Hans Bookmeyer
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Frau Präsidentin! Verehrte Kolleginnen und Kollegen! Anlässlich der Debatten um die Zwangsarbeiterentschädigung habe ich u. a. von Zeichen der Reue gesprochen. Wegen der Kürze der zur Verfügung stehenden Zeit verweise ich auf die seinerzeitigen Ausführungen.
Die heutige Aussprache über den gemeinsamen Antrag aller Fraktionen des hohen Hauses bezüglich des geraubten jüdischen Buchbesitzes macht für mich erneut in erschreckender Weise deutlich, wie facettenreich, ja nahezu allumfassend grausam das nationalsozialistische Unrechtsregime entweder selbst gewirkt hat und was es in großen Teilen unseres Volkes seinerzeit bewirkt hat. Es ist ebenso erschütternd wie gesinnungsfinster-konsequent zugleich. Wer vor der Würde des anderen, vor dessen Leben nicht Halt macht, wer es zuvor auch noch qualvoll, womöglich bei eigenem Lustempfinden, drangsaliert, der macht natürlich auch vor dessen Gütern nicht Halt.
Doch um auf den heutigen Antrag zurückzukommen: Jedes einzelne geraubte Buch ist nicht nur ein stummer Zeuge begangenen Diebstahls, es ist zugleich ein stummer Schrei enteigneter oder oft gar bestialisch hingerichteter Menschen. Jedes ein
zelne Buch steht zudem für die ungezählten achtlos, verachtet verbrannten, jedes einzelne Werk birgt innen einen Teil des ursprünglich großen literarischen Schatzes geistig-kulturell herausragend Wirkender. Zugleich hat jedes von ihnen die Doppelfunktion des Vernichtungsindikators eines Großteils einzigartiger Literatur.
Mich macht es betroffen, aber es verwundert mich nicht, dass nach dem Krieg über Jahre hinweg auch nicht über dieses Mosaikstück begangenen Unrechts gesprochen wurde. Wenn es einem Unrechtsregime gelingt, große Teile eines Volkes derart zu blenden, wie es tragischerweise geschehen ist, ist es wohl lange Zeit blind oder bestenfalls schamlos sprachlos, was keine Entschuldigung, sondern der Versuch einer Erklärung sein soll.
Da wir uns aber in dem Bemühen einig sind, die Augen nicht vor dem dunkelsten Bereich unserer Geschichte zu verschließen, da wir in stellvertretender Verantwortung das begangene Unrecht als solches erkennen, ist es nur folgerichtig, von dem loszulassen, was uns nicht gehört. Alles andere wäre erneut unglaubwürdig, und wir selbst würden uns an dem Fortwirken des Finsteren durch Tatenlosigkeit tatkräftig beteiligen. Das Gegenteil müssen wir tun, wie der Herr Präsident ausgeführt hat, und zwar so umfassend und schnell wie irgend möglich.
Es schmerzt mich allerdings in besonderer Weise, dass wir in aller Regel wohl nur wenige Bücher der rechtmäßigen Besitzerin bzw. dem rechtmäßigen Besitzer werden zurückgeben können. Auch wenn dies nur in Ausnahmefällen möglich sein wird, sollten wir unbeschadet dessen dafür Sorge tragen, dass, soweit es irgend geht, rechtswidrig in öffentlichen Besitz gekommene Bücher ausfindig gemacht und dann in moralisch vertretbare Hände gegeben werden - entweder in die Hände der Nachfahren der Beraubten oder, im Einvernehmen mit den zuständigen Vertretern jüdischen Glaubens, in angemessene Einrichtungen wie z. B. jüdische Bibliotheken oder Gedenkstätten. Für Ostfriesland wäre eine solche Einrichtung gegebenenfalls das einzige erhaltene ostfriesische Synagogengebäude in Dornum, das seit gut zehn Jahren als Gedenkund Informationsstätte dient.
Darüber hinaus möchte ich auch Privatbesitzer sensibilisieren, zu überprüfen, ob sich in deren Bibliotheken eventuell Bücher befinden, die besser zurückgegeben würden, wobei klar ist, dass z. B. auch eine Biblia Hebraica, wie beispielsweise ich
sie besitze, rechtmäßig erworben worden sein kann. Es geht also nicht um voreilige Unterstellung, sondern um Sensibilisierung. Denn erkanntes Unrecht erfordert Konsequenzen in allen Bereichen, nicht als so genannte Wiedergutmachung; diese können wir ernsthaft gar nicht leisten. Aber jede einzelne Rückgabe ist ein Zeichen des guten Willens, nunmehr in Aufrichtigkeit miteinander umgehen zu wollen. Wenn dann die Nachfahren der Geschundenen uns die Chance für eine neue gemeinsame Zukunft eröffnen, die wir nicht einfordern, sondern bestenfalls erbitten können, dann wären nicht sie, sondern wir die wahrhaft unverdient Beschenkten.
Darum lassen Sie uns hier im Parlament unverzüglich gemeinsam die Voraussetzungen dafür schaffen, dass zu Unrecht in den Landesbesitz gekommenes Literaturgut alsbald hergegeben wird - als kleine Geste aufrichtigen Denkens und Handelns gegenüber unseren Mitbürgern jüdischen Glaubens in unserem Land und darüber hinaus.
Ich glaube, wir sind uns einig, dass wir sofort abstimmen. - Ich danke Ihnen, meine sehr verehrten Damen und Herren.
Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Kolleginnen und Kollegen! Im Rahmen meiner früheren Tätigkeit sprach eine ältere Frau, die ich besuchte, den resignierenden, wenn auch nicht zu verallgemeinernden Satz: Een Moder kann woll tein Kinner groot moken, man tein Kinner könen keen Moder umsörgen. - Zu gut Deutsch: Eine Mutter kann wohl zehn Kinder aufziehen, aber zehn Kinder können keine Mutter umsorgen.
Lassen wir diesen sicherlich subjektiven Ausspruch auf uns wirken, so werden wir etwas von der Tiefe des Gefühlsschmerzes spüren, welche zugleich die Abhängigkeit hilfsbedürftiger Menschen von den vermeintlich Starken sehr bewegt zum Ausdruck bringt. Umgekehrt habe ich in zahlreichen Gesprächen die große Dankbarkeit, ja manchmal fast Seeligkeit hilfs- oder pflegebedürftiger Menschen erfahren, wenn sie sich von Familienangehörigen oder Pflegekräften wohltuend umsorgt wussten. Was für den Einzelnen so oder so erfahrbar ist, gilt meines Erachtens für die Gesellschaft insgesamt. Der Grad der Aufmerksamkeit und des Umgangs mit den Schwächsten - also den Kindern, den Bedürftigen, den Kranken und den Alten - ist ein untrüglicher Indikator der Menschlichkeit einer Gesellschaft.
Deshalb möchte ich namens meiner Fraktion mit Nachdruck und im wahrsten Sinne des Wortes von Herzen allen danken, die sich dieser großen gesamtgesellschaftlichen Aufgabe - an welcher Stelle und in welcher Funktion auch immer - annehmen. Eine ganze Reihe von ihnen tut dies zuweilen über Jahre hingebungs- bis aufopferungsvoll. Dieser Dienst ist kaum hoch genug zu würdigen und erfordert daher stetes Bemühen um Optimierung der Rahmenbedingungen.
