Sylvia Stierstorfer

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Sehr geehrter Herr Präsident, liebe Kolleginnen und Kollegen! Es freut mich, dass wir heute wieder Gelegenheit haben, über eine der wichtigsten Angelegenheiten zu sprechen, mit denen wir uns im Hohen Hause beschäftigen dürfen: über Petitionen. Das Recht zur Entscheidung über Petitionen ist neben der Gesetzgebungskompetenz – Artikel 72 Absatz 1 der Bayerischen Verfassung – und der Haushaltsautonomie – Artikel 70 Absatz 2 der Bayerischen Verfassung – eine der zentralen verfassungsrechtlichen Kompetenzen des Landtages und
bestimmt dessen Wesen als Volksvertretung. Dies müssen wir uns immer wieder vor Augen führen, und dies muss auch die Richtschnur sein, wenn es um den Stellenwert von Petitionen und auch des Petitionsausschusses im parlamentarischen Alltag geht.
Nun hat in der Realität vielleicht nicht jeder eine so hohe Meinung vom Petitionswesen, wie er sie haben sollte. Deshalb, meine lieben Kolleginnen und Kollegen, ist es mir heute ein besonders Anliegen, für das Petitionsrecht, für die Behandlung der Petitionen im Bayerischen Landtag zu werben.
Sehr geehrter Herr Präsident, liebe Kolleginnen und Kollegen, die Abgeordneten sind Vertreter des Volkes. So heißt es ausdrücklich in Artikel 13 der Bayerischen Verfassung. Deshalb ist doch klar, wer im Mittelpunkt all unserer Arbeit stehen muss: das Volk, also die Bürgerinnen und Bürger in unserem Land. Für sie machen wir Politik. Mit ihren Wünschen, ihren Sorgen und Nöten, wie sie insbesondere in Petitionen zum Ausdruck kommen, müssen wir uns als "Kümmerer" befassen.
Auf den ersten Blick mögen es für manchen bisweilen recht kleine Themen sein, von denen man nicht viel Aufhebens machen muss. Ich sage Ihnen aber: Wenn wir näher am Menschen sein wollen, wenn wir gegen die Politikverdrossenheit etwas tun wollen, müssen wir die Menschen in ihrer ganz konkreten Lebenswirklichkeit ansprechen. Wir müssen uns mit dem auseinandersetzen, wo sie der Schuh drückt. Da geht es in erster Linie um die Baugenehmigung fürs Eigenheim, um Ersterschließungsbeiträge, um Abwassergebühren, um die Umgehungsstraße vor Ort, um den Rentenbescheid und ähnliche Probleme. Diese Themen sind für den einzelnen Menschen ungeheuer wichtig, aber nicht nur für ihn, sondern auch für seine Familie. Deshalb ist es so wichtig, die Einzelfälle zu betrachten.
Sehr geehrter Herr Präsident, meine Damen und Herren, mit unserer Arbeit können wir einiges bewirken. Von den rund 10.000 in dieser Wahlperiode bearbeiteten Petitionen sind immerhin 2.477 in irgendeiner Weise positiv beschieden worden. Zum Teil sind sie mit Maßgaben versehen worden. Jeder einzelne Fall war der Mühe wert. In jedem einzelnen Fall haben Bürgerinnen und Bürger erfahren, dass wir etwas zu ihren Gunsten bewegt haben. Die Menschen sind dankbar dafür, dass wir uns für sie einsetzen und ihnen helfen, wo wir nur können. Erst vor Kurzem hat mir zum Beispiel ein Petent schriftlich seinen Dank ausgesprochen, weil wir uns für seine Belange im Ausschuss stark gemacht haben.
Lassen Sie mich an dieser Stelle zwei Fälle nennen, bei denen wir mit Hartnäckigkeit doch etwas erreichen konnten.
