Marion Walsmann
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Frau Präsidentin, sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Ein besonders herzliches Dankeschön, das sind die wirklich Interessierten, die jetzt hier noch im Plenarsaal sind – Frau Staatssekretärin, Frau Ministerin –, ich bedanke mich für die Aufmerksamkeit.
Mit dem Ende des Jahres 2017 ging unbestritten mit der Lutherdekade 2008 bis 2017 und dem eigentlichen 500-jährigen Reformationsjubiläum „Luther 2017“ ein thematisches und strukturelles Großereignis mit internationaler und nationaler Strahlkraft einerseits und natürlich besonderer Bedeutung für den Freistaat Thüringen zu Ende, was aus Sicht der CDU-Fraktion durch eine Behandlung in diesem Hohen Haus eine besondere Würdigung verdient hat.
Mit unserem Antrag „Impulse des Reformationsjubiläums ‚Luther 2017‘ nachhaltig für die Entwicklung der Kulturlandschaft und des Tourismus in Thüringen nutzen“ möchten wir diesem Anliegen einer Würdigung nicht nur nachkommen, sondern ebenfalls eine Bilanzierung der Durchführung des Reformationsjubiläums als gesellschaftliche Querschnittsaufgabe, gerade im Hinblick auf dessen Impulse für die Entwicklung unserer Kulturlandschaft und des Tourismus, vornehmen.
Von der Bilanz auf der Grundlage des in unserem Antrag unter Punkt I aufgestellten Fragenkatalogs versprechen wir uns bzw. erwarten wir vor allem, dass entsprechende Schlussfolgerungen zur Optimierung der Organisation und Veranstaltung künftiger ähnlicher Großereignisse gezogen werden können. Entsprechende Handlungsaufträge und Handlungserfordernisse, die sich aus der Auswertung des 2017 zu Ende gegangenen Ereignisses ergeben, möchten wir für die Fortentwicklung der Kulturlandschaft Thüringens und einer besseren Vermarktung Thüringens nutzen. Nach unserer Auffassung lässt sich das mit einer Umsetzung der unter Punkt II aufgeführten Forderungen erreichen.
Meine Damen und Herren, eine Debatte im Plenum des Thüringer Landtags als öffentliches Forum wird diesem Großereignis nach unserer Ansicht am besten gerecht und sollte als Einstiegsort für eine weiterbezogene Sachdebatte in den Fachausschüssen dienen. Wir hoffen und freuen uns auf diese Inspiration in der Diskussion, wenn sie heute auch mit einer geringeren Teilnehmerschaft beginnt, aber wir wollen es ja in den Fachausschüssen fortsetzen. Vielen Dank.
Sehr geehrte Frau Präsidentin!
Sowohl in dem von der Landesregierung im Jahr 2017 vorgelegten Diskussionspapier „Thüringer Museumsperspektive 2025“ als auch in diversen Absichtserklärungen seitens des Thüringer Ministerpräsidenten wurde in Aussicht gestellt, die Defensionskaserne auf dem Erfurter Petersberg zu einem Landesmuseum für Kultur und Geschichte auszubauen. Gleichzeitig soll diese Entwicklung des Petersbergs für die Ausrichtung der im Jahr 2021 in Erfurt geplanten Bundesgartenschau (BU- GA) genutzt werden. Angesichts der Tatsache, dass bis zur Eröffnung der BUGA nur noch wenig Zeit verbleibt und entsprechende Entscheidungen für die Entwicklung des Standorts noch ausstehen, scheint deren Durchführung zumindest auf dem Terrain des Petersbergs gefährdet.
Ich frage die Landesregierung:
1. Welche Entscheidungen wurden mittlerweile zur Errichtung eines Landesmuseums für Kultur und Geschichte generell und ganz speziell in der Defensionskaserne auf dem Erfurter Petersberg getroffen?
2. Welche Summe hat die Landesregierung für die angekündigte Errichtung dieses Landesmuseums eingeplant und über welche Position im Landeshaushalt 2018/2019 bzw. weiteren Quellen soll es finanziert werden?
3. Bleibt es bei der Absichtserklärung, den Erfurter Petersberg für die BUGA 2021 zu nutzen und wenn ja, welche final abgestimmten inhaltlichen Konzepte und Kostenplanungen liegen inzwischen dafür vor?
4. Welche Maßnahmen des Nutzungs- und Finanzierungskonzepts im Zusammenhang mit der geplanten Sanierung der Peterskirche wurden bereits umgesetzt bzw. sind zu welchem Zeitpunkt geplant?
Vielen Dank erst mal für die Beantwortung. Meine Nachfrage bezieht sich auf die Finanzen. Die Position im Landeshaushalt ist klar, die haben wir auch
gesehen. Meine Frage bezüglich der Finanzierung oder der Unterstützung seitens des Landes bezog sich auch auf die avisierten Fördermittel, deren Ausweisung nicht speziell aufgeschlüsselt ist, sondern da gibt es einen Topf und aus dem Topf kann etwas für die BUGA-Projekte entnommen werden. Deshalb bezog es sich darauf. Daher die herzliche Bitte, da noch mal nachzuliefern, was jetzt feststeht. Denn da bestehen doch Unklarheiten.