Weil dieser Bereich diakonischer oder auch sozialer Einbringung für unsere Gesellschaft von solch herausragender Bedeutung ist, hat meine Fraktion die Große Anfrage „Drohender Personalnotstand in der Pflege“ eingebracht. Meine Fraktionskollegin
Frau Schliepack hat schon zu diversen Punkten Stellung genommen. Deshalb möchte ich mich auf wenige beschränken.
Unvertretbar erscheint mir vor allem die Aussage der Landesregierung, mit der sie Prognosen zum künftigen Bedarf als unsicher bezeichnet.
Es gibt Berechnungen, wonach die Zahl pflegebedürftiger Menschen von 1,9 Millionen in 1999 über 2,4 Millionen, 2,9 Millionen bis zu 4,7 Millionen im Jahre 2050 ansteigt. Auch im dritten Bericht der Bundesregierung zur Lage der älteren Generation wird nicht nur darauf hingewiesen, dass immer mehr Menschen ein höheres Alter erreichten, sondern auch darauf, dass damit der prozentuale Anteil pflegebedürftiger Menschen wachse. In Modellrechnungen geht die Bundesregierung für 2030 immerhin auch von 2,2 bis 2,6 Millionen, für 2050 von etwa 4 Millionen Pflegebedürftigen aus.
Wer diese Entwicklung nicht sehen und für sein Handeln nicht bedenken wollte, ginge sowohl hinsichtlich der Finanzierung als auch der Gewinnung entsprechender zusätzlicher Pflegekräfte einem Kollaps entgegen, und dies wäre zumindest sehr fahrlässig, wenn nicht unverantwortlich.
Eingangs sagte ich, dass der Grad der Aufmerksamkeit und des Umgangs mit den Schwächsten ein untrüglicher Indikator der Menschlichkeit einer Gesellschaft ist. Ich bin zuversichtlich, dass dies parteiübergreifend so gesehen wird.
Dann aber sind wir dringend aufgerufen, alles zu tun, um den erwiesenen unerträglichen Mangel an Pflegekräften abzustellen.
Ein zweiter für mich wesentlicher Punkt ist die weitere Begleitung der Pflegedienst Leistenden. Vor allem ist eine solche Begleitung für die privat Pflegenden erforderlich, wie aus dem dritten Bericht der Bundesregierung zur Lage der älteren Generation ersichtlich ist. Dort heißt es u. a.: „Hilfe und Unterstützung zu leisten und zu empfangen kann für alle Beteiligten erhebliche Belastungen beinhalten. Dies wird insbesondere in der familiären Pflege sichtbar.“ Neun von zehn Angehörige kennzeichneten diese Aufgabe als belastend, 48 % sogar als sehr stark belastend.
Neben einer Reihe von Gründen werden auch mangelnde institutionelle Unterstützung sowie eine Überforderung durch die Pflegesituation beklagt, die zu überdurchschnittlich hohen Depressionswerten führen, welche schließlich aber auch in Aggression und Gewalt in der Familienpflege ausufern können. Es wird davon ausgegangen, dass in Deutschland jährlich ca. 340 000 Menschen zwischen 60 und 75 Jahren von physischer Gewalt betroffen sind. Abgesehen davon, dass uns dieser Umstand schon der betroffenen Menschen wegen nicht gleichgültig sein kann, ist hier intensive begleitende Hilfe unbedingt erforderlich, weil ansonsten Folgeschäden erheblichen Ausmaßes sowohl für die zu pflegenden als auch für die pflegenden Personen unausweichlich sind, im Grunde auch eine Art präventiver Maßnahmen.
Verehrte Kolleginnen und Kollegen, menschenwürdige Pflege ist weit mehr als ausschließlich „technische Versorgung“.
Sie muss ganzheitlich sein, an Körper und Seele.
Auf zukünftig sicherlich stärker erforderlich werdende Arbeitsbereiche kann ich der Kürze der Zeit wegen nicht eingehen. Ich nenne daher als Stichwort hier nur das wichtige Arbeitsfeld „Sterbebegleitung“ und komme damit zum Schluss. Die vorhandenen Potenziale reichen dafür auch bei bestem Bemühen der Pflegenden bei weitem nicht aus. Hiervor dürfen wir weder die Augen verschließen noch die Situation schönreden. Wir müssen sie als Pflegenotstand erkennen, um sodann energische Schritte zu ergreifen, den betroffenen Menschen zu helfen.
Ein erster Schritt wäre, den enormen bürokratischen Aufwand abzubauen und die frei werdenden personellen wie finanziellen Ressourcen in die ganzheitlich zuwendende Pflege einzubringen. Das sind wir denen schuldig, die diesen wichtigen Dienst für unsere Gesellschaft leisten, und denen, die auf diesen unentbehrlichen diakonischen oder auch sozialen Dienst angewiesen sind, um menschenwürdig leben zu können, worauf sie einen unverrückbaren Anspruch haben - bis zum letzten Atemzug in ihrem Leben. - Danke sehr.
Frau Ministerin, was gedenkt die Landesregierung zu unternehmen, um die Landkreise über ihre Möglichkeiten bezüglich des § 49 Abs. 2 des Verwaltungsverfahrensgesetzes aufzuklären?
Frau Ministerin, ich frage Sie: Wie wird sich nach Auffassung der Landesregierung der Mittelbedarf für die Förderung der Investitionskosten von Pflegeheimen bis 2010 entwickeln?
Ich frage Sie: Wie wird sich nach Auffassung der Landesregierung der Mittelbedarf für die Förderung der Investitionskosten von Pflegeheimen bis 2010 entwickeln?
Frau Präsidentin! Verehrte Kolleginnen und Kollegen! In der Niedersächsischen Verfassung heißt es im Artikel 3, der sich mit den Grundrechten befasst, am Schluss von Absatz 2:
„Die Achtung der Grundrechte, insbesondere die Verwirklichung der Gleichberechtigung von Frauen und Männern, ist eine ständige Aufgabe des Landes, der Gemeinden und Landkreise.“
Es ist davon auszugehen, dass im Jahre 1999 mindestens 15 867 Frauen durch Männer in Familien Gewalt angetan worden ist. Damit ist das Grundrecht auf körperliche und psychische Unversehrtheit gröblich verletzt worden. Es steht für meine Fraktion außer Frage, dass alle geeigneten Mittel
ergriffen werden müssen, diesem Grundrecht, so weit es nur irgend geht, Geltung zu verschaffen.
