die Schüler/Lehrer-Relation in den letzten Jahren trotz der zusätzlichen Neueinstellungen und trotz der Deputatserhöhung im gymnasialen Bereich verschlechtert hat. Vielleicht nutzt das Ganze dann auch der Argumentationskunst der Kultusministerin gegenüber dem Finanzminister, damit bei rückläufigen Schülerzahlen nicht heute schon von Einsparungen und Personalabbau gesprochen werden muss, sondern der Grad der Unterrichtsversorgung wieder erreicht werden kann, den wir schon einmal hatten.
Übrigens: Der Rechnungshof hat Ihr Projekt „Schulverwaltung am Netz“ schon Mitte Juli 2003 in der Denkschrift 2003 kritisiert. Ich zitiere wörtlich:
Der Rechnungshof hat das Kultusministerium darauf hingewiesen, dass das Projekt erheblich teurer werde als geplant und seine Umsetzung zu lange dauere.
In Nordrhein-Westfalen jammerte die CDU im Landtagswahlkampf über den offenbar zu hohen Unterrichtsausfall. In Baden-Württemberg wird dies Eltern und Schulleitungen, dem Parlament und der Öffentlichkeit nicht einmal mitgeteilt; das alles mit der Begründung, das Projekt „Schulverwaltung am Netz“ sei im Entstehen. Dabei zögern Sie den
Start dieses Projektes so lange hinaus, bis die Landtagswahl in Baden-Württemberg vorbei ist. Ein Schelm, wer Böses dabei denkt.
Frau Präsidentin, ich bin beim letzten Satz.
Deshalb unsere Forderung an Sie, in Bezug auf Unterrichtsausfall sofort eine Stichprobe zu veranlassen und uns nicht länger zu verheimlichen, wie hoch bei uns im Land der Unterrichtsausfall tatsächlich ist.
Danke schön.
Sehr geehrter Herr Präsident, meine lieben Kolleginnen und Kollegen! Viel versprechende Ergebnisse gleich mehrerer Studien wurden uns für diesen Sommer versprochen: die Nutzungsmöglichkeiten im Tourismus, die naturschutzfachliche Konzeption für die vorgesehene Natura 2000 sowie ein Rechtsgutachten, das insbesondere die Verkehrssicherungspflicht klären soll, wenn der Truppenübungsplatz verlassen wird. Da sage ich nur: Die Tage werden bereits wieder kürzer, und der Sommer ist schneller vorüber, als uns allen lieb ist.
Neben der raschen Novellierung des Landesnaturschutzgesetzes sind alsbaldige Übernahmeverhandlungen zwischen der Bundesrepublik Deutschland und dem Land BadenWürttemberg zwingend erforderlich, selbst wenn ein negativer Verkaufswert entsteht, oder es wird eine sonstige Trägerkonstellation noch vor dem Abzug der Bundeswehr gebildet – also Mitte/Ende kommenden Jahres –, die einen rechtsfreien Raum verhindert und die Strukturen schafft, durch die unerwünschte Nutzer fern gehalten werden.
Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen, gestatten Sie mir, einige wichtige Anliegen der Region anzusprechen, die nicht im Widerspruch zu unserem großen Anliegen eines Entwicklungsnationalparks stehen, die ich aber ein bisschen anders bewerte als mein Kollege Röhm.
Zum einen geht es um den Ausbau der L 230. Damit soll der Wirtschaftsstandort Münsingen gestärkt und der Kaufkraftverlust, der auf bis zu 40 Millionen € beziffert wird, ausgeglichen werden. Regierungspräsident Wicker wird folgendermaßen zitiert:
Der Autobahnzubringer von Münsingen zur A 8 wird zügig ausgebaut. Die Ortsumfahrung Auingen soll im Jahre 2005 begonnen werden.
Weitere Ortsumfahrungen sollen so bald wie möglich folgen. So bald wie möglich – jetzt kommt’s! – bedeutet beim jetzigen Zeithorizont, dass die Umfahrung Magolsheim 2007 begonnen werden kann. Über die Problematik Böttingen redet der Regierungspräsident lieber nicht.
