Isolde Ries

Sitzungen

14/3 14/4 14/7 14/9 14/10 14/12 14/13 14/15 14/16 14/17 14/18 14/20 14/25 14/26 14/27 14/28

Letzte Beiträge

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich komme immer mehr zu der Überzeugung, dass die Koalition nicht rechnen kann, wenn ich eben noch mal die Zahlen gehört habe, dass die Kommunen bis 2016 um 55 Millionen Euro entlastet werden. Wenn ich dann die 16 Millionen Pavillon-Abgabe nehme, die zusätzlich gezahlt werden sollen, ergibt das in fünf Jahren 80 Millionen Euro. Es bleibt ein Delta von 25 Millionen Miese: Ist das Ihr Geschenk an die Kommunen? Dazu kommen noch der Winterdienst und die Grundsicherung für Ältere, wo Sie Geld einbehalten. Das ist ein Danaergeschenk, über das sich die Kommunen sicherlich nicht freuen.
Aber das ist eigentlich gar nicht mein Thema, ich wollte heute zur Kultur reden. Gestern haben sich der Saarländische Künstlerbund und der Landesverband des Bundes Bildender Künstler in einer gemeinsamen Erklärung zum saarländischen Museumsdesaster zu Wort gemeldet. Mit Ihrer Zustimmung, Herr Präsident, darf ich zitieren: „Die Vorgänge im Kontext des Neubaus des Vierten Pavillons zeigen in plastischer Weise einen missachtenden Umgang der verantwortlichen Politiker mit den ihnen anvertrauten kulturellen Werten des Landes.“ Meine Damen und Herren, treffender und vernichtender kann man das Verhalten der Verantwortlichen bei diesem Desaster nur schwerlich beschreiben. Der Künstlerbund beklagt die grobe Missachtung des Denkmalschutzes beim Schönecker-Bau, der überhaupt nicht mehr zu sehen ist, und nennt genau wie die Architekten und die Denkmalschützer als Grund das Verhalten der politisch Verantwortlichen, das Durchregieren ohne Rücksicht auf Verluste und hier ohne Rücksicht auf kulturelle Werte.
Aber die Rücksichtslosigkeit geht weiter, der vorliegende Haushaltsplan belegt dies. Eben habe ich schon die Rücksichtslosigkeit gegenüber den Kommunen beschrieben. Jamaika spart nicht bei sich selbst, sondern lieber bei den anderen; das ist auch einfacher. Die Pavillon-Abgabe wird eingeführt, die Jamaikaner nennen es Kulturabgabe.
Das heißt, die Landesregierung aast mit dem Geld fremder Leute. Und wenn sie vor dem kulturpolitischen Bankrott steht, nimmt sie die Kommunen in die Haftung. Für den mehr als 30 Millionen teuren Kultur-Hochbunker sollen die Kommunen nun 16 Millionen Euro Kulturabgabe zahlen. Meine Damen und Herren, das ist eine Politik, mit der Sie finanziell scheitern und mit der Sie auch bei der Bevölkerung scheitern werden. Deshalb sagen wir: Kehren Sie um, nehmen Sie den Vorschlag der SPD ernst und kassieren Sie den Kultursoli wieder ein! Ihr Argument, die Kommunen sollten sich nun endlich an der Finanzierung des Staatstheaters beteiligen, zieht hier nicht.
Wenn Sie die Städte mit diesen 16 Millionen heranziehen, wird das Staatstheater sicherlich überleben, Herr Schmitt. Aber die freie Szene, die Kultur vor Ort wird darunter leiden. Die Situation der Kommunen ist mehr als angespannt, es gibt kaum noch freie Mittel, der größte Teil der Haushalte ist zweckgebunden. Die wenigen freien Mittel, die zur Verfügung stehen, werden jetzt durch diese Pavillon-Abgabe noch weniger. Wenn sich eine Stadt dann entscheiden soll, ob sie weiter im sozialen Bereich oder im kulturellen Bereich sparen soll, wo wird sie dann
wohl sparen? Sie wird bedauerlicherweise im kulturellen Bereich sparen.
Gerade die kleinen Initiativen und Projekte der Vereine und Verbände, die oft mit geringen Mittelansätzen und Zuschüssen bemerkenswerte kulturelle Leistungen hervorbringen, sind in Zukunft gefährdet. Das ist das Ergebnis Ihrer Politik. Mit Ihrem Vorschlag bringen Sie die kulturelle Vielfalt im Saarland in Gefahr. Das ist Sparen nach der RasenmäherMethode, denn gerade die vielen kleinen kulturellen Einrichtungen und Aktivitäten machen unsere Gesellschaft so bunt und lebenswert. Durch die Pavillon-Abgabe in Höhe von 16 Millionen Euro gefährden Sie die Breitenkultur im Saarland.
Jetzt ein paar weitere Beispiele. Im vorliegenden Kulturhaushalt kürzen Sie beim Künstlerhaus um 20.000 Euro.
Die Betriebskosten werden künftig von der Musikhochschule übernommen, das ist richtig, Herr Schmitt. - Ich habe mit den Verantwortlichen dort gesprochen. Auch der Minister war dort und hat gesagt, er könne nicht mehr geben als 125.000 Euro. Dann sagen die Verantwortlichen, dass sie eigentlich 160.000 Euro benötigen. Also fehlen 35.000 Euro. Und seit Jahren wird gesagt, es gebe nur 135.000 Euro, mehr sei nicht möglich. Dann wird das schöngerechnet. Dann werden die Tarifsteigerungen einfach nicht gezahlt, aber die müssen gezahlt werden. Die Druckkosten sind höher geworden, für Karten gibt es eine höhere Mehrwertsteuer. Das muss doch alles bezahlt werden!
Es ist nicht so, als würde das Künstlerhaus nicht auch selbst versuchen, seine Situation zu verbessern. Es hat durch eine Verdoppelung des Beitrages und durch viele Kooperationen, zum Beispiel mit den Musikfestspielen und den Perspectives, versucht, mehr Geld einzunehmen. Dennoch reicht es nicht. Was bedeutet das dann für das Künstlerhaus? Mit weniger Geld wird es im nächsten Jahr weniger Programm geben, ganz klar.
Natürlich gibt es weniger Programm, das ist dort sogar beschlossen, weil es im Haushalt gar nicht anders möglich ist. Mit vier Teilzeitbeschäftigten gab es in diesem Jahr 21 Ausstellungen und 20 Lesungen. Für das kommende Jahr ist weniger angesetzt, weniger Ausstellungen und weniger Lesungen, weil das Geld dazu nicht da ist. Das Künstlerhaus - das ist das Schlimme - ist im nächsten Jahr das einzige Haus, das zeitgenössische Kunst überhaupt anbietet. Die Moderne Galerie ist aus den bekannten Gründen noch nicht geöffnet, die Stadtgalerie wird im nächsten Jahr auch noch nicht geöffnet sein, und
auch die KuBa muss ihr Angebot zurückfahren, weil sie mit dem Geld kaum klar kommt. Das einzige Angebot der zeitgenössischen Kunst kommt vom Künstlerhaus. Trotzdem reicht es nicht, um zeitgenössische Kunst in dem Maße auszustellen, wie das in der Vergangenheit der Fall war.
Ich komme zum nächsten Beispiel, die Kürzung beim Kulturzentrum Bosener Mühle um 4.000 Euro Sie haben ursprünglich um 8.000 Euro gekürzt und 4.000 Euro wieder herausgeholt -, obwohl unsere Ministerpräsidentin dem Landrat Recktenwald versichert hat, dass es zu keiner Kürzung kommt. Es kann sein, dass sich Frau Kramp-Karrenbauer bei Ihnen nicht durchgesetzt hat. Es kann aber auch sein, dass sie nicht Wort gehalten hat. Eines von beiden ist der Fall. Die Bosener Mühle ist ein ganz wichtiger kulturtouristischer Standort. Mir sagen die Leute dort, durch die Angebote der Bosener Mühle fallen jährlich 3.000 bis 4.000 Übernachtungen im Landkreis St. Wendel zusätzlich an. In diesem Jahr ging das Kulturzentrum schon mit 4.000 Euro Miesen in das Haushaltsjahr, jetzt kommen weitere 4.000 Euro hinzu. Das ist für eine solch kleine Organisation einfach nicht zu schultern. Die sind auch noch am LEADER-Programm beteiligt. Die können das nicht schultern. Mir sagt der Leiter, der zwei Teilzeitkräfte hat, dass er wahrscheinlich gezwungen sein wird, eine Teilzeitkraft zu entlassen, wenn das nicht zurückgenommen wird. Er hat gestern versucht, Landrat Recktenwald, der ihm das gesagt hat, anzurufen. Ich weiß nicht, wie sie verblieben sind.
Meine Damen und Herren, alle freien Projekte sind unterfinanziert und leben meist nur unter großer Selbstausbeutung der Akteure. Das war schon immer so und wird unter Ihnen immer brisanter. Der vorliegende Haushalt verschärft diese Situation. Bei den saarländischen Museen haben Sie auch 13.900 Euro gekürzt. Die CDU hat wieder etwas draufgelegt, aber die Kürzung nicht voll wettgemacht.
Ich kann nur Folgendes sagen. Sie sind am Anfang großartig gestartet, wenn man Ihr Programm sieht. Sie wollten die Saarbrücker Kulturmeile am rechten Saarufer - mit dem Bau der Modernen Galerie, mit der neuen Kulturbibliothek und mit dem Erweiterungsbau der Musikhochschule. Sie sind gelandet. Der Pavillon wurde gebaut. Er kostet bisher 30 Millionen, nach oben offen, obwohl ihn niemand braucht und niemand will, sagt Professor Leonardy. Die SZ schreibt, die Kulturbibliothek sollte entstehen, obwohl der Bedarf zweifelhaft und die Nutzung ungeklärt war. Bei der Musikhochschule sollte ein Neubau her, obwohl es auch die Aufstockung getan hätte. Nun, nachdem schon wieder eine Viertelmillion Euro an Planungskosten, das heißt an Steuergeldern, verschweinzt wurden, reicht es plötzlich aus, Räume in der Nachbarschaft anzumieten. Meine Da
men und Herren, das alles zeugt von Größenwahn, Großmannssucht und Inkompetenz. Auf der einen Seite kann Ihnen der Wein und das Essen nicht teuer genug sein und auf der anderen Seite gefährden Sie durch falsche Schwerpunktsetzungen kleine und feine Initiativen in diesem Land.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Die bislang bekannten Ereignisse um Planung und Bau des Vierten Pavillons weisen auf einen handfesten Skandal hin, mit allem was dazugehört: Vetternwirtschaft, Beziehungsgeflechten, Schmiergeld, Korruption, Überheblichkeit und Arroganz gepaart mit Selbstüberschätzung und Ignoranz, Schlamperei, offensichtlich blindem Vertrauen und fahrlässig sorglosem Umgang mit Steuergeldern. Neben den Steuerzahlern, dem Schönecker-Ensemble, den Anwohnern und dem Ansehen des Saarlandes zählt offensichtlich auch das Parlament zu den Geschädigten.
In diesem ganzen Wust von absonderlichen Ereignissen im Zusammenhang mit dem Bau des Vierten Pavillons soll dieser Untersuchungsausschuss Licht und Klarheit bringen, Fakten aufarbeiten und Verantwortung benennen. Da wäre zum Beispiel zuallererst die enorme Kostensteigerung um mehr als 300 Prozent von damals 9 Millionen auf aktuell über 26 Millionen Euro zu nennen. Für dieses Geld, meine Damen und Herren, das wird gerne übersehen, haben wir kein fertiges Museum, sondern nur einen mit vielen Mängeln und Fehlern behafteten Rohbau. Was dieser Bau letztendlich kosten wird, können wir uns nur in unseren Albträumen ausdenken.
Wir haben auch die Frage zu klären, ob Parlament, Öffentlichkeit und Kuratorium zutreffend informiert wurden oder aber ob sie getäuscht wurden, um die notwendige gesellschaftliche Akzeptanz für das Bauwerk zu erlangen. Es gibt einen schweren Vorwurf des Landesrechnungshofes - ich zitiere mit Ihrer Zustimmung, Herr Präsident -: „Offensichtlich wurden die Kostenangaben bewusst untersetzt, um bei den Gremien des Landtages und der Stiftung eine Freigabe für die Umsetzung der Neubaumaßnahme zu erreichen.“ - Wir haben in sieben Sitzungen des Kulturausschusses, in sieben Sitzungen des Finanzausschusses seit 2007 und mit zwei parlamentarischen Anfragen versucht, Klarheit über die tatsächlichen Kosten zu erlangen. Die Verantwortlichen haben uns diese bis heute noch nicht einmal
annähernd glaubhaft darlegen können! Bis heute nicht!
Lassen Sie mich ein Beispiel dafür nennen, warum wir den Untersuchungsausschuss einrichten. Unsere heutige Ministerpräsidentin ließ in ihrer Eigenschaft als Kuratorin und Ministerin beim Spatenstich verlautbaren, dass sich die reinen Baukosten auf 11,7 Millionen Euro und die Baunebenkosten auf 2,8 Millionen Euro beliefen. Wegen dieser Aussage in die Kritik geraten - wir erinnern uns, zwei Wochen vorher wurde ein Ministerratsbeschluss über 20,1 Millionen unterzeichnet -, erklärte sie dann, sie habe die weiteren Kosten, die der Bau nach sich ziehen würde, wohl aufgeführt, aber nicht beziffert, da es sich lediglich um einen Spatenstich gehandelt habe.