Gerade die Betroffenheit über die zugegebenermaßen nicht direkt vergleichbaren furchtbaren Vorgänge in den USA sollte uns für diesen Bereich noch stärker sensibilisieren, als dies ohnehin erwartet werden dürfte. Denn jede Gewalttat, ob gegen Frauen, Kinder oder auch Männer, ist eine Untat zu viel. Da es, so fürchte ich, noch irgendwo einige ewig Gestrige geben könnte, füge ich unmissverständlich hinzu: Abgesehen von im Einzelfall nicht auszuschließender Notwehr ist auch die geringste Anwendung von Gewalt eines Mannes gegenüber einer Frau kein „Kavaliersdelikt“, sondern die eklatante Verletzung der Menschenwürde ist ausnahmslos zu ächten. Sie gilt es ausnahmslos und unnachgiebig zu ahnden.
Insofern ist die fraktionsübergreifende Beschlussempfehlung des Ausschusses für Gleichberechtigung und Frauenfragen überfällig, steht sie doch, wenn nicht unmittelbar, so doch mittelbar in Kontinuität auch der Bemühungen meiner Fraktion. Ich darf u. a. an den Entschließungsantrag der Union vom 4. November 1995 erinnern. Damals ging es zunächst um eine Perspektiverweiterung dergestalt, neben der Hilfe für die weiblichen Opfer auch die Prävention in den Blick zu nehmen, welche beim männlichen Täter ansetzt. Seinerzeit wurde auch bereits auf eine Konzeption für ein Interventionsprojekt in Berlin verwiesen. Um der Gewalt gegen Frauen umfassend begegnen zu können, sind meines Erachtens auch heute alle Wege zu beschreiten: Prävention, Intervention sowie erforderlichenfalls entschiedene Ahndung. Wegen der Kürze der Zeit möchte ich zur Prävention nur einige wenige Anmerkungen machen.
Erstens. Wir sind uns gewiss einig, dass der erste Schritt mit der Erziehung zur Gewaltlosigkeit zu tun ist, und zwar nicht nur in der Schule, sondern auch im Elternhaus. Hier besteht jedoch offenbar inzwischen zuweilen die Notwendigkeit, sowohl das Verantwortungsbewusstsein als auch die Fähigkeit zu entsprechender Erziehung zu fördern.
Zweitens. Wann endlich werden wir dahin kommen, die Gewaltverherrlichung in den Medien wirksam einzudämmen? Meines Erachtens gibt es inzwischen hinreichend Untersuchungen, welche die Negativauswirkungen solcher Sendungen belegen.
Drittens. Müssen wir es hinnehmen, dass „Popstars“ durch ihre vermeintlichen „Hits“, wenn sie darin Gewalttätigkeit besingen, auf Kosten späterer Opfer reich werden? Als womöglich noch harmloses Beispiel - ich fürchte, es gibt weit schlimmere führe ich einen Titel der so genannten Ärzte an, den ich bisher nicht in den Mund genommen habe. Er heißt: „Manchmal haben Frauen ein kleines bisschen Haue gern.“ Solange wir so etwas noch erdulden müssen, kann ich darauf nur mit Versen aus dem Song „Anonyme Opfer“ der Popgruppe „Pur“ entgegnen: „Männer sind die Täter, rücksichtslos, gemein. Manchmal ist es schwer, sich nicht zu schämen, ein Mann zu sein.“
Zur Intervention an dieser Stelle entsprechend wenige, aber deutliche Anmerkungen: Da wir, wie eingangs ausgeführt, alle geeigneten Mittel ergreifen müssen, dem Grundrecht auf Unversehrtheit Geltung zu verschaffen bzw. dessen Missachtung zu ahnden, unterstützen wir nach wie vor die weitere und natürlich alsbald flächendeckende Einrichtung von Interventionsprojekten, in welchen alle in Frage kommenden Institutionen, die aufzuzählen ich Ihnen und mir hier erspare, zusammenarbeiten. In diesem Zusammenhang setzten und setzen wir uns daher auch für den Erhalt des Männerbüros ein, welches nach einem Artikel der HAZ vom 28. November 2000 um seine Existenz bangt. Denn nach Ausführungen von Mitarbeitern ist die Wahrscheinlichkeit des Rückfalls gewalttätig gewordener Männer durch die Arbeit der Büros deutlich geringer, sodass Täterarbeit auch Opferschutz sei. Wo aber Täterarbeit zu kurz greift - um dies ebenso klar noch einmal zu unterstreichen -, muss der Täter sanktioniert werden, wozu im konkreten Fall auch das Instrument der Wohnungswegweisung vorzusehen ist.
Ferner plädiere ich dafür, dass der Ahndungsgrad von Gewalt- und Sexualstraftaten der Schwere der Tat entsprechend angemessen sein muss. Zuweilen scheint mir das heute bei weitem nicht der Fall zu sein.
Wiederholungstäter dürfen keine Möglichkeit finden, für weitere Untaten Freiraum zu erhalten.
Dies würde eine erneute Entwürdigung der Opfer sowie eine erneute fahrlässige Gefährdung dersel
ben oder anderer Frauen bedeuten, die wir nicht zulassen dürfen.
Zur Verdeutlichung weise ich auf Folgendes hin: Unter den vergewaltigten oder sonstiger Brutalität ausgesetzten Frauen sind nicht wenige lange Zeit, manchmal ihr Leben lang körperlich und/oder seelisch verletzt bis zur dauerhaften Zerstörung ihrer Würde, ihres Lebensplanes und ihre Lebensfreude, sodass ihre Gefühlswelt in einem äußerlich noch funktionierenden Körper quasi erstickt, um nicht zu sagen, gemordet wurde.
Gerade als Mann bitte ich Sie, sehr geehrter Herr Justizminister, die Schwere des Handels juristisch entsprechend viel stärker zu gewichten, bitte ich Sie, sehr geehrte Frau Familienministerin, effektivere Hilfen für Familien vorzusehen, wo Erziehungsarbeit - aus welchen Gründen auch immer nicht hinreichend gelingt, bitte ich die Frau Kultusministerin, in den Schulen mehr Raum zu geben für die Vermittlung menschenwürdigen Lebens miteinander, fordere ich Sie, sehr geehrte Frau Dr. Trauernicht, als Frauenministerin auf: Kommen sie mit dem Aktionsplan des Landes Niedersachsen nicht weiter in Verzug. Verzichten Sie bei den einzurichtenden Interventionsstellen auf Modellvorhaben, da wir auf Erkenntnisse aus anderen Ländern zurückgreifen können und die Zeit drängt. Richten Sie vielmehr die Stellen, dem Erfordernis Rechnung tragend, landesweit deutlich zahlreicher ein als geplant. Sparen Sie gerade in diesem Fall Ballungsräume nicht aus. Schließlich bitte ich den Herrn Finanzminister, so sehr wir die vorgesehene Bereitstellung der Mittel in Höhe von 570 000 Euro würdigen, er möge für die erforderlichen Maßnahmen zur Errichtung bzw. für den Fortbestand von Männerbüros zur Minderung von Gefahren für bedrohte Frauen weitere Mittel zur Verfügung stellen.
Dass diese Mittel, verehrte Frau Kollegin Pothmer, nicht aus dem Etat des Frauenministeriums zu bestreiten sind, brauche ich gewiss nicht weiter auszuführen. Da sind wir uns völlig einig. Aber ebenso sehr sind wir uns einig, dass diese Arbeit unbedingt getan werden können muss, und zwar im Interesse der Leidtragenden.
