Roland Wöller

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Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Der Gegenstand des Antrages war schon mehrfach Diskussion in diesem Hohen Hause. Es ist nichts Neues. Wir alle wissen, dass für die Verhandlungen die Europäische Kommission zuständig ist und für die Ratifizierung die nationalen Parlamente zuständig sind. Sachsen ist nicht zuständig, aber wir sind betroffen. Wir sind – mehr noch – nicht nur betroffen, sondern wir sind höchst interessiert, was aus der ganzen Sache wird.
Zunächst zum Grundsätzlichen. Um es klar zu sagen: Wir sind für Freihandel, klipp und klar, und ich hätte mich gefreut, Herr Kollege Lippold, wenn in Ihrem Antrag ein solches Bekenntnis zu finden wäre. Ich habe es nicht lesen können.
Zum Ersten. Freihandel und Weltoffenheit sind zwei Seiten ein und derselben Medaille. Man kann nicht auf der einen Seite für ein weltoffenes Sachsen sein, um auf der anderen Seite Protektionismus im Bereich der Wirtschaft zu betreiben. Das wird nicht gutgehen.
Zum Zweiten – zum Verfahren und zum Prozess. Ich teile Ihre Kritik. Sie haben recht – auch das haben wir damals bei der Diskussion des CDU/SPD-Koalitionsantrages in diesem Hause schon diskutiert –: Das Voranpreschen ohne
Transparenz, ohne Mitnahme der Öffentlichkeit, ohne Beteiligung der Betroffenen hat den Prozess nicht nur nicht befördert, sondern es hat ihm nachhaltig geschadet.
Aber – auch das muss man hier festhalten – die Europäische Kommission hat daraus Schlussfolgerungen gezogen. Mehrere Berichtsanträge, Offenheit und Transparenz bzw. das Einladen der Beteiligten zur Mitarbeit bei den Verhandlungen sind, denke ich einmal, substanzielle Schritte, die wir würdigen sollten.
Zur Sache selbst. Vorbild für das Transatlantische Freihandelsabkommen mit den Vereinigten Staaten ist das Abkommen der Europäischen Union mit Kanada, das am 30. Oktober 2016 von der Europäischen Union und Kanada unterzeichnet worden ist.
Wir haben dort auch in der Schlussphase der Verhandlungen substanzielle Fortschritte in den Verhandlungen erzielen können, nicht zuletzt beim Investorenschutz und bei der unabhängigen Gerichtsbarkeit, die ich herausgreifen möchte. Es wurde ein ständiger Gerichtshof eingerichtet. Die Richter sind auch faktisch unabhängig. Sie werden von den vertragschließenden Parteien ernannt. Das Verfahren ist transparent, und es gibt eine Berufungsinstanz. Das sind Erfolge bei den Verhandlungen der Europäischen Union, die beispielhaft sind, auch für den laufenden Prozess der TTIP-Verhandlungen. Deshalb sollten wir CETA würdigen, auch wenn es noch nicht ratifiziert ist und die nationalen Parlamente zu Recht auch ein wichtiges Mitspracherecht haben. Wir sollten diesen Ball aufnehmen und in die TTIP-Verhandlungen einbringen.
Meine Damen und Herren, es war in Aussicht gestellt worden – die Bundeskanzlerin und der amerikanische Präsident haben es auf der Hannover Messe unterstrichen –, dass die TTIP-Verhandlungen eigentlich vor der USPräsidentschaftswahl beendet sein sollten. Wir alle wissen, dass dies nicht der Fall war, und wir wissen, dass seit gestern Nacht neue Ereignisse und Tatsachen aufgetreten sind, die wir dabei berücksichtigen müssen. Der gewählte Präsident Trump hat erklärt, dass er eine neue Runde einleiten möchte: höhere Zölle gegenüber chinesischen Importen, eine höhere Besteuerung gegenüber den ausländischen Gewinnen von US-Unternehmen und dergleichen mehr, um Arbeitsplätze – in Anführungsstrichen, wie er sagte – „zurückzuholen“. Nun könnte man es sich einfach machen und sagen: TTIP ist tot.
Aber das ist gefährlich, meine Damen und Herren. Es besteht die reale Gefahr, dass nicht nur von der amerikanischen Seite eine neue Runde des Protektionismus eingeläutet wird. Das wäre schlecht für die Weltwirtschaft, schlecht für Europa und auch schlecht für Sachsen
und den sächsischen Mittelstand, und dem müssen wir entgegentreten.
Deswegen brauchen wir ein klares Signal, dass wir ein solches Freihandelsabkommen wollen. Wir alle wissen doch, meine Damen und Herren, dass Erklärungen im Wahlkampf das eine sind, und wenn die Realität den einen oder anderen eingeholt haben wird, werden wir sehen, was daraus wird.
Ich denke, wir haben guten Grund, auch Hoffnung zu schöpfen, dass alle Beteiligten wissen, was auf dem Spiel steht. Mit 800 Millionen Menschen wäre dies der größte Wirtschaftsraum, den wir damit transatlantisch etablieren könnten.
Letzter Punkt. Neben den berechtigten Interessen im Bereich Freihandel und Wirtschaft gibt es auch eine geostrategische Bedeutung bei Handelsabkommen.
Wichtig ist nicht nur freier Handel, sondern wichtig ist auch fairer Handel, meine Damen und Herren. Zum fairen Handel gehört ein Spielfeld auf Augenhöhe, und es gehören Regeln dazu,
mit denen wir Erfahrung im EU-Binnenmarkt haben: soziale Standards, Regeln der ökologischen Nachhaltigkeit, bei Gesundheit und bei Medizin.
Wir als Sachsen und als Europäer wollen, dass diese Regeln mindestens auch bei TTIP fest verankert werden. Ich bin dankbar, dass der EU-Kommissionspräsident, Jean-Claude Juncker, bei der Unterzeichnung gesagt hat, dass es nach CETA nicht möglich sein wird, unter die dort verhandelten Regeln zu gehen. Deshalb, denke ich, ist das der Standard und der Maßstab, der auch für TTIP gültig ist.
