Karsten Rudolph

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Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Es zählt wohl zu den Eigentümlichkeiten des nordrhein-westfälischen Parlamentsgeschehens, dass ein Antrag zum schnellen Internet so lange braucht, um in der Tagesordnung endlich aufgerufen zu werden. Aber jetzt ist der große Moment gekommen.
Ich will zur Sache kurz sagen, dass der Antrag unserer Meinung nach durchaus berechtigte Anliegen trifft und dass wir bei den Beratungen im Ausschuss noch mal darüber reden werden, inwieweit die Große Koalition bei diesen Themen vorangeschritten ist. Es
wird sicherlich niemand dagegen sein, den Verbraucherschutz zu stärken.
Ansonsten darf ich Ihnen im Namen meiner Fraktion trotz der beschwerenden Umstände eine gute Zeit wünschen. Ich danke auch denjenigen, die hier immer alles sauber machen und uns das Wasser ans Pult stellen, für ihre Arbeit, die sie in dieser Zeit für uns geleistet haben. – Herzlichen Dank.
Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich versuche, es kurz zu machen, weil man bei solchen Anträgen immer überlegt – jedenfalls geht es mir so –, mit wie viel Aufmerksamkeit man der ganzen Sache eigentlich entgegentritt. Als ich gelesen habe, was Sie uns auf den Tisch gelegt haben, fand ich dies – das muss ich ehrlich sagen – so bemerkenswert, dass man eigentlich so gut wie nichts dazu sagen kann. Ich tue es trotzdem.
Es fängt mit der Überschrift an. Da heißt es: „Forschungsfreiheit mit Leben erfüllen – Die Annahme von Drittmitteln durch private Geldgeber braucht versierte fachliche Überprüfung“.
Sie schaffen es wirklich, schon mit dieser Überschrift zwei bösartige Unterstellungen loszuwerden.
Die erste Unterstellung lautet, unsere Forschungsfreiheit sei tot und nicht mit Leben erfüllt. Die zweite Unterstellung ist, es gebe überhaupt keine versierte fachliche Überprüfung bei der Annahme von Drittmitteln. Das möchte ich – ich denke, auch im Namen aller Hochschulen – entschieden zurückweisen.
Erstens. Wir sind glücklicherweise in einem Land mit einer Demokratie. Wir verteidigen die Freiheit von Forschung und Lehre und füllen sie mit Leben.
Zweitens. Heute Morgen haben wir länger über die AfD gesprochen. Man soll ja nicht naiv sein. Ich will noch mal darauf aufmerksam machen – auch für die Kolleginnen und Kollegen, die fachpolitisch nicht in diesem Thema unterwegs sind –, dass die AfD es schafft – deswegen passt Ihr Antrag auch –, in Programmen zu behaupten, man müsse die Freiheit von Forschung und Lehre wiederherstellen. Auch hier tun Sie so, als wären unsere Universitäten und Hochschulen gleichsam einem Diktat unterworfen.
Ich muss ehrlich sagen: Sie versuchen, eine Art Zwangsstaat zu unterstellen, in dem wir alle leben würden.
Tatsache ist aber, dass wir nicht in einem Zwangsstaat leben. Vielmehr leben Sie in einer Parallelgesellschaft, die mit gewisser politischer Paranoia durchsetzt ist.
Entschuldigung, aber wer hier ernsthaft behauptet, in Nordrhein-Westfalen oder in der Bundesrepublik Deutschland werde von Staats wegen oder von den demokratischen Parteien die Freiheit der Forschung und Lehre gefährdet,
unterstellt etwas absolut Bösartiges, verkennt die Tatsachen und verkehrt die Wirklichkeit aus kurzsichtigen politischen Gründen.
Drittens. Was die Forschungs- und Lehrfreiheit einschränkt, sind Initiativen, wie wir sie aus Ihrer badenwürttembergischen Landtagsfraktion kennen – beispielsweise Prangerportale wie „Mein Prof. hetzt“. Da wird zur Denunziation von Professoren aufgerufen, die vielleicht nicht das sagen, was beispielsweise die AfD gerne hätte. Das ist in der Tat ein Angriff auf die Freiheit von Forschung und Lehre, und der geht von Ihnen aus – in Baden-Württemberg und auch woanders.
Heute Morgen haben wir über Höcke, diesen Pantoffelhelden aus Thüringen, gesprochen. Wenn Sie sich mal ansehen, was dieser Pantoffelheld aus Thüringen beispielsweise zu Universitäten von Soros sagt oder wie er sich zu der Vertreibung der Universität aus Ungarn einlässt, dann zeigt sich doch recht deutlich, wes Geistes Kind Sie eigentlich sind. Sie haben
gar keine Berechtigung, hier in diesem Parlament oder sonst wo davon zu sprechen, dass Sie die Freiheit von Forschung und Lehre wiederherstellen wollen.
Ich will Ihnen auch noch sagen, worin Ihre Leistung besteht. Ich habe mir mal angesehen, welche Kleinen Anfragen Ihre Fraktion so gestellt hat, damit mal deutlich wird, wie Ihre wissenschaftspolitische Kompetenz in diesem Land aussieht. Ich will nicht alles vorlesen, empfehle aber allen Kolleginnen und Kollegen einmal zu schauen, was wir da so auf Papier gedruckt bekommen.
Es gibt da die Kleine Anfrage 3268 mit dem Titel „Sollten antifa-nahe Professoren am Aussteigerprogramm ,Linksextremismus‘ teilnehmen?“
Dann gibt es den Antrag „,Die Geister, die ich rief …‘ Der ,Generation Antifa‘ an den Hochschulen muss Einhalt geboten werden!“
Es gibt die Kleine Anfrage „Generation Antifa – Welche heimliche politische Agenda verfolgen die Universitäten in Nordrhein-Westfalen?“
Eine Kleine Anfrage lautet: „Nimmt die Universität Köln am ,Antifaschistischen Aktionsbündnis Köln gegen Rechts‘ teil?“ Außerdem gibt es eine Kleine Anfrage zur „Weiterführung des Titels ,Prof.‘„ In einer weiteren geht es um die „Prüfung der Studentenvertretungen durch den Landesrechnungshof“.