Die geplante und einzig zu realisierende Trasse am Rande des Übungsplatzes liegt übrigens im Vogelschutzgebiet.
Diese Trasse, aber auch eine wie auch immer geführte Verbindung nach Römerstein im Norden auf bereits bestehenden Straßen liegt im wirtschaftlichen Interesse der Region. Wenn 6 300 Hektar Fläche, 7 % der Gesamtfläche des Kreises Reutlingen, in der Nachmeldeliste der FFH-Gebiete ausgewiesen werden können, muss es auch möglich sein, Münsingen verkehrstechnisch besser zu erschließen, zumal es als eines der wenigen Mittelzentren in Baden-Württemberg nicht an einer Entwicklungsachse liegt.
Genau.
Lassen Sie mich auf einen weiteren Gesichtspunkt eingehen, der vom Regierungspräsidenten viel positiver dargestellt wird, als es die reine Aktenlage ausweist.
Als erfreulich wertete er es auch, dass für das „Alte Lager“ Nutzungsinteressenten gefunden werden konnten; das Regierungspräsidium entwickle ein Gesamtkonzept für die Zukunft des „Alten Lagers“. Nach meinen Informationen gibt es außer der Absicht mehrerer Universitäten und Fachhochschulen, in zehn bis zwölf Gebäuden ein Lehr- und Forschungszentrum Münsingen einzurichten, kein nennenswertes konkretes Interesse an der Nutzung des weitläufigen Areals. Wir sprechen von 140 Gebäuden; 120 davon stehen unter Denkmalschutz. Und wie heißt es in der Stellungnahme zu dem Antrag der grünen Kollegen?
Allerdings bestehen angesichts der extremen Finanzknappheit aus heutiger Sicht keine Spielräume für die Bereitstellung von Haushaltsmitteln für das geplante Lehr- und Forschungszentrum.
Ich appelliere an Land und Bund gleichermaßen. Eine Konversion zum Nulltarif gibt es nicht.
Meine Damen und Herren, damit der Truppenübungsplatz in seiner Einmaligkeit erhalten werden kann, muss extensive Landwirtschaft – wie schon bisher – auf vier Fünftel der Fläche weiter betrieben werden. Darüber hinaus sind mindestens zehn Personen erforderlich, die die Landschaft offen halten, zusätzlich einige Ranger, die für Ordnung und geregelte Abläufe auf dem Platz sorgen, und natürlich muss auch der Wald bewirtschaftet werden. Nehmen Sie noch einige Tourismusplaner hinzu; dann haben Sie 20 Beschäftigte. Die brauchen Sie, wenn Sie die FFH-Richtlinie erfüllen wollen bzw. müssen, die da heißt: allgemeines Verschlechterungsverbot, um für Arten und Lebensraumtypen einen günstigen Erhaltungszustand zu sichern.
Bisher schon testen Nutzfahrzeughersteller auf dem Übungsplatz ihre Neuentwicklungen; Herr Röhm ist darauf eingegangen. Das kann auch künftig geschehen; denn gerade an einigen Stellen verdichteter Boden hat bewirkt, dass im angesammelten Regenwasser seltene Tierarten einen Lebensraum gefunden haben. Was ich zuerst für einen Scherz hielt: Vielleicht muss ein Schützenpanzer zu einem „Pflegepanzer“ umfunktioniert werden, damit dieser Effekt von verdichteten Flächen weiterhin bestehen bleibt.
Ja, genau.
Das Gelände, dessen Einmaligkeit vielfach beschworen wurde, ist kein Paradies, sondern eine von Menschen und Maschinen geformte Landschaft. Ich hoffe, dass wir bald ein Konzept zu Gesicht bekommen, damit diese Landschaft erhalten werden kann, ein Konzept, das auch mit einer Vereinbarung von Bund und Land sowie finanziellen Zusagen unterfüttert ist. Der Region nützt es nichts, dass sich Bund und Land gegenseitig die Verantwortung zuweisen. Andernfalls bleibt es bei den schönen Worten in der Pressemitteilung von Herrn Regierungspräsident Wicker, aus der ich einige Sätze zitiert habe: „wortreiche Absichtserklärungen“.