Die Bekämpfung der Männergewalt ist eine klassische umfassende Querschnittsaufgabe, die mit dieser Beschlussempfehlung hoffentlich und endlich aus der Nische stärker in den Mittelpunkt ge
rückt wird. Seien Sie versichert, um der Frauen und Familien willen, die viel zu lange gelitten haben und leiden, wird meine Fraktion daran mitarbeiten, das Menschenmögliche zu tun, um - sehr vorsichtig gesprochen - dieser völlig inakzeptablen Handlungsweise Einhalt zu gebieten. - Ich danke Ihnen.
Herr Präsident! Meine sehr geehrten Kolleginnen und Kollegen! Wegen der Kürze der zur Verfügung stehenden Zeit erkläre ich für meine Fraktion, dass ich inhaltlich mit meinen Vorrednern konform gehe. Da es sich um einen gemeinsamen Antrag aller Fraktionen des Hohen Hauses handelt, versteht es sich von selbst, dass wir diesem Antrag zustimmen und dies natürlich auch bei der anstehenden sofortigen Abstimmung tun werden. Wir tun dies des Inhalts des Antrages wegen, und wir tun dies, um der Erklärung unseres Präsidenten auch das Fundament der Meinung des Parlaments als Vertretung des Volkes zu geben und ihr somit gemeinsam Nachdruck zu verleihen.
Weil in der Sache Einigkeit besteht, möchte ich hier noch einmal Gelegenheit nehmen, das Augenmerk auf die leidvoll betroffenen ehemaligen
Zwangsarbeiterinnen und Zwangsarbeiter zu lenken. Der Kollege Schröder hat schon zu Recht gesagt, dass man diese in der Debatte im Grunde zu wenig im Blick hat.
Da sind zunächst einmal diejenigen, die zur Zeit der nationalsozialistischen Zwangsherrschaft und nach dem Krieg keine Hoffnung darauf haben konnten, dass das ihnen widerfahrene Unrecht offiziell benannt würde, geschweige denn, dass ihnen ein Zeichen der Reue wiederführe.
Ihr Lebenslicht, das Lebenslicht Ungezählter, war zuvor erloschen, so wie symbolhaft diese Kerze, die ich hier in der Hand habe, nicht brennt. Für sie können wir gar nichts mehr tun. Wir können nicht einmal mehr stellvertretend um Vergebung bitten, wenigstens diesen Menschen gegenüber nicht. Doch sollten wir ihrer heute zumindest mit gedenken. Das möchte ich hier auch zeichenhaft tun, indem ich ihnen diese mit Trauerflor versehene Rose widme.
Für die im Jahre 1998 noch etwa 1 Million Lebenden begann zaghaft ein Licht der Hoffnung zu leuchten, indem das ihnen widerfahrene Unrecht nicht nur offiziell benannt und erkannt wurde, sondern auch die Bereitschaft wuchs, zumindest ein materielles Zeichen der Reue in Form der in Aussicht genommenen Entschädigungen zu geben. Jetzt, nach etwa drei Jahren - es ist richtig: das ist viel zu lang, 1 000 Tage zu lang -, sind wir dem Ziel, dass es in absehbarer Zeit zur Auszahlung kommen könnte, anscheinend nahe.
Doch wenn wir davon ausgehen, dass wegen des hohen Alters der Personen zwischenzeitlich tagtäglich mindestens etwa 200 von ihnen verstorben sind, so heißt dies, dass für etwa 220 000 von ihnen das Lebenslicht erloschen ist, ohne dass sich ihre Hoffnung erfüllt hätte. Das schmerzt mich ganz besonders; denn auch für sie können wir nichts anderes mehr tun, als ihrer heute noch einmal zu gedenken. Ihr Lebenslicht ist erloschen.
Gern würde ich jetzt stellvertretend ein Bußgebet sprechen. Um aber niemanden zu vereinnahmen, werde ich das später in der Stille tun.
Das Licht der Hoffnung brennt also allein für die noch Lebenden. Doch selbst während dieser nur 15-minütigen Debatte werden zumindest statistisch schon wieder zwei oder drei von ihnen sterben. Deshalb richten wir mit allen hier im Parlament Versammelten den nochmaligen dringenden Appell an all diejenigen, die die Auszahlung bewirken
können: Verlieren Sie, nachdem seit zwei Monaten die Gelder endlich bereit stehen, nicht noch mehr Zeit! Allein seit Mitte März dürften mindestens etwa weitere 12 000 Empfangsberechtigte verstorben sein.
Auch wenn die Oppositionsparteien der Regierung in anderen Bereichen natürlicherweise kontrovers gegenüber stehen mögen, so gehen wir hier selbstverständlich davon aus, dass unser Ministerpräsident - da er zurzeit leider nicht hier ist, spreche ich Sie, Frau stellvertretende Ministerpräsidentin, an bzw. Sie, Frau stellvertretende Ministerpräsidentin, das Ihre dazu tun werden, dass die nunmehr überfälligen Auszahlungsvoraussetzungen endlich geschaffen werden. Wir bitten Sie im Interesse der Betroffenen - sofern dies nicht schon durch Sie geschehen ist -: Setzen Sie sich dafür ein, dass umgehend vorbereitende Maßnahmen getroffen werden, um tatsächlich alsbald nach Feststellung der Rechtssicherheit die Auszahlung unbürokratisch erfolgen zu lassen!
Dies schließt unseres Erachtens die Planung ein, den Deutschen Bundestag gegebenenfalls zu einer Sondersitzung zusammentreten zu lassen; denn allein bis Ende Juni dieses Jahres werden weitere 8 000 Empfangsberechtigte versterben, was einem Auszahlungsvolumen von etwa 80 Millionen DM entsprechen dürfte. Dem dürfen Kosten für eine eventuelle Bundestagssondersitzung nicht entgegenstehen.
Bitte gestatten Sie, sehr verehrte Frau stellvertretende Ministerpräsidentin, dass ich Ihnen daher gleich als Zeichen dafür, dass kein einziger weiterer Tag mehr ungenutzt verstreichen darf, beide Symbole, das der Trauer wie das Hoffnung, überreiche mit dem Wunsch, diese den Entscheidungsträgern übergeben zu wollen - wir können jetzt ja wirklich nichts mehr tun; sie, die Entscheidungsträger, sind dran -, um ihnen vor Augen zu führen, wie nahezu im Minutentakt die Zahl derer, die noch hoffen kann, geringer wird. Möge aber wenigstens aus dem vergleichsweise kleinen Kreis der noch lebenden Empfangsberechtigten für möglichst viele von ihnen das Licht der Hoffnung seine Erfüllung finden im Empfang des ja ebenfalls nur symbolischen finanziellen Betrages - als Zeichen der Reue und Bitte um Versöhnung.
