Wolfgang Drexler
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Vielen Dank. – Frau Landtags präsidentin, liebe Kolleginnen und Kollegen! Es fällt mir heu te natürlich schwer, nach 30 Jahren aus dem Landtag auszu scheiden. Ich bin vorhin gefragt worden, warum ich mein Mandat niederlege. Ich will dies ganz kurz erklären: Mir geht es gesundheitlich wieder sehr gut. Ich könnte noch drei Le gislaturperioden machen.
Aber ich habe eine ganze Menge Ehrenämter. Das ist ja auch bekannt. Ich bin u. a. Präsident des Schwäbischen Turner bunds. Mir ist im Laufe des Jahres klar geworden, dass man so viele Ehrenämter neben der Ausübung eines Landtagsman dats nicht ausüben kann. Ich habe auch überlegt, ob ich nicht meine Ehrenämter niederlegen kann. Ich muss sagen: Das ist bedeutend schwieriger, als einen Zweitkandidaten in den Landtag zu bringen.
Deswegen habe ich mich dann auch entschlossen, mein Man dat niederzulegen. Das hat sich nach der Beendigung der Ar beit des NSU-Untersuchungsausschusses auch sehr gut erge ben. Ich gehöre dem Landtag nun 30 Jahre an, und der NSUUntersuchungsausschuss beendet seine Arbeit.
Natürlich halte ich jetzt mein Versprechen nicht ein. Ich woll te eigentlich Winfried Kretschmann nicht allein im Landtag lassen,
der ja auch schon 30 Jahre hier ist und mit dem ich auch in der Föderalismuskommission einiges zustande gebracht ha be.
Ich will jetzt auch keine längere Rede halten. Ich weiß auf grund langjähriger Sitzungspraxis, dass man am letzten Tag im Jahr unter Stress steht. Man will auch nach Hause.
Ich habe zuerst gedacht, ich erzähle jetzt viele Geschichten, angefangen vom ersten Ministerpräsidenten. Ich habe ja fünf Ministerpräsidenten über- und erlebt –
das ist auch eine schöne Sache –, und zwar ohne Schaden überlebt. Das muss man auch sagen.
Ja, genau. Es ging auch da noch. – Das mache ich nicht.
Aber ich wollte nur noch eines sagen, weil ich als Vizepräsi dent auch für die Ordnung in diesem Haus zuständig war: Es ist sicherlich ein einmaliger Vorgang, der in der letzten Wo che passiert ist. Ich kann eigentlich nur alle, die anderen Frak tionen, auffordern, darauf zu achten, dass solche Dinge nicht mehr vorkommen.
Ich hätte mir in meinen 30 Jahren auch nie vorstellen können, dass dies in Baden-Württemberg möglich ist: Beleidigungen, das Nichtakzeptieren von Ordnungsrufen der Präsidentin und dann auch noch rassistisches Angehen der Präsidentin, indem man ausschließlich die Frage des Geburtsorts zum Maßstab ihres Handelns nimmt. Das ist Rassismus, liebe Kolleginnen und Kollegen.
Insofern einfach ein Rat: Die Fraktionen müssen sich Gedan ken darüber machen. Es ist ein Tabubruch, den ich eigentlich nur aus der Geschichte am Ende der Weimarer Zeit kenne, in der systematisch von Nationalsozialisten und der rechten Sei te versucht wurde, Repräsentanten des Parlaments und das Parlament selbst kaputt zu machen, zu verleumden, zu diskre ditieren, zu beleidigen. Genau das haben wir letzte Woche er lebt. Deswegen fordere ich Sie alle auf, sich Gedanken zu ma chen.
Mein zweiter Wunsch ist – das kommt aus der Föderalismus kommission –: Kämpfen Sie weiterhin für sehr starke födera le Länder. Versuchen Sie, endlich den Schritt zu machen, der uns nicht gelungen ist, sodass wir eine andere Finanzauftei lung bekommen, nämlich einen Prozentpunkt mehr bei der Mehrwertsteuer. Dann müsste der Bund nicht laufend irgend welche Hilfsmaßnahmen für die Länder ergreifen.
Das wäre das Beste, was Sie vereinbaren könnten. – Im Üb rigen steht es auch im Grundgesetz, dass man das machen soll.