Noch sehe ich kein Gesamtkonzept. Ich bin darauf gespannt, noch mehr aber auf dessen Umsetzung.
Vielen Dank.
Herr Präsident, meine sehr geehrten Kolleginnen und Kollegen! Nicht erst seit dem Antrag der
Fraktion der Grünen wissen wir: Deutschlands dicke Kinder brauchen unsere Hilfe.
„Immer mehr Kinder verfetten“, „Kinder und Jugendliche entwickeln sich zu moppeligen Müßiggängern“ oder „Deutschland steht vor dem Fettdesaster“ – solche und ähnliche Schlagzeilen können wir regelmäßig lesen. Uns drohen amerikanische Verhältnisse.
Dabei soll nicht unerwähnt bleiben, dass es in den Schulen nicht nur zu viele übergewichtige Kinder gibt, sondern auch Kinder, die viel zu dünn sind.
Vor allem Mädchen fühlen sich oft gezwungen, ganz im Sinne des Jugendlichkeitswahns unserer Gesellschaft einem durch die Medien geprägten Ideal und Schönheitsbild zu entsprechen.
Alle Maßnahmen, die dieser Entwicklung entgegenwirken, die aufklären und letztlich zu Verhaltensänderungen bei den Betroffenen führen, sind zu begrüßen. Die von der rot-grünen Bundesregierung in Zusammenarbeit mit der Lebensmittelwirtschaft und den Sportverbänden errichtete Plattform „Ernährung und Bewegung“ muss alle Initiativen und Projekte miteinander verzahnen, die Ernährungsaufklärung, vermehrte Bewegung und sportliche Aktivitäten zum Ziel haben.
Bedenklich stimmt mich, dass besonders Kinder aus sozial schwächeren Schichten betroffen sind. In sozialen Brennpunkten liegt der Anteil übergewichtiger Kinder bei über 40 %. Da wir wissen, dass daraus langfristig enorme Gesundheitskosten entstehen, die die Volkswirtschaft belasten, sollten gerade dort die Anstrengungen verstärkt werden, Kinder, Jugendliche und deren Eltern zu bewussterem Umgang mit ihren Körpern anzuleiten.
„Die Verantwortung für eine angemessene Ernährung ihrer Kinder ist Aufgabe der Eltern“, heißt es in der Antwort der Landesregierung auf die Frage, ob nicht Schulen zunehmend Verantwortung für ein vollwertiges Verpflegungsangebot übernehmen müssten. Mit dieser Einstellung macht es sich das Land zu leicht und hält die bedauerliche Entwicklung nicht auf.
Ich möchte die Eltern nicht aus der Verantwortung entlassen. Oft genug sind sie sich dieser auch bewusst. Aber es häufen sich Fälle, bei denen Lehrerinnen und Lehrer, die sich im Elterngespräch vorsichtig der Problematik des immer dicker werdenden Kindes nähern, zur Antwort erhalten: Das ist unsere Privatangelegenheit, und das geht Sie gar nichts an.
Wir können natürlich weiter zusehen, wie Kinder als Frühstücksersatz schon morgens um 7 Uhr an der Flasche Cola hängen, den Hunger in der großen Pause mit fetten Pizzaschnitten stillen und sich in der Mittagspause mit Süßigkeiten vollstopfen. Oder aber wir fördern Schulen, deren pädagogische Konzepte Ernährungserziehung und Bewegung als zentrale Elemente enthalten. Die Ganztagsschule bietet dazu gute Möglichkeiten. Nicht umsonst werden Einrichtungen gefördert, die diesen Zielen dienen.
Herr Wieser, wenn Sie eine Zwischenfrage stellen wollen, dann stellen Sie sich doch bitte ans Mikrofon.