Im ersten Fall wandte sich der Petent an den Ausschuss wegen einer drohenden Beseitigung seiner Fischerhütte. Die Hütte hätte zwar aus baurechtlichen Gründen nicht errichtet werden dürfen. Dem Gesuchsteller wurde aber vom Bürgermeister und von Mitarbeitern des Bauamts in Aussicht gestellt, dass von der Beseitigung abgesehen werden könne, wenn er ein geeignetes Grundstück für Ausgleichsmaßnahmen finde. Der Petent hat der Stadt daraufhin eine Fläche benannt. Die Überprüfung durch die untere Naturschutzbehörde hat jedoch ergeben, dass die bauliche Anlage mit dem betreffenden Grundstück in einem als Biotop kartierten Gelände nicht ausgeglichen werden könne, sodass eine Duldung der Hütte nicht möglich sei. Da der Petent die Hütte benötigt, um Gerätschaften zu lagern, die für die Bewirtschaftung des Teiches notwendig sind, und er sich bereit erklärt hat, das Biotop zu pflegen und dafür die Verantwortung zu übernehmen, sah der Ausschuss das Anliegen auch unter Gesichtspunkten des Vertrauensschutzes als begründet an und beschloss, die Eingabe der Staatsregierung zur Berücksichtigung zu überweisen. Da die Staatsregierung der Ausschussentscheidung nicht entsprach, beschloss der Ausschuss kürzlich erneut, dem Anliegen des Petenten Rechnung zu tragen und die Hütte auf dessen Lebenszeit zu dulden. Natürlich spielen in diesem Fall auch kommunale Entscheidungen eine Rolle. Mittlerweile ist uns aber vonseiten des Landratsamtes signalisiert worden, dass dem Anliegen des Petenten Rechnung getragen werde.
Der zweite Fall war die drohende Beseitigung einer Vereinshütte. Auch hier konnten wir abhelfen. Die Vereinshütte kann geduldet werden. Wir hatten einen Ortstermin. Das sind positive Beispiele für die Bürgerinnen und Bürger. Die Vereinshütte bestand bereits über 30 Jahre. Auch hier konnten wir den Wünschen der Petenten Rechnung tragen.
Der Vorsitzende Werner hat bereits den Fall "Momo" angesprochen. Ich will nicht nur den Fall "Momo" ansprechen. Es gab im Berichtszeitraum insgesamt 16 Eingaben, die an die Härtefallkommission weitergeleitet wurden. Jeder Einzelfall, egal ob der Unterstützerkreis klein oder groß war, wurde von uns ganz genau geprüft und an die Härtefallkommission überwiesen. Mit Ausnahme eines Falles konnte in allen Fällen den Betroffenen ein Aufenthaltsrecht gewährt werden. Dafür möchte ich mich bei der Härtefallkommission, aber auch bei unserem Innenminister Joachim Herrmann ganz herzlich bedanken.
Bei den Berücksichtigungsbeschlüssen liegen wir im Ausschuss für Eingaben und Beschwerden mit 58 von 97 Berücksichtigungsbeschlüssen insgesamt – das sind 2,3 % - an der Spitze. Natürlich haben wir dabei noch Luft nach oben. Das möchte ich auch unterstreichen. Dennoch liegt es nicht nur an der Staatsregierung, wenn einem Berücksichtigungsbeschluss nicht nachgegeben wird. Im Fall Mainburg hatten wir zum Beispiel die kommunale Selbstverwaltung zu berücksichtigen, die wir sehr schützen und die uns auch sehr wichtig ist. Trotz Gesprächen mit dem Bürgermeister und Briefen an die Gemeinde, dass sich doch etwas bewegen sollte, konnte dem Anliegen bis dato leider nicht abgeholfen werden.
Zu den öffentlichen Petitionen, die der Vorsitzende Werner angesprochen hat: Es ist richtig, dass wir dem Antrag der SPD auf Einführung öffentlicher Petitionen nicht stattgegebenen haben. Die öffentlichen Petitionen werden in der nächsten Legislaturperiode sicher wieder ein Thema sein, mit dem wir uns intensiv auseinandersetzen werden. Für die öffentlichen Petitionen gibt es in den einzelnen Ländern unterschiedliche Modelle. Diese einzelnen Modelle sollten wir uns genau anschauen, wenn wir über öffentliche Petitionen in Bayern reden. Ich möchte dazu nur sagen, dass wir in Bayern beim Petitionsrecht führend sind. Wir behandeln die Petitionen öffentlich. Jedem Petenten kann bei der Behandlung seiner Petition im Ausschuss ein Rederecht gewährt werden. Besucher aus anderen Länderparlamenten wie zum Beispiel aus Bremen, die zu uns kommen, sind sehr erstaunt über die öffentliche Behandlung von Petitionen. Deshalb glaube ich, dass wir führend sind. Vor allem werden die Berichte nicht vom Amt erstellt, sondern die Berichterstatter bearbeiten die Fälle in mühevoller Kleinarbeit und engagieren sich sehr. Dafür möchte ich mich ganz herzlich bedanken.