Und das Zweite ist, was Sie richtig sagen, die Peterskirche soll auch mit Blick auf die Achava-Festspiele usw. nicht nur für 2018, sondern vielleicht auch darüber hinaus als Veranstaltungsort wieder eröffnet werden, bzw. soll zumindest die Möglichkeit eröffnet werden, dass es ein Veranstaltungsort ist. Nun haben wir im Landeshaushalt gesehen, dass für 2018 500.000 Euro und für 2019 2 Millionen Euro für die Stiftung aufgestockt wurden. Für 2018 ist die Begründung: Die Mittelaufstockung ist für die Klosterkirche Sankt Peter notwendig. Sie sprachen aber von 5 Millionen Euro. Das heißt – das habe ich nicht richtig mitbekommen bei Ihrer Beantwortung –, wann stehen die 5 Millionen Euro zur Verfügung? Die Vorplanung 2018 – ist das richtig? – und die Realisierung 2019, sodass mit den 5 Millionen Euro 2019 zu rechnen ist – wenn Sie das noch mal konkret sagen würden.
Frau Präsidentin, meine Damen und Herren, es ist ein eher überschaubarer Einzelplan. Das Gesamthaushaltsvolumen des Einzelplans 02 ist aber immens angestiegen gegenüber 2016, nämlich um circa 10 Prozent, reiner Zuschuss im Jahr 2016 180 Millionen Euro mit 9 Millionen Euro Kulturlastenausgleich, auf etwa 200 Millionen Euro jeweils 2018 und 2019 ohne Kulturlastenausgleich, Personalkostensteigerung um 1 Million Euro im Jahr 2018 gegenüber 2017 und um 1,5 Millionen Euro 2019. Dazu kommt die Steigerung bei Ausgaben für Investitionen/Investitionsförderungsmaßnahmen. Der größte Ausgabeposten im Einzelplan 02 ist natürlich erwartungsgemäß der Bereich Kultur, aber dazu wird mein Kollege Kellner nachher noch sprechen.
Wegen der sprudelnden Steuereinnahmen ist wohl auch hier zu merken, dass die Zurückhaltung von Rot-Rot-Grün bei Einsparungsbemühungen deutlich zu sehen ist. Es wäre auch hier mehr Schuldentilgung drin gewesen durch Zurückhaltung bei der Ausgabenmentalität im Einzelplan 02. So können im Vorfeld der Landtagswahl auch über den Einzelplan 02 viele Wohltaten verteilt werden und nicht alle dienen dazu, zukunftssichere, nachhaltige
Strukturen zu entwickeln, sondern dienen einmaligen Effekten.
Obwohl wir an verschiedenen Stellen des Einzelplans 02 die von Rot-Rot-Grün eingespeisten Mehrausgaben und Investitionen begrüßen – insbesondere im Bereich zur Förderung des Medienstandorts Thüringen, der Förderung von Projekten und Maßnahmen zur Aufarbeitung der SED-Diktatur oder im Bereich der Kulturpflege –, würden wir dennoch an verschiedenen Stellen andere Weichenstellungen vornehmen.
Um wieder auf den vor 2014 festgelegten Personalabbaupfad zu gelangen, sind auch die Einsparbemühungen im Einzelplan 02 zu intensivieren. Drei Stellen jeweils 2018 und 2019 abzubauen und – so wie im Änderungsantrag der Regierungsfraktionen gefordert – eine Erhöhung der aktuellen Zielvorgabe bis 2025 um eine Stelle von 26 auf 27 ist nicht gerade ein ehrgeiziges Ziel. Vor allem sehen wir im Zusammenhang mit der Umsetzung des beschlossenen Personalabbaus kritisch, dass das Erreichen des Ziels unter anderem umgangen wird durch die Schaffung eines Parallelstellenplans, die Schaffung zusätzlicher befristeter Stellen zum Beispiel zur Begleitung von Baumaßnahmen über einen gesonderten Stellenpool.
Ablehnung findet bei uns ebenfalls die Ausweitung in bestimmten Bereichen, die wohl eher dem plakativen Anliegen dienen. Beispielhaft fällt mir dabei die exorbitante Kostenexplosion bei den Zuweisungen und Zuschüssen für Maßnahmen der Thüringer Antidiskriminierungsstelle ein, die sicherlich mit einem geringeren Aufwand genauso effizient betrieben werden könnte –
eine Verfünfzehnfachung der Ansätze 2018 und 2019 gegenüber dem Ist von 2016 immerhin. Ebenfalls kritisch sehen wir die veranschlagten Ausgaben für Renovierungs- und Ausstattungsmaßnahmen des Dienstsitzes des Ministerpräsidenten. Tut es wirklich not, den Barocksaal und den Salon der Staatskanzlei mit neuen, teuren Möbeln ausstatten zu müssen, wenn man bedenkt, dass auf der anderen Seite die Erfurter Uni-Bibliothek jeden Euro gebrauchen könnte, weil kein Geld für die erforderliche Brandschutztechnik vorhanden ist?
Zu hinterfragen ist auch, ob die für 2018 und 2019 im Haushalt finanzierte Reisefreudigkeit des Ministerpräsidenten tatsächlich im Interesse des Landes ist und ob die gestiegenen Ansätze für repräsentative Veranstaltungen – zum Beispiel der Sommerempfang – und eine intensivere Öffentlichkeitsarbeit ausgerechnet mit Blick auf das Wahljahr 2019
wirklich den Interessen der Menschen im Land helfen und dienen.