Vielleicht erlaubt es der Herr Präsident.
Herr Wieser, ich habe gesagt, dass die Ganztagsschule gute Möglichkeiten bietet, dem entgegenzuwirken,
wenn zum Beispiel eine Kücheneinrichtung oder Sportgeräte bezahlt werden. Dass die Genehmigung einer Ganztagsschule am Angebot eines Mittagstisches hängt, ist in diesem Zusammenhang nur folgerichtig und ist eine Antwort auf den Wandel in Familienstrukturen und auf veränderte Haushaltsformen.
Wenn der größte Caterer in den USA mit dem Namen Subway innerhalb eines Jahres einen Zuwachs von 82 % bei Sandwiches und Snacks verzeichnet, dann wird uns aufgezeigt, wohin auch bei uns die Ernährungsreise verstärkt geht: Fast Food statt geschmackvolle Zubereitung von Lebensmitteln.
Ernährungs- und Bewegungserziehung sollte aber nicht erst in der Schule beginnen, sondern schon im Kindergarten. Erzieherinnen bemühen sich beispielsweise, ihren Kindern Inhalt und Bedeutung eines gesunden Vespers zu vermitteln. Spätestens bei dem Versuch, ein ausreichendes Bewegungsangebot zu gewährleisten, stoßen sie an ihre Grenzen. Wenn bei einem Teil der 28 Kinder noch Schuhe gebunden oder Windeln gewechselt werden müssen, kann man sich leicht ausmalen, wie viel Zeit für sportliche Anleitung übrig bleibt.
Ich wollte noch etwas zur Landesinitiative BeKi sagen; Frau Brunnemer hat das bereits getan. Ich möchte das unterstützen, aber meine Redezeit geht zu Ende.
Zum Schluss noch Folgendes: Langfristige Verhaltensveränderungen werden entweder durch das Vorbild der Eltern oder – wo dies nicht vorhanden ist – durch praktischen Unterricht erzielt. Wenn nun in den Lehrerkollegien die praktische Ausrichtung entweder mangels einer Küche – zum Beispiel in den Gymnasien – oder deshalb, weil es immer weniger ausgebildete HTW-Lehrerinnen und -Lehrer gibt, nur noch bedingt durchgeführt werden kann, braucht man nicht zu erwarten, dass die nächste Generation von Müttern und Vätern weiß, dass „normale“ Lebensmittel nicht nur besser, sondern auch wesentlich preiswerter sind als die so genannten Convenience-Produkte, also Fast Food und Fertiggerichte.
Es nützt auch nichts, wenn die Bildungsstandards in wohlfeilen Worten und mit dem Verweis auf Querverbindungen die Möglichkeiten eröffnen, tolle, fächerübergreifende Einheiten und Projekte im Zusammenhang mit Ernährung durchzuführen, die Kontingentstundentafel aber zu wenig Stunden für ergänzende Angebote bereitstellt und der schwarze Peter dann in der Lehrerkonferenz hin- und hergeschoben werden muss nach dem Motto: Was ist uns wichtiger: bewegungsfreundliche Schule, Tastaturschulung, „guter Start in die Hauptschule“, Klassenlehrerstunde, Moderation usw. usw.?
Fazit: Das Land hat sich bemüht, die Problematik im Zusammenhang mit Ernährung und Bewegung aufzugreifen. Aber wir alle wissen, was „hat sich bemüht“ in einer Personalbeurteilung bedeutet: Es reicht nicht aus; die Anstrengungen müssen verstärkt werden.
Danke schön.
Herr Kollege Kiefl, kennen Sie die Überschriften aus dem „Pressespiegel“ des Landtags, die da heißen: „Strukturpolitik – Offensive für den ländlichen Raum in Baden-Württemberg“ und – ganz groß – „SPD und Kirchen ziehen an einem Strang“ im „Reutlinger Generalanzeiger“ vom 16. Januar 2004 oder in der „Stuttgarter Zeitung“ – auch vom 16. Januar –: „SPD bemüht sich um Landbewohner“? Kennen Sie diese beiden Artikel?