Ein Dankeschön geht bei dieser Gelegenheit auch an die Adresse meines Kollegen und Vorsitzenden Hans Joachim Werner, genauso aber auch an die Kolleginnen und Kollegen meiner Fraktion für die sehr gute und aufrichtige Zusammenarbeit im Petitionsausschuss, für das gute Einvernehmen und die viele Zeit, die aufgewendet wird. Viele Stunden werden für Ortstermine aufgewendet. Wir haben im Ausschuss für Eingaben und Beschwerden ein gutes Miteinander. Circa 90 % der Entscheidungen werden überwiegend einvernehmlich getroffen. In unserem Ausschuss spielen parteipolitische Erwägungen weniger eine Rolle. Bei uns stehen der Petent und die Sache im Mittelpunkt. Das finde ich beispielhaft.
Danken möchte ich auch Herrn Dr. Widmann, Herrn Klotz und allen Beamtinnen und Beamten, die uns bei der Bearbeitung der Petitionen engagiert unterstüt
zen. Vorsitzender Werner hat die Bearbeitungszeit von fünf Monaten angesprochen. Wir sind es, die oft Zusatzberichte, Ortstermine oder eine Vertagung der Sache fordern! Dann dauert die Behandlung der Petition eben länger. Dafür wird aber wirklich hervorragende Arbeit geleistet. Ein Fall wird von A bis Z aufgerollt, und der Bürger bekommt auf Wunsch einen Bericht. Auch wenn wir über seine Eingabe nicht positiv entscheiden können, zeigen wir ihm, welchen Weg er weitergehen kann. Dass dieser Weg aufgezeigt wird, ist auch wichtig.
Zum Schluss: Die Kraft, große Dinge zu entscheiden, kommt aus der ununterbrochenen Beobachtung der kleinen Dinge. In diesem Sinne appelliere ich noch einmal an alle: Räumen wir den Petitionen und allen Bürgerinnen und Bürgern, die sich auf welchem Weg auch immer an uns wenden, oberste Priorität ein. Lassen Sie uns gemeinsam für die Belange der Menschen in unserem Land kämpfen, mögen sie klein oder groß sein. Sie verdienen unsere volle Aufmerksamkeit und unseren ganzen Einsatz.
Sehr geehrte Frau Präsidentin, liebe Kolleginnen und Kollegen! Die Untersuchung des Bundes für Umwelt und Naturschutz aus dem Jahr 2010, wonach bei 60 Kindertageseinrichtungen im Bundesgebiet eine hohe Belastung mit gesundheitsschädlichen Weichmachern festgestellt wurde, hat uns alle beunruhigt. Diese Stoffe wirken wie Hormone und können bei Kindern zu bleibenden gesundheitlichen Veränderungen führen. Das ist heute bereits angesprochen worden. Das Hormonsystem kann gestört sowie die Entwicklung von Kindern negativ beeinflusst werden. Außerdem können Atemwegsprobleme verstärkt werden. Diese sogenannten Phthalate oder Weichmacher findet man in Fußböden, Tapeten, Turnmatten, Tischdecken oder Möbelpolstern aus Kunststoff. Diese Veröffentlichungen weisen darauf hin, dass insbesondere in Kindertageseinrichtungen die Belastungen an Weichmachern sehr hoch sind. Meine lieben Kolleginnen und Kollegen, gerade weil uns die Gesundheit unserer Kinder wichtig ist, haben wir dieses Thema aufgegriffen und uns bereits im zuständigen Fachausschuss für Umwelt und Gesundheit damit beschäftigt.