Meine Damen und Herren! Die Welt wartet nicht auf Europa, die Welt wartet nicht auf Deutschland und die Welt wartet auch nicht auf den Freistaat Sachsen. China ist die zweitgrößte Volkswirtschaft, gemessen am Bruttoinlandsprodukt. Nach Kaufkraftparitäten, in Dollar ist es die größte Wirtschaft. Im Jahre 2050 wird wahrscheinlich nur noch die deutsche Volkswirtschaft als einziger Staat der Europäischen Union unter die ersten zehn wichtigsten Wirtschaften fallen. Die Chinesen, die Inder, die Asiaten werden nicht auf uns warten. Sie werden schon gar nicht auf dem Wertefundament, das nicht nur europäisch ist, sondern auch transatlantisch sein sollte, weiter verhandeln.
Meine Damen und Herren! Deswegen müssen wir dieses strategische Zeitfenster nutzen, um gemeinsam mit den USA auf der Ebene einer transatlantischen Partnerschaft ein Freihandelsabkommen auf den Weg zu bringen, das
den Namen verdient. Wir wollen TTIP, ja, aber nicht um jeden Preis, und deshalb lehnen wir den Antrag ab.
Herzlichen Dank.
Zum Bekenntnis des Freihandels räume ich ein, dass Ihre Rede, verehrter Herr Kollege, deutlich positiver war als der Antrag selber. Herzlichen Dank für die Klarstellung.
Zum Zweiten zum Verfahren. Sie haben völlig recht mit der Kritik. Aber ich sage es mit den Worten eines ehemaligen deutschen Bundeskanzlers, der im Zuge der Einheit nicht Weniges geleistet hat: „Entscheidend ist, was hinten dabei rauskommt.“
Deshalb ist das Ergebnis das Entscheidende. Wir sollten uns anstrengen, ein vernünftiges Ergebnis zu haben. Alle, die dabei mithelfen, sind willkommen, und deshalb sollten wir auf diesem Weg fortschreiten. – Danke.
Sehr verehrte Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Was tun wir, um Arbeitsplätze zu sichern oder zu schaffen? Wie bestehen wir im Wettbewerb auf dem Weltmarkt? Was können wir tun, um unseren Wohlstand zu sichern? Das geht wohl weniger mit Bodenschätzen oder Berggeschrey, sondern eher mit Innovation, Forschung und Entwicklung, Kreativität und Wissenschaft.
Meine Damen und Herren! Es gibt zwei große Entwicklungen, zwei Megatrends, die für diese Debatte wichtig und bestimmend sind: Der eine ist Demografie, der andere Digitalisierung.
Das Thema Demografie ist, wenn man über Sachsen spricht, kein Thema der Zukunft. Es ist noch nicht einmal ein Thema der Gegenwart, sondern es ist ein Thema der Vergangenheit. Der Trend liegt fest, er ist unumkehrbar. Eine alternde Bevölkerung, sinkende Bevölkerungszahlen – das hat Auswirkungen auf die Wirtschaft. Wir haben einen Rückgang des Erwerbspersonenpotenzials, also derjenigen aus der Bevölkerung, die für das Arbeitsleben herangezogen werden können. Auch hier sind wir nicht begünstigt. Während in Deutschland das Erwerbspersonenpotenzial von 2010 bis 2030, also schon in knapp 15 Jahren, insgesamt um 6 % sinkt, wird es in Sachsen im gleichen Zeitraum, also bis 2030, um über 16 % sinken. Natürlich hat man Reserven, aber das heißt: Die Erwerbstätigenzahl wird massiv sinken. Darauf müssen wir uns einstellen.
Man kann fragen: Was soll man tun? Ich glaube, die Antwort muss lauten: massive Investitionen in Bildung und Wissenschaft, insbesondere in digitale Bildung und in professionelle Weiterbildung. Andere Länder sind uns voraus, beispielsweise die USA. Sie haben ein durch
schnittliches Bevölkerungsalter, das acht Jahre unter dem unseren liegt. Das ist im Hinblick auf die Digitalisierung eine ganze Generation. Diesen Vorteil werden sie nutzen. Deutschland und gerade Sachsen gehören zu den Ländern mit den ältesten Bevölkerungen. Nur Japan und der Vatikan sind älter.
Das Zweite, die Digitalisierung: Wir spüren es, meine Damen und Herren, wir erleben es. Es erfolgt eine digitale Transformation, die in vollem Gange ist. Sie wird nicht nur die Wirtschaft verändern, sie wird unsere Gesellschaft verändern. Sie wird die Art und Weise, wie wir leben, grundlegend verändern. Das wird große Chancen, aber auch Risiken mit sich bringen. Industrie 4.0 und das Internet der Dinge sind die Zukunft.
Die Voraussetzung dafür, dass wir diese Zukunft erfolgreich gestalten und daran teilnehmen können, um damit unseren Wohlstand zu halten oder zu mehren, ist die digitale Infrastruktur. Sie ist das Kernelement und das Fundament der wirtschaftlichen Entwicklung in Sachsen.
Schaut man sich das Fundament an, so stellt man fest, dass das Fundament Risse hat. Auch das ist in der Diskussion zum Tragen gekommen. In den urbanen Räumen, in den Städten liegen 50 % der Internetanschlüsse bei über 50 MBit pro Sekunde. In den ländlichen Räumen, also dort, wo ich herkomme, haben nur 10 % mehr als 50 MBit. Das ist schlecht.
Schauen wir uns Estland an, ein Land, das ein Drittel der Einwohnerzahl wie der Freistaat Sachsen hat und das seit 1990 etwa die gleichen Startvoraussetzungen hatte: Dort haben 96 % der Bevölkerung schnelles Internet. Einwohnermeldungen beim Staat, Steuererklärungen oder Gewerbeanmeldungen sind kein Problem, das kann man dort per Internet erledigen. Das geht schnell, und man bekommt innerhalb von fünf Tagen seinen Steuerbescheid zurück. Das hat nicht nur Auswirkungen auf das Tempo, sondern auch ganz direkt auf die Wirtschaftsleistung. So generiert Estland mit dieser digitalen Transformation, die schon erfolgt ist, etwa 2 % des Bruttoinlandsprodukts. Gegen Estland, meine Damen und Herren, das müssen wir uns eingestehen, ist Sachsen ein digitales Entwicklungsland.