Liebe Kolleginnen und Kollegen, wenn Sie sich nur einmal diese zehn Initiativen einer Fraktion aus diesem Parlament zur Wissenschaftspolitik den Überschriften nach ansehen, dann wissen Sie, dass dies mit Kompetenz, seriösem politischen Austausch und Argumenten überhaupt nichts zu tun hat.
Wenn Sie ehrlich sind und sich diese Bilanz Ihrer zweieinhalbjährigen Leistung einmal ansehen, dann gebe ich Ihnen einen Rat, Herr Kollege: Legen Sie Ihre Mitgliedschaft im Wissenschaftsausschuss nieder und verabschieden Sie sich daraus!
Bei den seriösen politischen Debatten über Wissenschaftspolitik – etwa der Novellierung des Hochschulgesetzes – waren nämlich alle anwesend, nur
eine Fraktion war abwesend. Und das war immer die AfD. – Herzlichen Dank.
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Vorab sei gesagt, dass wir – das ist Ihnen bekannt – jede Form von Gewalt ablehnen. Dazu zählt auch ausdrücklich verbale Gewalt.
Wir verteidigen hier auch die Freiheit der Wissenschaft, das heißt von Forschung und Lehre. Aber darum geht es eigentlich gar nicht in dem Antrag der AfD.
Es ist schon bemerkenswert, Herr Kollege Seifen, wie Sie versuchen, sich mit Balladen von Goethe einen bildungsbürgerlichen Anstrich zu verpassen
hören Sie zu – und sich dann wundern, dass andere Sie in die Nähe von Rechtsextremisten und Neonazis rücken. Das machen Sie selbst. Sie selbst, Ihre Partei rückt sich in die Nähe von Neonazis und Rechtsextremisten.
Wir haben doch alle Ihr Video gesehen, in dem Sie vor Höcke warnen in der eigenen Partei und deutlich machen, wie das Auftreten von Höcke mit dem Auftreten von Hitler zusammengeht.
Also wird es Ihnen nicht gelingen, immer wieder bildungsbürgerliche Tunke über eine Partei zu gießen, die so antibürgerlich ist, wie man nur sein kann. Da hilft Ihnen auch Goethes Ballade nicht weiter.
Wenn man sich die Beispiele, die Sie nennen, jetzt mal im Einzelnen anguckt, muss man sagen: Sie versuchen einen Zusammenhang zu konstruieren, den es gar nicht gibt, weil jede einzelne Veranstaltung und jede einzelne Störung einer solchen Veranstaltung – die wir ebenfalls verurteilen – in einem ganz anderen Kontext steht.
Bei der Veranstaltung mit Thomas de Maizière, die in dem Antrag steht, ging es um einen sogenannten Protest gegen die türkische Invasion in Syrien.
Dass Sie übrigens Herrn Lucke so verteidigen, finde ich auch interessant. Das ist parteigeschichtlich ein bemerkenswerter Vorgang. Ich hätte mir gewünscht, Sie hätten ihn gegen die Rechtsradikalen verteidigt, als er abgewählt und aus der Partei rausgedrückt wurde.
Herr Lucke wird sich noch nachträglich für Ihre Unterstützung hier in diesem Landtag zu bedanken wissen.
Im Übrigen stimmt es auch nicht, dass die Universitätsleitung nichts gemacht habe. Sie hat die Störung nicht nur verurteilt; vielmehr hat sie einen privaten Sicherheitsdienst eingesetzt und die Polizei alarmiert. Also ist Ihre Unterstellung schlichtweg falsch.
Das Zitat der Präsidentin der Berliner Humboldt-Universität, Sabine Kunst, reißen Sie auch aus dem Zusammenhang. Sie müssen schon sagen, worum es ging. Es ging damals um die Konflikte, die in der Kontroverse um den Osteuropahistoriker Jörg Baberowski entstanden waren. Aber es ging nicht um einen allgemeinen Trend oder um Antifa; darum ging es überhaupt nicht.
Auch der nächste Argumentationsbaustein fällt bei genauerer Betrachtung in sich zusammen, denn die von Ihnen genannte Resolution des Deutschen Hochschulverbandes bezog sich ebenfalls auf bestimmte Ereignisse der Humboldt-Universität zu Berlin.
Jetzt kommt aber in Ihrem Antrag immerhin noch etwas zu Nordrhein-Westfalen. Zum Beleg der Behauptung, die Universitäten unterstützen die, wie Sie schreiben, hypermoralisierende Generation Antifa, greifen Sie auf die in diesem Haus sattsam bekannten Taschenspielertricks zurück.
Das heißt, Sie führen eine Kleine Anfrage an, die Sie selbst gestellt haben. Diese Anfrage ist durch die Landesregierung beantwortet worden, und die Antwort zeigt, dass Ihre Behauptung, die Universität Köln vernachlässige die ihr obliegende Pflicht zur politischen Neutralität, schlicht falsch ist. Trotzdem behaupten Sie nach dieser ganz klaren Antwort, nach dieser Tatsache, jetzt wieder das Gegenteil.
Wissen Sie, das kann man ja Verdrehung von Fakten nennen, vielleicht hat es aber auch mit einer Form von sekundärem Analphabetismus zu tun, an dem Sie dringend arbeiten müssen, sonst erreichen Sie die bildungsbürgerlichen Ziele nicht. Das ist so.
Meine lieben Kolleginnen und Kollegen, die Thematisierung der Neutralitätspflicht der Universitäten erinnert daran, dass Sie diesen Ausdruck als politischen Kampfbegriff benutzen und immer benutzt haben.