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Kolleginnen und Kollegen! Ich finde es ebenso wie meine Vorredner nicht nur bedauerlich, sondern auch beschämend, dass diese Debatte heute überhaupt stattfinden muss. Der Ministerpräsident hatte im Rahmen der Debatte zur Entschädigung von Zwangsarbeiterinnen und Zwangsarbeitern am 28. Januar dieses Jahres auf Pressemitteilungen verwiesen, wonach die Stiftungsinitiative damit rechne, bis zum Frühsommer dieses Jahres die benötigten Beträge zusammenzubekommen. Es ist aber offenbar bislang leider noch nicht gelungen, allen in der Wirtschaft Verantwortlichen einsichtig zu machen, dass es in der Frage um die Beteiligung an der Stiftungsinitiative nicht um eine beliebige Aktion des guten Willens, sondern darum geht, sich bewusst der Verantwortung zu stellen, die infolge der nationalsozialistischen Zwangsherrschaft bleibend schwer auf uns allen lastet. Dieser Verantwortung kann sich niemand entziehen. Denn solange die Entschädigungsfrage ungeregelt bleibt, gibt es keinen Weg aus der ausschließlichen „Trauer“, um das aus meiner Sicht milde Wort des Herrn Andor Izsák zu gebrauchen, das er anlässlich der letzten Gedenkstunde für die Opfer des Nationalsozialismus Anfang des Jahres verwandte. Der Tag ist überfällig - auch das ist gerade von den Vorrednern unterstrichen worden -, an welchem diese so entscheidende Frage geregelt wird. Jeder muss das Seine tun, um ihn alsbald herbeizuführen.
Wir brauchen diesen Tag schnellstmöglich, und zwar als Tag der Hoffnung für eine versöhnende Zukunft. Deshalb ist es schmerzlich, dass wir diesen Tag bislang immer noch nicht erreicht haben. Aber es sind immerhin gewisse Schritte auf ihn hin gemacht worden. Von den 10 Milliarden DM staatlicherseits einzubringenden Geldern werden Gelder in Höhe von 5 Milliarden DM offenbar bereitgehalten. Die erste Tranche in Höhe von 2,5 Milliarden DM ist eingezahlt, und die zweite in gleicher Höhe wird für Dezember annonciert. Seitens der deutschen Wirtschaft stehen mittlerweile 3,32 Milliarden DM, eingebracht von 4.740 Firmen, zur Verfügung. Immerhin haben sich inzwischen 344 niedersächsische Firmen an der Stiftungsinitiative beteiligt. Das ist nicht hinreichend, aber doch nennenswert. Damit sind seitens der Wirtschaft etwa zwei Drittel des erforderlichen Betrages zusammen. Umso wichtiger ist es, dass auch das letzte Drittel alsbald eingebracht wird, um zum Ziel zu kommen, welches um der Opfer willen nicht in die Ferne entrückt werden darf, sondern besser heute als morgen erreicht werden muss.
In unser aller Interesse, aber auch im Interesse der Betriebe, die sich bislang nicht der Stiftungsinitiative angeschlossen haben, hoffe ich sehr, dass dies nicht als grundsätzliche Verweigerung von ihnen interpretiert werden muss, sondern als zögerliche Haltung wegen womöglich befürchteter Rechtsunsicherheit, ob nach erfolgter Zahlung nicht doch noch Folgeklagen zu befürchten sind. Solche Firmen fordere ich namens meiner Fraktion mit Nachdruck auf, alsbald den entscheidenden Schritt vom zögerlichen Abwarten hin zum entschieden verantwortungsvollen Handeln zu tun, denn bekanntlich - Herr Schröder hat es auch vermerkt hat der Bundesrichter in New Jersey 46 Sammelklagen gegen deutsche Industrieunternehmen zurückgewiesen, da sie wegen des von der US-Regierung abgegebenen „Statement of Interest“ nicht im Interesse der Vereinigten Staaten liegen.
Damit ist ein wesentlicher Schritt zur Rechtssicherheit getan, welchem die anderen umso eher folgen dürften, je schneller die noch ausstehenden 1,68 Milliarden DM beigebracht werden. Wenn ich von verantwortungsvollem Handeln der noch zögernden Unternehmen spreche, so deshalb, weil sie sich nach Informationen, die mir aus Berlin gegeben wurden, darüber im Klaren sein müssen,
dass die bereits erfolgte Abweisung von Klagen wieder aufgehoben werden kann, wenn der vereinbarte Beitrag nicht in absehbarer Zeit zusammenkäme. Dies kann ernsthaft nicht im Interesse auch nur eines einzigen Unternehmens liegen. Viel weniger noch ist es im Gesamtinteresse unseres Volkes, das weiterhin mit allen negativen Begleiterscheinungen mit dem Vorwurf leben müsste, die Augen vor der dunkelsten Seite seiner Geschichte zu verschließen, anstatt dazu zu stehen, ein Zeichen konkret erfahrbarer Reue zu geben - mehr ist es nämlich nicht; Herr Plaue, ich bin mit Ihnen einer Meinung, dass der Betrag für den Einzelnen wahrscheinlich äußerst gering sein dürfte - und den möglichen gewiesenen Weg zur Versöhnung zu beschreiten. Vor allem aber würden gerade die noch wenigen lebenden Opfer ein weiteres Mal zutiefst gedemütigt. Dies dürfen wir um deren Würde, die viel zu lang ignoriert wurde, nicht zulassen.
Es gibt Stimmen, die darauf verweisen, dass auch Teilen unseres Volkes Unrecht wiederfahren ist. Niemand wird das ausblenden wollen. Aber man kann Unrecht nicht gegen Unrecht aufrechnen, man darf Ursache und Folge nicht gleichsetzen, und man darf sich seiner eigenen Pflicht zur Reue im Falle erkannten Unrechts nicht entziehen, denn sonst würde man sich nicht nur der Gesamtverantwortung entziehen, sondern unerträglich weitere Schuld auf das Volk und auch neue auf sich selbst laden. Es gibt kein Entrinnen aus der Verantwortung, vor allem dann nicht, wenn sie schwer ist.
Im zweiten Buch Mose Kapitel 34 Vers 7 heißt es, dass Gott die Missetat der Väter an Kindern und Kindeskindern bis ins dritte und vierte Glied heimsucht. An unserer Generation ist es, die Schuld, die durch die Untaten der nationalsozialistischen Gewaltherrschaft entstand, im Rahmen des uns Möglichen abzutragen, auch wenn wir sie nicht verursacht haben, um sie nicht auch noch weiteren Generationen aufzubürden. Deshalb halten auch wir von der Union es für geboten, dass der Niedersächsische Landtag alle Zögernden in der niedersächsischen Wirtschaft eindringlich erneut auffordert, der Stiftungsinitiative zum Erfolg zu verhelfen. Gemeinsam mit allen Fraktionen des Hohen Hauses fordern wir die Landesregierung auf, entsprechende Initiativen weiterhin zu ergreifen, wobei die Veröffentlichung einer Negativliste auch im meiner Fraktion kritisch gesehen wird und wir insofern mit dem Votum des Herrn Wirtschaftsmi
nister konform gehen. Die anstehenden weiteren Beratungen sollten aber nochmals unterstreichen, dass sich Sozialdemokraten, Bündnis 90/Die Grünen und die Union im Ziel einig sind, um so mit einem unübersehbaren Signal die noch Unentschlossenen zum entscheidenden Schritt zu bewegen. Denn an für die Wirtschaft aufs Ganze gesehenen vergleichsweise geringen 1,68 Milliarden DM darf das große Versöhnungswerk nicht scheitern.