Ein weiterer Punkt ist die Digitalisierung des Mittelstands. Es wurde schon gesagt: Unsere Struktur ist nicht optimal. Wenn wir über die Wirtschaftsstruktur in Sachsen sprechen, reden wir über 99,9 % Mittelstand. Knapp 80 % der Unternehmen haben neun Beschäftigte oder weniger. Das ist natürlich nachteilig in Bezug auf Größenvorteile und auf Forschung und Entwicklung. Diese Firmen stehen im internationalen Wettbewerb den digitalen Plattformen gegenüber.
Zunehmende Anteile der Wertschöpfung werden nicht mehr hier in Sachsen erbracht, geschweige denn versteuert, sondern international. Uber ist das größte Taxiunternehmen der Welt und besitzt keine Taxis. Airbnb ist der größte Hotelkonzern der Welt und hat kein einziges
Hotelzimmer. Amazon ist der größte Warenhauskonzern der Welt und besitzt kein einziges Kaufhaus. Deshalb, meine Damen und Herren, ist diese Entwicklung ein Frontalangriff auf das Geschäftsmodell des sächsischen Mittelstandes. Darauf haben wir Antworten zu finden.
Wie können die Antworten aussehen? Wir müssen unseren Mittelstand befähigen, Geschäftsmodelle von der analogen in die digitale Welt zu transformieren oder aber in der neuen digitalen Welt neue Geschäftsmöglichkeiten zu finden. Wenn wir das nicht schaffen, werden wir abgehängt. Die letzte industrielle Revolution hat 130 Jahre gedauert. Wir haben für diese digitale Transformation höchstens fünf Jahre Zeit.
Der nächste Punkt ist Forschung und Entwicklung. Auch das ist gesagt worden: Wenn wir eine kleinteilige Wirtschaft haben, haben wir weniger Ausgaben für Forschung und Entwicklung. Sie sind zwar gestiegen, aber im Vergleichsmaßstab zur alten Bundesrepublik und Europa hinken sie hinterher.
Deshalb müssen wir uns den richtigen Ansatz einfallen lassen, wie wir diese Forschungs- und Entwicklungsausgaben befördern. Auch wenn das nicht Gegenstand des Antrags der Koalitionsfraktionen ist, denke ich, dass man ernsthaft darüber nachdenken muss, mit einer Steuergutschrift besonders Kleinunternehmen dadurch zur Seite zu springen, dass die Forschungs- und Entwicklungsaufwendungen insbesondere beim Personal beispielsweise zu 10 oder 15 % als Steuergutschrift mit der Steuererklärung abzugsfähig sind. Das wäre eine stetige, verlässliche und vor allem unbürokratische Förderung von Forschungs- und Entwicklungsaufgaben insbesondere bei kleinen und mittelständischen Unternehmen.
Lassen Sie mich zum Schluss noch eine Frage aufwerfen und gleichzeitig beantworten: Wie entwickelt man eine Region, wie entwickelt man ein Land in Richtung Innovation, in Richtung Forschung und wirtschaftliche Entwicklung? Richard Florida, ein amerikanischer Ökonom, hat darauf eine sehr kluge Antwort gegeben. Es sind aus seiner Sicht drei Faktoren: Technologie, Talent und Toleranz.
Zur Technologie: Ja, wir haben Technologie in Sachsen. Gerade durch das dichte Netz von universitären und außeruniversitären Forschungseinrichtungen sind wir gut aufgestellt.
Auch beim zweiten Punkt – Talent – können wir punkten. Aber auch dort hat die demografische Entwicklung, die Abwanderung tiefe Schleifspuren hinterlassen. Es sind weniger, eine halbierte Generation. Mit denen müssen wir etwas machen, die müssen wir halten und entwickeln.
Der dritte Punkt, damit greife ich die Diskussion von heute Vormittag auf, ist Toleranz. Selbst Ludwig Erhard wusste: Wirtschaft ist zu mindestens 50 % Psychologie. Wie schaffen wir es, junge Talente nicht nur zu gewinnen, sondern auch zu halten? Meine Damen und Herren, das schaffen wir nur durch ein weltoffenes Klima, durch
unterschiedliche kulturelle Hintergründe, durch Diversität, unterschiedliche Herkünfte und unterschiedliche Religionen. Wenn wir es in Sachsen nicht schaffen, dieses Klima wiederherzustellen, zu pflegen und zu entwickeln, wird es uns nicht gelingen, die Besten hierzubehalten. Wir brauchen die Besten, meine Damen und Herren, um bei Innovation in der Industriepolitik im europäischen Rahmen weiter erfolgreich zu sein.
Herzlichen Dank für die Aufmerksamkeit.
Sehr geehrter Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Lassen Sie mich gleich zum Punkt kommen. Wer das CETA-Freihandelsabkommen ablehnt, lehnt den Freihandel ab. Wir wollen den Freihandel, deswegen lehnen wir den Antrag ab.
Meine Damen und Herren! Der Freihandel ist, seit David Ricardo ihn vor 200 Jahren begründet hat, für die Außenhandelstheorie in der Politik allgemein akzeptiert. Freihandel sorgt für Wohlstand. Freihandel sorgt für Arbeitsplätze. Freihandel sorgt für Wettbewerb und damit für Innovation. Gerade ein so offenes Land wie Deutschland,
das in der Volkswirtschaft einen Offenheitsgrad von 85 % hat, ist überlebenswichtig darauf angewiesen, freien Handel und Wandel mit allen Staaten dieser Welt zu betreiben. Deswegen, meine Damen und Herren, ist der Freihandel für uns ein zentraler Baustein, den wir nicht zur Disposition stellen. Er sorgt insbesondere, wenn wir über das Abkommen reden, dafür, dass gerade kleine und mittelständische Unternehmen – das sind 99 % der sächsischen Wirtschaft – maßgeblich davon profitieren. Bestandteil des Abkommens ist nämlich, dass die Zölle bis zu 99 % reduziert werden sollen. Es ist auch vorgesehen, dass es einen Zugang zum öffentlichen Beschaffungswesen gibt. Das ist ein wesentlicher Vorteil für die sächsische und die deutsche Wirtschaft.