Frau Ministerpräsidentin, selbst wenn man Ihrer Logik folgen würde, so hat diese Logik einen Bruch. Es gibt nämlich eine DIN-Norm - DIN 276 -, die verbindlich vorschreibt, was als Baukosten, Baunebenkosten und sonstige Kosten zu betrachten ist. Sie haben die Wettbewerbskosten von 1,3 Millionen Euro, die nach dieser verbindlichen DIN-Norm zu den Baunebenkosten gehören, aus diesen herausgerechnet und in die Gruppe der von Ihnen nicht bezifferten sonstigen Kosten verschoben. Da ich zu Ihren Gunsten unterstelle, dass Sie als Bauherrin von der Existenz dieser DIN-Norm wissen, muss ich zu Ihren Ungunsten davon ausgehen, dass Sie in diesem Fall um mindestens 1,3 Millionen Euro getrickst haben, um die veröffentlichten Kosten niedrig zu halten. Vor diesem Hintergrund sind wir Ihnen dankbar, dass Sie die Kosten des Spatens, mit dem Sie den Stich durchgeführt haben, nicht beziffert haben. - Die Logik, nach der Sie die Baukosten veröffentlicht haben, hätte das wohl hergegeben.
Die Transparenz, die in diesem Hause mittlerweile von allen gefordert und auch versprochen wurde, gebietet es, die politisch Verantwortlichen für dieses Desaster zu benennen.
Der Kreis ist nicht gerade klein. Da sind einmal die Kulturminister und Kuratoren Jürgen Schreier, Annegret Kramp-Karrenbauer und Karl Rauber, die gleichzeitig Geldgeber, Geldnehmer und Rechtsaufsicht in einer Person waren.
In die Zeit von Jürgen Schreier als Rechtsaufsicht und Kurator fielen die Vorbereitungen des Wettbewerbs zum Vierten Pavillon, die Einstellung des Stiftungsvorstandes Melcher, die Beauftragung des Herrn Marx für Durchführung und Überwachung des Wettbewerbes sowie der Kostenansatz von 12,6 Millionen Euro im Jahre 2007, der erste Kabinettsbeschluss.
In die Zeit von Annegret Kramp-Karrenbauer als Kulturministerin und Verantwortliche fielen die Beauftragung eben dieses Herrn Marx als Projektsteuerer für den Umbau der Modernen Galerie und den Neubau des Vierten Pavillons, die vorzeitige Vertragsverlängerung von Herrn Melcher, die erstaunliche Gehaltserhöhung des Stiftungsvorstandes von 6.000 auf 9.500 Euro, der Zuschlag für den Bau an den fünften Preisträger, der Spatenstich am 07. August 2009 drei Wochen vor der Landtagswahl - und die Feststellung der Kostensteigerung auf Basis der Ministerratsvorlage von 12,6 auf 20,1 Millionen Euro, ohne dass die Öffentlichkeit und das Parlament davon erfuhren.
In die Zeit von Karl Rauber als Kulturminister fielen der Konflikt mit dem Rechnungshof, der damals das Spesengebaren des Herrn Melcher in Bezug auf opulentes Essen und komfortables Reisen in vertrautem Kreis monierte, der bundesweit einmalige Vorgang der Erstellung eines Gutachtens gegen den eigenen Rechnungshof, die kritiklose Weiterbeschäftigung des Projektsteuerers, dem der Rechnungshof die Qualifikation absprach, sowie das unverständliche Festhalten an Herrn Melcher. Ich sage Ihnen, meine Damen und Herren, zu der damaligen Zeit 2010 hätte die Möglichkeit bestanden, noch rechtzeitig die Reißleine zu ziehen. Wäre die Kündigung von Herrn Melcher vor einem Jahr erfolgt, hätte dies dem Land viel Geld gespart und dem Museumsbau viel Pfusch erspart! Auch hier ist die Verantwortung im Sinne der Steuerzahlerinnen und Steuerzahler zu prüfen. In die Zeit von Rauber fiel dann auch die weitere Kostenfortschreibung im Rahmen einer Ministerialvorlage von 20,1 Millionen Euro auf nun 24,6 Millionen Euro, natürlich wieder, ohne Parlament und Öffentlichkeit davon in Kenntnis zu setzen.
Wenn ich einmal dieses völlig unübersichtliche Kostenchaos zusammenfasse, dann stelle ich fest: Die erste Kabinettsvorlage gab es unter Schreier im Jahre 2007 über 12,6 Millionen Euro. Die Öffentlichkeit erfuhr: 9 Millionen Euro. Die zweite Kabinettsvorlage gab es im Jahre 2009 unter Annegret Kramp-Karrenbauer. Sie lautete über 20,1 Millionen Euro. Die Öffentlichkeit erfuhr: 14,5 Millionen Euro. Die dritte Kabinettsvorlage gab es im Jahre 2010, da zeichnete Karl Rauber verantwortlich, über 24,6 Millionen Euro. Die Öffentlichkeit und das Parlament erfuhren bis zum 31. März dieses Jahres: 18,6 Millionen Euro.
Meine Damen und Herren, das Parlament hat diese Angaben aus dem Rechnungshofbericht. Wir haben bis heute, obwohl wir in 14 Ausschusssitzungen und in zwei parlamentarischen Anfragen zum Thema Kostenentwicklung des Vierten Pavillons versucht haben, die Kosten herauszubekommen, diese bis heute nicht erfahren.
Ich habe eben den Kreis der Verantwortlichen benannt. Wenn wir über die Verantwortlichen für das Debakel reden, muss natürlich auch die Frage gestellt werden, welche Rolle eigentlich der damalige Ministerpräsident Peter Müller spielte. Auch das wird zu untersuchen sein.
Meine Damen und Herren, bevor sich der Fokus auf die politisch Verantwortlichen richtete, schienen die Herren Marx und Melcher die bösen Buben zu sein. Dabei waren sie nur Gehilfen der Verantwortlichen. Diese unterlagen offensichtlich keinerlei Kontrolle. Nur in einem solchen Klima der Freundschaft, der Kumpanei, der Seilschaften, des Nichtkontrollierens und vielleicht sogar des Wegschauens konnten die beiden Herren ungestört zum Nachteil der Stiftung und des Landes nach eigenem Gusto schalten und walten. Es ist erstaunlich, wie sicher sich die beiden Herren gefühlt haben müssen. Auch diese Beziehungsgeflechte gilt es im Untersuchungsausschuss zu durchleuchten.
Umfangreicher Klärungsbedarf besteht also nicht nur bei der Baumaßnahme an sich, sondern genauso dringend bei der Stiftung Saarländischer Kulturbesitz. Ein überbezahlter, als Bauherr fehlbesetzter Vorstand, aber guter Esser, ein Projektsteuerer, der gar keiner war, eine Kontrolle - ohne Rechtsaufsicht - durch die Landesregierung, die nie stattfand.
Auch hier müssen Namen genannt und Strukturen so, wie Sie, Herr Minister Toscani, es angekündigt haben, verändert werden. Wir hoffen sehr, Herr Minister, dass Sie die richtigen Veränderungen vornehmen werden.
Liebe Kolleginnen und Kollegen, die Saarländerinnen und Saarländer haben einen Anspruch darauf, die ganze Wahrheit über den Bau des Vierten Pavillons zu erfahren. Es ist ein vornehmes Recht des Parlaments und aus gutem Grund auch einer Minderheit des Parlaments, mit der Einsetzung eines Untersuchungsausschusses bei gravierenden Vorgängen der Wahrheit und der Transparenz den Weg zu ebnen. Ein Untersuchungsausschuss ist einem Gerichtsverfahren ähnlich. So verbieten sich wie bei diesem Vorverurteilungen und verfrühte Reinwaschungen.
Beides wäre der Aufklärung nicht dienlich, nicht förderlich.
Kolleginnen und Kollegen, die möglichen Erkenntnisse des Untersuchungsausschusses können für manche schmerzhaft sein. Wir werden jedoch dafür sorgen, dass sie auf sorgfältigen Ermittlungen
fußend fair und gründlich sind. Meine Damen und Herren, liebe Kolleginnen und Kollegen, Demokratie lebt von Transparenz. Hätten wir sie nicht, wäre unsere Demokratie gefährdet.
Aber meine Damen und Herren, wir wollen es nicht bei der Aufklärungsarbeit und der Suche nach den politisch Verantwortlichen belassen. Da zu befürchten ist, dass diese Landesregierung noch weitere große Bauprojekte in Angriff nehmen will, wollen wir an die Zukunft denken. Ziel des Untersuchungsausschusses soll es gleichermaßen sein, Empfehlungen abzugeben, welche Maßnahmen und Vorkehrungen zu treffen sind, damit sich bei zukünftigen großen Bauprojekten solche Entwicklungen und Vorkommnisse nicht wiederholen. Ein solches Desaster, liebe Kolleginnen und Kollegen, hält dieses Land nur einmal aus. Deshalb bitten wir Sie um Unterstützung unseres Antrages auf Einsetzung eines Untersuchungsausschusses. - Danke schön.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Transparency Deutschland definiert Korruption als Missbrauch von anvertrauter Macht zum privaten Nutzen oder Vorteil. Meine Damen und Herren, liebe Kolleginnen und Kollegen, ich stelle fest, dass mit dem Bau des sogenannten Vierten Pavillons Korruption, Vetternwirtschaft, Machtmissbrauch, gegenseitige Vorteilsnahme, Seilschaften und Duz-Freunde, die sich gegenseitig die Schafe in den Stall treiben, Durchregiererei und Intransparenz verbunden sind. Durch all dies hat das Saarland in der öffentlichen Wahrnehmung einen schweren Schaden erlitten. Dazu bedurfte es noch nicht einmal des Bundes der Steuerzahler, der die Missstände um den Gondwana-Park nur noch von den Vorgängen um den sogenannten Vierten Pavillon übertroffen sieht.
Liebe Kolleginnen und Kollegen, was die Sache so schlimm macht, ist, dass die verantwortlichen Personen zum Teil heute noch Repräsentanten dieses Landes sind und dass diese entgegen ihrem Amtseid dem Saarland geschadet haben. Sie haben allgemein gängigen Grundsätzen der Moral einen Tritt verpasst. Sie schaden dem Ansehen der Politik und dem Ansehen der Politiker. Um diesen Schaden zu begrenzen, sind einige Maßnahmen notwendig, die wir im vorliegenden Antrag aufgelistet haben.
Die Entlassung des Stiftungsvorstandes Melcher war längst überfällig. Warum? Schon vor 16 Monaten, im Juni 2010, hat der Rechnungshof des Saarlandes in seinem Prüfbericht zur Stiftung Saarländischer Kulturbesitz viele Ungereimtheiten aufgelistet. Statt dem Rechnungshof zu danken, hat man ihn verunglimpft und beschimpft. Karl Rauber, der damals amtierende Kulturminister, war eigentlich mit den Vorwürfen des Rechnungshofes gar nicht gemeint. Dort ging es nämlich um den Prüfzeitraum 2002 bis 2008 und später im Sonderbericht um 2009, also um den Prüfzeitraum der Kuratoriumszeit von Kramp-Karrenbauer und Jürgen Schreier und nicht von Karl Rauber.
Trotzdem sprach Karl Rauber damals dem Rechnungshof jegliche Kompetenz ab und gab - ein bundesweit einmaliges Verfahren - ein Gegengutachten im Wert von 40.000 Euro gegen den eigenen Landesrechnungshof in Auftrag. Er wollte damit den Bericht des Rechnungshofs aushebeln und Melcher reinwaschen. Aber auch dieses Gegengutachten bestätigte die Vorwürfe. Peter Müller, der damalige Ministerpräsident und Justizminister, verhöhnte am
13.11.2010 auf dem Landesparteitag der CDU den Landesrechnungshof mit folgenden Worten: „Ich verneige mich vor der Unfehlbarkeit zweier Institutionen: vor der des Papstes und natürlich vor der des Rechnungshofes. Dabei ist der Rechnungshof bestenfalls ein unselbstständiges Hilfsorgan des Landtages.“ Meine Damen und Herren, der Rechnungshof ist das oberste Organ der Finanzkontrolle des Landes. Ein solcher Umgang der Regierung mit dieser Kontrollinstanz ist ungeheuerlich.
Aktuell nimmt man den Rechnungshof wieder ernst und kündigt dem Stiftungsvorstand Melcher fristlos, obwohl es genau vor 16 Monaten genügend Gründe und stichhaltige Hinweise gab, um dies zu tun. Staatssekretär Jungmann hat in der letzten Woche im Kulturausschuss erklärt, dass man am Bericht des Rechnungshofes damals Zweifel hatte und deshalb nicht gekündigt hatte. Meine Damen und Herren, vor 16 Monaten wurde der Spesenbetrug aufgedeckt. Melcher war mit dem Projektsteuerer alleine 38-mal in Nobelrestaurants essen. Der Spaß hat den Steuerzahler rund 5.500 Euro gekostet. Aber damit nicht genug. 77 weitere Male ging Herr Melcher essen und selbstverständlich weiter in Nobelrestaurants. Sein Geschäftsfreund Marx war dabei, aber auch andere Damen und Herren, deren Namen wir sicherlich im Zuge weiterer Untersuchungen erfahren werden.
Das Arbeitsgericht Neunkirchen hat kürzlich die Kündigung einer Bäckereiverkäuferin für rechtens erklärt, die während ihrer Arbeitszeit zwei oder drei Rühreier und ein Brötchen aß, ohne dafür zu bezahlen. Herr Melcher hat das Kuratorium und damit die Steuerzahler um mehr als Rühreier und Brötchen betrogen.
Kommen wir zu weiteren Vorwürfen, die schon damals eine Kündigung gerechtfertigt hätten: von der Kuratorin nicht genehmigte Dienstreisen, häufig in Verbindung mit familiären Ereignissen. Schaden laut Rechnungshof: 30.000 Euro in drei Jahren. Auf 40 Seiten hat der Rechnungshof Verfehlungen von Melcher aufgelistet. Nun, aktuell, sieht sich die Landesregierung von Melcher getäuscht und betrogen. Es würden neue Fakten vorliegen. Die Landesregierung bezieht sich dabei auf Verträge, die Herr Melcher zugunsten von Herrn Marx abgeschlossen hat, aber, meine Damen und Herren, all diese Verträge waren im Sonderbericht des Landesrechnungshofs aufgelistet. Es sind sieben Verträge auf den Seiten 160 ff.; sie sind vom Rechnungshof auch noch fett ausgedruckt und beinhalten ein Datum. Zudem hatte der Rechnungshof im Bericht angekündigt, die einzelnen Verträge zu einem späteren Zeitpunkt zu bewerten. Also müssen Sie doch darüber gestolpert
sein, dass hier offensichtlich Verträge vorliegen, von deren Existenz Sie nichts wissen! Herr Toscani, was Sie jetzt als neue Fakten verkaufen, sind alte Kamellen, von denen Sie bei einem aufmerksamen Studium des Sonderberichts schon längst Kenntnis gehabt haben mussten.