Ich möchte ein paar Worte insbesondere zu dem Medienbereich sagen. Da fange ich mit einem ausdrücklichen Begrüßen dieser Aufstockung der Mittel für die Medienwirtschaft in der Titelgruppe 75 an, insbesondere die Unterstützung für die „Deutsche Kindermedienstiftung Goldener Spatz“ sowie den Baukostenzuschuss zwecks Entwicklung des „Studioparks Kindermedienzentrum“. Um im Bereich – und da kommen wir auf des Pudels Kern – der Medienwirtschaft die Wertschöpfung am Medienstandort Thüringen deutlich zu steigern, müssen allerdings mehr Anstrengungen unternommen werden, um deutlich mehr Arbeitsplätze, weitere Einrichtungen und zusätzliche Produktionen in Thüringen anzusiedeln. Ein wichtiger Beitrag ist dabei eine gerechtere Ressourcenverteilung an den drei MDRStandorten Sachsen, Sachsen-Anhalt und Thüringen und auch die Anstrengung bei der geplanten Novellierung des MDR-Staatsvertrags. Aber diese Anstrengung können wir auch kostenfrei ausführen.
Darüber hinaus sieht die CDU-Fraktion eine enge Verbindung zwischen der Entwicklung des MDR und dem Kindermedienbereich am Standort Erfurt, dessen Ausbau und Fortentwicklung auch künftig kontinuierlich fortzuführen sind, wozu die in Titelgruppe 75 – Medienpolitik, Medienwirtschaft – im Kapitel 02 01 des Einzelplans des Landeshaushalts bereitgestellten Mittel gezielt und effizient einzusetzen sind.
Ein letztes Wort zu der EU-Kohäsionspolitik, die für Thüringen weit wichtiger werden wird als bisher. Das brauche ich nicht zu begründen, seit 1990 profitiert Thüringen branchenübergreifend davon. Aber auch da muss die Landesregierung ihr europapolitisches Engagement daran ausrichten, Handlungskonzepte und konkrete Maßnahmen abzuleiten und auch umzusetzen. Die durch den Doppelhaushalt untersetzten Strukturen und Instrumente müssen dabei so ausgestattet sein und fortentwickelt werden, dass sie wirklich dazu dienen, Initiativen zur Einwerbung von Mitteln aus den EU-Struktur- und Investitionsfonds zu unterstützen und zu fördern. Da haben wir noch ein paar Verbesserungsmöglichkeiten, in den vorhandenen Strukturen landeseigene Interessen auf europäischer Ebene unter anderem durch eine noch stärkere Beteiligung in EUForschungs-, Wirtschaftsund Kulturnetzwerken noch besser umzusetzen. Hier ist eine Koordinierungsfunktion der Staatskanzlei – ich weiß, dass auch andere Ressorts dafür zuständig sind – mit einem Entree letztendlich in Brüssel zu untersetzen, um dort effektiv die Ziele anzustreben, die auch in den europapolitischen Strategien theoretisch dargelegt wurden. Das ist die Praxisprüfung, die zu bestehen ist.
Meine Damen und Herren, ich will meinem Kollegen Kellner im Kulturbereich, wie gesagt, nicht vorgreifen, aber generell lehnen wir den Doppelhaushalt in dieser Form ab. Statt Strukturen nachhaltig durch eine zukunftsfeste Finanzierung zu sichern, werden Struktureinheiten auf die Zukunft verschoben. Die Staatskanzlei kommt dabei ihrer Steuerungsfunktion nicht unbedingt nach, denn sie soll ja die betroffenen Akteure im Kultur- und Medienbereich auch koordinieren und dazu befähigen, selbst ihren Anteil zu leisten. Insofern haben wir schon den einen oder anderen Punkt, den wir auch in den Haushaltsberatungen durch nachhaltiges Fragen untersetzt haben und deutlich gemacht haben, wo wir andere Akzente setzen würden. Danke schön.
Frau Präsidentin, meine sehr verehrten Damen und Herren, verehrte Kolleginnen und Kollegen, am Montag hatte die Bundeswirtschaftsministerin Zypries das Siemens-Management und die Wirtschaftsminister der betroffenen Bundesländer eingeladen, um über den geplanten Stellenabbau bei Siemens zu beraten – leider ohne konkrete Ergebnisse. Siemens will weltweit, das wissen wir, 6.900 Stellen abbauen. Ungefähr die Hälfte davon sollen in Deutschland gestrichen werden. Und das, was uns besonders hier vor Ort auch aufmerken lassen muss, ist, dass massiv Standorte in Ostdeutschland von den Plänen der Siemens-Führung betroffen sind. Die Werke in Leipzig und Görlitz sollen geschlossen, das Werk in Erfurt soll verkauft werden. Inzwischen hat man festgestellt, dass der avisierte Käufer gar nicht da ist. Insofern ist das mit dem Verkauf auch nicht so weit her. Ich habe gerade vor einer Stunde noch mit dem Betriebsratsvorsitzenden telefoniert, der über die Ergebnislosigkeit der Beratung vom Montag in Berlin sehr enttäuscht ist, aber auch gesagt hat: Für uns konkret nützt der Gesetzentwurf, der wie so eine Monstranz von der Linken vor sich hergetragen wird, auch nichts.