Herr Hoffmann, ist es richtig, dass in der Schweiz ein Familienvater mit drei Kindern, der 5 000 Schweizer Franken verdient,
1 000 Schweizer Franken allein in die Krankenversicherung zahlt?
Frau Präsidentin, meine sehr geehrten Kolleginnen und Kollegen! Nach meiner letzten Rede hier warf mir der Herr Staatssekretär unter dem Gelächter seiner Fraktionskollegen vor, die SPD sei fern jeder Praxis. Ich möchte deswegen feststellen: Mein Kollege Norbert Zeller und ich sind vermutlich die Einzigen hier, die an einer Hauptschule in der Praxis stehen –
ich übrigens seit exakt 25 Jahren. Was die Praxis betrifft, unterscheidet mich dies vom Staatssekretär und auch von der Ministerin deutlich. Wenn wir also heute über die Hauptschule reden, dann nehmen Sie zur Kenntnis: Wir kennen die Situation der Hauptschule aus eigener Erfahrung.
Noch eine Vorbemerkung: Ich bin gerne Hauptschullehrer geworden und bin es auch heute noch gerne, weil es mir um die Kinder geht, die wegen ihrer Lernschwäche Nachteile in der Gesellschaft erfahren. Immer habe ich mich für die Anerkennung, für die Aufwertung der Hauptschule und für eine Gleichwertigkeit der Schularten eingesetzt – ganz konkret auch an meiner Schule, wo Grundschüler, Hauptschüler und Realschüler unter e i n e r Leitung, unter e i n e m Dach von einem gemeinsamen Kollegium unterrichtet werden.
Meine Damen und Herren, in der letzten Woche teilte das Statistische Landesamt mit: Das Gymnasium ist erste Wahl bei Übergängen auf weiterführende Schulen. 34,5 % der Schüler wechselten an ein Gymnasium, 33,2 % an die Hauptschule und 30,8 % an die Realschule. Das Gymnasium baute den knappen Vorsprung aus. Vor fünf Jahren lag noch die Hauptschule mit 35,5 % vorn.
Diese Zahlen sprechen eine klare Sprache, wobei ich die regionalen Unterschiede nicht verkenne. In ländlich geprägten Kreisen hat die Hauptschule eine höhere Akzeptanz als in städtisch geprägten, wohl auch wegen der Wohnortnähe und oft fehlender schulischer Alternativangebote. Besonders deutlich wird dies zum Beispiel in der Region NeckarAlb im Vergleich zur Stadt Tübingen und den Landgemeinden im Zollernalbkreis.
Warum wollen immer weniger Eltern ihre Kinder in die Hauptschule schicken? Für viele Kinder beginnt das Drama, eventuell auf die Hauptschule zu müssen, bereits in der Grundschule. Wenn mir Kollegen aus der Grundschule erzählen, dass Eltern bereits in der zweiten Klasse anrufen
und die bange Frage äußern, ob es ihr Kind wenigstens in die Realschule schafft, dann wissen wir, um was es geht. In den Klassen 3 und 4 erhöht sich der Selektionsdruck auf das Kind von allen Seiten. Die Eltern wollen nur das Beste. Die Klassenkameraden mit guten Noten sind mit ihren Äußerungen nicht zimperlich – Stichwort Gruppendruck. Die Grundschullehrerin erfährt den Druck aus Elternhaus und Kollegium und gibt ihn mitunter weiter – sicher oft unbewusst –, um eine möglichst gute Übergangsquote zu erzielen, wobei niemand die Hauptschule meint.