Ich kann diesen Vorwurf auch noch erhärten. Am 25. Mai 2011 hat sich der Finanzausschuss des Landtags auf Antrag der SPD-Fraktion und der Fraktion DIE LINKE mit folgendem Tagesordnungspunkt beschäftigt: „Bericht der Landesregierung, des Kurators der Stiftung Saarländischer Kulturbesitz sowie des Rechnungshofes des Saarlandes über Art und Umfang der Verträge der Stiftung Saarländischer Kulturbesitz mit einem Projektsteuerer und den daraus geflossenen Zahlungen“. Ich wiederhole: Bericht der Landesregierung über Art und Umfang der Verträge der Stiftung Saarländischer Kulturbesitz mit einem Projektsteuerer und den daraus geflossenen Zahlungen. Wollen Sie angesichts dieser Fakten immer noch behaupten, dass Sie bis Oktober dieses Jahres keine Kenntnis von diesen Verträgen hatten?
Sie versuchen den Eindruck zu vermitteln, dass Sie Ihre angeblich neuen Erkenntnisse aus dem angekündigten Baubericht des Rechnungshofs schöpfen. Herr Minister, das können Sie nicht, denn der Baubericht liegt noch gar nicht vor. Ihr Umgang mit den Vorgängen um den Vierten Pavillon ist zweifelsohne ein anderer als der Ihrer Vorgänger. Hier aber sorgen Sie nicht für Transparenz, sondern tun alles, um die damals amtierende Kuratorin zu schützen. Das ist verständlich, aber intransparent und damit kein Beitrag zur Aufklärung. Eine fristlose Kündigung muss innerhalb von 14 Tagen nach Bekanntwerden der Vorwürfe ausgesprochen sein. Ein halbwegs begabter Anwalt fegt Ihnen daher Ihre fristlose Kündigung von Herrn Melcher vom Tisch. Das wissen Sie. Daher schieben Sie nun eine ordentliche Kündigung der anderen hinterher.
Wegen der Nichtkündigung im Jahr 2010 sind dem saarländischen Steuerzahler weitere 200.000 Euro an Schaden entstanden. Aber viel schlimmer ist: Hätte man Herrn Melcher damals gekündigt,
dann hätte er nicht noch ein Jahr in Verbindung mit Herrn Marx am Bau herummurksen können, mit der Folge, dass dem saarländischen Steuerzahler Schäden in einer Höhe entstanden sind, die wir heute noch gar nicht abschätzen können.
Eine schallende Ohrfeige erhalten die Verantwortlichen der Landesregierung mit dem Fazit, das der Rechnungshof in seinem Sonderbericht zieht. Ich zi
tiere: „Es ist nicht zuletzt Aufgabe des zuständigen Ministeriums, seiner Aufsichtspflicht nachzukommen. Das Ministerium hat im Rahmen der Rechtsaufsicht insbesondere zu kontrollieren, ob sich die Stiftung Saarländischer Kulturbesitz an Recht und Gesetz hält.“ Ich zitiere weiter: „Nach Auffassung des Rechnungshofes wird die Rechtsaufsicht des zuständigen Ministeriums nicht in dem Maße ausgeführt, wie es angebracht und erforderlich wäre.“ Das heißt also, die Kontrolle hat versagt. Frau Ministerpräsidentin, am 13. August 2008, als Herr Melcher den ersten Vertrag mit Herrn Marx zulasten der Stiftung veränderte, hatten Sie als Kulturministerin die Verantwortung. Sie erinnern sich sicherlich: Es war ein halbes Jahr, nachdem Sie Herrn Melcher die opulente Gehaltserhöhung von 6.000 auf 9.500 Euro spendierten, mit der Begründung: wegen seines außerordentlichen Engagements für die Stiftung. Aufgrund dieser Entscheidung mutierte Herr Melcher zusammen mit der Bauzulage von 1.250 Euro - mit monatlich 10.750 Euro zum bestbezahlten Museumsdirektor Deutschlands.
Der Rechnungshof sieht hier einen Verstoß gegen das Besserstellungsverbot, und dies, Frau Ministerpräsidentin, müssen Sie sich anlasten lassen.
Nun zu einem noch unangenehmeren Umstand. Es gibt immer mehr Hinweise darauf, dass das Parlament getäuscht wurde, um die Zustimmung zum Bau des Vierten Pavillons zu erlangen. Dies wäre ein einmaliger Vorgang, der, wenn er zutrifft, politische Konsequenzen nach sich ziehen muss. Der Wettbewerb zum Vierten Pavillon wurde mit 9 Millionen Euro ausgelobt. Diese Summe wurde ebenfalls im April 2008 dem Haushaltsausschuss offeriert. Es folgen dann Steigerungen auf 10,5, 12,5, 14,5 und seit letztem Jahr auf 18,7 Millionen Euro. Kuratoriumsmitglied Edwin Kohl sprach kürzlich vor der Presse davon, dass im Kuratorium von Anfang an mit 22,5 Millionen und bei Fertigstellung des Pavillons mit 26 bis 28 Millionen Euro gerechnet wurde. Letzte Woche wurde uns im Kulturausschuss auf Nachfrage erklärt, dass vom Darlehen für den Vierten Pavillon noch 10 Millionen Euro im Topf seien. Da jedoch laut Herrn Grewenig bereits fast 18,7 Millionen Euro verbaut wurden, müssen logischerweise Landesregierung und Kuratorium von einer Bausumme von mindestens 28 Millionen Euro ausgegangen sein. Dies, meine Damen und Herren, ist eine Überschreitung der dem Parlament genannten Kosten um über 300 Prozent. Das ist Täuschung, liebe Kolleginnen und Kollegen, und wenn das zutrifft, ist es ein Skandal.
Eine weitere Forderung in unserem Antrag ist der sofortige Baustopp für den Vierten Pavillon. Dieser
Betonklotz steht nun da und verschandelt den Architekturpreis für das Saarland, den Schönecker-Bau. Er verstellt die Sichtachse und nimmt den Anwohnern, die gegenüber wohnen, die Sonne. Niemand weiß, wie es weitergehen soll; niemand weiß, welche Kosten dieses Monstrum noch verursachen wird. Diese Fahrt ins Ungewisse muss angehalten werden. Deshalb fordern wir in unserem Antrag einen sofortigen Baustopp.
Liebe Kolleginnen und Kollegen, hören Sie sich an, was sachkundige Bürger dieses Landes dazu meinen. Ich zitiere zunächst den Leserbrief von Herbert Kiefer, dem Präsidenten der Architektenkammer des Saarlandes, vom 23. Juli 2011 in der Saarbrücker Zeitung: „Man vergaß die Kommunikation mit den Bürgern bis zur bitteren Pleite. Wann lernt die Politik, dass nicht Millionenprojekte allein die Bürger aufbringen, sondern Hauruckverfahren und Verschleierungstaktiken? Die Verantwortung lässt sich wahrlich nicht bei Projektsteuerern und Architekten abladen.“ Ich darf noch ein zweites Mal zitieren, den Leserbrief des Vorsitzenden des Landesdenkmalrates, Henning Freese, vom 23. September 2011 in der Saarbrücker Zeitung: „Die gesamte Entscheidungskette war auf ein Durchregieren angelegt, und alle erprobten, bewährten und zuverlässigen Verfahren wurden außer Kraft gesetzt. Notwendige Diskussionen und transparente Entscheidungen gab es nicht. Demokratische Spielregeln wurden umgangen. Marx und Melcher waren lediglich außer Kontrolle geratene Gehilfen der Verantwortlichen.“ Ich sage Ihnen, Frau Ministerpräsidentin: Es ist eine Schande, wie dieses Bauvorhaben geplant und unkontrolliert durchgeführt wurde. - Frau Dr. Wandel-Hoefer, die Baudezernentin der Stadt Saarbrücken, sagte: „Wir haben uns um eine behutsame Verbesserung der städtebaulichen Einbindung ohne rechtliche Druckmittel bemüht, wurden konsequent mit Basta-Politik des Landes ausgebremst und vorgeführt. Die Stadt wollte eine Baumassenreduzierung.“
Ich denke, ein „Weiter so!“ ist nach all dem die schlechteste aller möglichen Antworten auf die Gegebenheiten, wie sie sich jetzt darstellen. Halten Sie inne und geben Sie die nötige Zeit, um in Ruhe die bestmögliche Lösung für dieses Werk zu finden! Frau Ministerpräsidentin, lassen Sie mich noch ganz persönlich ein Wort an Sie richten. Sie können nicht länger so tun, als gehe Sie Ihr früheres Leben als Kuratorin und Kulturministerin nichts mehr an.
Sie können nicht weiter so tun wie die bekannten drei Affen, die nichts hören, nichts sehen und nichts sagen. Stellen Sie sich dem Parlament, den Bürgerinnen und Bürgern dieses Landes. Wir alle haben ein Anrecht darauf.
Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Wir beschäftigen uns in diesem Hohen Hause nicht zum
ersten Mal mit diesem Thema. Anfang der Neunzigerjahre haben sowohl die SPD-Fraktion wie auch die damals SPD-geführte Landesregierung versucht, über den Bundestag eine Änderung des Kreditwesengesetzes zu erreichen und eine verpflichtende Regelung für ein Guthabenkonto durchzusetzen. Es gab damals Druck von den Verbraucherzentralen, den Wohlfahrtsverbänden und den Schuldnerberatungsstellen - genau wie heute auch. Aufgrund dieses öffentlichen Drucks haben 1995 die im Zentralen Kreditausschuss ZKA zusammengeschlossenen Spitzenverbände der Kreditwirtschaft für ihre Mitgliedsinstitute die ZKA-Empfehlung zum Girokonto für jeden ausgesprochen. Hier möchte ich betonen, Herr Linsler: nicht für jedermann, sondern auch für jederfrau, deshalb Girokonto für jeden.
Die Kreditinstitute haben damit erwartungsgemäß eine gesetzliche Regelung verhindert. Wären sie diesen Weg nicht gegangen, hätten wir heute schon eine gesetzliche Regelung. Aber es war nur eine Empfehlung, die keinerlei Bindungswirkung hatte. Ich sage dennoch: Zum damaligen Zeitpunkt war es richtig, der Kreditwirtschaft erst einmal die Möglichkeit der freiwilligen Selbstverpflichtung einzuräumen. Darin wurde festgehalten, dass jedem Bürger und jeder Bürgerin ein Girokonto auf Guthabenbasis bereitgestellt werden muss. Dabei sollte die Bereitschaft zur Kontoführung nicht abhängig gemacht werden von der Höhe und der Art der Einkünfte, auch nicht von der Eintragung bei der Schufa, die auf schlechte wirtschaftliche Verhältnisse der Kunden hindeutet. Die Kreditinstitute sind nach dieser Selbstverpflichtung nur dann nicht verpflichtet, ein Girokonto zu führen, wenn dies unzumutbar ist, wenn zum Beispiel in den Geschäftsräumen randaliert wird.
Aber es kam anders. Die Selbstverpflichtung wurde von Anfang an mangelhaft umgesetzt. Nach Informationen der Verbraucherzentralen sind 90 Prozent der Kontoverweigerungen ungerechtfertigt. Die Ablehnungen werden entweder gar nicht begründet oder die Begründung erfolgt per Standardbrief. Meist wird das Girokonto wegen einer negativen SchufaAuskunft verweigert. Dabei ist bei der Einrichtung eines reinen Guthabenkontos der Rückgriff auf die Schufa überhaupt nicht erlaubt. Hier wird als etwas gemacht, was gar nicht zulässig ist.
Umfragen und Stichproben der Schuldnerberatungsstellen und der Sozialverbände lassen vermuten, dass zirka 600.000 Menschen in der Bundesrepublik ohne ein Konto leben. Es gab am 01. September einen Bericht auf ZEIT-Online, wonach man davon ausgehen kann, dass zwischen 6.000 und 10.000 Menschen auch im Saarland kein Konto haben. Menschen ohne Girokonto droht die gesellschaftli
che Ausgrenzung. Deshalb hat der Deutsche Bundestag die Kreditwirtschaft mehrfach aufgefordert, der Selbstverpflichtung nachzukommen und alle zwei Jahre zu berichten, wie die Umsetzung erfolgt. Diese Berichte sind abgegeben worden, 2002, 2004 und 2006. Man musste feststellen, dass das nicht ordentlich umgesetzt worden ist. Man hat den Kreditinstituten noch eine Frist gesetzt und sie verpflichtet, Ablehnungsgründe schriftlich anzugeben und auf die Schlichtungsstelle hinzuweisen, die eingerichtet werden musste. So weit, so gut.
Die Schlichtungsstelle wird auch in Anspruch genommen, aber so ein Schlichtungsverfahren dauert circa fünf Monate. Und selbst, wenn der oder die Betroffene recht bekam, wurde immer noch kein Konto auf Guthabenbasis eingerichtet, weil auch der Schlichtungsspruch nicht verpflichtend ist. In einigen Fällen kam es zur Klage. Auch die Gerichte haben bestätigt, dass weder die Selbstverpflichtung noch der Schlichtungsspruch Rechtsansprüche der Bürger auf die Eröffnung eines Kontos begründen.