Denn die Angst der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, dass sie zu Weihnachten nicht wissen, wie es im nächsten Jahr weitergeht, dass sie nicht wissen, was nun los ist, was steht an konkret, diese Angst nehmen Sie ihnen damit nicht. Wir haben vorige Woche solidarisch an der Seite der Beschäftigten von Siemens hier in Erfurt am Werktor gestanden. Es war eine Betriebsversammlung, sie ist unterbrochen worden. Man hat deutlich demonstriert, dass man den Standort erhalten möchte. Die Leute, die sich hier niedergelassen haben, die in Erfurt beheimatet sind, Familien gegründet haben – ganze Familien sind bei Siemens zusammen beschäftigt, inzwischen schon in zweiter Generation –, haben ganz andere Sorgen. Die wollen wissen, wie es weitergeht – geht es in einem neuen Werk weiter, geht es am Standort weiter, welche Produkte können wir herstellen. Und was sie noch viel mehr umtreibt, ist – und da gebe ich ihnen recht – der wirtschaftliche Tatbestand, dass Auftragsbücher voll sind, ein Werk moderne Produktpaletten anzubieten hat und gerade erst die Produktion, die in Erfurt seit mehreren Jahren läuft, von Charlotte nach Erfurt verlagert wird und jetzt von Erfurt wieder nach Charlotte verlagert werden soll, obwohl man genau weiß, dass dort in den Vereinigten Staaten eben nicht wettbewerbsfähig produziert werden kann, so wie es am Standort Erfurt ist. Da stellen sich ganz
andere Fragen als die, die in Ihrem Gesetzentwurf im Moment polemisch auf den Tisch gelegt werden, um anderen Dingen auszuweichen.
Da sage ich mal ganz deutlich: Die Leute erwarten was anderes. Sie erwarten, dass man ganz deutlich sagt, dass gerade wegen der Wettbewerbsfähigkeit – Siemens in Erfurt ist das kostengünstigste Werk im Verbund –, der Flexibilität und der Wertschöpfungstiefe an diesem Standort und dem Know-how der Mitarbeiter alle Anstrengungen erforderlich sind, um deutlich zu machen, dass man dieses Werk auch eventuell mit neuer Produktpalette mit den Mitarbeitern und Mitarbeiterinnen hier am Standort halten und ihm eine Zukunft geben will. Die Zukunft kann auch darin liegen, dass man eben andere Produkte hier produzieren lässt. Da sind, glaube ich, die Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen sehr offen in der Diskussion. Sie wissen, was sie produzieren und dass es sowohl im fossilen Bereich als auch im erneuerbaren Bereich absatzfähig ist. Sie wissen, an wen sie liefern, das brauchen wir alles nicht wiederholen, das haben wir uns alles schon 10.000-mal gegenseitig gesagt.
Aber was sie vermissen, ist die konkrete Unterstützung, der Rückenwind, dass man sagt: Liebe Leute, liebe Betriebsleitung hier an diesem Standort, ihr habt Rahmenbedingungen bekommen, die sind perfekt, ihr könnt auch weiter die Rahmenbedingungen erwarten, aber wir erwarten jetzt an diesem Standort eben auch die soziale Verantwortung des Unternehmens, die immerhin aus dem „Eigentum verpflichtet“ des Artikels 14 Abs. 2 Grundgesetz erwächst. Und die soziale Verantwortung von Siemens ist unbestritten, da bin ich gar keiner anderen Auffassung, aber das zu betonen auf der einen Seite und auf der anderen Seite genauso intensive Anstrengungen zu unternehmen, um diesen Standort überlebensfähig zu halten und um deutlich zu machen, hier geht es um was ganz anderes, hier geht es um ganz andere Absprachen.
Ich kann zu dem Punkt, zu der angestrebten Verlagerung von Kapazitäten in die USA, gerade vor dem Hintergrund, dass es hierher verlagert wurde mit dem Plan 2020, sagen: Die Strategie „America First“ kann es ja wohl nicht sein, die wir unterstützen, sondern ich sage: Alle Anstrengungen für Erfurt.
Und als allerletzten Satz: Davon zu unterscheiden ist die Situation in Weimar, aber dazu haben wir, glaube ich, auch schon ausgeführt. Danke schön.
Herr Präsident, meine sehr verehrten Damen und Herren, liebe Kollegen! Aufklärung nicht möglich, weil: Es kostet Geld. Herr Helmerich, das schlägt doch dem Fass den Boden aus. Wir leben in einer Demokratie, in einem Rechtsstaat,
und da ist Aufklärung Verpflichtung, wenn etwas nicht ordentlich läuft.
Frau Martin-Gehl, wir haben uns immer gut verstanden im Ausschuss, aber was Sie behaupten, dass hier Falschaussagen, falsche Dinge auf den Tisch des Hauses gelegt werden, das stimmt nicht. Fakt ist: Noch immer sucht die Thüringer Polizei den Untersuchungsgefangenen, der vor gut vier Wochen aus der Haftanstalt Suhl-Goldlauter entweichen konnte. Und Fakt ist: Inzwischen ermittelt die Staatsanwaltschaft Meiningen. Der Verdacht lautet – Fakt ist –: Gefangenenbefreiung.
Und die Flucht, meine Damen und Herren – da können Sie hier brüllen wie Sie wollen –, war in der Tat filmreif. Das mag im Filmland Thüringen vielleicht den einen oder anderen beruhigen – aber was steht dahinter? Ich sage mal ganz deutlich – schauen wir eine Woche zurück –: Die Polizei verbucht endlich einen Erfolg gegen das Drogenkartell, was sich auch hier bildet und auch hier seine Wurzeln schlägt. Endlich werden Festnahmen getätigt, endlich ein Erfolg. Die Beamten können den Fuß in das Milieu der Drogen- und Mafiakriminalität setzen und einer der führenden Köpfe wird, nachdem er gefasst war, wieder auf freien Fuß gelassen.
Das scheint die Überschrift zu sein unter dem „Ist ja alles gar nicht so schlimm.“
Er ist entwichen und „entwichen“ heißt, dass es irgendwelche Pannen und Versäumnisse gegeben hat, und die müssen aufgeklärt werden.