Vorweg zu den einzelnen Anträgen: Die Fraktion der GRÜNEN fordert in ihrem Antrag, dass die Verbraucherinnen und Verbraucher und die Umwelt durch gezielte Kampagnen vor Weichmachern geschützt werden. Frau Kollegin, das ist sicherlich ein wichtiger und richtiger Punkt. Die Verbraucherinnen und Verbraucher haben jedoch bereits viele Möglichkeiten, sich über mögliche Schadstoffe zu informieren. In Bayern
steht dazu insbesondere das Verbraucherinformationssystem - VIS Bayern - zur Verfügung. Außerdem werden die allgemeinen Informationsportale zum Verbraucherschutz ständig aktualisiert und weiterentwickelt. Wir haben in Bayern doch mündige Verbraucherinnen und Verbraucher, die diese Netzwerke intensiv nutzen. Im virtuellen Informationszeitalter brauchen wir die von Ihnen geforderten Broschüren nicht mehr, da diese schnell veraltern und zusätzlich eine Menge Geld kosten. Im Falle der Weichmacher werden die bayerischen Kindertagesstätten per Newsletter über Möglichkeiten informiert, die Belastungen zu reduzieren. Die Weichmacherproblematik ist außerdem bereits Thema in vielen Veröffentlichungen auf Bundes- und Landesebene oder in der Tagespresse. Wir brauchen keine weiteren Broschüren. Sie sehen, die Bayerische Staatsregierung bzw. die zuständigen Fachstellen haben bereits gehandelt.
Zum zweiten Spiegelstrich des Antrags der GRÜNEN kann ich nur sagen, dass eine Änderung der Richtlinie für das öffentliche Auftragswesen, für die das Staatsministerium für Wirtschaft, Infrastruktur, Verkehr und Technologie federführend zuständig ist, nicht erforderlich ist, da bei der Auftragsvergabe die Verwendung von Produkten, die mit dem Blauen Engel gekennzeichnet sind, bereits berücksichtigt wird. Bestimmte Bodenbeläge mit Weichmachern dürfen beispielsweise nicht verwendet werden. Der Antrag der GRÜNEN ist deshalb wenig zielführend. Die CSU-Fraktion lehnt diesen Antrag ab.
Die FREIEN WÄHLER fordern mit ihrem Antrag ein generelles Verbot von Phthalaten. Es gibt bereits eine Vielzahl von Verboten. Auf europäischer Ebene sind Verbote für bestimmte Weichmacher in der REACHVerordnung geregelt.
- Nein, Herr Dr. Vetter hat im Anschluss noch die Möglichkeit, sich zu äußern.
Diese EU-Verordnung soll die Verbraucher vor gefährlichen Chemikalien schützen. Die vier Weichmacher, über die wir reden, sind bereits Gegenstand von REACH. Die Untersuchung des Bundes für Umwelt und Naturschutz mit dem Titel "Weichmacher in Kindertagesstätten", die ich bereits angesprochen habe, geht zwar in die richtige Richtung, jedoch handelt es sich dabei um keine wissenschaftliche Studie mit aussagekräftigen Probe- und Analyseverfahren. Deshalb wurde das Bayerische Landesamt für Gesundheit und Lebensmittelsicherheit - LGL - beauftragt, eine Untersuchung zur Gesamtbelastung von Kindergartenkin
dern durch Weichmacher durchzuführen. Diese Ergebnisse werden uns 2012 vorliegen.
Nichtsdestotrotz wurde im Oktober im Ausschuss für Umwelt und Gesundheit - die erste Sitzung war bereits früher - berichtet, dass es im Rahmen der REACH-Verhandlungen ein weiteres Dossier gibt, das sich mit diesem Thema auseinandersetzt - Herr Dr. Vetter - und wissenschaftliche Bewertungen liefert. Dieses Dossier wurde vom Mitgliedstaat Dänemark in Auftrag gegeben. Die Vertreterinnen der Staatsregierung haben anlässlich dieses Dossiers klar zum Ausdruck gebracht, dass auf der Grundlage der neuesten Untersuchungen dieses Dossiers zusammen mit dem LGL sofort gehandelt wird. Deshalb sind Ihre Unterstellungen nicht richtig.