Also auch nach 15 Jahren bleibt die Selbstverpflichtung ein Papiertiger; die Selbstverpflichtung ist gescheitert, das können wir feststellen. Deshalb müssen wir jetzt verbindliche Regelungen einbringen. Die SPD Fraktion - Dr. Magnus Jung und ich - hat im August dieses Jahres eine Anfrage an die Landesregierung gerichtet, damit wir besseres Datenmaterial haben und auf dieser Grundlage den heutigen Vorstoß machen können. Die Antwort liegt seit Ende August vor.
In acht Bundesländern gibt es bereits Sparkassengesetze, die ein Guthabenkonto verpflichtend vorsehen, nämlich in Brandenburg, Mecklenburg-Vorpommern, Sachsen, Sachsen-Anhalt, Thüringen, Bayern, Nordrhein-Westfalen und unser Nachbarland Rheinland-Pfalz. Hinzu kommt, dass Hessen und Schleswig-Holstein eine entsprechende Verpflichtung in die Satzungen aufgenommen haben. Deshalb sagen wir: Auf Landesebene haben wir die Möglichkeit, das Sparkassengesetz zu ändern. Das wollen wir auch und fordern die Landesregierung heute mit diesem Antrag dazu auf.
Das heißt nichts anderes, als die gelebte Praxis der Sparkassen in einem Gesetz zu normieren. In der Antwort auf unsere Anfrage wurde deutlich, dass bei den Sparkassen die wenigsten Probleme auftreten. Aber wenn das sowieso gemacht wird und es kaum Probleme gibt, kann das auch in Gesetzesform gegossen werden. So viel zum ersten Schritt.
Der zweite Schritt, der ist ganz wichtig: Wir wollen die Gleichbehandlung aller Kreditinstitute. Es ist an der Zeit, die gesamte Kreditwirtschaft durch ein Gesetz zu verpflichten. Das können wir natürlich nicht hier, sondern das muss auf Bundesebene gemacht werden.
Wir wollen zuerst das hiesige Sparkassengesetz ändern. Das heißt aber nicht, dass die anderen Kreditinstitute freigestellt werden sollen. Nämlich gerade dort haben wir die Probleme! Die Commerzbank und die Deutsche Bank gewähren keine Guthabenkonten, sie lehnen es schlichtweg ab! Deshalb ist es richtig, wenn wir sagen: Das, was gelebte Realität bei den Sparkassen ist, verankern wir hier per Gesetz, aber es darf nicht sein, dass die anderen Kreditinstitute hier einen Wettbewerbsvorteil haben. Das wollen wir zusätzlich auf den Weg bringen!
Herr Linsler hat es schon gesagt: Niemand von uns kann sich eigentlich vorstellen, wie es ist, ohne Girokonto zu leben, eine Wohnung zu mieten, eine Arbeitsstelle anzutreten, Strom- und Wasserrechnung oder KFZ-Steuer zu bezahlen. All das geht doch nur per Banküberweisung! Wer keine Bankverbindung angeben kann, den kommt das teuer zu stehen, im wahrsten Sinne des Wortes. Arbeitgeber zahlen Lohn und Gehalt nicht mehr bar aus und Hauseigentümer kassieren die Miete nicht mehr cash. Da muss man kostspielige Bareinzahlungen oder Überweisungen tätigen. Die Verbraucherzentrale Hamburg hat in einer Untersuchung festgestellt, dass ein Privathaushalt monatlich für Wohnungsmiete, Energiekosten, Festnetzanschluss, Versicherungsprämien und GEZ-Gebühr in der Regel acht Überweisungen benötigt. Wenn man kein Konto hat, würden dafür im Monat zwischen 40 und 80 Euro anfallen, also im Jahr zwischen 480 und 960 Euro - und das für die Menschen, die sowieso kein Geld haben!
Deshalb sagen wir: Wir brauchen ein Girokonto. Wer ein Girokonto hat, hat eine Kostenbelastung von etwa 80 Euro im Jahr. Das, denke ich, ist durchaus tragbar. Deshalb muss die Verpflichtung her, dass jedem Menschen ein Girokonto zur Verfügung gestellt wird.
Die dritte Forderung in unserem Antrag ist, besser über das Pfändungsschutzkonto zu informieren, das den Menschen einen Freibetrag von 985,15 Euro sichert. Dieser Betrag darf nicht gepfändet werden, er dient der Existenzsicherung. Viele Menschen wissen nicht, dass lediglich ein bestehendes Konto in ein Pfändungsschutzkonto umgewandelt werden kann. Keine Bank ist gezwungen, ein Pfändungsschutzkonto zu eröffnen, aber jede Bank ist verpflichtet, ein Konto in ein Pfändungsschutzkonto umzuwandeln, das ist ein Rechtsanspruch. Ab 2012 ist jeder, der über ein Konto verfügt und von einer Pfändung betroffen ist, auf ein Pfändungsschutzkonto angewiesen, weil die alte Pfändungsschutzregelung über die Amtsgerichte ausläuft. Dieses Konto ist noch von der SPD in der Großen Koalition, von Brigitte Zy
pries, auf den Weg gebracht worden und wurde dann von der Nachfolgeregierung aus CDU und FDP umgesetzt. Gut gemeint ist aber noch lange nicht gut gemacht. Bedauerlich ist, dass dieses Konto oft drastische Leistungseinbußen und horrende Kontogebühren mit sich bringt. Wir brauchen schnellstmöglich eine gesetzliche Klarstellung; die Gebühren dürfen den Preis für ein allgemein übliches Gehaltskonto nicht übersteigen.
Letztendlich freuen wir uns, dass das Thema jetzt auch in der EU behandelt wird. Der Binnenmarktkommissar Michel Barnier fordert ein Basiskonto für jeden Menschen. Er geht davon aus, dass rund 30 Millionen Menschen in der EU kein Konto haben und circa 7 Millionen Menschen davon der Zugang zu einem Konto verwehrt wurde. Jetzt hat die EU die Bundesrepublik aufgefordert, innerhalb von sechs Monaten Daten vorzulegen, ob und wie viele Menschen in Deutschland kein Konto haben. Sollte sich herausstellen, dass in der EU und auch in Deutschland viele Menschen vom bargeldlosen Zahlungsverkehr ausgeschlossen sind, wird die EU eine Verpflichtung erlassen. Das heißt, die Bundesregierung würde dann von der Europäischen Union gezwungen werden, das Kreditwesengesetz zu ändern. Dem kann man vorbeugen. Deshalb fordern wir Sie als Landesregierung auf, eine Bundesratsinitiative in diese Richtung anzugehen. Es geht also darum, erstens das Sparkassengesetz im Saarland zu ändern und zweitens eine Bundesratsinitiative zu starten, damit das Kreditwesengesetz geändert wird. Ein Konto ist ein Zeichen von Bonität, wer kein Konto hat, gilt oft als unseriös. Wenn ich eine Güterabwägung vornehme zwischen den berechtigten Interessen der Banken und Sparkassen und den Interessen der Menschen, die unverschuldet oder auch verschuldet in Not geraten sind, ihnen den Wiedereinstieg zu ermöglichen, dann komme ich zu dem Schluss, dass der Gesetzgeber handeln muss, im Bund wie im Land. Unterstützen Sie bitte deshalb unseren Antrag. - Vielen Dank.
Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Der Vierte Pavillon droht ein in Deutschland kulturgeschichtlich einmaliges Bauwerk zu werden, nicht etwa, weil er Weltkulturerbe werden könnte, sondern weil er für Gigantomanie, für Günstlingswirtschaft, für Verschwendung, für Fehlplanung, für Ignoranz und für Unfähigkeit steht.
Dieses Bauwerk ist ein herausragendes Beispiel für Gigantomanie und Großmannssucht. In diesem Bauwerk soll die Sammlung der Stiftung Saarländischer Kulturbesitz untergebracht werden, aber niemand kann bislang sagen, wie der verbleibende Platz überzeugend gefüllt werden soll. Jeder vernünftige Bauherr definiert doch normalerweise zunächst einmal den Bedarf und baut dann diesem Bedarf entsprechend. Ihnen hingegen konnte dieser hässliche Klotz - und ich als Saarbrückerin wehre mich eigentlich gegen die Bezeichnung „Vierter Pavillon“ - gar nicht groß genug sein. Allen Warnungen zum Trotz haben Sie hingenommen, dass dieser Kunsthochbunker das schöne Schönecker-Ensemble brutal totschlägt.
Mit 3.050 Quadratmetern Nutz- und Ausstellungsfläche ist dieser Klotz so groß wie die Pavillons 1 bis 3
zusammengenommen; sie haben 3.250 Quadratmeter Nutzfläche. Dieser Bunker ist aber nicht nur in seinen Abmessungen gewaltig, er ist auch gigantisch als Fehlplanung. Es gibt Räumlichkeiten, die den Voraussetzungen, die an ein Museum gestellt werden, nicht entsprechen. Der Hochwasserschutz ist nicht ausreichend. Es fehlen Türen. Die technische Gebäudeausrüstung ist völlig unzureichend geplant.
Und die von Ihnen verfügte Abänderung der Glasfassade hat sogar die zuständigen Architekten twoo in die Flucht geschlagen. Aufträge wurden doppelt vergeben. Das exorbitante Honorar des Projektsteuerers von mehr als 1,4 Millionen Euro fehlt in der Kostenrechnung. Es gab bis zu 30 Fachplaner, also etwa doppelt so viele wie üblich. Und das kostet! Das kostet!
Ich bin sicher, meine Damen und Herren, wenn wir, wir im Parlament und die Öffentlichkeit draußen, durch geeignete Maßnahmen vollen Überblick über das gesamte Ausmaß des Desasters bekommen, werden wir uns an den Kopf fassen und uns fragen, welche Kontrollmechanismen hier dermaßen gravierend versagt haben, dass mit diesem Ausmaß an Dilettantismus geplant und gebaut werden konnte. Prof. Dr. Grewenig spricht gar schon vom Sanierungsfall.
Herr Minister Toscani, am Samstag haben Sie laut Saarbrücker Zeitung gesagt, Sie wollten für mehr Transparenz sorgen, damit die Kunst endlich aus den Negativschlagzeilen komme. Herr Minister, es geht nicht um die Kunst! Nicht Frau Schlingmann, Herr Leonardy, Herr Duis oder irgendein Kunstwerk sind in die Negativschlagzeilen geraten. Es ist die CDU-Landesregierung, die hier Negativschlagzeilen schreibt!
Unfähigkeit und Ignoranz gehen ja häufig eine unheilvolle Verbindung ein. Das, meine Damen und Herren, können wir auch in diesem Fall beobachten. Sie, Frau Ministerpräsidentin, waren von 2007 bis 2009 Kulturministerin und Kuratorin. In diese Zeit fallen der Architektenwettbewerb, die Auswahl des fünften Preises und der Baubeginn. Daher mache ich Sie, Frau Ministerpräsidentin, auch verantwortlich für dieses Desaster!
Die „Bürgerinitiative gegen das Museumsmonster“, SPD und GRÜNE im Stadtrat und der Denkmalschutz haben Sie gewarnt! Sie alle haben vergeblich versucht, Sie von diesem wahnwitzigen Vorhaben abzubringen. Sie aber haben, um Ihr Vorhaben durchzusetzen, sogar bei den Kosten getrickst. Nicht
zu Unrecht haben Sie deshalb jetzt auch eine Strafanzeige der Bürgerinitiative am Hals.
Waren es 2008 noch 9 Millionen Euro, waren es 2009 - Herr Schmitt, schauen Sie in die Ausschussprotokolle von April 2008! - schon 14,5 Millionen Euro und 2010 18,7 Millionen Euro. Heute nun liegt die Schätzung bei 30 Millionen Euro. Und wir alle wissen doch: Wenn dieser Bau fertiggestellt sein wird, wird dieses Geld bei Weitem - bei Weitem! nicht ausgereicht haben.
So gigantisch, wie dieser Bau angelegt ist, so gigantisch fällt auch die Verschwendung von Steuergeldern aus, die Sie betrieben haben und immer noch betreiben. Die „Bürgerinitiative gegen das Museumsmonster“ hat im August 2009 gefordert - ich zitiere, Herr Präsident -: „Es ist noch nicht zu spät! Wir haben noch die Wahl! Erhebt eure Stimmen gegen die Entrechtung von Bürgern, gegen die bürgerfeindliche Haltung der CDU!“ Und zur gleichen Zeit, am 07. August 2009, fand in einer Nacht- und Nebelaktion der Spatenstich statt, um noch schnell vor der Wahl Fakten zu schaffen.
Ich war nicht eingeladen.
Und unsere jetzige Ministerpräsidentin und damalige Kultusministerin und Kuratorin sagte damals, ich zitiere: „Ich freue mich, dass wir mit diesem Museumsneubau nicht nur die Kulturmeile der Stadt Saarbrücken vom linken zum rechten Saarufer komplettieren, sondern dass es den Architekten mit dem nun zu realisierenden Entwurf gelungen ist, das Museumsensemble harmonisch zu erweitern.“
Ich weiß nicht, Frau Ministerpräsidentin, was Ihnen damals die Sinne trübte. Den jetzt vorhandenen Bauklotz können Sie keinesfalls gemeint haben.
Es gab weitere warnende Stimmen. SPD und GRÜNE im Saarbrücker Stadtrat wollten im Jahr 2008 einen Bebauungsplan aufstellen, um eigene Gestaltungs- und Beteiligungsmöglichkeiten zu haben, damit gerade das, was nun eingetreten ist, nicht passieren sollte. Wir haben jetzt einen Klotz, der ein Ensemble verdeckt, das den Architekturpreis des Saarlandes gewonnen hat. Wir haben einen Klotz, der die Sichtachse zur Bismarckstraße verstellt, einen Klotz, der die schöne Freifläche, auf der die Gaia stand, verschandelt. Die damalige CDU-Mehrheit im Saarbrücker Stadtrat hat aber die Aufstellung des
Bebauungsplanes verhindert, gewiss auf Druck der CDU-Landesregierung.