Ein Punkt, in dem ich Ihnen recht gebe, ist die Frage der mangelnden Transparenz. Völlig richtig. Es hat dem Abkommen und der Sache nicht gutgetan, diese Verhandlungen hinter verschlossenen Türen zu führen, nicht dafür Sorge zu tragen, dass eine öffentliche Debatte möglich war. Daraus sollte man lernen und bei den TTIPVerhandlungen nachsteuern. Es ist nicht gut für die Abgeordneten, wenn es im Bundeswirtschaftsministerium Lesesäle gibt, wo man nur lesen kann, wenn man das Handy abgibt, denn das ist eines Abgeordneten unwürdig und auch unzulässig für die deutsche Öffentlichkeit.
Insofern fordere ich Transparenz für dieses Abkommen.
Meine Damen und Herren! Der Ort für diese Diskussion ist aber nicht der Sächsische Landtag. Ja, wir in Sachsen sind betroffen, aber die Europäische Kommission ist dafür zuständig, Freihandelsabkommen mit den Staaten zu schließen.
Deswegen ist es spätestens seit Lissabon richtig, dass die Europäische Kommission das getan hat. Der Ort der Diskussion und Entscheidung ist der Europäische Rat, ist das Europäische Parlament und sind dann die nationalen Parlamente, also der Deutsche Bundestag.
Lassen Sie mich zum Inhalt auf zwei Punkte eingehen, die aus meiner Sicht wesentlich sind, weil sie die künftigen Verhandlungen zu Freihandelsabkommen berühren.
Erstens. Es gibt ein klares Bekenntnis zum Recht der staatlichen Regulierung. Wenn wir die Standards, die in Deutschland und Europa zu Recht hoch sind, im Sinne von Gesundheit, Umweltschutz, Sozialem und Arbeitsmarkt, aber auch Verbraucherschutz hochhalten wollen, dann ist es richtig, dass sie im CETA-Freihandelsabkommen Verankerung finden.
Zweitens. Die Etablierung eines Investitionsgerichtes – ich betone noch einmal, es ist kein Schiedsgericht – ist ein Verhandlungserfolg der Europäischen Kommission, zu dem wir stehen. Es ist ein unabhängiges Gericht, das zwischen den Investoren und Staaten transparent und unabhängig die Streitfragen lösen soll, im Gegensatz zu
dem, was die Amerikaner wollen, nämlich Schiedsgerichte, wo eine Partnerautonomie herrscht, das heißt, die Partner haben gar keinen Einfluss mehr auf das Schiedsverfahren.
Was heißt das für unsere Unternehmen in Sachsen? Die großen Konzerne können sich selber helfen. Sie haben Rechtsabteilungen und eine gefüllte Portokasse. Sie können sich erlauben, internationale Rechtsfirmen zu engagieren, um jahrzehntelang mit Millionenbeträgen Rechtsverfahren durchzusetzen. Das wollen wir ausdrücklich nicht. Deswegen stehen wir zum CETA-Freihandelsabkommen, weil es ein staatliches Gericht ist und kein Schiedsgericht. Unter dem Strich können wir mit gutem Gewissen dort zustimmen. Die regionale Sichtweise ist gut, aber es ist besser, wenn man sie um die globale Sichtweise ergänzt. Der Blick nach außen zeigt, dass die WTO-Welthandelsrunden ins Stocken geraten sind. Deswegen gibt es auf der Welt immer mehr präferenzielle Handelsabkommen. Regionen und Staaten schließen bilaterale oder multilaterale Handelsabkommen ab, aber nicht mehr auf der globalen WTO-Ebene.
Denken Sie an die Nordamerikanische Freihandelszone, NAFTA, oder – jetzt kürzlich abgeschlossen; ein Erfolg der Obama-Regierung – an die Transpazifische Partnerschaft der USA mit 30 anderen Anrainerstaaten des Pazifiks, und das sind immerhin 40 % der Weltwirtschaftsleistung. Was heißt das für uns? – Die Welt wartet nicht auf Europa, die Welt wartet nicht auf Deutschland und die Welt wartet auch nicht auf Sachsen.
Wenn wir die hohen Standards im Gesundheitswesen, im Bereich der Medizin, im Bereich des Verbraucherschutzes, im Bereich des Sozialen und des Arbeitsmarktes und im Bereich des Umweltschutzes nicht nur in Europa umsetzen und harmonisieren, sondern auch weltweit zur Geltung bringen wollen, dann müssen wir das Zeitfenster nutzen. Deswegen ist CETA ein guter und richtiger Schritt auf diesem Weg.
Zum Abschluss lassen Sie mich noch sagen: Freihandel, ja. Das ist die notwendige Bedingung. Es ist aber keine hinreichende Bedingung. Wir wollen freien Handel, wir wollen aber auch fairen Handel mit hohen Standards, wie wir sie in Deutschland und Europa kennen, und deswegen bekennen wir uns zu diesem Abkommen.
Herzlichen Dank.
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! 2014 hat die sächsische Wirtschaft Waren und Dienstleistungen im Wert von 36 Milliarden Euro exportiert. Das ist ein Wachstum von 14 %, das größte Wachstum im Übrigen seit Beginn der Statistik 1991. Das ist eine stolze Bilanz, die nur deswegen möglich war, weil wir unseren Mittelstand als Motor hatten.
Der sächsische Mittelstand hat dafür gesorgt, dass die Wachstumsraten des Exports regelmäßig größer sind als das Wirtschaftswachstum und das Bruttoinlandsprodukt. Hier liegen neben den großen Erfolgen natürlich auch noch Potenziale; denn wenn man Sachsen mit den westlichen Bundesländern vergleicht, so ist der Exportanteil am verarbeitenden Gewerbe mit circa 30 % in Sachsen deutlich niedriger als die Vergleichswerte im Westen, die bei circa 45 % liegen. Das sind Potenziale, die wir noch heben müssen.