Mit dem Dossier wurde festgestellt, dass die Belastungen durch Weichmacher vor allem durch die Nahrung, den Hautkontakt, den Hausstaub und die Hausluft aufgenommen werden. Deshalb wird vorgeschlagen, diese Weichmacher im Rahmen von REACH zu verbieten. Das Sozialministerium hat das Landesamt für Gesundheit und Lebensmittelsicherheit gebeten, das noch einmal wissenschaftlich zu untermauern. Das ist erfolgt. Wir werden ein Verbot dieser vier Weichmacher unterstützen. Wir lehnen Ihren Antrag ab, da das Verbot über die vier Weichmacher bereits läuft. Wir unterstützen Dänemark. Wir unterstützen die Initiativen auf europäischer Ebene und fordern die Europäische Kommission auf, dementsprechend zu handeln.
Lieber Herr Dr. Vetter, ich kann mich noch sehr gut an Ihre Aussagen bei uns im Ausschuss für Umwelt und Gesundheit erinnern. Sie haben anlässlich des Berichts des Ministeriums zu einer Gesetzesinitiative bemerkt, dass die Aussagen der beiden Vertreterinnen der Staatsregierung gezeigt hätten, dass dem Antrag der FREIEN WÄHLER nachgekommen werde. Die Brisanz sei erkannt. Es werde etwas getan. Und? Das machen wir. Das unterstützen wir. Die Presseerklärung hat das auch noch einmal verdeutlicht. Wir werden weitere Schritte unternehmen.
Unser Antrag ist nachhaltiger und weitergehender, weil wir die Staatsregierung auffordern, im Gesundheits- und Umweltausschuss einen Sachstandsbericht über den derzeitigen Stand der Umsetzung der dänischen Gesetzesinitiative und der Ergebnisse des LGL und die damit notwendigen präventiven Maßnahmen vor Ort zu geben.
Der dritte Punkt, der ansonsten außer Acht gelassen wird, ist, dass das Thema im Ausschuss für Umwelt und Gesundheit weiter behandelt wird und der Landtag die Möglichkeit bekommt, das schwierige Thema zielführend zu verfolgen. Der Antrag zeigt, dass wir die Ängste der Eltern um die Gesundheit ihrer Kinder sehr ernst nehmen.
Hätten Sie aufgepasst, würden Sie es wissen, Herr Dr. Vetter.
Sehr geehrter Herr Präsident, liebe Kolleginnen und Kollegen! Es freut mich, dass wir uns heute im Rahmen einer Plenardebatte so intensiv und ausführlich Zeit nehmen, um über Petitionen zu sprechen. Die Petitionen haben nämlich einen berechtigten Platz in der Mitte unseres Hohen Hauses. Als gewählte Abgeordnete sind wir die Vertreter unserer Bürgerinnen und Bürger, und es gehört zu unseren wichtigsten Aufgaben, uns der Eingaben und Beschwerden, der Sorgen und Nöte, der Wünsche und der Vorschläge der Bürgerinnen und Bürger anzunehmen. Wenn wir näher am Bürger sein wollen, müssen wir die Bürgerinnen und Bürger dort abholen, wie der Vorsitzende des Petitionsausschusses das schon gesagt hat, wo sie stehen. Wir müssen dort ansetzen, wo sie ganz konkret der Schuh drückt. Wir haben die Möglichkeit, durch Anhörung der Betroffenen, durch Ortstermine oder dadurch, dass wir alle Beteiligten, die Petenten und die Vertreter der Verwaltung, an einen Tisch bringen, für eine gute Lösung zu sorgen. Das machen wir sehr oft und, wie ich finde, mit gutem Erfolg.
Es zeigt sich, die Lebensrealität unserer Bürgerinnen und Bürger besteht nicht nur aus den großen Themen wie der Gesundheitspolitik, die wir heute aktuell schon auf der Tagesordnung hatten, oder beispielsweise dem großen Thema Energie. Es sind vielmehr die vielen kleinen Dinge, die sich bei den Bürgerinnen und Bürgern zu Hause abspielen. Es kann sich um eine Baugenehmigung, um eine Arbeit am eigenen Haus, um den Bau einer Straße, um Lärmschutz, Ausbildungsförderung und vieles mehr handeln. Genau dafür müssen wir da sein. Die heutige Debatte dient auch dazu, uns hierfür ein Bewusstsein zu schaffen und das Notwendige ins Gedächtnis zu rufen.
Mit unserer Petitionsarbeit können wir den Menschen wirklich helfen. Sie haben die Zahlen bereits gehört. In fast 30 % der Fälle konnten wir etwas zu deren Gunsten bewegen. 1.360 positive Entscheidungen sind schon für sich allein ein beeindruckender Wert.