Aber es kommt noch schlimmer, meine Damen und Herren! Professor Michael Braum, der Vorstandsvorsitzende der Bundesstiftung Baukultur und Mitglied des Deutschen Nationalkomitees für Denkmalschutz, wollte 2008 mehrfach mit Ihnen, Frau Ministerpräsidentin, und mit Herrn Dr. Melcher ins Gespräch kommen. Ein bereits vereinbartes Treffen, Frau Ministerpräsidentin, haben Sie und Herr Dr. Melcher kurzfristig und ohne Angabe von Gründen platzen lassen. Ich kann Ihnen aber gerne den Grund nennen, weshalb dieses Treffen nie zustande kam: Sie ahnten, dass der Vorsitzende der Bundesstiftung Baukultur, Herr Professor Braum, aus Sorge um den mit dem Architekturpreis des Saarlandes geehrten Schönecker-Bau von der Errichtung dieses Klotzes abgeraten hätte. Aber Sie wollten diesen Bau haben, und dabei gingen Sie ohne Rücksicht auf Verluste vor. Daher konnten Sie die Meinung des Denkmalschutzexperten Professor Braum halt nicht gebrauchen. Und bei diesem Bau zeigt sich nun wirklich ein komplettes Versagen des hiesigen Denkmalschutzes!
Das war der Aspekt der Ignoranz, jetzt komme ich auf den Aspekt der Unfähigkeit zu sprechen. Prof. Dr. Grewenig meinte in einer Ausschusssitzung: Schlamperei ist viel zu harmlos ausgedrückt, da dies ja Fahrlässigkeit bedeuten würde. Hier ist aber tatsächlich Überforderung und Unfähigkeit anzunehmen.
Und eng verknüpft mit diesem Bau sind auch Verschwendung und Günstlingswirtschaft. Statt professionellem Personaleinsatz werden wohl bei dieser Landesregierung lieber alte Seilschaften bedient. So wurde ein guter Bekannter von Jürgen Schreier zum Projektsteuerer für den Museumsbau, obwohl der Herr noch nie ein Museum gebaut hatte! Schon 2010 hat der Rechnungshof des Saarlandes auf die fehlende Qualifikation des Projektsteuerers, der Innenarchitekt ist, hingewiesen. Hätte man damals die Reißleine gezogen, meine Damen und Herren, wären dem saarländischen Steuerzahler eine Menge Kosten erspart geblieben.
Unser neuer Kulturminister sagte letzte Woche in einem Interview beim Saarländischen Rundfunk: „Wir müssen statt Duzfreunde Fachleute einbeziehen.“ Sehr richtig, Herr Toscani! Nur leider kommt Ihre Erkenntnis geraume Zeit zu spät.
Sie können das nachlesen. - Sicher wäre es besser gewesen, Sie hätten Ihre warnende Stimme früher erhoben. Sie sind ja schließlich nicht neu im Kabinett.
Man kann das nachlesen. - Es riecht auch nach Günstlingswirtschaft, dass Sie, Frau Ministerpräsidentin, in Ihrer damaligen Funktion als Kulturministerin ohne Not Herrn Melchers Arbeitsvertrag vor Ablauf verlängert und ihm eine satte Gehaltserhöhung von 50 Prozent, nämlich 3.000 Euro, spendiert haben, sodass er mit der Bauzulage von 1.250 Euro monatlich zum bestbezahlten Museumsdirektor Deutschlands mutierte. Damit hatte Dr. Melcher als Vorstand des überschaubaren Saarlandmuseums mehr Gehalt als zum Beispiel der Chef der Stiftung Preußischer Kulturbesitz, der 300 Mitarbeiter hat Melcher hatte 30. Der Rechnungshof sieht darin einen Verstoß gegen das Besserstellungsverbot. Frau Ministerpräsidentin, das hat der Rechnungshof Ihnen persönlich ins Stammbuch geschrieben, weil Sie das nämlich verbockt haben. Karl Rauber hat oftmals nur den Kopf für Sie hingehalten.
Es war halt ein Duzfreund, mit dem man gern zum Essen ging. Die Saarbrücker Zeitung schrieb am 03. August: „Annegret Kamp-Karrenbauer pflegte einst ein geradezu freundschaftliches Verhältnis zu Melcher, gegen den jetzt die Staatsanwaltschaft ermittelt.“ Bei all dem war Essen und Trinken inklusive. Viele Mitglieder der Regierungspartei und der Regierung können davon berichten.
"Freibrief für Verschwendung" titelte der Chefredakteur der Saarbrücker Zeitung, Peter Stefan Herbst, im Juli 2010 - teure Bewirtungen, umstrittene Zulagen und Gehälter, Verschwendung von Steuergeldern halt. Vor diesem Hintergrund weiß ich nicht, ob wir Herrn Schreier zustimmen sollten, der als damaliger Kulturminister in eine Kamera sagte: „Um diesen Museumsdirektor wird uns die Republik noch beneiden.“
Ich fasse zusammen. Warnende und ernst zu nehmende Stimmen gab es wahrlich genug, doch die Verantwortlichen wollten sie nicht hören. Sie wollten diesen Bau haben, und die Steuerzahler zahlen dafür die Zeche. Der Vierte Pavillon ist ein Symbol für Größenwahn und Missmanagement.
Vorhin habe ich die Frage gestellt, welche Kontrollmechanismen versagt haben, dass es zu diesem Desaster kommen konnte. Da stoße ich auf die Stiftung Saarländischer Kulturbesitz. Stiftungsgesetz und Satzung haben einen Konstruktionsfehler. Gestern haben Sie, Herr Minister Toscani, wohl in Vorbereitung auf die heutige Debatte und in der Hoffnung, uns den Wind aus den Segeln nehmen zu können, verkündet, dass Sie spätestens im Oktober,
das heißt im nächsten Plenum, einen Gesetzentwurf vorlegen wollen, nachdem der Kulturminister nicht mehr gleichzeitig Kurator sein darf, und dass es eine Satzungsänderung geben wird, die eine Doppelspitze aus kaufmännischem und kulturpolitischem Vorstand bei der Stiftung installiert. Es soll also endlich das Vieraugenprinzip eingeführt werden. Wir begrüßen das außerordentlich. Sie sind damit unseren Forderungen nachgekommen und folgen damit endlich den Anregungen des Rechnungshofs.
Ich bin mir sicher, dass unser heutiger Antrag die Zustimmung des gesamten Parlaments erhalten wird, denn alles andere würde bedeuten, dass Ihre Hopplahopp-Ankündigungen von gestern nicht ernst zu nehmen sind.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Wir haben heute in der Zweiten Lesung einen eigenen Gesetzentwurf zum Saarländischen Gaststättengesetz eingebracht, die Fraktion DIE LINKE hat sich dem angeschlossen. Wir haben das deshalb gemacht, weil wir für die Beibehaltung der bisherigen Konzeption sind, mit dem Ziel, dass alle Bedingungen zur Eröffnung einer Gaststätte vor der Genehmigung erfüllt sein müssen und nicht nach der Genehmigung. Wir wollen, dass auch in Zukunft jeder, der eine Gaststätte aufmacht, von Anfang an über lebensmittelrechtliche und hygienerechtliche Kenntnisse verfügt und auch die Fülle der zu beachtenden gesetzlichen Bestimmungen insbesondere für den Bau, den Brandschutz und den Immissionsschutz kennen und einhalten muss. Diese Klarheit muss vor der Eröffnung einer Gaststätte vorliegen und nicht irgendwann ein halbes oder ein Dreivierteljahr später.
Nach dem hier vorliegenden Gesetzentwurf von CDU, FDP und GRÜNEN reicht es zukünftig aus, wenn die Eröffnung einer Gaststätte vier Wochen vorher angezeigt wird und ein polizeiliches Führungszeugnis, eine steuerliche Unbedenklichkeitsprüfung des Finanzamtes und einen Auszug aus dem Gewerbezentralregister vorgelegt werden. Fertig, schon ist man Wirt!
Jamaika nennt das Entbürokratisierung, wir nennen es Abbau von Verbraucherschutz, von Arbeitsschutz und von Nachbarschaftsschutz. Es birgt sehr große Risiken, auch für die Gaststättenbetreiber selbst.
Unsere wichtigste Forderung, meine Damen und Herren, ist die zwingende Zulassungsvoraussetzung für das Führen einer Gaststätte, nämlich das Vorliegen einer Bescheinigung über lebensmittel- und hygienerechtliche Kenntnisse, und zwar vor der Anmeldung. Wir sagen: Wer diese Vorkenntnisse nicht besitzt, darf auch keine Gaststätte eröffnen!
Die Regierungskoalition sieht das anders. Meine Damen und Herren von Jamaika, es wäre ganz leicht gewesen, in § 2 dieses Gesetzes einen Passus hinzuzufügen, in dem vorgeschrieben wird, dass lebensmittelrechtliche Kenntnisse vorher belegt werden müssen. Was hat Sie daran gehindert? Dass Ihnen bei dieser Formulierung nicht ganz wohl ist, merkt man daran, dass in der Begründung Ihres Gesetzentwurfes darauf hingewiesen wird, dass Fachkenntnisse in Lebensmittelhygiene und im Lebensmittelbereich vorliegen müssen und durch die Teilnahme an einer Schulung nachzuweisen sind. Nur, die Begründung ist eben nicht Bestandteil des Gesetzes! Was zählt, ist das, was im Gesetz steht. Das ist eine Frage von Transparenz, von Anwenderfreundlichkeit und von Verbraucherfreundlichkeit.
Ich habe überhaupt kein Verständnis dafür. Wenn es sowieso Voraussetzung sein soll, dann spricht überhaupt nichts dagegen, meine Damen und Herren der Regierungskoalition, dies auch ins Gesetz zu schreiben! Wer keine lebensmittelrechtlichen und hygienerechtlichen Kenntnisse vorweist, der darf einfach keine Kneipe eröffnen! So einfach ist das, und doch so schwer, weil von Ihnen so nicht festgeschrieben und wahrscheinlich nicht gewollt.
Wir stehen mit unserer Forderung nach mehr Verbraucherschutz überhaupt nicht alleine. Die Verbraucherzentrale des Saarlandes fordert - ich zitiere
mit Ihrer Zustimmung, Herr Präsident -: „Die Bescheinigung über lebensmittelrechtliche und hygienerechtliche Kenntnisse muss vor der Zulassung vorliegen.“ Der Deutsche Gewerkschaftsbund sowie der Städte- und Gemeindetag haben dies ebenfalls gefordert. Man höre und staune, selbst die Lebensmittelkontrollbehörde, die beim FDP-Verbraucherschutzministerium angesiedelt ist, sagt - ich lese Ihnen das vor, was bei der Anhörung vorgetragen wurde -: „Den Praktikern des Lebensmittelkontrolldienstes erscheint es als nicht unproblematisch, die bisherige Erlaubnispflicht in eine reine Anzeigepflicht umzuwandeln, da hiermit einhergeht, dass praktisch jeder - der ein Gewerbe anmeldet - eine Gaststätte betreiben kann und hierbei Lebensmittel verarbeiten darf, ohne dass vorher eine Geeignetheitsprüfung von neutraler staatlicher Stelle erfolgt, welche auch berücksichtigt, dass erforderliche Fachkenntnisse etwa hygienerechtlicher Natur durch Schulungen sowie geeignete Betriebsräume im Sinne eines proaktiven Verbraucherschutzes nachgewiesen werden, wohingegen § 4 Abs.1 Nr. 4 des Bundesgaststättengesetzes - den SPD und LINKE in den Gesetzestext eingebracht haben wollen - noch als Versagungsgrund für die Tätigkeitsausübung ausdrücklich den fehlenden Nachweis notwendiger lebensmittelrechtlicher Kenntnisse vorsah (...)“. - Ihre eigene Lebensmittelkontrollbehörde mahnt, die Bescheinigung vorzulegen, bevor man eine Gaststätte aufmacht. Und Sie setzen sich über die Lebensmittelkontrollbehörde hinweg, die dem FDP-Verbraucherschutzministerium unterstellt ist!
Herr Staatssekretär Pini hat am 31. März in einer Pressemeldung mit dem Titel „Hygieneschulungen in Zusammenarbeit mit der IHK für Beschäftigte im Lebensmittelbereich erhöhen Verbraucherschutz“ gesagt: „Ein Gastwirt muss grundsätzlich vor der Eröffnung seines Betriebes über die notwendigen Kenntnisse der Lebensmittelhygiene verfügen.“ Wenn das so ist, warum schreiben Sie das denn nicht ins Gesetz, frage ich Sie?
Warum steht das nicht im Gesetz? Wenn Kontrolleure neun Monate nach Eröffnung ein Lokal kontrollieren, müssen diese Kenntnisse erst dann nachgewiesen werden. Vielleicht war dieser Nachweis sogar die ganze Zeit schon nicht vorhanden. In dieser Zeit machen Sie die Verbraucherinnen und Verbraucher zu Versuchskaninchen. Ich frage mich schon, für wen Sie dieses Gesetz eigentlich machen. Für den Verbraucher, also den Gast, kann es nicht sein. Die Gäste haben nämlich ein Interesse an mehr Sicherheit und an mehr Hygiene. Für den Gaststättenbetreiber kann es auch nicht sein. Denn die bisherige integrierte Konzession war auch in seinem Interesse, denn alle Investitionen - das sind oft keine gerin
gen Investitionen, wenn man ein Lokal aufmacht konnten auf der gesicherten Grundlage einer umfassend geprüften und erteilten Konzession erfolgen. Das ist später anders. Der Gesetzentwurf sieht nämlich hier nur eine rein nachträgliche Kontrolle vor mit der Gefahr einer möglichen Schließungsverfügung für den Gastwirt. Das kann zu ganz schön viel teuren Fehlinvestitionen führen, meine Damen und Herren.