Hier ein Schlüsselerlebnis: Neulich hielt ich eine Vertretungsstunde in Klasse 4. Auf meine Frage „Wer von euch geht nächstes Jahr ins Gymnasium?“ meldete sich etwa die Hälfte der Schülerinnen und Schüler. „Wer wechselt in die Realschule?“ Daraufhin streckte wieder etwa die Hälfte. „Und wer kommt zu mir in die Hauptschule?“ Erst meldete sich niemand; dann streckten zwei Schüler ganz zögerlich die Hand. Wie es um deren Selbstbewusstsein bestellt war und wie unglücklich sie sich fühlten, konnte ich unschwer an ihren Gesichtern ablesen. Auf mein ungläubiges Staunen hin streckte eine Schülerin, die sich zuvor bei der Realschule gemeldet hatte, und sagte: „Wissen Sie, mein Papa hat gesagt, Hauptschule kommt für uns nicht infrage.“
So ist es.
Wer die Hauptschule besucht, gilt vielfach als Versager bei seinen Eltern, den Klassenkameraden, der Verwandtschaft, der Nachbarschaft. Wer keine Empfehlung für das Gymnasium oder nicht wenigstens eine Realschulempfehlung nach Hause bringt, hat das Ziel der Grundschule verfehlt. Wenn eine Mutter zur anderen sagt – ich habe diese und ähnliche Äußerungen häufig genug gehört –: „Mein Kind geht bloß in die Hauptschule“, dann spricht das doch Bände. Dann drückt das das ganze Dilemma aus, in dem sich die Hauptschule befindet. In der Übersetzung heißt dies: Mein Kind sollte einen höherwertigen Abschluss erhalten, weil damit auch Karrierechancen verbunden sind. Es soll sich nicht in die Gruppe der Schwächsten einreihen, nicht in der sozialen Unterschicht verkehren.
In der Hauptschule versammeln sich dann viele Frustrierte, froh, die Grundschule hinter sich gelassen zu haben. Die Lehrkräfte sorgen für einen guten Start. Erste Erfolgserlebnisse stellen sich ein. Diese werden verstärkt durch ordentliche bis gute Noten.
Aber schon wieder kommt eine entscheidende Frage: Reicht es jetzt für einen Wechsel in die Realschule? Manchmal gelingt dieser. Das ist gut, Ziel erreicht. Was aber ist mit den anderen? Wieder ein Kratzer in der Kinderseele, wieder ein Versagen. Mit Engagement und Geduld versuchen die Lehrkräfte, ihre Schüler zu motivieren, wenngleich sich Frustrationen häufig genug in Lernunwillen und störendes Verhalten umwandeln nach dem Motto: „Ich kann es doch eh nicht.“
Wer allerdings glaubt, die Selektion hätte in der fünften Klasse ein Ende, der irrt. Ich spreche hier nicht über die Hänseleien, die Ausgrenzung von Hauptschülern, sondern ich spreche über weitere Auswirkungen unseres Schulsystems. Nein, Ende der siebten Klasse selektieren wir wieder:
Wer schafft es in den Zusatzunterricht, wer muss in den Förderunterricht? Zusatzunterricht als Voraussetzung für das 10. Schuljahr und, wenn wir ehrlich sind, auch für den Besuch der zweijährigen Berufsfachschule, die zur mittleren Reife führt.
Und schon wieder haben wir einen Rest gebildet: Den Förderunterricht brauche ich zur psychologischen Betreuung der ganz Schwachen, denen nun schon zum wiederholten Male durch unser System deutlich gemacht wurde, dass sie nichts können und nichts wert sind. Den Praxiszug für diese Schülergruppe allein betrachte ich als Verlegenheitslösung, weil man nicht mehr weiß, was man mit dieser Restgruppe anfangen soll. Praxiserfahrungen sind für alle Schüler wichtig.
Eltern und Kinder wenden sich immer mehr von der Hauptschule ab. An der Hauptschule herrscht Fachlehrermangel – kein Wunder, wenn man sich die aktuellen Studierendenzahlen anschaut. Von 2 100 Studienanfängern wählen gerade einmal 300 den Stufenschwerpunkt Hauptschule. Die Studierenden sind also ein Spiegelbild der Gesellschaft. Kaschiert wird die Problematik dadurch, dass das Lehramt ja für Grund- und Hauptschulen ist und damit die Lehrer universell einsetzbar sind.