Wenn man berücksichtigt, dass hinter den einzelnen Petitionen oft ganze Familien, Freunde, Verwandte und Bekannte stehen, denen der Erfolg der Petition ebenfalls zugutekommt, erkennt man, wie viele Menschen wir mit unserer Arbeit in ihrer konkreten Lebenswirklichkeit erreichen. Gleiches gilt darüber hinaus auch für Vereine, Verbände und Interessengruppen.
In zahlreichen Bundesländern gibt es - das haben wir auch bei unserem Besuch in Schwerin festgestellt
außerhalb des Petitionsausschusses des Parlaments einen Ombudsmann oder eine Ombudsfrau. An diese Person kann man sich mit einer Bitte oder Beschwerde wenden.
So etwas brauchen wir in Bayern nicht. Wir sind selber die Kümmerer. Die Anliegen unserer Bürgerinnen und Bürger sind bei uns bestens aufgehoben. Wir versuchen, konkrete Lösungswege aufzuzeigen, auch wenn eine Lösung nicht immer möglich ist, weil Recht und Gesetz dagegenstehen.
Herr Präsident, liebe Kolleginnen und Kollegen, dem Ausschuss für Eingaben und Beschwerden kommt eine besonders wichtige Funktion zu. Wenn wir praktisch ausschließlich mit Petitionen befasst sind, können wir dem Einzelnen vielleicht etwas mehr Aufmerksamkeit widmen als die Fachausschüsse. Bei diesen spielen Petitionen zwar auch eine wichtige, aber nicht die dominierende Rolle.
Lassen Sie mich einen wichtigen Punkt hinzufügen. Jede Petition hat denselben Stellenwert. Bei uns erhält die Sammel- oder Massenpetition, hinter der manchmal Tausende von Menschen mit ihrer Unterschrift stehen, keine Vorzugsbehandlung gegenüber denjenigen Eingaben, die einzelne Personen an uns herantragen.
Jede Petition ist gleich wichtig. Jede Petition nehmen wir gleich ernst. Jeder ist uns gleich willkommen. Aber nicht nur die Bürgerinnen und Bürger profitieren vom Petitionsrecht, sondern auch wir Abgeordnete. Das Petitionsrecht ist nämlich ein Seismograf, der uns aufzeigt, ob und wie unsere Gesetze funktionieren, ob und wie unsere Bevölkerung mit unserer Politik und mit der Verwaltung in unserem Land zurechtkommt und wo - ich sage es noch einmal - der Schuh drückt.
So gesehen sind Petitionen manchmal auch wichtige Impulsgeber für unsere politische Arbeit an den großen Stellschrauben der Landespolitik.
Ich will Ihnen einzelne Fälle aufzeigen, die mich bewegt haben und in denen wir etwas erreichen konnten.
Ich erwähne das Einzelschicksal der 15-jährigen Kistaman. Sie hat in Regensburg die Mittelschule besucht und sich gemeinsam mit ihrer Mutter hier hervorragend integriert. Eine Abschiebung stand bevor. Diesen Fall haben wir an die Härtefallkommission überwiesen. Dann ist er positiv beschieden worden. Deshalb mein Dank an die Härtefallkommission für die großartige Zusammenarbeit!
Den gleichen Dank spreche ich unserem Innenminister aus, der letztlich für den Vollzug gesorgt hat.
Eine Eingabe aus dem Allgäu betraf einen schwierigen Fall. Mit ihr baten die Petenten um eine Entschädigung für Schäden aufgrund des Augusthochwassers 2005. Viele haben sich hier die Zähne ausgebissen. Die Überprüfung ergab zunächst, dass seitens des Freistaates keine Möglichkeit bestand, über das bereits Geleistete hinaus weitere Hilfen zu gewähren. Allerdings konnten wir nach einem Termin vor Ort und intensiven Gesprächen mit dem Umwelt- und Landwirtschaftsministerium im Ausschuss erreichen, dass weitere Entschädigungszahlungen geleistet wurden.