Abschließend möchte ich auf unsere Jugend verweisen, die meines Erachtens in vorbildlicher Weise den Entscheidungsträgern den Weg weist. Ungezählte Jugendliche haben sich bar jeder eigenen Schuld in der Aktion Sühnezeichen engagiert, um von Deutschland Zeichen der Reue und Werke des Friedens ausgehen zu lassen. Dieses freiwillige Engagement oft vergleichsweise mittelloser Jugendlicher darf nicht konterkariert werden. Es muss all denen, die aufgerufen sind, der Stiftungsinitiative Gelder zur Verfügung zu stellen, ein eindringliches Beispiel sein, die zugegeben schwere Last der Vergangenheit gemeinsam zu tragen, um nicht von ihr erdrückt zu werden, sondern sie zu bewältigen und so, nur so neue Perspektiven zu eröffnen. - Danke schön.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Die Antwort von Herrn Umweltminister Jüttner auf die Anfrage vom 18. April 2000 hat in der Öffentlichkeit, insbesondere auf der betroffenen Insel Juist, zu einer erheblichen Verunsicherung in der Bevölkerung geführt. Besonders verärgert ist man über die in der Antwort deutlich werdende bewusst vernachlässigte Pflege des Südhellers.
Mühsam gewonnene und gesicherte Flächen für den Küsten- bzw. Insel- und Menschenschutz mit bereits sichtbaren Schäden für den Bestand der Insel Juist bleiben unbeachtet und werden zur akuten Bedrohung der Menschen.
Dabei sind die genannten dynamischmorphologischen Gestaltungsvorgänge maßgebend für die seit Jahrhunderten zu beobachtenden Wanderungen der Ostfriesischen Inseln von West nach Ost und am Beispiel Juist von Nord nach Süd. Für Juist ist nachweislich eine Nord-Süd-Verlagerung festgestellt, wobei es in den vergangenen Jahrhunderten bis heute zu einer Verlagerung um fast eine komplette Inselbreite gekommen ist.
Es hat keine Erosion der Hellerkanten gegeben, solange das ebenfalls seit Jahrhunderten in Ostfriesland praktizierte Grüppen und Schlengen beibehalten wurde.
Das natürliche Geschehen der Hellerbildung wurde so durch Entwässerung und Landgewinnung vorangetrieben.
Erst durch das Anlegen von Betonlahnungen haben sich Strömungsgeschwindigkeiten verändert, und es ist zu Wirbelbildungen gekommen, insbesondere im Bereich des Flugplatzes.
Während Begrüppen und Schlengen das natürliche Wachsen eines Hellers und damit den Inselschutz am Beispiel Juist im Süden gewährleisten, stellen das Vernachlässigen der Hellerpflege sowie die
Abkehr von der Schlengenbauweise auf längere Sicht eine akute Gefahr für den Bestand der Insel dar. Dies gilt ebenso für die gesamte ostfriesische Küste mit den vorgelagerten Inseln.
Schlengenfelder führen zu erhöhter Sedimentation und haben somit eine bessere Schutzfunktion wegen des hydrodynamischen Übergangs zwischen Watt und Heller.
Die umfassende Begrüppung führt zur besseren Entwicklung eines Hellers und bietet Tieren und Pflanzen Lebensraum und kann vor allem dem auf Juist verbreiteten Nutztier Pferd ausreichende Beweidungsmöglichkeiten bieten. Damit wird auch einer Motorisierung der Insel vorgebeugt.
Insofern ist die Antwort auf die Anfrage vom 18. April 2000 in sich unschlüssig, widersprüchlich und in Teilen fachlich infrage zu stellen.
Wir fragen die Landesregierung:
1. Ist sie aufgrund der tatsächlichen Wanderungsvorgänge der Insel Juist in Nord-Süd-Richtung bereit, auf diese Wanderungsvorgänge mit entsprechenden Maßnahmen zu reagieren?
2. Ist sie bereit, diesbezüglich solide fachliche Untersuchungen vornehmen zu lassen und dabei vorhandene Erfahrungswerte einzubeziehen?
3. Wird sie - abhängig vom Untersuchungsergebnis - bereit sein, den Inselschutz für Juist und zugleich für den gesamten Küstenschutz neu zu überdenken? - Schönen Dank.
Herr Präsident! Meine sehr geehrten Kolleginnen und Kollegen! Frau Pothmer, es ist sicherlich richtig, dass dies als ein Schwerpunkt der Wirtschaftsförderung anzusehen ist. Dennoch möchte ich mein Hauptaugenmerk auf die Erwerbslosigkeit richten. Denn die Erwerbslosigkeit ist in ihrem seit langem bestehenden enormen Ausmaß eine der schlimmsten Geißeln unserer Zeit, mit all ihren negativen Begleiterscheinungen in den verschiedensten Bereichen, auf welche ich wegen der Kürze der Zeit nicht eingehen kann, die aber bekannt und in diesem Problemfeld stets mit zu bedenken sind.
Wollen wir ihr, der Geißel Erwerbslosigkeit, nicht erliegen - ich bin überzeugt, niemand in diesem Hause will das -, so kann unsere Antwort angesichts der sich geradezu atemberaubend verändernden Situation auf dem Arbeitsmarkt nur lauten: Bildung, Ausbildung und Fortbildung so qualifiziert, intensiv und weiterführend wie nur irgend möglich. Wo, wenn nicht hier, wären Initiativen, Energien und Gelder ebenso sinnvoll wie verantwortungsbewusst eingebracht? - Ich danke der Frau Ministerin für ihre Ausführungen, die ja
schon die Bereitstellung der Gelder angekündigt hat.
Im Interesse jeder und jedes Einzelnen wie auch des Gemeinwohls ist daher jede Initiative im Rahmen der sozialen und ökologischen Marktwirtschaft zu begrüßen, welche der Geißel Erwerbslosigkeit Einhalt gebietet, insbesondere dann, wenn sie sowohl bisher Erwerbslosen als auch Erwerbstätigen zugute kommt.
Die jeweiligen Mitglieder meiner Fraktion haben daher bereits in den verschiedenen Ausschussberatungen ihre Voten in dem Sinne abgegeben, dass wir dem Entschließungsantrag zur JobRotation zustimmen werden, und dies aus mehreren Gründen, von denen ich drei wesentliche benennen möchte.
Erstens. Durch die Verzahnung mit vornehmlich kleinen und mittelständischen Unternehmen besteht die Möglichkeit der konstruktiven, arbeitsmarktgerechten Hilfeleistung und Hilfestellung sowohl zur weiteren Qualifizierung im Berufsleben stehender Frauen und Männer als auch die des ersten Schrittes zur Eingliederung oder Wiedereingliederung derer, die ihren Arbeitsplatz verloren haben oder noch gar keinen bekamen. Dadurch, dass JobRotation weder an Betriebsgrößen noch an Ballungsregionen gebunden ist und in nahezu allen Branchen durchgeführt werden kann, ist sie insbesondere auch ein Instrument der arbeitsmaktpolitischen Förderung im ländlichen Raum, welches für einen Flächenstaat wie Niedersachsen als besonderes Kriterium herausragende Beachtung verdient.