Wir sind nicht alleine. Bayern, ein Land mit vielen Gaststätten, hat genau das Bundesgaststättengesetz in sein Landesgaststättengesetz übernommen, weil sie zu Recht sagen - lesen Sie einmal die Protokolle der Einbringung durch -, es sei notwendig, dass die Bedingungen vor der Genehmigung vorliegen. Das aus gutem Grund. Bremen ist ebenso verfahren und viele andere Bundesländer auch.
Unser zweiter Kritikpunkt ist, Sie beschwören damit wieder das Heilbringende der Deregulierung, Bürokratieabbau.
Wir haben schon einmal erfahren, wie Herr Rauber Bürokratieabbau verstanden hat, als Gesetze immer wieder befristet wurden und man viel mehr Bürokratie hatte als vorher. Hier haben wir etwas ganz Ähnliches. Mit Deregulierung in diesem sensiblen Bereich geben Sie die Richtung vor in ein völlig überholtes Berufsbild „Wer nichts wird, wird Wirt“. Die Gefahr besteht für diesen Berufsstand. Das finde ich sehr schade.
Aber die Frage ist, ob Ihr Verzicht auf die präventive Kontrolle überhaupt Bürokratieabbau bringt. Da muss ich Ihnen sagen: Ganz im Gegenteil, die Kommunen werden in Zukunft erheblich mehr Bürokratieund Kontrollaufwand haben. In einigen CDU-nahen Bundesländern wie Niedersachsen oder Thüringen gibt es ähnliche Regelungen wie von Ihnen angestrebt schon seit 2008. Dort hat der Deutsche Städte- und Gemeindetag das zum Anlass genommen, sich die Praxis einmal näher zu betrachten. Er hat festgestellt, dass die reine Anzeigepflicht zu einer erhöhten Ermittlungstätigkeit der Behörden, zu mehr Ordnungsverfügungen und damit auch zu viel mehr Verwaltungsaufwand führt.
Zum Ausgleich dafür wird den Kommunen die Erlaubnisgebühr gestrichen. Das macht im Saarland gerade einmal schlappe 100.000 Euro weniger Einnahmen für die Kommunen aus.
Mehr Aufwand, weniger Geld. Ja, sagt die FDP, ganz klar, die Straßen bleiben liegen, meine Damen und Herren, die werden nicht saniert. Aber dafür hier ein weiteres Programm für die Mövenpick-Partei FDP, damit bestimmte Leute auf Steuerzahlerkosten davon profitieren.
In Zukunft - so befürchten wir - wird es mehr Verstöße gegen Verbraucherrechte und gegen Schutzrechte geben, weil die zukünftigen Gaststättenbetreiber oftmals die Normen und Vorschriften der Hygiene und der Lebensmittelbedingungen nicht kennen und erst durch laufende Kontrollen darauf hingewiesen werden. Wie es mit der Kontrollhäufigkeit in dem Land hier aussieht, ist hinlänglich bekannt. Wir haben gerade vor Kurzem gehört und nachlesen können - eine Anfrage -, dass es erhöhte Dioxinwerte gab, dass da neun Monate überhaupt nicht analysiert wurde, und genauso sorgfältig gehen Sie mit allen Proben und allen Kontrollen hier im Lande um. Dann guten Tag in Zukunft für die Verbraucherinnen und Verbraucher!
Eine Konzession konnte in der Vergangenheit versagt werden, wenn etwa - Herr Wegner hat es angesprochen - die Sicherung der Ruhe von Friedhöfen oder die Verhinderung eines Nachtbarbetriebes neben Schulen oder Jugendeinrichtungen das Ziel war. Dieser Schutz der Jugend oder die Pietät gegenüber Toten scheint auch nicht mehr opportun, denn die Versagensgründe stehen nicht im Gesetz. Das haben nicht nur der Städte- und Gemeindetag, der DGB und andere angeprangert, sondern auch die Industrie- und Handelskammer hat darum gebeten, dringend die Betriebsart im Gesetz festzuschreiben.
Hier zitiere ich den Bürgermeister der Stadt Neunkirchen, der in einer Pressemeldung befürchtet - so sagt Herr Fried -, man könne zukünftig die Eröffnung von Gaststätten im Neonazi- oder Rockermilieu kaum noch verhindern. Das habe zur Folge, dass insbesondere in Ballungsräumen die soziale Abwärtsspirale in Problemgebieten beschleunigt werde. Das ist die Aussage von dem Oberbürgermeister der Stadt Neunkirchen.
Der Oberbürgermeister der Stadt Saarlouis sagt gemeinsam mit den Mitarbeitern seiner Bauaufsichtsbehörden: „Ein weiteres Manko des Entwurfes der Landesregierung wird darin gesehen, dass der Anmeldende keine Angaben mehr zur beabsichtigten Betriebsart machen muss. Gerade die Betriebsart ist von großer Bedeutung für die von der Ortspolizeibehörde an die untere Bauaufsichtsbehörde abzusetzende Mitteilung, weil zum Beispiel Diskotheken, Barbetriebe und barähnliche Betriebe nicht in jedem Baugebiet zulässig sind. Bisher konnte die Gaststättenerlaubnis bei in einem Baugebiet unzulässiger Betriebsart von der Erlaubnisbehörde versagt werden, sodass es gar nicht erst zur Eröffnung kam. Nach der vorgesehenen Neuregelung wäre die Schließung nach Bauplanungsrecht unzulässiger Betriebe Aufgabe der unteren Bauaufsichtsbehörde.
Keine gute Sache für die vom Lärm gebeutelten Nachbarn (...).“
Sie sehen also, meine Damen und Herren, es gibt viele, die Ihren Entwurf aus guten Gründen ablehnen. Aber Sie waren nicht einsichtig. Nicht zuletzt hätten wir uns auch gewünscht, dass im Gesetz ein Hinweis zum barrierefreien Bauen eingefügt worden wäre. Die Evangelische Kirche hat zu Recht bemängelt, dass Sie von „behinderten Menschen“ reden. Es gibt keine behinderten Menschen, sondern nur Menschen mit Behinderungen, mit Handicaps. Auch das haben Sie bisher im Gesetz nicht verändert. Es gibt keinen Änderungsantrag dazu. Ich bitte einfach, dies trotzdem noch im Nachhinein zu machen.
Das Zweite ist, dass die Evangelische Kirche genau wie der Landesbehindertenbeirat, der beim Sozialministerium sitzt, empfiehlt, dass unter § 9 des Gaststättengesetzes auf die Verpflichtung zur Barrierefreiheit aufgrund der saarländischen Landesbauordnung hingewiesen wird, auch wegen der UN-Behindertenrechtskonvention, damit in Zukunft nicht im Nachhinein darauf aufmerksam gemacht werden muss, sie hätten das Lokal auch behindertengerecht aufmachen können. Aber auch diese Einlassungen haben bei Ihnen keine Beachtung gefunden. Schade. Es ist und bleibt ein vergiftetes Geschenk von Jamaika an die Mövenpick-Partei FDP, und die Verbraucherinnen und Verbraucher werden im Land das Nachsehen haben.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich beginne mit der Lebensmittelkontrollbehörde. Herr Minister Hartmann, da haben Sie nicht richtig gelesen, denn in der Stellungnahme der Kontrollbehörde gibt es zwei verschiedene Passagen. Da geht es zum einen um normale und zum anderen um leicht verderbliche Lebensmittel. Und bei leicht verderblichen Lebensmitteln - das ist der zweite Absatz, den Sie zitiert haben - ist es in der Tat so, dass die Voraussetzungen noch strenger sind als bei normalen Lebensmitteln.
Der erste Passus ist nicht relativiert. Die Lebensmittelkontrollbehörde hat eindeutig gesagt, dass es nicht unproblematisch erscheine, wenn die bisherige Erlaubnispflicht in eine reine Anzeigepflicht umgewandelt werde. Das habe mit einem proaktiven Verbraucherschutz überhaupt nichts zu tun. Weiter führt die Behörde aus, dass im Bundesgaststättengesetz als Versagungsgrund für die Tätigkeitsausübung der fehlende Nachweis der lebensmittel- und hygienerechtlichen Kenntnisse habe herangezogen werden können. Das ist nicht geheilt. Was Sie zitiert haben, war der zweite Absatz, in dem es um leicht verderbliche Lebensmittel wie Hackfleisch und Wiener Schnitzel geht.
Das Nächste. Hier wurde geradezu triumphiert, wir hätten mehr Lebensmittelschulung als vorher. Vorher waren es fünf Stunden bei der IHK. Jetzt ist eine neue Schulung aufgelegt. In Beantwortung einer Anfrage von mir vom 23. März 2011 - die Antwort habe ich heute Morgen bekommen - hat das Ministerium aufgelistet, wie lange die heutige Schulung dauert: 235 Minuten. Das sind 3 Stunden und 55 Minuten, also gut eine Stunde weniger als früher.
Wenn ich Gastwirt bin, sehe ich im Gaststättengesetz nach. Wenn ich noch in zehn anderen Gesetzen nachsehen muss, was für mich Gültigkeit hat, wie soll ich da klarkommen?
Ein Gesetz soll anwenderfreundlich sein, und dies war das bisherige Gesetz.
Und von wegen Fehlinvestitionen. Ich will Ihnen noch eines sagen.
Ich komme zum Schluss, Herr Präsident.
In Neunkirchen gab es letztes Jahr 99 Bewerbungen für die Eröffnung einer Gaststätte. Davon wurden 15 Prozent abgewiesen. Für diese 15 Prozent müssen wir in Zukunft Schließungsverfügungen aussprechen, die viel aufwendiger sind, als wenn wir die Bewerber im Vorhinein warnen würden, um sie vor Fehlinvestitionen zu schützen.
Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Wir wollen heute durch die Erhebung des Diskriminierungsschutzes für Lesben und Schwule in den Verfassungsrang deutlich machen, dass der Respekt vor der Würde aller Menschen, auch der von Schwulen und Lesben, bei uns in der Tat Verfassungsrang hat. Wir Sozialdemokratinnen und Sozialdemokraten wollten das schon 1998. In der damaligen Enquetekommission „Verfassung“ haben wir vorgeschlagen, Art. 12 Abs. 3 um die Formulierung „sexuelle Identität“ zu ergänzen. Damals - Herr Schmitt hat es eben deutlich gemacht - war es schier undenkbar, so etwas im Landtag mit einer verfassungsändernden Mehrheit durchzubekommen.
Eine lange Wegstrecke liegt jetzt hinter uns, fast 13 Jahre. Es werden heute keine dubiosen Argumente mehr vorgeschoben, um das Ganze zu verhindern. Das ist gut so. Wir freuen uns vor allem, dass es möglich ist, dass heute das ganze Haus für diese Verfassungsänderung steht. Alle Fraktionen im saarländischen Landtag sind sich einig. Wir wollen damit ein ganz starkes Zeichen der Akzeptanz und der Toleranz setzen. Es geht überhaupt nicht darum, dass sich heute irgendjemand einen Orden an die Brust heften will, sondern wir sagen, es geht um den Schutz, es geht um den Respekt und die Akzeptanz von Schwulen, Lesben und Transgendern.
Dieses ausdrückliche Verbot der Diskriminierung aufgrund der sexuellen Identität ist ein deutliches Bekenntnis des saarländischen Gesetzgebers, mit dem wir erreichen wollen, dass Lesben und Schwule nach ihren Vorstellungen und ohne Diskriminierung leben können. Wir wollen vor allen Dingen, dass Menschen es leichter haben, mit ihrer sexuellen Identität offen umzugehen. Es ist wichtig, dass wir in unserer Verfassung endlich zum Ausdruck bringen, dass Lesben und Schwule Bürgerinnen und Bürger wie wir alle im Lande sind - mit gleichen Rechten, mit gleichen Pflichten und ohne jeglichen Abstand. Dies gebieten Respekt und Würde, wie es unsere Verfassung vorsieht.
Es freut uns ebenfalls - Herr Schmitt, Sie haben es deutlich gemacht -, dass die Diskriminierung von saarländischen verpartnerten Beamtinnen und Beamten nun auch endlich beendet wird, dass der Widerstand, der 2008 noch offen formuliert wurde, beigelegt ist. Ich freue mich auch, dass wir alle hier die Anpassung rückwirkend vornehmen und damit die Entscheidung von 2008 korrigieren. Das ist konsequent.
Meine Damen und Herren, Herr Schmitt hat auch schon deutlich gemacht, all diese Verbesserungen in der Lesben- und Schwulenpolitik bedeuten nicht, dass die Emanzipationsarbeit damit abgeschlossen wäre. Nach wie vor ist die völlige Gleichstellung noch nicht erreicht, und nach wie vor erfahren Schwule und Lesben Ausgrenzung und Ablehnung. Nach wie vor werden bei uns, auch im Saarland, noch jeder siebte schwule Mann und jede zehnte lesbische Frau Opfer von Gewalt. In Zeiten, in denen es auf Schulhöfen, Fußballplätzen und in Handballhallen noch als „in“ gilt zu sagen „Das ist doch schwul“, in Zeiten, wo schwul noch immer das größte Schimpfwort überhaupt ist, in solchen Zeiten brauchen wir solche Zeichen, wie sie heute gesetzt werden: Dass wir alle ausdrücklich zur Vielfalt der sexuellen Orientierung stehen und dass wir das Ziel haben, das Klima des Respekts und der Toleranz im Saarland zu verankern.
Wenn wir das tun wollen, brauchen wir aber auch eine Überarbeitung der Lehrpläne, um Homosexualität und Homophobie im Unterreicht so zu behandeln, dass ein diskriminierungsfreies Umfeld für lesbische und schwule Jugendliche geschaffen wird. Im Saarland ist das auch kein Luxus. Die Sexualrichtlinien sind zum letzten Mal im Jahr 1990 überarbeitet worden. Mithin sind weitreichende gesellschaftliche Veränderungen der letzten 20 Jahre überhaupt noch nicht berücksichtigt. Wir brauchen also eine Anpassung an die Lebenswelt heranwachsender Jugendlicher. In Schulen, in Jugendzentren muss mit der Aufklärungsarbeit begonnen werden, damit es aufhört mit diesen Schimpfwörtern. Wir wollen, dass Homophobie genauso wie Rassismus und Diskriminierung keinen Platz haben. Projekte wie „Schule gegen Homophobie - Schule der Vielfalt“, die in Nordrhein-Westfalen, Berlin, Brandenburg, Bremen und Schleswig-Holstein schon lange praktiziert werden, würden auch dem Saarland gut anstehen.