Deswegen stellt sich die Frage: Wo liegen die Hemmnisse? Die Hemmnisse sind in diesem Hohen Hause auch an anderer Stelle diskutiert worden. Erstens. Wir haben immer noch eine sehr, sehr kleinteilige Wirtschaftsstruktur. Kleine Betriebe trauen sich oftmals nicht zu, den Sprung in die Exportmärkte zu wagen, obwohl wir ein sehr ausgefeiltes Förderinstrumentarium und eine gute Beratung haben. Die Unternehmen in Ostdeutschland und insbesondere in Sachsen sind noch sehr jung. Sie verfügen nicht über Netzwerke auf traditionellen Märkten, um den Sprung zum Export zu schaffen. Darüber hinaus fungiert unsere Wirtschaft eher als Zulieferindustrie und ist noch nicht so forschungsintensiv wie anderswo.
Ein zweiter Punkt ist die Finanzierung. Wenn ich exportieren möchte, dann brauche ich eine entsprechende Finanzierung. Hier gibt es Hemmnisse, die nicht nur bei den Kosten liegen, sondern sie sind im regulatorischen Bereich zu finden – Stichwort Basel III. Es ist sehr schwer, Banken zu finden, die überhaupt – und wenn, dann über hohe Grundgebühren – bereit sind, potenzielle sächsische Exporteure auf dem Weltmarkt zu begleiten. Wenn ich vier oder fünf Banken habe und jede etwa 10 000 Euro verlangt, damit sie ihren Kunden kennt, um damit regulatorische Voraussetzungen zu erfüllen, dann ist
das sehr, sehr teuer. Obwohl – das muss man hinzufügen – die Ausfallrate von Exportkrediten deutlich niedriger liegt als bei vergleichbaren Privatkundengeschäften.
Drittens. Eine Invention ist noch keine Innovation. Erfindung ist das eine, aber die Umwandlung einer Erfindung in marktfähige Produkte und Dienstleistungen das andere. Wir sind sehr stark und als Ingenieurland zu Recht gelobt. Es ist kein Problem für unseren Mittelstand und für unsere Tüftler, einen Prototyp zu fertigen, der sämtliche technischen Herausforderungen besteht – aber diesen Prototyp dann auf dem Weltmarkt umsetzungsfähig zu machen, dass er gekauft und ein Exportschlager wird, das ist noch die Schwierigkeit, und wir sollten uns fragen, ob wir hier noch stärker eine unterstützende Hand geben könnten.
Das Vierte, meine Damen und Herren, ist ein Faktor, den wir noch diskutieren müssen: unsere Förderprogrammatik stärker darauf abzustellen, wie die Bedürfnisse der sächsischen Wirtschaft sind. Hier ist insbesondere die Lohnentwicklung und die Produktivitätsentwicklung zu nennen. Wir haben seit 2008 ein stärkeres Wachstum der Effektivlöhne – 21 % – gegenüber der Produktivität, die nur 4 % beträgt. Das heißt: Unsere Lohnstückkosten werden schwächer, unser Standort nimmt an Attraktivität ab. Wir sind nicht mehr so wettbewerbsfähig. Diese Tatsache wird nur überspielt, weil wir noch einen sehr schwachen Euro haben, der das Exportvolumen beeinflusst.
Wo liegen die Chancen? Ich will nur eine nennen, die auch gerade zur Sprache gekommen ist. Über 160 Staaten haben sich in Paris auf ein Weltklimaabkommen verständigt. Wichtige Punkte sind: Treibhausgas- und Emissionsreduktion, Begrenzung des globalen Temperaturanstiegs, Schutz des Klimas und der Umwelt, um unseren Planeten für unsere Kinder und Generationen – wir haben nur den einen – zu schützen. Dazu braucht man Wissen. Das kann man nicht gegen den Markt und schon gar nicht gegen die Wirtschaft machen. Dieses Wissen haben sächsische Unternehmen.
Deshalb brauchen wir eine Exportoffensive. Wir brauchen eine strategische Umweltallianz mit China, Indien und den maßgeblichen Emittenten von CO2 und anderen Treibhausgasen.
Hierin besteht unsere Stärke. Diese brauchen wir für den Export. Deshalb müssen wir ihn fördern.
Danke schön.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Da die Diskussion etwas in eine Richtung abgeglitten ist – durchaus zu Recht –, will ich noch einmal auf die Generaldebatte verweisen.
Die Diskussion Außenwirtschaft ist natürlich auch ein Blick in die Bilanz und damit in die Vergangenheit. Das sind Erfolge, das hat aber auch eine Kehrseite; Kollege Lippold hat darauf hingewiesen. Es stimmt, dass die Struktur des exportstarken Deutschlands und auch des exportstarken Sachsens natürlich auf einigen wenigen Branchensektoren beruht. Das sind in erster Linie der Fahrzeugbau, der Maschinenbau, die Elektrotechnik und – für Sachsen weniger zutreffend – die chemische Industrie. Das sind alte Industrien, die natürlich nicht so schnell verschwinden werden, aber sich wandeln müssen. Aber wir müssen zur Kenntnis nehmen, dass allein in Sachsen der Zuwachs von 14 % auf die 36 Milliarden Euro zu zwei Dritteln, also zu einem erheblichen Teil, auf das Exportwachstum in der Fahrzeugindustrie zurückzuführen ist. Das sind nicht nur ausschließlich Automobile, aber im Wesentlichen. Ich mache deutlich: Wenn ein großer Automobilist, der in Sachsen mehrere Standorte hat – VW –, hustet, dann kann es schon sein, dass die Infektionsgefahr für Fieber oder andere Krankheiten für die sächsische Wirtschaft steigt. Das ist richtig.
Deswegen die zweite Frage: Was sind denn die künftigen Herausforderungen der Wirtschaft? Wissen wird wichtiger. Technologien werden wichtiger. Die Wertschöpfung auch im Außenhandel basiert im Wesentlichen auf Wissen, auf Können, auf Fähigkeiten und Fertigkeiten, besonders von jungen Unternehmerinnen und Unternehmern.