Doch. So kurz ist die Erinnerung von Demokraten nicht. Wir wissen, dass Sie diesen Begriff eingeführt haben, als Sie angefangen haben, im Schulbereich sogenannte Prangerportale zu errichten, weil Sie den Schulen vorgeworfen haben, sie würden ihrer Neutralitätspflicht nicht nachkommen.
Auf diesen Prangerportalen sollten Schüler AfD-kritische Äußerungen von Lehrern melden, die angeblich nicht dem Neutralitätsgebot genügen.
Der Datenschutzbeauftragte in Mecklenburg-Vorpommern hat zum Glück mit dazu beigetragen, dass
Ihr Denunziationsportal im September 2019 geschlossen werden musste.
In seiner Pressemitteilung finden Sie folgenden bemerkenswerten Satz – ich zitiere hier aus der Pressemitteilung des Datenschutzbeauftragten –: Selbstverständlich ist es die Aufgabe der Lehrer, für die Demokratie, das Grundgesetz und die darin geleistete Menschenwürde einzutreten. – Dann kommt der Satz:
„Dabei sollen sie keine Angst haben, von selbst ernannten AfD-Aufpassern behelligt zu werden.“
Das ist der Punkt,
weil Sie hier und heute wieder den Aufpasser spielen wollen. Dabei taugen Sie als Demokratiepolizei oder als Verfassungsschutz nun wirklich nicht. Das Neutralitätsgebot bedeutet ja nicht, sich neutral gegenüber denjenigen zu verhalten, die unsere Werteordnung und den demokratischen Rechtsstaat untergraben.
Sie und Ihre Partei sind ein Prüffall des Verfassungsschutzes.
Zu Recht.
Wenn Ihr Parteivorsitzender einen lupenreinen Faschisten in der Mitte Ihrer Partei sieht, finde ich, ist der Punkt gekommen, wo darüber nachgedacht werden muss, dass Ihre Partei zu einem Verdachtsfall für den Verfassungsschutzes werden muss.
Deswegen gehen Sie ganz beruhigt davon aus: Wenn es zu Störungen des Lehrbetriebs kommt, werden wir dem entgegenwirken, wie das Demokraten in diesem Haus und an anderer Stelle in Deutschland tun.
Aber verlassen Sie sich auf eines: Wir werden nicht zulassen, dass eine Partei, die Probleme mit dem demokratischen Rechtsstaat hat, nun meint, sich zu einem Verteidiger, zu einem Bewahrer des Rechtsstaates aufschwingen und hier die Demokratiepolizei spielen zu können.
So weit sind wir in diesem Land zum Glück nicht. So weit wird es auch nicht kommen, weil wir eine wehrhafte Demokratie haben und sehr genau beobachten, was Sie tun. – Herzlichen Dank.
Ich will nur eine kurze Reaktion geben, weil ich wieder einmal gemerkt habe, dass Sie nicht wirklich in der Demokratie angekommen sind.
Sie beklagen sich darüber, dass andere Leute nicht so über Sie sprechen, wie Sie es haben möchten.
Wissen Sie, ich könnte Ihnen tausend Beispiele nennen an Schulen, Hochschulen und im öffentlichen Leben, wo ich auch finde, dass meine Partei nicht so dargestellt wird, wie ich es gerne möchte.
Aber das ist Demokratie. Sie sind in der Demokratie nicht angekommen, denn sonst würden Sie sich darüber nicht beschweren.
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Es gibt dieses Bonmot von Olaf Scholz. Als er Innensenator in Hamburg war, hat er einmal gesagt: Wir sind zwar liberal, aber nicht naiv.
Wenn man jetzt versucht, diesen Grundsatz auf das anzuwenden, was Sie hier gesagt und geschrieben haben, dann kann man vorweg sagen – und das muss man auch auf den Punkt bringen –: Die Propagandalüge, die Sie hier verbreiten, lautet, die Ostdeutschen hätten die Wiedervereinigung Deutschlands gegen die westdeutschen Eliten durchgesetzt, weil die westdeutschen Eliten die deutsche Einheit verraten hätten.
Das ist sozusagen die Propaganda, die Sie in unserem Land verbreiten. Damit ist eigentlich schon alles gesagt. Aber ganz so leicht will ich es Ihnen nicht machen. Ich habe den Text aufmerksam gelesen, und deswegen will ich dazu einige Bemerkungen machen.
Die Machart, die wir erleben, kommt auch bekannt vor. Da sind immer diese mehr oder weniger offenen Attacken gegen die sogenannten Altparteien, insbesondere gegen die SPD. Herr Tritschler, Sie haben es auch noch mal gesagt, und es steht in dem Antrag.
Dann kommt die besondere Attacke gegen die SPD in Nordrhein-Westfalen und gegen Johannes Rau, den damaligen Ministerpräsidenten, der angeblich der DDR die volle Staatsbürgerschaft angeboten habe, damit diese im Gegenzug den Flüchtlingsstrom stoppt, der über den Flughafen Schönefeld und die S-Bahn, betrieben von der sowjetischen Fluggesellschaft und von der DDR-Fluggesellschaft, viele tamilische und asylsuchende Flüchtlinge aus dem Nahen Osten nach Westberlin gebracht hat.
Da habe ich mich gefragt: Was macht jetzt eigentlich eine AfD? Eigentlich sind Sie doch sozusagen immer diejenigen, die Flüchtlingsströme stoppen wollen. Aber jetzt loben Sie Johannes Rau überhaupt nicht.
Jetzt sagen Sie, er hätte die Staatsbürgerschaft anerkannt, und auch das stimmt nicht. Auch da hilft Lesen. Er hat nicht mehr und nicht weniger gesagt – das steht auch im Programm der SPD –, als dass die Staatsangehörigkeit der DDR im Rahmen des Grundgesetzes respektiert werde. Zwischen Respektieren und Anerkennung liegt diplomatisch ein meilenweiter Unterschied.