Dann erwähne ich den Fall einer Familie aus dem Landkreis Regen. Sie wollte in ihrem bestehenden Wohnhaus eine Gastwirtschaft einrichten. Dies war rechtlich nicht möglich, da das Bauvorhaben - ich zitiere - "öffentliche Belange beeinträchtigt". Wir im Ausschuss waren allerdings der Meinung, dass es sich hierbei um einen Härtefall handelt, da der Mann vor Kurzem seine Arbeit verloren hat und die Frau an einer starken Sehschwäche leidet.
Letztendlich konnten wir die Kommune vor Ort zu der Entscheidung bewegen - das hat allerdings etwas gedauert -, es der Familie zu ermöglichen, zumindest in den Sommermonaten in dem Wohnhaus eine Gastwirtschaft zu betreiben und damit ihren Lebensunterhalt zu verdienen.
Einen weiteren Fall hat Kollege Werner schon angesprochen. Dieser Fall zeigt, dass wir rechtlich sehr wohl etwas verändern können. Es handelt sich um eine siebenköpfige Familie aus München, die eine Frist versäumt hat und dadurch 2.500 Euro an Zuschuss verloren hätte. Sie hatte die Umwandlung ihres Baudarlehens in einen Zuschuss im Rahmen der Wohnraumförderung beantragt. Der gesetzlich vorgesehene Termin wurde versäumt. Letztendlich ist es uns gelungen, eine Fristverlängerung durchzusetzen.
Dieser Fall hat weitreichende Folgen. Zukünftig soll nämlich betroffenen Familien unter bestimmten Voraussetzungen in Bayern eine generelle Fristverlängerung gewährt werden.
Gern möchte ich auch zu dem Schulwegkostenthema Stellung nehmen. Natürlich wäre es schön, wenn die Schulwegkostenfreiheit so weit ginge, dass sich jede
Familie für ihre Kinder die Schule nach eigenem Wunsch aussuchen könnte. Ich kann die Eltern verstehen, die sich dies wünschen. Aber so einfach liegen die Dinge nicht.
Von den 1,9 Millionen Schülerinnen und Schülern in Bayern haben circa 1,2 Millionen einen Anspruch auf Kostenfreiheit des Schulwegs. Uns erreichten im Landtag seit Beginn dieser Legislaturperiode ungefähr 41 Beschwerden. Davon konnten neun positiv entschieden werden. Ein Dank an die kommunalen Vertreter, die vor Ort diese positive Lösung herbeigeführt haben!
Natürlich ist die Finanzierung ein Problem. Ich nenne dazu Zahlen, die für Sie vielleicht interessant sind. Staat und Kommunen erbringen schon jetzt einen enormen Finanzierungsbeitrag. Immerhin ist die Schülerbeförderung eine Pflichtaufgabe der Kommunen im eigenen Wirkungskreis. Über dieses Thema müssen wir uns noch auseinandersetzen. Positiv ist zu vermerken, dass im Doppelhaushalt 2011/12 24 Millionen Euro an zusätzlichen Mitteln für die Schülerbeförderung vorgesehen sind.
Ich sage nur noch etwas zu den öffentlichen Petitionen. Dieses Thema werden wir in der CSU-Fraktion sehr genau prüfen. Wie bereits gesagt worden ist, steht Bayern mit seinem Petitionsrecht hervorragend da. Wir tagen öffentlich. Jeder Petent hat die Möglichkeit, in der Sitzung das Wort zu ergreifen. Besuchergruppen und Journalisten haben bei uns Zutritt. Viele Ländervertretungen kommen zu uns, um sich über unser Petitionsrecht zu informieren. Wir haben auch weitreichende Mitwirkungsentscheidungen in Form von Bürgerentscheiden und Volksentscheiden.
Bei dieser Gelegenheit bedanke ich mich bei allen Mitgliedern, den Kolleginnen und Kollegen des Petitionsausschusses und der Fachausschüsse, vor allem auch bei dem Vorsitzenden des Petitionsausschusses, dem Kollegen Hans Joachim Werner, für das stets gute, angenehme und kollegiale Miteinander.
Dann möchte ich - letzter Satz - der Verwaltung, Herrn Dr. Widmann, dem Büroleiter Dieter Klotz und allen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern des Landtagsamts für die gute Zuarbeit und
für das Engagement danken. Denn Wege entstehen dadurch, dass man sie geht.