Zweitens. JobRotation ist nach meinem Dafürhalten mehr, als der Begriff an sich vermuten lässt. Denn wer sich auf diesen Prozess einlässt, verharrt nicht auf demselben Niveau. Der Betrieb erlangt größere Wettbewerbsfähigkeit. Die bislang schon in dem Betrieb tätige Person erlangt eine höhere Qualifikation und festigt somit zumindest den bisher innegehabten Arbeitsplatz, eventuell erreicht sie damit sogar einen höherwertigen. Die „Stellvertreterin“ oder der „Stellvertreter“ tritt neu oder wieder in das Erwerbsleben ein und verschafft sich somit zumindest eine bessere Ausgangssituation für neue Bewerbungen, womöglich aber auch für den ersten oder einen neuen Arbeitsplatz. Die Arbeitsmotivation wie auch das Selbstwertgefühl dürften in einem nicht zu unterschätzenden Grad gesteigert werden, was wiederum auf vielfältige
Bereiche des persönlichen wie des gesellschaftlichen Lebens positiv ausstrahlt.
Von daher ist JobRotation mehr als nur ein Rotieren. Nach meinem Verständnis ist sie - ein besserer Begriff ist mir leider bislang nicht eingefallen eine positive arbeitsmarkt- und gesellschaftspolitische Spirale, welche allen Beteiligten die Möglichkeit des Zutritts in eine neue Ebene eröffnet.
Drittens. Als Mitglied des Ausschusses für Gleichberechtigung und Frauenfragen und - wenn ich diese persönliche Fußnote mit einfließen lassen darf - als Vater von drei Töchtern und zwei Söhnen scheint mir JobRotation ein überaus geeignetes und daher begrüßens- wie auch unterstützenswertes Instrument zur Erhöhung der Chancen von Frauen auf dem Arbeitsmarkt zu sein.
Da hier meines Erachtens leider immer noch erheblicher Nachholbedarf besteht - man könnte trotz seit Jahrzehnten bestehender Gleichberechtigung auch von einem immer noch zu beklagenden und daher nach weiterem Abbau verlangenden Chancenmalus sprechen -, wäre dieses Argument allein schon hinreichend, um sich mit allem Nachdruck für die Förderung von weiteren JobRotationsProjekten einzusetzen. Vor dem Hintergrund dieser Überlegungen möchte ich die Aktivitäten der CarlDuisberg-Gesellschaft würdigen, welche meines Erachtens auf diesem Gebiet in unserem Land wahrhaft Pionierarbeit geleistet hat.
Die zur Abstimmung anstehende Entschließung würde bei einer Annahme dieser Würdigung konkrete Ausgestaltung verleihen, eben indem der Landtag die Landesregierung auffordert, weitere JobRotations-Projekte zu initiieren, wobei hier nach den Worten der Ministerin alle Möglichkeiten ausgeschöpft werden sollen, damit die entsprechenden Mittel bereitgestellt werden, was wir mit Nachdruck unterstützen, mit den infrage kommenden Partnern entsprechende Rahmenbedingung zu vereinbaren und auf Bundesratsebene darauf hinzuwirken, dass Stellvertreterinnen und Stellvertreter ihrer Tätigkeit entsprechend entlohnt werden und Arbeitsverträge erhalten.
Abschließend läge mir sehr daran, dass erstens die zur Verfügung gestellten Mittel nicht zu sehr ei
nem wie auch immer gearteten „Organisationsapparat“, sondern im Wesentlichen tatsächlich den Betroffenen zugute kämen, dass zweitens aus zuvor dargelegten Gründen vor allem auch frauenfördernde Projekte eingerichtet würden und dass wir mit dieser Entschließung drittens möglichst viele niedersächsische Betriebe und Personen ermutigten - die Frau Ministerin hat von den Schwierigkeiten gesprochen -, sich den JobRotatations-Projekten zu öffnen, und zwar nicht nur auf den „offiziellen“ Wegen, sondern auch durch persönliche Gespräche in unseren jeweiligen Wahlkreisen vor Ort. Dann müsste es gelingen, JobRotation - wie Frau Pothmer es sagte - aus dem Schattendasein heraus- und flächendeckend als das einzuführen, was es aufgrund der bekannten Erfahrungen offensichtlich ist: ein hervorragendes Instrument positiver arbeitsmarktpolitischer Entwicklung, das den bislang erwerbslosen wie erwerbstätigen Frauen und Männern wie auch den Betrieben zugute kommt und somit in der Summe letztlich unserer Gesellschaft. - Haben Sie herzlichen Dank für Ihre geschätzte Aufmerksamkeit.
Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Kolleginnen und Kollegen! Als wir am 16. Juli 1998 die damals vorliegenden Anträge der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen und der Fraktion der SPD zu diesem Thema berieten, habe ich die Zustimmung meiner Fraktion signalisiert und der Hoffnung Ausdruck verliehen, dass es zu einer gemeinsamen Entschließung kommen möge, die von allen drei Fraktionen des Niedersächsischen Landtages getragen werde. Dies gilt heute wie damals.
Zu den ethisch-moralischen Aspekten habe ich seinerzeit Stellung genommen, indem ich u. a. ausführte, dass die Würde von Millionen von Menschen in der finsteren Zeit der nationalsozialistischen Gewaltherrschaft nicht nur angetastet oder missachtet worden sei, sondern dass sie darüber hinaus mit deren Leben systematisch ausgerottet oder von ihren noch lebenden Körpern skrupellos abgerissen worden sei.
Im Hinblick auf die Entschädigungszahlungen habe ich deren Erfordernis unter Hinweis auf die Notwendigkeit konkret erfahrbarer Reue beschrieben.
Im Zusammenhang mit der heutigen Beratung ist es mir eingangs ein dringendes Bedürfnis, zu den ungeheuerlichen Vorgängen in Hessen bezüglich angeblicher Vermächtnisse zumindest kurz Stellung zu nehmen. Ich sage Ihnen ebenso offen wie betroffen: Nicht im Traum hätte ich es für möglich gehalten, dass eine solche Verwerfung überhaupt gedacht, geschweige denn ausgesprochen werden könnte.
Sowohl der Unions-Bundesvorsitzende als auch der hessische CDU-Landesvorsitzende haben sich für die Bundes- wie auch die hessische Landespartei diesbezüglich entschuldigt. Auch wenn wir als Union in Niedersachsen nicht unmittelbar betroffen sind, so sind wir doch zutiefst beschämt, dass in der Union eine solche verabscheuungswürdige gedankliche Konstruktion hat Raum greifen können. Wir distanzieren uns auf das Entschiedenste davon.
Gestatten Sie mir eine zweite Vorbemerkung. Namens meiner Fraktion danke ich Ihnen, sehr geehrter Herr Landtagspräsident Prof. Wernstedt, ausdrücklich, dass und wie Sie die gestrige Gedenkstunde für die Opfer des Nationalsozialismus haben abhalten lassen.