Entlarvend ist aber eigentlich, was Sie verschweigen, weil Sie darüber nicht reden möchten.
Sie möchten zum Beispiel nicht reden über die Rede Erhard Epplers vor dem Deutschen Bundestag am 17. Juni 1989. Er sprach zu diesem Zeitpunkt aus, was kaum jemand erhofft hatte, dass nämlich die DDR-Führung ihren eigenen Untergang heraufbeschwöre, wenn sie weiter an ihrer starren Politik festhalte. Jetzt müssen Sie im Protokoll weiterlesen, dass sich dann die Abgeordneten erhoben und die Nationalhymne gesungen haben.
Sie sprechen auch nicht über die mutige Gründung einer sozialdemokratischen Partei am 7. Oktober in Schwante bei Berlin. Auch das war ein mutiges Signal, weil es zum ersten Mal den Alleinvertretungsanspruch der SED herausforderte. Diejenigen mutigen Männer und Frauen – knapp 40 waren es an der Zahl –, die da mitgemacht haben, hatten alle schon dafür gesorgt, dass sie anschließend verschwinden können, in den Untergrund gehen können, weil sie große Gefahr liefen, direkt darauf verhaftet zu werden.
Dann stellen Sie uns die DDR-Bürgerinnen und -Bürger eigentlich nur als wehrlose Opfer vor, so als hätte es da keine Widerständlichkeit gegeben, als hätte es keine Umweltaktivisten gegeben, die gegen die Umweltzerstörung in der DDR gekämpft haben, als hätte es keine Friedensbewegung gegeben, die gefordert hat, Schwerter zu Pflugscharen zu machen, als hätte es überhaupt keine Dissidenten in der DDR gegeben. Die gab es doch alle. Die gehören doch ebenso zur Vorgeschichte des Oktober 1989.
Und: Was das auch so substanzlos macht, was Sie hier vortragen, ist der Umstand, dass Sie sich anscheinend überhaupt nicht darüber im Klaren waren, dass im Kalten Krieg die Gefahr eines atomaren Krieges durchaus real war. Das war kein Spiel. Deswegen war die neue Ost- und Deutschlandpolitik immer auch zugleich eine Form deutscher Außenpolitik, und zwar eine Form, die man auch „Friedenspolitik“ nennen kann. Deswegen hat doch Willy Brandt als Bundeskanzler den Friedensnobelpreis bekommen, für seine Friedenspolitik für ganz Europa. Hören Sie: für ganz Europa.
Sie behaupten immer, die westdeutsche Politik hätte nur immer Westeuropa im Blick gehabt. Auch das ist doch völliger Quatsch und grundverkehrt. Die gesamte Ostpolitik, auch die neue Ostpolitik, wurzelte in einer im Westen verankerten Europapolitik. Es ging auch darum, einen Beitrag zu leisten, um sozusagen den Blockgegensatz zu überwinden. Darum ging es den verantwortlichen Politikern in Westeuropa und auch in der Bundesrepublik Deutschland. Deswegen setzte doch Kohl 1982 eben diese neue Ostpolitik aus guten Gründen auch fort.
Dann wieder völlig losgelöst vom historischen Kontext und den Fakten wird von der AfD behauptet: „Vom freien Teil Deutschlands ging eine Initiative zur Wiedervereinigung nicht aus.“ Dann kommt die übliche Attacke auf die westdeutsche Politik und die übliche Medienschelte. Dabei nehmen Sie jetzt mal die Springerpresse heraus. Mit anderen Worten – das muss man sich auch klarmachen –: Das, was Sie hier sagen, ist nichts anderes als ein Vorwurf, Brandt, Bahr, Scheel, Genscher, Kohl und viele andere hätten die nationalen Interessen verraten.
Heute spielen Sie sich als Schlaumeier und Besserwisser auf und haben eigentlich eines nie begriffen, und das haben alle Vorgenannten begriffen und gelebt. Die damals politisch verantwortlich Handelnden wussten alle, dass ein guter Deutscher immer auch ein Europäer sein muss und niemals ein Nationalist sein darf.
Sie behaupten oder meinen auch, man hätte die deutsche Frage gleichsam in einem nationalen Alleingang lösen können. Das ist geradezu absurd. Deswegen kommen in Ihrem Antrag auch die Namen Margaret Thatcher oder François Mitterrand oder George Bush und – immerhin recht verschämt – Michail Gorbatschow nicht vor.
Meine sehr geehrten Damen und Herren, liebe Kolleginnen und Kollegen, im Antrag der AfD heißt es, dass der Einigungsprozess inzwischen zu stagnieren scheine, wofür „Politiker und Intellektuelle aus Westdeutschland“ verantwortlich gemacht werden; sie verunglimpften das Gebiet der ehemaligen DDR „mit dem Kampfbegriff ‚Dunkeldeutschland‘„.
Herr Tritschler, Sie haben das gerade auch gesagt. Sie sagen uns aber nicht, wer mit diesem Begriff eigentlich gearbeitet hat. Deswegen habe ich mal für Sie nachgeguckt, wenn Sie schon keine Belege und Namen nennen. Es war Bundespräsident Gauck, der 2015 in der Flüchtlingsdebatte vor einem „Dunkeldeutschland“ warnte. Er wollte dies aber eben nicht auf das ehemalige Gebiet der DDR bezogen wissen, sondern eigentlich auf Sie und Ihresgleichen. Denn Sie – Sie! – sind Dunkeldeutschland und niemand anderes in diesem Land.
Dann haben Sie, habe ich gesehen, die „SchroederStudie“, die ja schon 2008 umstritten war, noch einmal ausgegraben, um das sozusagen als Beweis dafür zu nehmen, dass der Schulunterricht in Westdeutschland oder jetzt in Gesamtdeutschland nicht tauge, weil es 2008 zu viele Schüler gegeben habe, die die DDR zu unkritisch gesehen hätten.