Akzeptanz kultureller und sexueller Vielfalt lässt sich nicht verordnen. Es bedarf vielmehr des engagierten Wirkens aller Teile der Gesellschaft. Wir als Landtag haben hier Vorbildfunktion. Deshalb ist heute ein richtig guter Tag für uns alle. Wir haben mit der vorliegenden Verfassungsänderung einen großen Schritt hin zu einem Klima des Respekts, der Wertschätzung und der Vielfalt getan. Alles andere wird sich auch noch ergeben. - Vielen Dank.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! „Notwendige Konsequenzen aus dem Dioxin-Skandal ziehen“ lautet die Überschrift unseres vorliegenden Antrags. Die Ende letzten Jahres erneut aufgetretenen Probleme bei der Futtermittelproduktion haben uns deutlich gemacht, dass es große Lücken bei der Eigenkontrolle der Betriebe sowie in der Lebens- und Futtermittelüberwachung der Länder gibt. Die Frage nach dem „Weiter so“ muss gestellt werden. Im Kampf um niedrige Preise geht allzu oft die Qualität verloren, meine Damen und Herren, und der Skandal kommt uns ganz teuer zu stehen, vor allem den deutschen Bauern. Sie haben voraussichtlich einen Schaden von 100 Millionen Euro, und gerade ihnen muss unsere größte Sorge gelten, genauso wie den Verbraucherinnen und Verbrauchern, die total verunsichert sind. Sie sind die Hauptbetroffenen des erneuten Skandals.
Lebensmittel sind Mittel zum Leben, wie es das Wort schon sagt, und müssen sicher sein, auch günstige, billige Lebensmittel müssen sicher sein. Der vorliegende Dioxin-Skandal wirft viele Fragen auf. Herr Minister Weisweiler, wir üben Kritik an Ihrer Informationspolitik. Sie haben im Saarland den Eindruck vermittelt, dass Probeergebnisse und der Abgleich von Lieferlisten zu keinem positiven Ergebnis geführt hätten und das Saarland damit bisher dioxinfrei sei. Fakt ist: Es haben lediglich Buchprüfungen stattgefunden, und man hat Eierchargennummern verglichen. Als wir am 12. Januar 2011 im zuständigen
Ausschuss nachgefragt haben, was mit den großen Ketten wie Aldi, Lidl und Netto ist, die ja ihre Produkte von überallher beziehen, und mit Schlacht- und Zerlegebetrieben, wurde uns gesagt, es gebe keine Anhaltspunkte. Vertrauen ehrt, Herr Minister, Kontrolle ist besser. Bei meiner Nachfrage im Ausschuss, ob es im Saarland im Rahmen dieses erneuten Dioxin-Skandals zusätzliche Lebensmittelproben gegeben habe, wurde uns vom Vertreter des Ministeriums im Beisein des Ministers für Gesundheit und Verbraucherschutz gesagt, dass zum einen die Proben sehr teuer seien und zum Zweiten die Beprobung so lange dauere, dass man darauf verzichtet habe. Es wurden also keine Proben genommen.
SR und SZ haben nachgefragt, wie viele Proben im Jahr 2010 vor dem Skandal genommen worden seien. Das Saarland ist nach dem nationalen Kontrollplan verpflichtet, zehn Proben zu nehmen. Nachdem wir immer wieder nachgefragt hatten, zu welchen Ergebnissen sie geführt haben, hat sich herausgestellt, dass im letzten Jahr zehn Proben gezogen wurden und zwar im Mai, im Juni sowie am 03. September und am 26. Oktober zur Analyse nach Speyer geschickt worden sind. Das heißt: Proben, die im Mai, Juni und September bei Eiern und Fleisch gezogen wurden, sind nach Angaben des Ministeriums am 26. Oktober nach Speyer geschickt worden. Da frage ich Sie, Herr Minister: Was machen Sie? Die Ergebnisse haben bis letzte Woche nicht vorgelegen, und selbst wenn sie jetzt vorlägen und sich ein positiver Befund ergeben hätte, frage ich Sie, Herr Minister Weisweiler: Was wollen Sie mit diesem Befund? Was wollen Sie den Menschen sagen?
Das Fleisch und die Eier, die im Mai, Juni und September getestet wurden, sind doch längst verzehrt! Die Produkte der Palette sind alle längst gegessen. Die Sache ist gegessen. In Fachkreisen sagt man, erst gemessen, dann gegessen. Im Saarland heißt es, erst einmal gegessen, später schauen wir, was drin ist.
Man kann das nur sarkastisch und zynisch nehmen. Dass man nach Angaben des Ministeriums diese zehn Proben am 26. Oktober noch zur Analyse wegschickt, ist hinausgeworfenes Geld. Das sind 10.000 bis 15.000 Euro des Steuerzahlers, die rausgeschmissen sind. Mit diesen Analysen kann man nichts mehr anfangen. Das hat nicht mal mehr etwas mit Beruhigung zu tun, das ist Verbrauchertäuschung pur. Jeder Verbraucher und jede Verbraucherin, der oder die im SR gehört hat, dass im Jahr 2010 im Saarland zehn Dioxinproben gezogen wurden, ist davon ausgegangen, dass diese auch analy
siert wurden. Man glaubt doch nicht, dass diese Proben gezogen und ins Regal gestellt wurden.
Wenn jemand davon spricht, dass eine Probe gezogen wurde, dann meint man, sie sei auch analysiert worden. Sie haben also die Verbraucher im Saarland getäuscht und verschwenden Steuergelder. Das ist das Erste.
Zweitens bezweifeln wir auch, dass die Proben am 26. Oktober nach Speyer geschickt worden sind. Warum? - Wir haben uns bei den saarländischen Laboren erkundigt. Wir haben gefragt, wie lange eigentlich eine Analyse von Dioxinproben dauert. Die saarländischen Labore, die derzeit von vielen Lebensmittelbetrieben Proben ziehen und diese an ein bayerisches Dioxinlabor weiterschicken, sagen, die Beprobung von Eiern und Fleisch dauert zirka vier Tage. Die Beprobung von Milch dauert acht Tage, weil es sich hierbei um eine schwierigere Matrix handelt. In der „Wirtschaftswoche“ steht, die Beprobung von Dioxin dauert in Deutschland zwischen vier und sieben Tagen. Da wir gerecht sein wollten, haben wir gestern in Rheinland-Pfalz, in Speyer nachgefragt, wie lange die Beprobung von Dioxin aktuell dauert. Man antwortete uns, es seien zehn Tage. Aber die zehn Proben, die im Jahr 2010 genommen wurden, sind angeblich am 26. Oktober nach Speyer geschickt worden. Das sind 85 Tage. Das würde bedeuten, dass es acht Mal länger dauert als die normale Probezeit. Herr Minister, ich sage, Sie haben das Parlament belogen. Ich gehe davon aus, dass Sie die Proben am 12. Januar nach der Ausschusssitzung nach Speyer geschickt haben und dass nächste Woche die Ergebnisse vorliegen.
Alles andere ist nicht zu erklären. Sie können aber gerne das Gegenteil beweisen. Wir müssen das in den Ausschüssen aufarbeiten. Ich bin mir sicher, dass das Parlament belogen wurde.
Sie können doch nicht einfach guten Gewissens behaupten, das Saarland sei dioxinfrei, wo Sie keine einzige Lebensmittelprobe genommen haben. Frau Conrad, die Verbraucherschutzministerin aus Rheinland-Pfalz, hat am 12. Januar mitgeteilt, dass sie in Schlacht- und Zerlegebetrieben zusätzliche Lebensmittelproben genommen hat, um auf Dioxin zu testen. Und sie hat eine Menge zusätzlicher Proben genommen. Hier im Saarland wurde im Lebensmittelbereich keine einzige Probe genommen.
Kommen wir zum Futtermittelbereich. Hier ist Minister Hartmann zuständig. Nach Auskunft des Landwirtschaftsministeriums wurden im Jahre 2010 sechs Proben genommen. Das sind die Pflichtproben. Als ich letzte Woche nachgefragt habe, lagen die Ergebnisse noch nicht von allen vor. Gestern konnten wir in der Zeitung nachlesen, dass die Ergebnisse vorlägen. Sie seien negativ gewesen. Auch hier sind die Analysen also zeitverzögert in Auftrag gegeben worden. Im aktuellen Dioxin-Skandal wurden sechs Futtermittelproben genommen, nachdem der Skandal aufgetreten ist. Diese wurden bei den vier größten saarländischen Legehennenbetrieben und bei zwei Schweinemastbetrieben genommen. Dabei gibt es im Saarland - man höre und staune - drei Futtermittelproduzenten, bei denen keine Proben genommen wurden, es gibt 48 Handelsbetriebe und 1.415 Tierhalter. Es wurden aber nur sechs Proben gezogen. Ich habe eine Prozentrechnung gemacht. Es wurden 0,4 Prozent der Betriebe beprobt. Bei der „Wucht“ der Kontrollen erfahren wir bestimmt, wenn etwas los ist. Im Umkehrschluss bedeutet dies, dass 99,6 Prozent der Betriebe nicht beprobt wurden. Sie werden mir recht geben, meine Damen und Herren, dass man es dann auch gleich lassen kann.
Unsere erste Forderung im Antrag lautet, nicht nur Proben zu ziehen, sondern diese auch zeitnah zu analysieren. Alles andere ist Verbrauchertäuschung und herausgeworfenes Geld. Im zweiten Punkt unseres Antrags fordern wir, dass ein Dioxinlabor im Saarland benutzt wird, um die Analysen zu beschleunigen.
Wir haben Kontakt zu saarländischen Laboren aufgenommen. Ich hätte mir gewünscht, die Regierungsfraktionen oder die Regierung selbst würde so etwas auch tun.
Wir wollten wissen, wie man es besser machen kann. Deshalb möchte ich die Forderung wiederholen: Wir brauchen ein saarländisches Dioxinlabor. Wir haben im Saarland drei Labore, die Tests vornehmen. Es wäre für die Landesregierung günstiger, es wäre schneller und würde mehr Verbraucherschutz und Verbrauchersicherheit bedeuten. Wir wissen, dass es im Saarland ein Labor gibt, das die Ausrüstung für Dioxinmessungen besitzt. Dafür braucht man ein hochauflösendes Massenspektrometer, das zwischen 600.00 und 1,2 Millionen Euro kostet. Dieses Labor besitzt es bereits. Es fehlt lediglich ein Untersuchungskit, also die Substanzen, die Chemikalien, um Dioxine zu messen. Sie kosten zwischen 10.000 und 12.000 Euro. Das Labor wäre bereit, dies anzuschaffen, wenn die Landesregie
rung ihrerseits bereit wäre, ihre Proben dort abzugeben.
Diese Frage stellt sich in der Tat. - Außerdem würden die Proben dort nur 400 Euro kosten, während die Landesregierung jetzt zwischen 1.000 und 1.500 Euro zahlt. Man würde also auch noch Geld sparen. Uns ist absolut unverständlich, warum noch keine Kontakte geknüpft wurden; vor Jahren gab es bereits diesen Vorstoß. Aber ich weiß, warum. Dann müsste man nämlich die Proben ausdehnen, man müsste mehr Proben ziehen und sie auch analysieren. Derzeit gilt aber das Motto: Wer nicht sucht, der findet nichts. Wenn nichts gefunden wird, ist man auch dioxinfrei, dann ist man frei von Lebensmittelskandalen und schmiert den Verbraucherinnen und Verbrauchern dafür einfach die Augen zu.
Herr Minister, im Ausschuss haben Sie mir versprochen, dass Sie wenigstens versuchen, Kontakt mit diesem Labor aufzunehmen, um zu klären, wie es möglich sein soll. Die CDU-Fraktion hat direkt nach der Ausschusssitzung eine Pressemitteilung abgegeben, in Unkenntnis der Sache und ohne Prüfung. Sie hat mitgeteilt, dass wir kein saarländisches Dioxinlabor brauchen. Dazu kann ich nur sagen, dass Sie den Antrag deshalb abgelehnt haben, weil der Vorschlag von der Opposition kam. Eines hat mich sehr gefreut. Die Verbraucherzentrale des Saarlandes hat gestern Abend, was ich heute morgen auf meinem Rechner gefunden habe, ein Positionspapier für das Saarland verschickt. Darin fordert sie, dass eine umgehende Durchführung von Analysen sichergestellt sein müsse, unter Umständen auch durch die Einrichtung eines eigenen Dioxinlabors beziehungsweise einer Kooperation vor Ort.
Wir haben also große Unterstützung, auch von der Verbraucherzentrale des Saarlandes. Deshalb bitte ich Sie, sich nicht stur zu stellen, sondern diese Möglichkeit zu prüfen. Das spart dem Steuerzahler Geld und es gibt mehr Verbrauchersicherheit im Saarland.
Ich kann ebenso Ihre Vorgehensweise nicht verstehen, Herr Minister. Sie haben keine Dioxinproben genommen, weil es Ihnen einfach zu teuer war. Ich frage, warum Sie nicht auf PCB testen. Dies wäre eine Voranalytik. Es gibt in Deutschland acht PCBs, die man testet. Wenn bestimmte PCB-Werte erhöht sind, kann man mit achtzigprozentiger Sicherheit davon ausgehen, dass eine Dioxinbelastung vorliegt, und kann diese Probe dann an ein Dioxinlabor weitergeben. Eine PCB-Testung kostet 100 Euro. Man könnte viele Produkte auf PCB testen und nur in
Einzelfällen, in denen bestimmte Werte erhöht sind, die Proben zur Dioxinanalyse weitergeben. Das würde eine Menge Geld sparen. Mir ist völlig unverständlich, dass so etwas hier im Land nicht gemacht wird.