Danken möchte ich Ihnen auch für Ihre einleitenden Worte, welche Sie hierzu in unserem Hohen Haus gesprochen haben.
Die in der Gedenkstunde selbst zu Beginn vorgetragenen Gebetslieder haben die Tiefe der Trauer für mich bis ins Mark empfinden und mich beim Nennen der Namen der Konzentrationslager erschaudern lassen. Wie ermutigend waren dann die Worte des Herrn Direktors Andor Izsák, der davon sprach, dass dies nicht nur ein Tag der Trauer, sondern auch ein Tag der Freude sei, weil die Kultur der jüdischen Musik nicht ganz verloren sei, sondern wieder neu erklingen könne. Ich bewundere diesen Mann und verneige mich vor ihm, dass er in dieser Stunde solch zukunftweisende, Hoffnung gebende und Brücken bauende Worte hat aussprechen können, die uns nicht zugestanden hätten.
Was den aktuellen Antrag der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen anbetrifft, verstehen wir diesen generell als Bemühen, dem Nachdruck und Beschleunigung zu verleihen, was alle drei Fraktionen im Juli 1998 zum Ausdruck gebracht haben. Seinerzeit habe ich formuliert, dass „der betroffene Personenkreis, der durch Tod ständig kleiner wird, alsbald Zahlungen als Ausdruck konkret erfahrbarer Reue erhält“. Ich nehme hier Gelegenheit, den Appell ehemaliger polnischer und osteuropäischer Zwangsarbeiterinnen und Zwangsarbeiter, der Ihnen ja ebenfalls zugegangen ist, für die Union mit Nachdruck zu unterstützen, und hoffe, dass ihnen Gerechtigkeit zumindest in der Weise widerfahren möge, dass alsbald Entschädigungszahlungen erfolgen. Möge diese Debatte hierfür einen wirksamen Dienst leisten.
Herr Kollege Schröder, ich bin mit Ihnen einig darüber, dass eine sofortige Abstimmung ein sehr deutliches Zeichen wäre. Ich möchte mich aber dem Votum des Herrn Landtagspräsidenten anschließen und darum bitten, zunächst einmal die weiteren Beratungen auch auf Bundesebene abzu
warten. Dann werden wir möglicherweise in der Lage sein, eine gemeinsame inhaltliche Erklärung abzugeben. Hinsichtlich der Verhandlungen um Widergutmachung - so weit überhaupt auch nur im Ansatz noch möglich - und Entschädigung für die Opfer begrüßen wir, dass erste Ergebnisse erzielt werden konnten. Unser Dank gilt der Verhandlungskommission mit dem Grafen Lambsdorff an der Spitze. Mit Unverständnis und Bedauern nehmen wir zur Kenntnis - wie es gestern auch in der „HAZ“ zu lesen war -, dass nach Ausführungen des Grafen Lambsdorff sehr viele Betriebe immer noch eine „zögerliche Haltung“ gegenüber der Initiative zur Entschädigungsregelung einnehmen.
Wir fordern diese Betriebe mit Nachdruck auf, sich im Interesse der Gesamtverantwortung wie auch in ihrem eigenen Interesse an dieser wegweisenden Initiative zu beteiligen.
Um ein deutliches Zeichen der Ernsthaftigkeit zu setzen, unterstützt die Union ebenso wie die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen in deren Antrag die Ankündigung des Herrn Ministerpräsidenten, dass sich das Land Niedersachsen an dem geplanten Entschädigungsfonds mit einem angemessenen Beitrag beteiligen werde. Wir sehen dies nicht nur als sinnvoll, sondern als geboten an und sind daher bereit, durch unsere Unterstützung für die unseres Erachtens hierfür erforderliche breite parlamentarische Mehrheit Sorge zu tragen, um dem Vorhaben des Herrn Ministerpräsidenten ein unzerrüttbares Fundament für die hoffentlich abschließenden Gespräche in den verschiedenen Gremien und Organen zu geben.
Da wir uns in der Notwendigkeit der Frage der dringlichen Regelung der Entschädigungsfragen seit nunmehr etwa eineinhalb Jahren grundsätzlich einig sind, macht für uns der dritte Spiegelstrich des heute zu beratenden Antrages den wesentlichen Punkt aus: Vor dem Hintergrund der 1998 hier
einigungsorientiert geführten Debatte, in welcher die bereits zurzeit des so genannten Dritten Reiches involvierten Betriebe bzw. deren Rechtsnachfolger aufgefordert wurden, sich an der Stiftungsinitiative der deutschen Wirtschaft zu beteiligen, fordern wir diese mit nochmaligem Nachdruck auf, sich ihrer Verantwortung nicht zu verschließen. Miteinander haben wir bereits im Juli 1998 die Dringlichkeit des Handelns in dieser bedrückenden Angelegenheit hervorgehoben. Wir appellieren unsererseits an die betroffenen Firmen, spätestens jetzt, nachdem durch die Verhandlungen die Handlungsgrundlage gelegt ist, den überfälligen Schritt der Beteiligung an der Initiative rasch zu gehen.
Wir bitten inständig alle, die sich dazu in der Lage sehen, zögernde oder gar sich noch verweigernde Firmen zu bewegen, endlich den gewiesenen Weg mit zu gehen. Da sich unsere Position seit dem Sommer 1998 nicht geändert hat, gilt für uns heute wie vor 18 Monaten: Wenn man bedenkt, welche enormen Mittel die Betriebe in der Regel allein für ihre Werbeetats einsetzen, um ihren jeweiligen Namen in einem guten Licht und die Produkte in ihrer vermeintlichen oder tatsächlichen Vorzüglichkeit strahlen zu lassen, und wenn man berücksichtigt, dass in manchen Konzernen Gewinne in zum Teil Schwindel erregender Höhe gemacht werden, dann stünde es diesen Betrieben und Konzernen gut an, daraus - oder auch aus anderer Quelle - Mittel für einen Entschädigungs- oder Hilfsfonds zur Verfügung zu stellen.
Denn die wahre und nicht nur wirtschaftliche Größe eines Volkes - darin eingeschlossen seine Betriebe und Konzerne - erweist sich u. a. darin, dass die dunklen Seiten der Geschichte weder schöngeredet noch ausgeblendet werden, sondern dass man sich dazu bekennt und ein entsprechendes Handeln daraus ableitet.
Ich nahm eingangs Bezug auf die gestrige Gedenkstunde und möchte es jetzt auch abschließend tun: So lange die Entschädigungsfrage ungeregelt bleibt, gibt es keinen Weg aus der ausschließlichen Trauer, um das aus meiner Sicht milde Wort des Herrn Andor Izsák zu verwenden. Der Tag ist
überfällig, an welchem diese so entscheidende Frage geregelt wird. Jeder muss unbedingt das Seine tun, um ihn alsbald herbeizuführen. Wir brauchen diesen Tag - schnellstmöglich, als Tag der Hoffnung für eine versöhnende Zukunft. - Ich danke Ihnen.