Wenn beispielsweise ein Handy – eine Hardware, die wir alle haben – oder ein Smartphone etwa 200 US-Dollar kostet, dann ist im Schnitt innerhalb von fünf Monaten durch Applikationen, durch Telekommunikationsdienstleistung oder durch Apps Geld umgesetzt, das dem Wert dieser Hardware entspricht. Was beim iPhone richtig ist, kann bei anderen Anwendungen nicht falsch sein, zum Beispiel beim Automobil. Das ist Zukunftsmusik. Aber wenn jetzt schon die Anbieter von Internetplattformen dazu übergehen, Autos zu konstruieren oder sich in die Konstruktion von Autos bestehender Hersteller einklinken und mit ihnen kooperieren, dann müssen wir die Frage stellen, ob das Wissen darüber, wohin ich mit dem Auto fahre – zur Arbeit, abends ins Restaurant, an welchen Kaufhäusern ich vorbeifahre, wohin ich in den Urlaub
fahre –, nicht in Zukunft wesentlich mehr wert ist als die Herstellungskosten dieses Fahrzeuges.
Informationen und Daten sind der Rohstoff der Zukunft. Wenn wir diese Zukunft in Sachsen nicht verschlafen wollen, dann müssen wir in diese Zukunft investieren und durch politische Flankierung erreichen, dass wir mit diesen Anbietern Schritt halten.
Dazu gehört ein letztes Stichwort, das in der Diskussion ebenfalls hervorgehoben wurde und zu dem ich zum Teil die gleiche Meinung habe. Wenn wir von Außenwirtschaft reden, dann kann es nicht nur um den Export gehen. Das ist richtig. Auch der Import ist wichtig. Wenn wir über eine wissensbasierte Weltwirtschaft reden, dann ist der Import von jungen, leistungsfähigen Unternehmerinnen und Unternehmern, von Menschen, die mit Ideen hierher nach Sachsen kommen, ein nicht zu unterschätzender Faktor. Geld und Kapital gibt es genug angesichts einer expansiven Geldpolitik und des Geldrausches – wie ich das einmal bezeichnen möchte –, den wir weltweit erleben und worunter viele Sparer leiden. Was es nicht gibt, das sind in Überzahl Ideen und Unternehmerkonzepte. Die brauchen wir aber in Sachsen. Deshalb ist der Ruf als Exportnation mit leistungsstarken Produkten genauso wichtig wie ein heimatoffenes Land, das eine Willkommenskultur für diejenigen vorzuweisen hat, die hier etwas leisten wollen. Das gehört ebenso zu der Diskussion, die wir heute im Hohen Hause führen.
Herzlichen Dank.
Sehr geehrter Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Die heutige Diskussion „Wir schaffen das moderne Sachsen“ steht im Zeichen eines weltpolitischen Konjunkturumfeldes, wie es günstiger nicht sein könnte.
Wir haben niedrige Zinsen – das wird wohl eine Zeit lang noch so bleiben –, die die Unternehmen und die Investitionen begünstigen, aber nicht gänzlich unproblematisch sind. Wenn wir auf die fleißigen Sparerinnen und Sparer in unserem Land sehen, dann bleibt ihnen nichts davon.
Des Weiteren haben wir einen Eurowechselkurs, der auch seinen Tiefstand erreicht hat. Das begünstigt die deutsche Exportkonjunktur, an der auch die sächsische hängt. Auch das muss nicht so bleiben.
Ferner haben wir – wir sprachen soeben über Energie – einen Ölpreis, der sich im Tieffall befindet. Auch das begünstigt unsere Industrie, die im Wesentlichen auf Öl basiert.
Das ist kein Naturzustand, worauf heute früh auch Bundesbankpräsident Weidmann hingewiesen hat; denn der Markt kennt nicht nur die Entwicklungsrichtung nach oben, sondern auch nach unten. Die ersten Wolken am Konjunkturhorizont – Russland oder China – sind sicht
bar. Deshalb müssen wir uns darauf einstellen, dass es auch einmal anders werden kann.
Von der Konjunktur zur Struktur, meine Damen und Herren. Die sächsische Geschichte seit 1990 ist eine Erfolgsgeschichte. Das betrifft auch die Transformation und Überführung eines maroden Wirtschaftssystems in eine funktionsfähige und offene Marktwirtschaft. Die Arbeitslosenzahlen sind genannt worden; sie haben auch ihren historischen Tiefstand erreicht.
Dennoch ist auch wahr: Die Arbeitslosenquote in Sachsen liegt circa 50 % über dem Schnitt der westlichen Bundesländer. Sie ist gesunken – das hat auch mit dem Beschäftigungsaufbau in den letzten Jahren dank der Förderpolitik zu tun –, aber zur anderen Hälfte ist sie auch darauf zurückzuführen, dass wir einen demografischen Wandel hatten. Wir hatten die Abwanderung der 25- bis 35Jährigen und wir hatten einen Geburtenknick – das macht sich als Schleifspuren auf dem sächsischen Arbeitsmarkt bemerkbar.
Wir haben also eine komplette Trendumkehr in Sachsen zu verzeichnen. Früher hatten wir reichlich Fördergeld und Massenarbeitslosigkeit. Heute haben wir weniger Fördergeld und noch weniger nach 2019 und schon jetzt einen sich abzeichnenden Fachkräftebedarf. Darauf müssen wir reagieren.
Das alte Motto „Viel hilft viel“ wird nicht mehr funktionieren. Das heißt, nicht mehr Geld ist das Thema, sondern Geist, Ideen, Konzepte.
Meine Damen und Herren! Wenn wir von einer notwendigen Arbeitsmarktpolitik reden – die ich auch für richtig halte –, dann muss man sagen: Die beste Arbeitsmarktpolitik sind funktionierende Unternehmen, denen es gut geht. Sie schaffen hochwertige Arbeitsplätze, denn die Gewinne von heute sind die Investitionen von morgen und die Arbeitsplätze von übermorgen.
In der Förderstrategie heißt es umzusteuern. Wir müssen uns auf die Situation einstellen. Erstens, die Exportförderung: Daran arbeitet die Regierung, und dort müssen wir noch besser werden. Zweitens brauchen wir die Förderung von Produktivität und hochwertige Arbeitsplätze. Es kann nicht mehr wie in der Vergangenheit sein, dass wir Arbeitsplätze, egal welcher Art, direkt fördern oder unsere Förderung direkt davon abhängig machen – dann fördern wir nur noch einen Verdrängungswettbewerb –, sondern wir müssen Produktivität fördern.