Wir fordern drittens, den Kontrollabstand bei Futtermitteln zu verkürzen. Hier sind wir mit Frau Aigner auf einer Ebene. Die Verbraucherzentrale hat es ebenfalls gefordert. Wir fordern, die Lebensmittelkontrollen auszuweiten. Heute morgen wurde ein Antrag der Regierungskoalition eingereicht. Gestern Abend ging das nicht, weil der Minister drüberschauen und der Antrag noch zwischen allen Parteien abgeglichen werden musste, damit dieses Null-Papier, das keinerlei Aussage enthält, heute vorgelegt werden konnte. In diesem Papier ist kein einziger Satz über Futtermittel- oder Lebensmittelkontrollen enthalten. Kein einziger Satz! So ernst nehmen Sie die Situation für die Verbraucherinnen und Verbraucher im Land!
Wenn wir sagen, die Lebensmittelkontrollen müssen ausgeweitet werden, dann deshalb, weil derzeit ein Lebensmittelkontrolleur zwischen 350 und 400 Betrieben untersuchen muss. Das ist ein Missverhältnis, das kann nicht gut gehen. Deshalb habe ich mich gefreut, dass die FDP-Landtagsfraktion tatsächlich während des Dioxin-Skandals gefordert hat, die Lebensmittelkontrollen auszuweiten. Ich hoffe, Sie haben nicht nur auf die anderen geschielt, sondern sind der Meinung, dass das auch hier im Saarland der Fall sein muss. Ich setze auf Sie bei den Haushaltsberatungen in diesem Jahr. Vielleicht kann man als Regierungspartei auch vorher schon etwas machen.
Frau Aigner fordert auch einheitliche Qualitätskriterien und sagt, die Länder müssen kontrolliert werden. Nach dem Vorfall hier im Saarland ist es meines Erachtens dringend notwendig, dass das Kontrollgebaren der einzelnen Länder bundesweit koordiniert und kontrolliert wird.
Unsere fünfte Forderung: Die Betriebe müssen verpflichtet werden, die Ergebnisse der Eigenkontrollen an die Kontrollbehörden weiterzuleiten, und die Labore müssen verpflichtet werden, dies ebenfalls zu tun. Das ist keine neue Forderung. Man höre und staune: Diese Forderung wurde von Rot-Grün im Rahmen des BSE-Skandals schon umgesetzt, aber von CDU und FDP im Bund wieder zurückgenommen. Jetzt soll sie wiederkommen. Also neuer Skandal, neue Forderung, man will das wieder einführen. Und nicht einmal diese Forderung findet sich im Antrag der Fraktionen von CDU, GRÜNEN und FDP. Dort heißt es nur, es soll geprüft werden.
Wir sagen, diese Meldepflicht, die damals von RotGrün eingeführt worden ist, war richtig, die muss
auch in Zukunft wieder gelten. Für mich ist es auch unverständlich, dass das kein Mensch diskutiert. Im Umweltbereich, bei Wasser, Boden, Luft, Klärschlamm, gibt es gesetzlich verpflichtende Qualitätskriterien für die Beprobung - Schwermetalle, PCBs -, und das muss alles in einer Datenbank dokumentiert werden, damit die Behörden jederzeit Zugriff haben und sagen können, was an diesem oder jenem Tag war, welches Ergebnis die Beprobung erbracht hat. Es ist für mich völlig unverständlich, warum es das bei den Futtermittelbetrieben nicht gibt. Was in der Umwelt möglich ist, muss auch im Futtermittelbereich möglich sein. Aber es ist mir schon klar, warum das so ist. Ich zitiere an dieser Stelle den nordrheinwestfälischen Verbraucherschutzminister der GRÜNEN, Remmel. Er hat gestern in der Frankfurter Rundschau gesagt, ich zitiere mit Zustimmung des Herrn Präsidenten: „Die Bundesregierung steckt mit der Futtermittelindustrie unter einer Decke. Nur so lassen sich die Privilegien der Futtermittelindustrie erklären.“
Genau so sehe ich es auch. - Die Verbraucherinformation im Saarland muss schneller erfolgen und transparenter gestaltet werden. So haben wir im Saarland doch tatsächlich am 20. Tag des DioxinSkandals eine Pressemeldung vom Ministerium Weisweiler erhalten, in der verkündet wurde, dass Verbraucherinnen und Verbraucher jetzt im Saarland informiert werden! Am 23. Dezember wurde der Skandal ruchbar, am 14. Januar wurden im Saarland die Verbraucherinnen und Verbraucher informiert.
Der Skandal war dort, wo kontrolliert worden ist. Wir hoffen ja nicht, dass das hier der Fall ist. Aber den Verbraucherinnen und Verbrauchern im Saarland vorzugaukeln, hier sei alles in Ordnung,
ohne eine einzige Probe zu nehmen, das ist Verbrauchertäuschung, meine Damen und Herren von der CDU, der FDP und den GRÜNEN.
Auch Frau Aigner sagt, Kontrolle ist Sache der Bundesländer, auch Aufklärung ist Sache der Bundesländer -
Natürlich freuen wir uns, dass jetzt im Saarland informiert wird. Aber das muss früher gehen. Eine umfassende und schnelle Information der Verbraucherinnen und Verbraucher ist vor allem in Krisenfällen besonders wichtig und trägt dazu bei, Verunsicherung zu vermeiden.
Ja, gerne.
Abg. Jochem (FDP) mit einer Zwischenfrage: Frau Kollegin Ries, Sie haben sich jetzt etwas undeutlich ausgedrückt, auf jeden Fall nicht klar. Ich frage Sie, wo gab es einen Skandal im Saarland?
Das sage ich Ihnen gerne, Herr Jochem. Ein Skandal ist es, den Verbraucherinnen und Verbrauchern Proben vorzugaukeln, die gar nicht genommen wurden, und ihnen Sicherheit vorzugaukeln, während man nur Bücher überprüft und Eiernummern kontrolliert hat. Alle Verbraucherinnen und Verbraucher sind im Saarland davon ausgegangen, dass hier auch beprobt worden ist. Das war nicht der Fall. Das ist ein Skandal im Skandal.
Nach allen diesen Schweinereinen im wahrsten Sinne des Wortes gibt es überall Aktionspläne, Absichtserklärungen - das gibt es ja immer - und schließlich den Antrag, der heute Morgen von Schwarz, Gelb und Grün vorgelegt worden ist. Wenigstens sind Sie so ehrlich, in diesem Antrag gleich zu sagen, dass Sie nichts verändern wollen, denn er enthält im wahrsten Sinne des Wortes nur Gegacker. Es wundert mich, meine Damen und Herren von den GRÜNEN, dass, nachdem der grüne Umweltminister Remmel in NRW die Verursacher wie die Hühner bejagt, die GRÜNEN im Saarland einem solchen Antrag zustimmen. Sie sind eigentlich gar nicht mehr grün.
Hier steht: Die Einführung einer Futtermittel-Positivliste auf Europaebene soll geprüft werden. Eine Meldepflicht sollte eingeführt werden, wenn die Betriebe nicht sowieso melden. - Hier muss gemeldet werden, immer! Die Betriebe müssen melden, und die einzelnen Labore müssen melden, wie das auch schon der Fall war. - Sanktionen sollen überprüft werden. Konsequenzen sollen gezogen werden, ei
ne umfassende Information der Verbraucher muss sichergestellt werden.
Meine Damen und Herren, einen solchen Antrag hätten Sie sich sparen können, der hätte heute Morgen nicht mehr vorgelegt werden müssen. Wir fordern Sie auf, den Antrag der SPD-Fraktion zu unterstützen. Damit unterstützen Sie auch die Forderungen der Verbraucherzentrale des Saarlandes, diese in ihrem Positionspapier formuliert hat. - Vielen Dank.
Vielen Dank, Herr Präsident. - Herr Minister Weisweiler, was ist wichtig: Proben ziehen oder Proben analysieren? Wir haben hier nicht gesagt, überall müssen Proben gezogen werden, sondern Stichproben. Sie haben seit 2009 kein einziges Lebensmittel im Saarland nach Dioxin untersucht. Ich habe hier den Bericht über den mehrjährigen nationalen Kontrollplan. Das Saarland hat sowieso immer nur die zehn Pflichtproben genommen, die notwendig sind. Diese zehn Proben sind im Jahr 2010 nicht genommen worden. Wenn Sie erzählt haben, wir haben Proben gezogen, dann ist jeder Verbraucher im Saarland davon ausgegangen, dass die Proben auch analysiert worden sind. Sie sagen, von den Proben, die im Oktober nach Speyer geschickt worden sind, würden jetzt vier Ergebnisse vorliegen. Was nützen uns diese Ergebnisse und die, die ausstehen? Seit 85 Tagen sind die unterwegs. Die Proben sind von Mai, Juni und September. Die Tiere, die damals beprobt worden sind, sind längst gegessen. Also kann man den Menschen überhaupt nicht mehr helfen, selbst wenn einmal ein positives Ergebnis herauskäme.
Die Zahl 85 Tage zeigt doch, dass wir eigene Kontrollen durchführen müssen. Wir wollen kein eigenes Dioxinlabor hier im Saarland. Wir haben ein Labor im Saarland, das ein hochauflösendes Massenspektrometer besitzt und die Grundlage für die Dioxinmessung hat. Es braucht lediglich ein Untersuchungskit im Wert von 10.000 bis 12.000 Euro.
Auch die Verbraucherzentrale des Saarlandes sagt, die Analysezeiten sind zu lange. Wenn wir innerhalb von drei Tagen analysieren können, dann können wir die Produkte noch aus dem Regal nehmen; die
Produkte sind dann nicht gegessen. Was Sie jetzt machen, ist nur, den Leuten die Augen zuzuschmieren, weil alles, was Sie beproben, schon gegessen ist, wenn die Ergebnisse vorliegen. Deshalb verlangen wir das von Ihnen.
Glauben Sie mir, die Verbraucherzentrale hat mehr Ahnung als viele, die heute hier geredet haben. Wenn jemand hier verschweigt und davon redet, dass Handeln und Ehrlichkeit angesagt sei, dann muss die Landesregierung noch Einiges lernen.
Herr Hans, es ist eine Sauerei, wenn Sie das von den zehn Proben sagen. Natürlich hat keiner behauptet, dass die irgendetwas mit diesem aktuellen Dioxinkontrollplan zu tun haben.
Es geht darum, dass der Minister auf Nachfrage der Saarbrücker Zeitung und des Saarländischen Rundfunks gesagt hat, wir haben im Saarland zehn Proben im Jahr 2010 genommen.
Wir haben deutlich gemacht, dass die Proben nur genommen wurden, aber nicht analysiert wurden. Im aktuellen Skandal ist keine einzige Probe gezogen worden. Und dann davon zu reden, im Saarland sei alles -
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Herr Minister Kessler, Sie haben Ihre Rede damit begonnen, dass Sie gesagt haben, Sie sind ganz sicher, dass der Haushalt so verabschiedet wird, wie er hier vorliegt. Diese Aussage ist unheimlich entlarvend.
Sie zeugt auch von Ihrem Demokratieverständnis. Ich frage mich wirklich, wozu wir hier debattieren, wozu wir hier Argumente bringen, wenn Sie sowieso schon wissen, dass sie nicht gewertet werden.
Von einem grünen Bildungsminister im Allgemeinen, Herr Kessler, und von einem Minister, der vorher GEW-Vorsitzender war, im Besonderen hätte man sich zum einen mehr und zum Zweiten positivere Bildungsinhalte vorstellen können. Der Koalitionsvertrag hat Hinweise darauf gegeben. Es wäre nach 10 Jahren CDU-Regierung bitter notwendig gewesen. Man sieht aber, Sie sind nicht unbedingt als Tiger gestartet, wie Ihre Kollegin nebenan, aber als Bettvorleger sind Sie allemal gelandet.
Vielleicht hören Sie einmal zu. Man möchte es eigentlich gar nicht glauben, wenn man die Zielsetzungen von Ihnen sieht und wie schnell die Kapitulation eingetreten ist. Dazwischen liegt nicht nur ein Jahr. Frau Willger-Lambert, ein Chamäleon wechselt seine Farbe nicht so schnell wie Sie Ihre Überzeugung.
Frau Rink hat hier angesprochen, wir wären gegen das Zwei-Säulen-System. Es wurde eben noch einmal deutlich gemacht, dass wir das auch bei bestimmten Bedingungen wollen, bei kleineren Klassen, bei ausreichend Lehrern, bei wohnortnahen Ganztagsschulen, bei dem Ausbau der Lernmittelfreiheit. Wenn Sie das alles gewährleisten, sind wir selbstverständlich dafür, eine Schule für alle zu haben. Aber das müssen Sie erst einmal bringen.
Frau Rink weint hier Krokodilstränen, weil das kostenfreie dritte Kindergartenjahr abgeschafft wird. Vor ein bisschen mehr als einem Jahr ist der Koalitionsvertrag abgeschlossen worden. Dort war noch keine Rede davon. Sie haben die Wählerinnen und Wähler getäuscht. Sie haben damit Reklame gemacht. Sie haben nicht gesagt, wir haben die Schuldenbremse beschlossen, wir werden das abschaffen, sondern
innerhalb von einem Jahr haben Sie Ihre Meinung verändert, als hätten Sie nicht letztes Jahr schon gewusst, dass Sie knappe Kassen vorfinden.
Nein, das ist sie nicht. - Ich möchte zu zwei Bereichen heute Stellung beziehen. Aber bevor ich dazu komme, noch zu der Zahlentrickserei des Herrn Minister mit seinem Durchschnitt. Ein schönes Beispiel, Herr Minister. Wir beide kaufen uns ein Hähnchen.