Und jetzt kommen wir zu dem Fall zurück, der akut ansteht: Der Gefangene verschwand in einem Kar
ton. Herr Helmerich, so lustig, wie Sie das vortragen, kann ich das nicht finden. Das ist auch nicht lustig,
sondern so etwas darf einfach nicht passieren. Deshalb sind wir daran interessiert, lückenlos aufzuklären und zu erfahren, warum es passieren konnte. Da sind wir uns noch einig, lieber Herr Lauinger, aber nicht mehr lange, denn die Konsequenz daraus ist eine vollkommen andere, die Sie ziehen. Denn Sie nehmen es hin und sagen: Das passiert ja überall. Und deshalb kann man damit zufrieden sein, sich der Tatsache hingeben, dass es überall passiert. Nein, das ist eben nicht so, meine Damen und Herren, und das wissen Sie auch sehr genau.
Nachdem nun der Vorgang beschrieben ist, auch zur Kenntnis gebracht wurde, muss man auch Parallelen ziehen. Eine Kiste, ein Karton, der übrigens so groß ist, dass sich ein Mensch darin verstecken kann, macht schon Nachfragen nötig, wie das überhaupt möglich ist, in so großen, konfektionierten Behältnissen Dinge nach außen zu bringen, dann noch unkontrolliert die Ausgangssperren zu überwinden, was auch in früheren Zeiten schon mal unter Ihrer Amtszeit vorgekommen ist. Denn der Petitionsausschuss, ich erinnere mich, weist auf Vorgänge in der JVA Tonna hin, wo auch nicht kontrolliert wurde, Fahrzeuge ein- und ausgefahren sind und keine Kontrolle stattgefunden hat.
Warum ist das möglich? Warum ist es immer noch möglich?
Warum wird nicht reagiert? Und vor allen Dingen: Wird nicht ernst genommen, was die Bediensteten aus dem eigenen Geschäftsbereich zu den Dingen sagen, nämlich anmahnen, dass nicht genügend Personal da ist, dass nicht genügend qualifiziertes Personal nachkommt? Die Personalbedarfsberechnungen fehlen noch heute. Das ist schlicht und einfach Fakt! Schauen Sie es sich doch an, lesen Sie doch! Beim Bundesverband der Strafvollzugsbediensteten, in den Heften des Vollzugsdienstes, können Sie es nachlesen. Ich hoffe, Sie haben sie gelesen, die Artikel. Und ich hoffe, Sie kommunizieren mit den Beamten auch dazu im Strafvollzugsdienst. Es geht nicht an, dass die Verantwortung einfach immer nur auf den kleinen Beamten geschoben wird. Natürlich, menschliches Fehlverhalten, das muss man konstatieren! Aber was hat zu diesem menschlichen Fehlverhalten geführt? Was
hat es begünstigt, Herr Minister? Das ist die Frage. Das abzustellen, die Justizvollzugsanstalten in Thüringen wieder sicher zu machen, heißt eben auch, dass sie das technische und personelle Know-how und auch die notwendige Ausstattung bekommen. Da reden wir hier nicht über irgendwelche Spaßfaktoren, sondern über knallharte Faktoren.
Makaber ist auch: Zunächst wurde auch nicht über die Gefährlichkeit des Straftäters informiert, weil dies angeblich nicht bekannt war. Nach über vier Monaten weiß die JVA nichts über den Hintergrund ihres Untersuchungshaftgefangenen, von mehreren Identitäten ist die Rede. Und auf meine Nachfrage im Justizausschuss habe ich auch eine falsche Antwort zu diesem Punkt erhalten. Das sage ich ganz bewusst. Sie wissen genau, was ich meine.
Inzwischen wird auch nicht mehr bestritten, dass es sich um einen führenden Kopf der Drogenszene gehandelt haben könnte. Das LKA bestreitet es jedenfalls nicht. In der Berichterstattung durch Sie, Herr Minister Lauinger, wird der ganze Vorgang zwar berichtet, das ist richtig, aber letztlich wird immer wieder die Last der Verantwortung auf menschliches Fehlverhalten und das Versagen einzelner Bediensteter abgewälzt. An dieser Stelle ist deutlich zu sagen: Das ist ein untauglicher Versuch des Herunterspielens eines Vorgangs, der sich wie die Chronologie eines justizpolitischen Versagens erster Ordnung darstellt.
Es geht auch nicht um den Einzelfall allein, sondern es geht um die Summe von Tatbeständen und die Summe von Vorgängen, die wir hier konstatieren und die in verschiedenen Bereichen, ob im Innenausschuss, ob im Petitionsausschuss, ob im Justizausschuss, immer wieder thematisiert wurden. Aber es passiert nichts. Das kann es doch wirklich nicht sein!
Eines sage ich auch: So wenig Beachtung, wie der Justizvollzug in Ihrer Amtszeit erfahren hat, das gab es noch nie. Das gab es wirklich noch nie!
Da kommt erst Migration, dann kommt ganz lange gar nichts, dann kommen Staatsanwaltschaften und Gerichte, wenn sie Glück haben, und dann kommt irgendwann der Strafvollzug. Das geht so nicht! Der Strafvollzug ist ein gleichberechtigter Teil des Justizressorts und er braucht eine besondere Verantwortung, weil die Probleme eben gravierend sind.
Die Probleme haben wir aus langen Zeiten vorher geerbt und wir haben viel daran gearbeitet, dass wir
sie abstellen. Und nach drei Jahren Ihrer Amtszeit gibt es, was den Vollzug angeht, keine klaren Aussagen: Personalbedarfsberechnung – Fehlanzeige! Aktionsprogramme gegen Drogen und Subkultur im Vollzug – Fehlanzeige! Zusammenarbeit mit den Vertretungen der Bediensteten – Fehlanzeige! Schutz der Allgemeinheit vor Begehung weiterer Straftaten durch Sicherheit im Vollzug – Glückssache! Das ist uns zu wenig!