Mein dritter Wunsch: Viele von Ihnen sind ja in den Landtag gekommen, als ich schon im Landtag war, und viele sind ge gangen, obwohl ich noch geblieben bin – auch das gab es. Ich habe es immer so erlebt und es als angenehm empfunden, in einem Landtag zu sein, in dem es auch möglich ist, Freund schaften über Fraktionsgrenzen hinweg zu pflegen. Das ist ein hohes Gut in diesem Landtag. Ich finde das gut. Das ist auch nicht zu diskreditieren, sondern es ist ein großer Vorteil, dass das möglich ist. Daran sollten Sie auch festhalten.
Ich wünsche Ihnen alles Gute. Ich wünsche Ihnen viel Erfolg – der linken Seite natürlich mehr als Ihnen.
Ja, irgendwo muss es einen Unterschied geben.
Und ich hoffe, dass Sie weiterhin gut zusammenarbeiten, strei ten, über die Zukunft nachdenken und alles tun, dass dieses Parlament das Ansehen hat, das es, das der Parlamentarismus in Baden-Württemberg insgesamt verdient.
Machen Sie es gut! Alles Gute!
Sehr geehrte Frau Präsidentin, liebe Kolleginnen, liebe Kollegen, meine Damen und Herren! Am 20. Juli 2016 wurde der Untersuchungsausschuss „Rechts terrorismus/NSU BW II“ eingesetzt, nachdem der vorange gangene Untersuchungsausschuss in der letzten Legislaturpe riode aus Zeitgründen nicht alle aufgeworfenen Fragen ab schließend behandeln konnte.
Ein gemeinsamer Antrag der vier Fraktionen GRÜNE, CDU, SPD und FDP/DVP war die Grundlage für die Einsetzung des jetzigen Untersuchungsausschusses. Die vier genannten Frak tionen arbeiteten konstruktiv und vertrauensvoll zusammen. Das zeigt sich auch bei der Bewertung des festgestellten Sach verhalts und an den Beschlussempfehlungen.
Insoweit wurde abermals parteipolitischer Streit hintangestellt und wurde einmütig der Blick auf eine möglichst weitgehen de Aufklärung gerichtet, was ja nicht in jedem Untersuchungs ausschuss in der Bundesrepublik Deutschland der Fall ist. Wir wollten eine Aufklärung, wie wir sie den Opfern schuldig sind, durchführen.
Wir haben 28 Sitzungen abgehalten, 158 Beweisbeschlüsse gefasst und insgesamt 78 Zeugen vernommen – manche da von mehrfach – sowie sechs Sachverständige gehört. Vom Ausschuss der vergangenen Wahlperiode wurden mehr als 600 Aktenordner übernommen. Die Zahl der Aktenordner ist zwi schenzeitlich auf 1 300 angewachsen, was ca. 60 Regalmetern entspricht. Hinzu kommen noch einige Tausend Seiten digi taler Akten. Die angefallenen Kosten für den Untersuchungs ausschuss belaufen sich auf 2,4 Millionen €.
Für diese geleistete Arbeit möchte ich mich als Ausschussvor sitzender bei allen Beteiligten, auch bei den Ministerien und nachgeordneten Behörden des Landes, ganz herzlich bedan ken. Dieser Dank gilt vor allem meiner Stellvertreterin Petra Häffner und den Obleuten, insbesondere den Herren Abg. Fi lius, von Eyb, Dr. Weirauch und Weinmann, des Weiteren al len Mitgliedern des Ausschusses sowie den parlamentarischen Beratern, die es überhaupt erst möglich gemacht haben, eine solche Arbeit abzuliefern.
Auch bei der Landtagsverwaltung möchte ich mich recht herz lich für ihre große Unterstützung bedanken und hier nament lich beim Juristischen Dienst, vor allem beim Sekretariat des NSU-Ausschusses, ohne das im Übrigen eine solche Arbeit auch nicht möglich gewesen wäre – das muss man deutlich sagen –, beim Stenografischen Dienst – da schaue ich nach links und nach rechts; es war eine tolle Leistung, neben der normalen Belastung auch diesen Ausschuss zu begleiten –
sowie bei den vielen anderen Mitarbeiterinnen und Mitarbei tern wie in der Haustechnik und dem Hausdienst, die – das haben wir oft festgestellt – manchmal wichtiger sind als an dere, wenn mit den Computern nicht alles geklappt hat.
Liebe Kolleginnen und Kollegen, Breite und Tiefe der geleis teten Ausschussarbeit können bereits anhand des Umfangs des Abschlussberichts ermessen werden. So umfasst allein der Hauptband 1 100 Seiten.
In der Hauptsache ist der Untersuchungsausschuss nochmals der Frage nachgegangen: Hatten die NSU-Terroristen Mund los und Böhnhardt örtliche Helfer oder Helfershelfer, oder wa ren gar islamistische Terroristen oder ausländische Sicher heitsdienste in das Tatgeschehen verwickelt, wie es teilweise vor allem in der Presse hartnäckig kolportiert wurde?