Ich möchte hier nicht den Unterrichtsausfall thematisieren, nicht die Feststellung, die Ankündigung der Ministerin zu Beginn des Schuljahres entspreche nicht der Realität vor Ort. Nein, Grund- und Hauptschulen haben ein zusätzliches Problem: Hauptschullehrer werden oft in der Grundschule eingesetzt, damit diese verlässlich erscheint, auch wenn Pflichtunterricht in der Hauptschule ausfällt.
Zurück zur Großen Anfrage der SPD. Was ist aus dem EBA geworden, dem erweiterten Bildungsangebot, einst gefeiert als besonderes Profil der Hauptschule? Antwort: Es existiert mangels Lehrerstunden nicht mehr. LIPSA gibt es noch, aber zusätzliche Stunden dafür wird es in Zukunft auch nicht mehr geben. Die Lehrerinnen und Lehrer machen das dann im Rahmen der Kontingentstundentafel. Hinsichtlich Arbeitsgemeinschaften, in denen Schüler ohne Notendruck ihren Interessen nachgehen konnten, herrscht überwiegend Fehlanzeige. Wie sieht es mit Förder- und Stützunterricht aus, wie mit der Förderung ausländischer Jugendlicher? Massiv zusammengestrichen. Der Pflichtunterricht kann gewährleistet werden, heißt es. Fazit: Vom Profil der Hauptschule bleibt nicht mehr viel übrig, obwohl sich gerade diese Schulart aus der Not heraus innovativ zeigt, sofern man sie gewähren lässt.
Wir haben vorgestern der Öffentlichkeit unsere Konzeption präsentiert. Unser Motto lautet: Besser früh investieren als später reparieren. Wenn nahezu jeder fünfte 15-Jährige in Baden-Württemberg nicht oder nur unzureichend lesen kann, dürfen wir die Systemfrage nicht ausklammern. Das sagte auch Andreas Schleicher, PISA-Koordinator der OECD, in der „Zeit“ am 5. Dezember. Wir dürfen die Systemfrage deswegen nicht ausklammern, weil PISA ein niederschmetterndes Ergebnis für Hauptschulen bedeutet. Wie hoch mag wohl der Anteil der 15-Jährigen sein, die Gelesenes nicht verstehen, wenn die Hauptschule alleine ausgewertet werden würde? Wir brauchen deswegen eine Stär
kung der Elementarbildung und der Grundschule mit einer verbindlichen Sprachstandsdiagnose für alle Kinder.
Wir brauchen längere gemeinsame Lernzeiten in der Grundschule, genauer gesagt die sechsjährige Grundschule, in der es kein Sitzenbleiben gibt und in der schwache Kinder individuell gefördert werden können.
Davon sollten mindestens 20 % Ganztagsschulen werden. Wir wollen in Regionalschulen mit einem jeweils eigenen, neuen pädagogischen Profil unter einem Dach Haupt- und Realschulabschluss ermöglichen. In dieser Schule muss Lernen anders organisiert werden als im herkömmlichen Sinne. Zum Beispiel sollen Projekte oder selbstständiges Lernen im Vordergrund stehen. Die Regionalschule dient übrigens der Sicherung von wohnortnahen Schulstandorten auch bei zurückgehenden Schülerzahlen, auch in ländlichen Gebieten. Der Prüfauftrag, Klassen zusammenzulegen oder Standorte zu schließen, stammt nicht von der SPD, sondern von der Kultusministerin.
Wir wollen eine weiter gehende Autonomie für die Schulen im Rahmen der Gesetze, bei der Schulträger, Eltern und Schule selbst das Profil bestimmen können. Dazu braucht es motivierte Lehrer. Diese bekommt man nicht mit drohenden Deputatserhöhungen und dem Aufbürden von immer mehr und neuen Aufgaben.
Gerne, Herr Kollege Röhm.