Herr Präsident, sehr verehrte Kolleginnen und Kollegen, verehrte verbliebene Besucher, mit der Wahl des Themas für ihre 25 Hauptfragen umfassende Große Anfrage hat die AfD-Fraktion lediglich einen bestimmten Sachverhalt aufgegriffen, der meiner Meinung nach genauso gut auch im Rahmen von ein bis zwei Kleinen Anfragen hätte behandelt werden können.
Allein das Thema der Wirtschafts-, Wissenschaftsund Bildungskooperation zwischen Thüringen und Russland spiegelt gerade einmal einen ganz kleinen Auszug des internationalen Engagements von Thüringer Kultur-, Forschungs- und Bildungseinrichtungen und wirtschaftlichen Unternehmungen wider. Meines Erachtens hätte in der Tat zumindest inhaltlich erst dieser Ansatz auch die Bezeichnung „Große Anfrage“ verdient. Aber natürlich bleibt es dem jeweiligen Einbringer der Großen Anfrage völlig unbenommen, wie er seine parlamentarische Arbeit selbst organisiert.
Sehr geehrte Damen und Herren, bei dieser Vorlage der AfD lohnt es sich, den wahren Intentionen dieser parlamentarischen Initiative auf den Grund zu gehen und diese einmal tiefgründiger zu hinterfragen. Natürlich bleibt sich die AfD-Fraktion auch bei der speziellen Themenwahl ihrer Großen Anfrage treu. Oberflächlich betrachtet könnte dem unaufmerksamen Beobachter der Eindruck vermittelt werden, der AfD ginge es mit dieser Anfrage vor allem darum, ihren Kenntnisstand hinsichtlich der Beziehungen zwischen Russland und Thüringen in den Bereichen Wirtschaft, Regionalpartnerschaften, Schule, Hochschule sowie über entsprechende begleitende Maßnahmen der Landesregierung zu erweitern. So weit, so gut, wäre da nicht das Parteidogma der AfD, das sich ohne Wenn und Aber Putins Machtzentrale in Moskau unterworfen hat. Diese Unterwürfigkeit oder gar Fremdsteuerung durch Moskau ist schon einmalig und lässt so manche Assoziation an frühere Zeiten aufkommen.
Werte AfD-Fraktion, haben Sie das nötig? Damit meine ich nicht einmal die regelmäßigen Vorwürfe gegen die AfD, von Moskau bezahlt zu werden, obwohl die Große Anfrage der AfD-Fraktion schon eine gute Vorlage bietet, diese Zusammenhänge noch einmal deutlich zu machen.
Sehr geehrter Herr Präsident, mit Ihrer Erlaubnis möchte ich aus einem interessanten Beitrag „Die Russland-Verbindungen der AfD“ von „tagesschau.de“ vom 16. August dieses Jahres zitieren.
Ich zitiere: „Agieren AfD-Funktionäre als Lobbyisten für Moskau? Laut Recherchen von NDR, WDR und SZ reisen Parteimitglieder regelmäßig gen Osteuropa, um fragwürdigen Referenden demokratische Bedingungen zu bescheinigen. An der Finanzierung könnte indirekt der russische Nachrichtendienst beteiligt sein.“
Und weiter heißt es in diesem Beitrag, ich zitiere weiter: „Der AfD-Abgeordnete Rudy fährt seit Jahren zu solchen Missionen. Geld will er dafür nicht bekommen haben, nur manchmal seien Reisekosten übernommen worden; zu manchen Reisen hätten die Wahlveranstalter eingeladen, zu anderen der Verein selbst, erzählt Rudy NDR, WDR und SZ. Im Juli 2016 war Rudy mit Manuel Ochsenreiter und dem AfD-Abgeordneten Udo Stein aus BadenWürttemberg im Donbass, um Vorwahlen im Gebiet der prorussischen Separatisten zu überwachen. In Rudys Schilderungen sind Donezk, Lugansk oder das zwischen Armenien und Aserbaidschan umstrittene Berg-Karabach ganz normale Regionen, im Februar hat er dort mit zwei anderen AfD-Abgeordneten und Ochsenreiter eine Wahl beobachtet. Regionen, wo es zwar durchaus mal kleine Unregelmäßigkeiten bei Wahlen gebe, ansonsten aber alles lupenrein demokratisch zugehe. Erkenntnisse aus ihren alternativen Wahlbeobachtungen bringen die AfD-Abgeordneten dann in ihren Landtagen ein, zusätzlich fordern sie unermüdlich das Ende der Russland-Sanktionen.“
Meine sehr verehrten Damen und Herren, so ist auch die Große Anfrage der AfD in einem unmittelbaren Zusammenhang mit der nach wie vor anhaltenden Ukraine-Krise und den damit verbundenen Sanktionen der EU gegen die Russische Föderation zu sehen. Mit Ihrer Forderung nach einer bedingungslosen Beendigung dieser Sanktionen unterstützt die AfD direkt die imperialen Gelüste des autoritären Putin-Regimes.
Sie akzeptiert damit die völkerrechtswidrige Annexion der Krim durch die Russische Föderation. Würde man diesem bedingungslosen Ansinnen der AfD nachgeben, hätte dies zur Folge, dass die Putins dieser Welt freie Hand bekämen und ihre völkerrechtswidrigen Handlungen nachträglich eine Legitimierung erfahren würden.