Zunächst möchte ich in aller Deutlichkeit feststellen, dass an der Täterschaft von Mundlos und Böhnhardt kein Zweifel be stehen kann. Die maßgeblichen Gesichtspunkte hat bereits der Vorgängerausschuss herausgearbeitet und in seinem Ab schlussbericht zusammengetragen. Infolge der Aufklärungen des Untersuchungsausschusses hatten sich Spekulationen als haltlos erwiesen, in den Anschlag könnten die sogenannte Sauerland-Gruppe oder gewissermaßen auf deren Fersen Ge heimdienste verstrickt gewesen sein.
Ein weiterer Schwerpunkt des Ausschusses war die Untersu chung, ob den NSU-Terroristen örtliche Unterstützungsstruk turen zugutekamen. Zwar ergab die Beweisaufnahme, dass das sogenannte Trio in den Neunzigerjahren eine Freundschaft mit Personen der rechtsextremen Szene in Ludwigsburg be gründet hatte. Es fanden ca. 30 Besuche des Trios in Ludwigs burg und Umgebung statt. So hielt sich Mundlos sogar noch im Jahr 2001 und damit nach dem ersten Mord des NSU in Ludwigsburg auf. Insofern ist es ein ganz fataler Fehler der Polizei in Thüringen gewesen, dass die Adressenliste des Herrn Mundlos, die in einer Garage gefunden wurde, mit den vier Namen, die darauf standen, nicht auch zum Landeskri minalamt des Landes Baden-Württemberg übermittelt wurde. Sonst hätte man Herrn Mundlos, der ja mit einem Haftbefehl gesucht wurde, durchaus in Ludwigsburg festnehmen können.
Ein weiterer Schwerpunkt der Ausschussarbeit war die Unter suchung, ob den NSU-Terroristen örtliche Unterstützungsak tionen und Unterstützungsstrukturen zukamen. Wie gesagt, das haben wir nicht festgestellt. Wir haben keine Helfer fest gestellt bzw. Unterstützungshandlungen aus Baden-Württem berg feststellen können, wenngleich – ich sage das ganz deut lich – solche auch nicht ausgeschlossen werden können; wir haben halt keine gefunden.
Den baden-württembergischen Stellen bei der Aufarbeitung des NSU kann man ein überwiegend positives Zeugnis aus stellen. Obgleich es Ermittlungsfehler gab, bestehen keine An haltspunkte, die klare Rückschlüsse auf die NSU-Täterschaft schon vor deren Bekanntwerden 2011 zugelassen hätten.
Ausführlich hat sich der Untersuchungsausschuss mit der rechtsextremen Musikszene befasst, insbesondere mit der im
Jahr 2000 verbotenen Organisation „Blood & Honour“ sowie der baden-württembergischen Rechtsrockband „Noie Werte“. Mit Titeln dieser Gruppe wurden frühere Versionen des NSUBekennervideos unterlegt. Derartige Musik ist eines der zen tralen Mittel der Szene zur Rekrutierung neuer Mitglieder, ins besondere junger Menschen, gleichsam die Einstiegsdroge.
Wir legen dem Landtag heute rund 30 Beschlussempfehlun gen vor, die im Übrigen einstimmig im Untersuchungsaus schuss beschlossen wurden. Ich möchte zwei davon hervor heben:
Erstens: Ausgehend vom gerade genannten Phänomen spezi fisch rechtsextremistischer Musik brauchen wir eine effizien te Bekämpfung dieser Szene. Die staatliche Einwirkung in re pressiver Hinsicht muss Hand in Hand gehen mit einer Fest legung der Rechtsextremismusprävention. Insofern soll ein „Aufbruch für Demokratie“ Kinder und Jugendliche gegen je de Form gruppenbezogener Menschenfeindlichkeit und ge gen autoritäre und totalitäre Einstellungen stärken. Die Ver mittlung demokratischer Werte ist das beste Mittel, um junge Menschen gegen rechtsextremistische Verlockungen zu im munisieren, meine Damen und Herren.