Es gibt eben immer einen Unterschied zwischen privater und öffentlicher Erinnerung. In Familien wird bei
Familienfeiern, wenn man an bestimmte historische Ereignisse denkt, manchmal anders gesprochen als im Landtag oder in der Schule, wo es um die öffentliche Erinnerung geht. Das wissen wir ja spätestens seit dem schönen Buch von Harald Welzer „Opa war kein Nazi“, weil Opa eigentlich nie Nazi sein konnte.
Ich kann es mal so erklären: Sie haben einen Landesvorsitzenden in Thüringen, Herrn Höcke. Herr Höcke ist ja westdeutscher Oberstudienrat und Geschichtslehrer gewesen. Jetzt sollte man ja eigentlich meinen, dass jemand, der diese Ausbildung genossen hat, niemals fähig sein dürfte, solche Sachen zu sagen, wie er sie sagt, so geschichtsverdrehend und geschichtsvergessen. Er tut es trotzdem.
Jetzt kann man natürlich, Ihrer Argumentation folgend, sagen, das Schulwesen in Deutschland und die Universitäten hätten komplett versagt. Die Frage ist, ob das am Schulwesen liegt oder daran, dass es in der Familie Höcke eine Tradition gibt, die Dinge etwas anders zu sehen als in der öffentlichen Erinnerung. Wenn der Großvater von Herrn Höcke schon leuchtende Augen bekam, als er dem Führer entgegengetreten ist, wenn der Vater schon antisemitische Schriften bezogen hat und der Sohn dann so redet, werden Sie merken, dass öffentliche und private Erinnerung auseinanderfallen können.
Deswegen heilt die Schule nicht alles. Schulische Bildung ist kein Allheilmittel. Es geht auch darum, politisch zu entscheiden, auf welcher Seite man steht. Sie sehen, dass in diesem Fall etwas falsch gelaufen ist.
Auch das ist interessant: Sie behaupten in Ihrem Antrag, an unseren Schulen werde – Zitat – „offenbar unverhohlen die Planwirtschaft verherrlicht“.
Als Beleg wird die Drucksache 17/6462 angegeben. Jetzt muss man gucken, wer hinter dieser Drucksache 17/6462, die als Beleg angeführt wird, steckt.
Die Quelle? Die sind Sie selbst. Das ist …
Nein, nein. Ich erkläre es Ihnen. Ich kann lesen. Sie können es nachlesen.
Das ist die Kleine Anfrage des Abgeordneten Tritschler mit dem etwas seltsamen – ich will nicht sagen verrückten – Titel: „Abiturprüfung in Nordrhein-Westfalen: Karl Marx statt Ludwig Erhard?“ vom 5. Juni
2019. Die wurde übrigens von der Landesregierung längst beantwortet, das ist Drucksache 17/6729. Lesen Sie die mal nach.
Die Anfrage fußt auf einem Kommentar eines Redakteurs der „WirtschaftsWoche“, der seinem Sohn bei der Abiturvorbereitung im Fach Sozialwissenschaften an einem Kölner Gymnasium geholfen hat und über den Prüfungsstoff irritiert war. Deswegen schrieb er einen offenen Brief an die damalige NRWSchulministerin. Das ist der Inhalt. Als Beleg für die Behauptung ist der Hinweis auf die Kleine Anfrage selbstreferenziell und völlig wertlos.
Sie zitieren sich selbst mit Anfragen. Herr Kollege, ich gebe Ihnen einen Rat: Wenn Sie schon Drucksachennummern angeben, müssen Sie damit rechnen, dass man die Drucksachen nachliest. Das nur für die Zukunft.
Ich will zum Schluss noch etwas zum Forderungsteil des Antrags sagen, mein Vorredner hat das auch getan. Ich finde nämlich, das ist an Scheinheiligkeit kaum zu überbieten. An Scheinheiligkeit kaum zu überbieten ist die Forderung, der Landtag möge sich „für mehr Verständnis und gegenseitige Rücksichtnahme unter den Deutschen aller Bundesländer“ einsetzen und dafür werben, „die auch heute noch bestehenden Narben der deutschen Einigung durch gemeinsame Kraftanstrengungen verheilen zu lassen“.
Das ist deshalb scheinheilig, weil das eine Partei verlangt, die im Grunde weder Verständnis noch gegenseitige Rücksichtnahme kennt. Das verlangt eine Partei, die die Wunden der Einigung immer wieder aufreißt und jeden Tag neue Wunden schlägt. Das verlangt eine Partei, deren Geschäftsmodell das Schüren von Unzufriedenheit und das Gegeneinander-Aufstacheln ist. Ich sage Ihnen: Die AfD will keinen inneren Frieden, sie lebt von Unfrieden.
Deswegen lässt sich mit Ihnen und Ihresgleichen die innere Einheit auch nicht vollenden. Mit Ihnen steht man am Abgrund für Deutschland und nicht für ein einiges Deutschland. – Herzlichen Dank für die Aufmerksamkeit.
Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Lieber Kollege Bergmann, ich bin Ihnen sehr dankbar für die Worte, die Sie an die Adresse dieser einen Fraktion gefunden haben. Ich darf Ihnen auch im Namen der SPDFraktion dafür ganz herzlich danken.
Ein gelungenes Beispiel dafür, warum es so große Unterschiede zwischen unserer Demokratie und Weimar gibt! Bemerkenswert ist auch, wer in den Reihen dieser Fraktion – wenn man genau hinschaut – heute fehlt.
Ich will etwas zu der eigentlich aufgeworfenen Frage sagen. Sie lautet: Wie erinnern wir uns heute an den 20. Juli? Claus Schenk Graf von Stauffenberg, der mutige Attentäter des 20. Juli, stand nicht allein. Die Bewegung des 20. Juli verkörpert auf sehr eindrucksvolle Weise die Vielfalt des anderen, des besseren Deutschlands. Dabei waren enttäuschte Nationalsozialisten, wie der 1940 aus der NSDAP ausgeschlossene Graf Schulenburg oder der frühere Polizeipräsident von Berlin Graf von Helldorff. Dabei waren Nationalkonservative wie Generaloberst Beck oder der Leipziger Oberbürgermeister Goerdeler.