Für mich bleibt es nach wie vor unbegreiflich, woher eigentlich diese auffallende Russophilie der AfD kommt. Die Wenigsten, vermute ich – abgesehen von den einseitigen Begegnungen des Kollegen Rudy –, kennen doch von Ihnen Land und Leute so richtig.
Sehr geehrte Damen und Herren, kommen wir nun zu der Frage des inhaltlichen Mehrwerts dieser Großen Anfrage, die im Grunde genommen wirklich keiner braucht, da die angesprochenen Themenbereiche bereits wirklich in zahlreichen Ausschusssitzungen, Plenardebatten und Kleinen Anfragen von Kollegen anderer Fraktionen aufgegriffen und mit Faktenmaterial untersetzt worden sind.
Gern bin ich dazu bereit, Ihnen, verehrte Kollegen von der AfD, den Sand aus den Augen zu wischen, um mit den gestrigen Worten von Frau Muhsal zu sprechen. Als Sie im Mai dieses Jahres Ihre sogenannte Große Anfrage einreichten, hätte Ihnen durchaus bekannt sein müssen, dass es bereits im Vorfeld zahlreiche parlamentarische Initiativen gegeben hat, die gleichfalls entsprechendes Faktenmaterial abgefragt bzw. die gleichen Fragestellungen parlamentarisch thematisiert haben. So wurden die von der Großen Anfrage aufgegriffenen Themen bereits unter anderem durch die Plenarbehandlung im März dieses Jahres zum Problem „Wirtschaftssanktionen“ und im Februar/März 2017 zum Thema „Zukunft der Regionalpartnerschaften des Freistaats Thüringen“ sowie eine mit 169 Seiten beantwortete Kleine Anfrage „Internationale Kooperationen Thüringer Hochschulen“ der Kollegen Henfling und Schaft vom April dieses Jahres ausführlich beantwortet und diskutiert.
Meine Damen und Herren, anhand der abgefragten Themenschwerpunkte möchte ich einfach mal aufzeigen, an welchen Stellen die AfD ihre Mitarbeit verweigert hat und die Diskussion verschlafen hat. Thema „Regionalpartnerschaften“: Zum einen möchte ich Ihr Interesse auf den Bericht der Landesregierung „Zukunft der Regionalpartnerschaften des Freistaats Thüringen“ vom Februar 2017 richten – also drei Monate vor der Einreichung Ihrer Großen Anfrage. In diesem Bericht gibt es ein ganzes Kapitel – Kapitel 3, zum Nachschlagen – zu den Regionalkontakten in der Russischen Föderation. Darüber hinaus hat auch die CDU-Fraktion in diversen Ausschusssitzungen den Abbau der Regionalpartnerschaften problematisiert, insbesondere auch in der Russischen Föderation.
Der AfD-Fraktion fehlen anscheinend auch die nötigen Kenntnisse über die bestehenden Freundeskreise innerhalb des Landtags zu Regionen in Europa und der Welt. Ansonsten hätten Sie erkannt, dass es schon eine sehr lange und sehr enge Partnerschaft zwischen Thüringen und der Region Mordowien in Russland gibt. Der stellvertretende CDU-Fraktionsvorsitzende Egon Primas ist der Vorsitzende des Freundeskreises Mordowien und hat erst in diesem Jahr den Vorsitzenden der Staatsversammlung, Herrn Czibirkin, nach Thüringen eingeladen. Die freundschaftlichen Kontakte zwischen Thüringen und Mordowien bestehen seit über 15 Jahren. Darüber hinaus existiert auch eine Initiative von CDU-Abgeordneten zur Pflege von
Kontakten mit der Stadt und Region Kaliningrad. In diesem Kontext möchte ich vor allem meine Kollegin Christina Tasch erwähnen, die im Rahmen dieser Kontaktpflege gegenseitige Besuche von größeren Delegationsgruppen sowohl in Kaliningrad als auch in Thüringen pflegt und aufrechterhält.
Zusätzlich sei noch erwähnt, dass auch die Landesregierung mit einer Wirtschafts- und Wissenschaftsdelegation im April nach Tatarstan, Russland, gereist ist, um die Wirtschafts- und Wissenschaftsbeziehungen zwischen Thüringen und Tatarstan zu vertiefen. Und schließlich unterhalten sogar auch einige Kommunen in Thüringen einen regen kulturellen, wirtschaftlichen und politischen Austausch mit verschiedenen Städten in Russland. Als Beispiel möchte ich an dieser Stelle die Stadt Jena anführen. Jena unterhält bereits seit 2009 eine enge städtepartnerschaftliche Beziehung zu der Stadt Wladimir im östlichen Außenbezirk zu Moskau. Seither besuchen Schulklassen, Politiker und Vertreter der Stadtverwaltung Jena regelmäßig die Stadt nahe Moskaus.
Kommen wir zum zweiten Hauptthema der Anfrage, der Wirtschaft. Sehr offensichtlich zielen die in der Großen Anfrage vom Einreicher gestellten Fragen zum zweiten Fragenkomplex „Wirtschaft“ auf das hier im Hohen Haus wiederholt diskutierte Thema der sogenannten Russlandsanktionen ab. Damit wiederholt die AfD-Fraktion, diesmal im Rahmen einer Großen Anfrage, lediglich ihre parlamentarische Initiative vom März dieses Jahres, ohne dabei einen neuen Aspekt oder neue grundlegende Erkenntnisse auf der Grundlage der gegebenen Antworten zu generieren. Besser wäre es gewesen, die AfD hätte zunächst ihre Große Anfrage eingebracht und dann auf der Grundlage der Antworten ihren Antrag vom März „Forderung der Thüringer Wirtschaft umsetzen“ nachgeschoben. Das wäre zumindest die übliche Verfahrensweise gewesen, aber bitte schön!