Wir müssen Innovation fördern und Produkte, die weltmarktfähig sind. Dann entstehen die entsprechenden Arbeitsplätze. Das heißt auch – dem stimme ich ausdrücklich zu –: Die Aufwendungen, die Anstrengungen für Forschung und Entwicklung müssen sich deutlich erhö
hen. Wir brauchen niedrigschwellige Angebote, gerade für die kleinen und mittleren Unternehmen, damit sie hier vorankommen.
Der dritte Bereich, meine Damen und Herren – neben der Konjunktur und der Struktur –, ist der Bereich des Verkehrs, den ich in so einer wichtigen Debatte nicht unter den Tisch fallen lassen möchte. Verkehr sorgt für Leben. Ja, wir sind in einer günstigen geografischen Lage in Europa, aber wir sind verkehrspolitisch im Windschatten, und das betrifft insbesondere den Eisenbahnverkehr.
Der Bundesverkehrsminister hat 2,7 Milliarden Euro zusätzlich für den Bundesverkehrswegeplan lockergemacht. Wenn man sich die Listen anschaut und verzweifelt nach sächsischen Vorhaben sucht, dann ist dort nur eines verzeichnet: die Ortsumfahrung in Hoyerswerda mit 14 Millionen Euro. Das ist schön für Hoyerswerda, aber ansonsten findet Sachsen nicht statt. Von 2,7 Milliarden Euro nur 14 Millionen Euro – das sind 0,5-Prozentpunkte, und wer den Königsteiner Schlüssel kennt mit gut 5 %, der weiß, dass Sachsen um das Zehnfache das Nachsehen hat.
Deswegen, meine Damen und Herren, brauchen wir fertige Planungen. Wir müssen vorbereitet sein für zusätzliches Geld vom Bund und auch von der Europäischen Union.
Sachsen hat es in der Vergangenheit gezeigt, wir hatten die Planungen. Wo wäre es denn sonst möglich gewesen, eine Flughafenlandebahn in Leipzig und Halle neu zu bauen – 3 600 Meter gedreht, damit der Anflug nicht über die beiden Städte läuft. Mit jeder Tonnage können Sie dort fast zu jeder Tages- und Nachtzeit starten und landen. Das betrifft nicht nur die beiden Antonows, die startbereit an der Landebahn stehen, nicht nur die „Touristenbomber“, sondern auch Frachtflugzeuge.
Deswegen ist DHL von Brüssel nach Leipzig gekommen – mit hochwertiger Technologie, mit hochwertiger Logistik und den entsprechenden Arbeitsplätzen. Das ist sächsische Verkehrspolitik, die wir in diesem Land brauchen – keine kleinteiligen Lösungen, sondern großer Entwurf.
Meine Damen und Herren, ein Thema, das mich sehr umtreibt – Sie hatten es in Ihrer Rede angesprochen, Herr Dulig –: Wir profitieren natürlich auch von den Seehäfen Hamburg und Bremen, aber wir sind bei der Eisenbahnverbindung abgeschnitten. Die Deutsche Bahn denkt über einen neuen Eisenbahnkorridor nach; Hannover – Kassel durch die Mitte Deutschlands ist der bestehende.
Wir brauchen eine Anbindung nach Südeuropa und Südosteuropa. Hierfür bietet sich Sachsen geradezu an. Wir brauchen also eine Verbindung zwischen der Ostsee und Adria – genauer gesagt zwischen Berlin und Prag –, und in der Mitte zwischen Berlin und Prag liegt Dresden. Hier brauchen wir mehr Anstrengungen vom Land,
nämlich eine deutliche Initiative in Richtung Planung des Tunnels durch das Erzgebirge von Heidenau bis auf die tschechische Seite. Das würde auch Verkehrsströme ins Land lenken, und zwar nicht auf der Autobahn, sondern auf der Schiene, die umweltfreundlich ist. Wir wären geopolitisch in ein Hochgeschwindigkeitsnetz in Europa eingebunden. Wir würden für sächsische Unternehmerinnen und Unternehmer Aufträge akquirieren können und gleichzeitig noch den Lärm aus dem Schienenverkehr aus dem Elbtal holen.
Das heißt, wir brauchen Planungsanstrengungen und eigenes Landesgeld, um das voranzutreiben, den Bund und die Europäische Union zu drängen, hier einzusteigen. Das ist eine strategische Aufgabe, die wir jetzt anpacken müssen, damit Sachsen im verkehrspolitischen Verbund in der Eisenbahn nicht weiter abgehängt wird.
Meine Damen und Herren, wir schaffen das moderne Sachsen. Das wirft die Frage auf: Wie sieht das moderne Sachsen aus und wie schaffen wir es, dort hinzukommen? Aus meiner Sicht – und da ist die Innovationsökonomie angesprochen – gibt es drei Punkte.
Der erste Punkt ist Technologie. Die haben wir in Sachsen, wir haben auch die Ideen. Manchmal müssen wir uns fragen, ob nicht die Vermarktung, der Absatz und das Marketing dazugehören.
Der zweite Punkt sind Talente. Auch die haben wir. Aber die Demografie zeigt uns: Das Erwerbspersonenpotenzial sinkt schneller als die Bevölkerung; es wird zu einem knappen Gut werden.
Technologie haben wir, Talente haben wir. Aber ein drittes „T“ ist die Toleranz. Herr Dulig, Sie haben es angesprochen: Ohne Sachsen als weltoffenes Land, ohne eine Kultur, die hier Spitzenkräfte und Talente weltweit anzieht und ihnen ein Zuhause bietet, nützt die beste Wirtschaftsförderung nichts.
Unser Land hat Schaden im Image genommen, und zwar nachhaltig – nicht nur national, sondern auch international. Wir müssen alles tun, damit wir wieder weltoffen werden – nicht nur für die Wirtschaftseliten, sondern auch für die Wissenschaftseliten, die wir dringend nicht nur in Dresden, sondern in ganz Sachsen brauchen.