Aber dazu gehörten auch Gewerkschaftsführer wie Wilhelm Leuschner und Jakob Kaiser, Sozialdemokraten wie Adolf Reichwein und der Mentor des jungen Willy Brandt, Julius Leber, aber auch Christen und überzeugte Europäer wie Graf Moltke und Peter
Graf Yorck von Wartenburg, Alfred Delp oder Dietrich Bonhoeffer.
Diese unterschiedlichen Personen einte ein Ziel: Es bestand darin, den Amoklauf eines verbrecherischen Regimes endlich zu stoppen. Viele wussten, dass dies misslingen könnte. Darum wollten sie vor den Augen der Welt doch wenigstens ein Zeichen setzen. Zu einer solchen Sicht hat sich beispielsweise General von Tresckow in aller Deutlichkeit bekannt. Dies waren seine Worte:
„Das Attentat auf Hitler muß erfolgen, um jeden Preis. Sollte es nicht gelingen, so muß trotzdem der Staatsstreich versucht werden. Denn es kommt nicht mehr auf den praktischen Zweck an, sondern darauf, daß die deutsche Widerstandsbewegung vor der Welt und vor der Geschichte unter Einsatz des Lebens den entscheidenden Wurf gewagt hat.“
Ich finde, eine solche Haltung verdient auch heute unseren Respekt und unsere Anerkennung.
Nun wissen wir auch, dass viele Nationalkonservative zunächst Anhänger des Regimes gewesen waren, dass sie dann zu Systemkritikern wurden und schließlich zu Regimegegnern.
Doch bemerkenswert ist, dass sie mit den Widerstandskämpferinnen und -kämpfern der ersten Stunde zusammenfanden. Deswegen kann man den Namen Graf Stauffenberg nicht aussprechen, ohne einen zweiten Namen zu nennen, nämlich Julius Leber, weil wir wissen, dass es eine besondere Nähe zwischen dem Aristokraten Stauffenberg und dem Sozialdemokraten Leber gab. So wünschte sich der Graf, der sicherlich kein Anhänger der Republik von Weimar gewesen war, den Weimarer Reichstagsabgeordneten nach einem Sturz des Regimes auf dem Posten des Reichskanzlers einer zivilen Regierung.
Da versteht man dann auch die schöne Aussage von Ralf Dahrendorf, der zum Widerstand des 20. Juli gemeint hat, dies sei ein „Aufstand des Anstands gegen eine von allen guten Geistern verlassene Staatsführung“ gewesen.
Meine Damen und Herren, das Attentat des 20. Juli – auch das ist bereits angeklungen – stand nicht allein. Beispielsweise gab es Johann Georg Elser, den einfachen Schreinergesellen, der nur auf sich gestellt am 8. November 1939 das Attentat im Münchener Bürgerbräukeller verübte. Es gab die Weiße Rose sowie – weniger spektakulär, aber von Anfang an einer besonders brutalen Verfolgung ausgesetzt – den Widerstand aus der Arbeiterbewegung.
Außerdem gab es die vielen Namenlosen, die widerstanden haben: den Nachbarn, der bedrohte Mitbewohner vor der Gestapo warnte; die Rüstungsarbeiterin, die Solidarität mit der ausländischen Zwangsarbeiterin übte; den Deserteur, der am Krieg eines verbrecherischen Regimes nicht länger teilnehmen wollte. Diesem lautlosen Widerstand schulden wir auch heute noch viele Denkmäler.
Wir müssen uns aber auch an die Opfer erinnern, die kaum Chancen besaßen, Widerstand zu leisten. Dietrich Bonhoeffer hatte die Christen schon 1933 aufgefordert, den jüdischen Mitbürgern beizustehen und – Zitat – „dem Rad des Terrors“, das auf sie zurollte, „in die Speichen zu greifen“.
Deswegen gehört zu unserer Erinnerung auch jene an die Millionen Juden, die ermordet wurden, die Sinti und Roma, die Zeugen Jehovas, die geistig und körperlich Behinderten, die Homosexuellen, die vielen Fremd- und Zwangsarbeiter sowie die Kriegsgefangenen, die man verhungern ließ. Wir sollten außerdem an die Frauen und Männer im Warschauer Ghetto denken, die alles gewagt und alles verloren haben und gerade deshalb in unserer Erinnerung weiterleben sollten.
Es war Johannes Rau, der darauf hingewiesen hat, dass wir dem Gedenken an den Widerstand des 20. Juli keinen Gefallen tun würden, wenn wir hier eine Art – wie er es genannt hat – Kult der Gerechten aufbauen würden; denn hinter einem solchen Kult der Gerechten verblasst schnell die Schuld der Täter von damals, das Schweigen der Mehrheit und auch die Verantwortung der Mitläufer im Dritten Reich.
Johannes Rau hat uns auch einen zweiten Grund genannt, warum wir keinen Heldenkult treiben sollten. Die Widerstandskämpfer waren nämlich Menschen aus Fleisch und Blut mit all ihren Zweifeln, Irrtümern, Gewissensbissen und auch Widersprüchen. Aber erst dadurch gewinnen sie Glaubwürdigkeit und erst dadurch können sie in einer offenen demokratischen Gesellschaft wirklich zum Vorbild für Bürgerinnen und Bürger werden. Ikonen und Helden findet man in demokratischen Gesellschaften eigentlich nicht. Auch das sollte man meiner Meinung nach an dieser Stelle sagen.