Ein Vorgang im Ausschussverfahren gibt aus unserer Sicht Anlass, das Untersuchungsausschussgesetz zu ändern. So las sen sich einige der bald nach dem Auffliegen des NSU 2011 aufgekommenen Spekulationen zur Anwesenheit von Sicher heitsbehörden auf der Theresienwiese auf den als Zeugen ver nommenen Reinhard K. zurückzuführen, der sich nach der Wertung des Ausschusses als vollständig unglaubwürdig er wiesen hat. Dieser Zeuge wurde während des laufenden Un tersuchungsverfahrens bei der AfD-Fraktion als parlamenta rischer Berater für ebendieses Verfahren angestellt,
was im Rahmen der Ausschussarbeit für einige Unruhe ge sorgt und uns auch viel Zeit gekostet hat. Insofern plädiert das Gremium dafür, dass derart persönlich beteiligte Personen künftig von einer Mitarbeit im Ausschuss ausgeschlossen wer den, wie dies in Bezug auf Abgeordnete bereits geltendes Recht ist.
Liebe Kolleginnen und Kollegen, meine Damen und Herren, als ich am 18. Februar 2016 am Ende der Arbeit des Vorgän gerausschusses hier im Plenum stand, habe ich ausgeführt, dass vieles an die rechte Gewalt der Neunzigerjahre erinnert. Dieser Befund hat sich leider nicht grundlegend geändert.
Im vergangenen Jahr gab es bundesweit 1 130 rechts motivier te Gewaltdelikte. In Baden-Württemberg waren es immerhin 45. Damit scheint Baden-Württemberg im Bundesvergleich zwar eher – in Anführungszeichen – „gut dazustehen“. Jedoch ist jede dieser Gewalttaten eine zu viel.
Dass speziell das Thema Rechtsterrorismus mit dem NSU nicht Geschichte ist, haben mehrere Vorgänge aus der jünge ren Vergangenheit gezeigt. 2017 wurden die Führungsfiguren der „Oldschool Society“ wegen Bildung einer terroristischen Vereinigung verurteilt. Im Jahr 2018 wurden sieben Männer und eine Frau der „Gruppe Freital“ aus demselben Grund ver urteilt. Diese Gruppe hat fünf Sprengstoffanschläge auf Flüchtlingsunterkünfte verübt. Die Terrorgruppe „Nordadler“, die konkrete Anschlagspläne hatte, wurde im Juni dieses Jah res ausgehoben. Erst vor zweieinhalb Monaten wurden sieben mutmaßliche Rechtsterroristen festgenommen, die sich zu ei ner Gruppe „Revolution Chemnitz“ zusammengetan hatten. In den Chatprotokollen war die Rede davon, dass der NSU im Vergleich zu „Revolution Chemnitz“ nur eine Kindergarten vorschulgruppe gewesen wäre.
Es scheint, als ob das Ende des NSU erst ein neuer Anfang gewesen sein könnte. Wenngleich dies im örtlichen Bereich keinen Schwerpunkt in Baden-Württemberg betraf, müssen wir weiterhin zusammenstehen und wachsam bleiben – für die Menschen in unserem Land. Denn wir wollen, dass jede Frau und jeder Mann überall bei uns sicher sein können und keine Angst haben müssen, ganz gleich, wie sie oder er aus sieht, ganz gleich, wo sie oder er herkommt, ganz gleich, was sie oder er glaubt, ganz gleich, wie stark oder schwach er oder sie ist.
Vielen Dank.
Herr Kollege Reinhart, genau so wie Herr Kollege Schwarz behaupten Sie, in der letzten Le gislaturperiode hätten wir uns nicht geeinigt. Das war ganz anders: Wir hatten am Anfang eine gemeinsame Kommissi on.
Ich will es bloß erklären, dann kommt die Frage. – Wir hatten eine gemeinsame Kommissi on aller Fraktionen.
Es war im Übrigen auch in der vorletzten Wahlperiode so. Dieses Mal ist es nicht so. Wieso hat die CDU-Fraktion nicht gegenüber dem grünen Koalitionspartner durchgesetzt, dass man von Anfang an mit allen Fraktionen in einer gemeinsa men Kommission über das Wahlrecht diskutiert?
Herr Minister, es ist ein gro ßes Problem. Jeder, in dessen Wahlkreis die Bahnsteige mal erhöht wurden, weiß, was das alles kostet, wie lange es dau ert, bis die Bahn das macht, und welcher Druck erforderlich ist, damit die Bahnsteige erhöht werden.
Der Vorschlag, dieses Thema in die Koalitionsverhandlungen in Berlin einzubringen, ist doch wirklich bedenkenswert. Denn diese Maßnahmen kosten sehr viel Geld und haben auch et was mit der Frage des Zugangs, der Barrierefreiheit zu tun. Das ist nicht unwichtig.
Ja, ich nehme die Wahl an.