Wir brauchen eine Neuausrichtung der Wirtschaftsförderung in Sachsen. Wir brauchen eine moderne Verkehrspolitik, die insbesondere bei der Eisenbahn die Magistralen in Europa – Ostsee, Adria – nicht aus dem Blick verliert, und wir brauchen vor allem wieder den Mut zu großen Lösungen. Wir brauchen Mut zu großen Projekten, so wie in der Vergangenheit. Bei allen kleinteiligen Einzelprojek
ten, die für sich genommen richtig sind, brauchen wir aber kein Sammelsurium von kleinen Maßnahmen, sondern wir brauchen wieder den großen Wurf in Sachsen. Den möchte ich in den nächsten Jahren vorantreiben. Nur so kommen wir wieder in die Modernität und werden modern und attraktiv werden auch für andere Nationen und andere Länder.
Herzlichen Dank.
Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Demokratie und Marktwirtschaft sind zwei Seiten ein und derselben Medaille. Werte wie Freiheit und Selbstbestimmung spiegeln sich auch im freien Handel wider. Offene Märkte fördern Wohlstand, sie fördern Wachstum und Arbeitsplätze. Aber der freie Handel, meine Damen und Herren, hat auch eine geopolitische Dimension, auch wenn wir die Debatte hier im Sächsischen Landtag führen. Der Satz „Entweder überschreiten Soldaten die Grenzen oder Waren und Dienstleistungen“ hat nach wie vor Gültigkeit. Der freie Warenverkehr als Grundsatz hat friedensstiftende Wirkung und fördert die gegenseitigen Interessen, und damit senkt er auch die Wahrscheinlichkeit von bewaffneten Konflikten. Das gilt es immer mal wieder in den Fokus zu rücken, bevor wir über die Details sprechen, die wichtig sind.
In Rede stehen die Verhandlungen über die Transatlantische Handels- und Investitionspartnerschaft, und die Bedeutung – dies wurde bereits ausgeführt – des transatlantischen Handels für Deutschland, aber auch für Sachsen ist mehr als offensichtlich. Die EU und die USA machen 45 % des Weltbruttoinlandsproduktes aus und vereinigen auf sich 33 % des Handels- bzw. Dienstleistungsvolumens der Welt. Allein 8 % der Exporte Deutschlands gehen in die USA. Die EU und die Vereinigten Staaten von Amerika sind jeweils die wichtigsten Zielmärkte für ausländische Direktinvestitionen mit jeweils etwa einem Drittel.
Momentan wird über diese Partnerschaft verhandelt. Diese Verhandlungen sind nicht nur wichtig, sondern sie haben auch ein hohes Potenzial. Das gilt in wirtschaftlicher Hinsicht, weil sie eben Wachstum und Arbeitsplätze fördern. Jeder vierte Arbeitsplatz in Deutschland ist vom Export abhängig, in der Industrie ist es sogar jeder zweite.
Das gilt aber auch strategisch: Wir brauchen nicht nur einen freien Handel, sondern wir brauchen – da teile ich vieles von dem, was hier ausgeführt wurde – auch einen fairen Handel. Marktwirtschaft braucht Regeln. Einen Markt ohne Regeln kann es nicht geben. Das ist wie beim Fußballspiel: Ein Fußballspiel wird dann uninteressant, wenn es keine Regeln und keinen Schiedsrichter gibt. Der Schiedsrichter muss auch einmal pfeifen, er muss Fouls ahnden, er muss rote und gelbe Karten griffbereit haben. Da, meine Damen und Herren, unterscheiden wir uns: Wir brauchen einen starken Staat, aber auch einen sich selbst beschränkenden Staat. Wir brauchen einen Schiedsrichter mit gelben und roten Karten, aber keinen Schiedsrichter,
der selbst Tore schießt. Dann wird es für die Spieler und das Publikum uninteressant.
Nicht zuletzt, meine Damen und Herren, ist dieser Handel auch global wichtig. Wir sind eben nicht nur eine Wirtschaftsgemeinschaft, sondern wir sind eine Wertegemeinschaft. Gemeinsame Werte wie Frieden und Freiheit, die uns zusammenführen und zusammenschweißen, haben in diesen Tagen auch globale Bedeutung. Eine solche Partnerschaft kann dazu beitragen, diese Werte und deren Gewicht in der Welt zu stärken.
Kommen wir zu der Frage, was eine solche transatlantische Partnerschaft denn leisten muss, was TTIP uns bringen soll.
Erstens muss das Abkommen über eine reine Zollsenkung hinausgehen. Wir haben im Bereich tarifärer Handelshemmnisse bereits Fortschritte erreicht, dennoch gibt es Zölle. Ich persönlich bin für die Abschaffung aller Industriezölle.
Zweitens: Unsere hohen Standards sind und bleiben Maßstab. Produktsicherheit, Gesundheit, Verbraucherschutz, Umweltschutz und vor allem auch Datenschutz gilt es nicht nur zu schützen, sondern auch global durchzusetzen.
Drittens: Die regulatorische Zusammenarbeit – damit kommen wir in den Bereich der nichttarifären Handelshemmnisse – spielt eine große Rolle, und zwar entgegen Ihren Ausführungen gerade für den sächsischen Mittelstand. Zulassungsverfahren, Testverfahren, Zertifizierungsverfahren sind hohe Hürden, besonders für kleine und mittelständische Unternehmen. Es gilt, solche Hemmnisse zu beseitigen.
Viertens, Marktzugang und Investitionsschutz. Trotz der kritischen Diskussion über die Gerichtsbarkeit, die ich nachvollziehen kann, haben wir als Deutsche und als Sachsen ein hohes Interesse an Investitionsschutz und an einem Schutz vor Enteignung bzw. Diskriminierung. Das müssen wir sichern.
Fünftens und letztens, da stimme ich zu: Die Verhandlungen sind nicht transparent geführt worden. Wer Akzeptanz will, muss Transparenz bieten. Ich bin dafür, dass wir offen darüber diskutieren – nicht nur das Europäische Parlament und zum Schluss die nationalen Parlamente, die zustimmen müssen, sondern auch die betreffenden Gruppen. Dazu gehören an allererster Stelle auch die Verbraucher. Sie sollten mitdiskutieren und sich einbringen. Dann kommen wir auch zu dem Ziel und dem Ergebnis, das wir wollen. Freier Handel fördert nämlich Wohlstand, Wachstum und Arbeitsplätze.
Gleichermaßen sichert er unsere hohen Standards auch in der Welt.
Herzlichen Dank.
Ja, mit Gottes Hilfe.