Schließlich kann man natürlich fragen, warum das Attentat so spät kam. Man wird aber ebenso sagen dürfen: Moralisch ist es niemals zu spät, ein mutiges Zeichen gegen den Terror und die Unmenschlichkeit zu setzen. – Genau darum ging es Helmuth James Graf von Moltke, als er 1942 einem englischen Freund schrieb – ich zitiere aus dem Schreiben –:
„Die eigentliche Frage, vor die Europa nach dem Krieg gestellt sein wird, ist die, wie das Bild des Menschen im Herzen unserer Mitbürger wiederhergestellt werden kann.“
Liebe Kolleginnen und Kollegen, das ist – in einem Satz zusammengefasst – das Vermächtnis des Widerstands gegen den Nationalsozialismus. Er verweist außerdem auf seine europäische Perspektive; denn namentlich im Kreisauer Kreis dachte man eine Nachkriegszeit, in der das Trennende der Nationalstaaten in einem Europa der Regionen überwunden werden könnte.
Lassen Sie mich zum Schluss noch einen letzten Gedanken äußern: Auch diese Debatte hier zeigt meiner Auffassung nach bereits: Passives Gedenken allein reicht nicht. Wenn einer auf den anderen wartet, dann handelt niemand und es geschieht nichts.
Das heißt: Der Staat darf nicht auf die Bürger warten und die Bürger dürfen nicht auf den Staat warten. Wir müssen den Gespenstern des Rassismus, Nationalismus und Antisemitismus rechtzeitig aktiv begegnen.
Für uns kommt es heute darauf an, Zynismus, Gleichgültigkeit und Hass jeden Tag aufs Neue zu überwinden; denn das ist das politische Vermächtnis des 20. Juli, damit die Geschichte sich nicht wiederholt. – Herzlichen Dank für die Aufmerksamkeit.
Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich habe mich, als ich den Antrag las, als Erstes gefragt: Warum springt die AfD auf dieses Thema auf, zu dem sie jahrelang geschwiegen hat?
Die Begründung, die hier gerade geliefert wurde, verbirgt, so glaube ich, die eigentliche Absicht, die hinter dem Antrag steckt. Deshalb will ich Ihnen mal ein wenig dabei helfen, ganz deutlich zu sagen, was Sie mit dem Antrag eigentlich wollen.
In dem Antrag findet sich nämlich auf der zweiten Seite der Satz:
„Schließlich sind fehlende verlässliche Perspektiven in der eigenen Lebensplanung Ursache ungewollter Kinderlosigkeit, die bei Wissenschaftlern noch häufiger festzustellen ist als bei anderen vergleichbar Hochqualifizierten.“
Das ist interessant!
Ich habe mir dann das Plenarprotokoll vom 20. März 2019 angeschaut. Sie haben eine Rede gehalten, und die Begründung für den Antrag war da etwas ausformulierter. Darf ich Sie zitieren, Herr Seifen? Damals sagten Sie uns, als es um das Thema „Befristung im Mittelbau“ ging – ich zitiere –:
„Wie in kaum einem anderen Bereich wird hier deutlich, dass die demografischen Probleme, die Sie nunmehr mit Migration als Allheilmittel lösen wollen, von der Politik in einem gehörigen Maß mitverschuldet sind. In einer Gesellschaft, in der die Kinderlosigkeit bei zunehmendem Bildungsgrad der Menschen immer weiter ansteigt, haben wir es letzten Endes mit einer dramatischen Fehlallokation von Ressourcen zu tun.“
Ich zitiere Sie weiter:
„Nach den Ergebnissen des letzten Mikrozensus von 2016 gehört Deutschland neben der Schweiz, Italien und Finnland weiterhin zu den Ländern mit der höchsten Kinderlosigkeitsrate in Europa. Dies trifft insbesondere auf Akademikerinnen und in einem noch dramatischeren Maße auf Wissenschaftlerinnen zu. Das ist nicht weiter verwunderlich, wenn 90 % der Stellen des wissenschaftlichen Mittelbaus befristet sind und 50 % der Männer und zwei Drittel der Frauen nur in Teilzeit Beschäftigung finden.“
Liebe Kolleginnen und Kollegen, ich habe Ihnen das so vollständig vorgelesen, um Ihnen die Hintergründe zu diesem Antrag, die durchaus auch an Abgründe reichen, deutlich zu machen.
Sie betreiben mit diesem Antrag doch in Wahrheit keine Verteidigung der Freiheit der Wissenschaft,
sondern Sie machen völkisch inspirierte Bevölkerungspolitik.
Ja. – Da sieht man in Ihrer Partei eine schöne Bandbreite. Das, was Sie hier so verschwiemelt und heimlich und immer nur punktuell ansprechen, sprechen Ihre Kolleginnen und Kollegen in Ostdeutschland, in Sachsen, öfter an. Dort ist die Rede davon, dass befristete Stellen nur all jene bekommen sollen, die keine Kinder haben und keine Kinder bekommen wollen. Ich finde, das ist durchaus etwas offener.
Was ich Ihnen damit sagen will: Sie kommen immer mit der Maske des Biedermanns hierher und sind in Wahrheit ein Brandstifter. Sie haben nicht die Interessen der jungen Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler im Sinn, sondern Sie instrumentalisie
ren dieses Thema für eine absurde Bevölkerungspolitik, bei der Sie nicht den Mut haben, den Abgeordneten und der nordrhein-westfälischen Öffentlichkeit das offen zu sagen, was Sie an verschiedenen Stellen verborgen ansprechen, was in Ihrer Partei diskutiert wird und was sich in den Anträgen Ihrer Landtagsfraktion in allen anderen Ländern längst findet.
Deshalb, Herr Kollege Seifen, sage ich Ihnen: Wir sind als Sozialdemokraten liberal, aber nicht naiv,
und wir lassen uns nicht einseifen. – Herzlichen Dank.
Je tiefer Sie in die Sache reinkommen, desto mehr verschwindet der Mensch. Deswegen sage ich: Bei Ihnen steht der Mensch nicht im Mittelpunkt, er steht im Hintergrund.
Das ist schade. – Herzlichen Dank für die Aufmerksamkeit.
Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich bin Historiker und deswegen immer an Dingen interessiert, die in der Vergangenheit spielen oder gespielt haben. Mein Vorschlag wäre, dass wir jetzt anfangen, nach vorne zu schauen. Insofern ist jetzt der Antrag, den die Fraktion der Grünen stellt, richtig. Das Thema wird uns weiter beschäftigen, beschäftigen müssen, weil 5G in der Tat eine Revolution im Mobilfunk darstellt.
Jetzt kann man darüber diskutieren, wie man diesen Prozess so ausrollt, dass er zum Erfolg führt. Ich will nicht sagen, dass ich bei Frau Karliczek bin, aber ich sage zu den Kollegen von der CDU: Das war für mich auch etwas unverständlich, aber dann doch wieder verständlich, weil sich hier doch zeigt, dass die CDU häufig nichts anderes ist als die Vertreterin des jagenden und landbesitzenden Adels und dann schon einmal die Milchkanne, die auch digitalisiert wird, überschaut.
Wenn man ganz ehrlich ist, auch bei Ihnen wird man sagen müssen, dass bestimmte Modernisierungsprozesse in der Infrastruktur fast immer in Städten beginnen und irgendwann auf dem Land ankommen. Ich glaube, dass es diese Ehrlichkeit ist, die auch in die Debatte gehört, denn wir müssen den Bürgerinnen und Bürgern auch erklären, wo wir anfangen, wie wir es machen und wie es dann weitergeht.
Ich komme ja aus Bochum und muss nach Düsseldorf fahren. Ich weiß, dass es Funklöcher gibt im Hochsauerlandkreis oder auch bei Iserlohn, aber ich weiß auch, dass es die mitten im Ruhrgebiet gibt – auf der Strecke nach Düsseldorf. Und das finde ich sehr ärgerlich.
Im Grunde genommen geht unser Streit oder Konflikt, wenn Sie die beiden Anträge sehen, eigentlich um die Frage: Wie dosiert man – auch bei der Ausschreibung – das Verhältnis von Einnahmen und Auflagen? Also, welche Verpflichtung gehen die Bieter ein? Welche Versorgungsverpflichtung sollen Sie erfüllen?
Da hat es natürlich im letzten Jahr eine Diskussion, einen Streit darum gegeben, wie die gestrickt sein sollen, und die Vertragsbedingungen sind ja im Laufe der Diskussion verschärft worden. Das kann man sagen, auch weil diese Kombination von Infrastruktur, Sharing und lokalem Roaming vorgesehen ist. Man kann jetzt, liebe Kolleginnen und Kollegen, gut darüber streiten, wie man das organisiert.
Aber jetzt einmal zum Kollegen Schick, weil er diesen Mobilfunkpakt angesprochen hat, der mit diesem Thema und dem Konflikt unmittelbar zu tun hat, und
auch einmal an die Adresse der FDP-geführten Landesregierung
ja, da gebe ich Ihnen jetzt einen Tipp –: Lesen Sie sich den Deal und die Presseerklärung einmal genau durch! Der Deal, den der FDP-Minister gemacht hat, ist: Er bekommt ein paar weiße Flecken weg, wenn er sich im Bund dafür einsetzt, dass die Versorgungsverpflichtung und die Auflagen möglichst gering ausfallen. Und er hat den Anbietern von vornherein konzediert, dass Nordrhein-Westfalen gegen ein nationales Roaming ist.
Nein, lassen Sie mich erst den Vorschlag machen; vielleicht lohnt sich dann die Zwischenfrage noch mehr.
Sie wissen, dass die Ruhrgebietskonferenz vor sich hin dümpelt. Mein Vorschlag ist: Nehmen Sie sich doch einmal das ambitionierte Ziel vor, dass das Ruhrgebiet, die größte Städteregion, die Stadt der Städte, die Metropole Ruhr, am rot-grünen Senat von Berlin vorbeizieht und zur Vorreiterregion beim 5GNetz wird. Das ist ein konkreter praktischer Vorschlag. Da kann man auch einmal mutig sein, und Sie können auch präzise sein. Diesen Mut und diese Präzision und auch diese Prioritätensetzung wünsche ich mir, aber nicht die Vertröstung im Entschließungsantrag:
Wir hören dann in einem halben Jahr den Bericht, inwieweit die Anbieter in dem Deal mit dem Wirtschaftsminister vorangekommen sind. – Schönen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.
Ich habe ja dringend davon abgeraten; wir können ein historisches Seminar daraus machen. Aber ich will Ihnen sagen: Das Geld, was da hereinkommt, wird ja für bestimmte Dinge genutzt. Auch das Geld, was bei der Aktion hereinkommt, wird genutzt.
Ich habe nur dafür plädiert, jetzt einmal zu überlegen, wie die Verhandlungsposition ist. Denn je weniger Vorgaben Sie machen, umso mehr an Geld können Sie vielleicht erzielen. Aber sie müssten es dann staatlicherseits wieder nehmen, um in Bereiche zu investieren, die die Privaten nicht abdecken. Das ist die Diskussion, die man da eigentlich führen müsste, wenn man das seriös machen will.
Da nützt es jetzt auch nichts, Frau Kollegin, wenn Sie sozusagen von Schröder bis heute anführen, was die SPD gemacht hat. Das Eigentliche, was Sie doch stört, ist, dass die SPD regiert hat. Und was mich stört, ist, dass sie nicht regiert. Deswegen greife ich die Landesregierung zu Recht an, damit wir demnächst wieder regieren. Vielleicht können wir uns darauf verständigen.
Herr Kollege, ich würde Sie gern – nachdem Sie uns gerade die Haltung der Hochschulrektorenkonferenz zu den Studiengebühren vorgetragen haben – fragen, ob Sie sie teilen oder ablehnen.