In diesem inhaltlichen Kontext möchte ich die Gelegenheit nicht ungenutzt lassen und noch einmal den Standpunkt der CDU verdeutlichen, der in Form eines gemeinsamen Antrags und einer gemeinsamen Beschlussfassung mit den Regierungsfraktionen vom 23. März 2017 unter dem Titel „Für die Normalisierung der Beziehungen zur Russischen Föderation eintreten – Russlandsanktionen überwinden“ eine Mehrheit im Plenum gefunden hat. Voraussetzung für diese Normalisierung ist allerdings – im Unterschied zur AfD – die Umsetzung des Minsker Friedensplans für die Ost-Ukraine. In diesem Sinne enthält der Schlusssatz des damaligen gemeinsamen Antrags auch folgende unmissverständliche Formulierungen: „Für eine vollständige Aufhebung der Sanktionen muss gelten, dass alle Forderungen des Minsker Abkommens umgesetzt werden.“ Auch die Antworten auf die Große Anfrage zum Thema Wirtschaftssanktionen
bestätigen auf der Grundlage von Zahlen einmal mehr die überaus negativen Auswirkungen dieser Sanktionen auf die Thüringer Wirtschaft, die ich mit einem kurzen Abriss über die Reaktionen aus der Wirtschaft belegen möchte.
Wirtschaftliche Verflechtungen zwischen Thüringen und Russland: Laut Wirtschaftsministerium pflegen 390 hiesige Unternehmen Handelsbeziehungen zu Russland. Der Verband der Thüringer Wirtschaft verwies darauf, dass sich das Geschäft in den vergangenen fünf Jahren halbiert habe. Der Anteil am Gesamtexport sank von 3,3 auf 1,5 Prozent. Ausfuhren und Einfuhren sind stark zurückgegangen. Ähnlich äußerte sich der Bauernverband. Die Auflagen müssen so schnell wie möglich fallen, so Thüringens Hauptgeschäftsführer Thomas Grottke. Gerade ordnet sich der Lebensmittelmarkt in Russland neu. Ich zitiere weiter Herrn Grottke: „Irgendwann brauchen die uns nicht mehr.“ Laut Grottke ist der Schaden besonders für die Milchbauern groß. Durch die fehlende russische Nachfrage habe sich der Milchpreis um 3 Prozent pro Liter reduziert. Der Verlust für die Thüringer Produzenten betrage damit etwa 30 Millionen Euro im Jahr.
Die IHK – wenn man die Stellungnahme sieht: Die Exporte Thüringer Unternehmen nach Russland sind seit Beginn der Wirtschaftssanktionen eingebrochen. Im Vergleich zu 2013 – und damit vor Beginn der wechselseitigen Sanktionen – seien die Lieferungen der Unternehmen um fast 43 Prozent auf nur noch 217 Millionen Euro im vergangenen Jahr gesunken. Mit der anhaltenden Wirtschaftsund Sanktionslage ist branchenübergreifend Ernüchterung eingekehrt, erklärte IHK-Geschäftsführer Gerald Grusser. Nach Einschätzung von Herrn Grusser könnte sich die Lage in diesem Jahr etwas verbessern, weil in Russland nach zweijähriger Rezession ein Wirtschaftswachstum von einem Prozent erwartet werde. Trotz der Probleme mit Inflation und Wechselkursschwankungen könnten sich wieder wirtschaftliche Chancen für die heimische Wirtschaft bieten.
Meine Damen und Herren, es steht also außer Frage, dass die Schäden für die Thüringer Unternehmen immens sind, wobei auch die Gefahr besteht bzw. das Szenario bereits eingetreten ist, dass der russische Markt bereits ganz verloren gegangen ist. Es ist wahrscheinlich an der Zeit, dass bei den Bemühungen um die Umsetzung des Minsker Abkommens und damit auch bei der Aufhebung der Sanktionen endlich sichtbare Erfolge und verbindliche Übereinkommen getroffen werden. An dieser Stelle ist die Diplomatie nun einmal mehr gefragt, wenn man nicht hinnehmen will, dass dieses unbefriedigende Verhältnis zwischen EU und Russischer Föderation zu einem Dauerzustand wird, bei dem es nur Verlierer geben kann. Entscheidend wird dabei auch sein, wie viel Pragmatismus von beiden Sei
ten für eine endgültige Lösung dieses Problems zugelassen sein wird.
Meine Damen und Herren, da sich die AfD-Fraktion im Rahmen ihrer Anfrage offenbar wieder für ein Aufleben des Russischunterrichts an Thüringer Schulen stark machen möchte, gehört das ebenfalls zu den wundersamen Erkenntnissen aus dieser Anfrage – und der Kontext ist auch nicht so ganz nachzuvollziehen. Bei den meisten in der DDR sozialisierten Thüringern wird dieses Ansinnen jedoch eher Kopfschütteln hervorrufen angesichts von persönlichen Erinnerungen an einen zum Teil mit wenig Begeisterung absolvierten Russischunterricht in der eigenen Schulzeit.
Kurz gesagt: Meines Erachtens sind die derzeit an Thüringer Schulen angebotenen Russischangebote durchaus ausreichend und entsprechen vollkommen der internationalen Bedeutung dieser Sprache – was im Übrigen auch durch die Zahl der bestehenden Schulpartnerschaften und Projekte widergespiegelt wird, von denen es laut der Anfrage auf Frage Nummer 19 in Thüringen insgesamt 18 gibt.
Dass die Beziehungen zwischen Russland und Thüringen im Hochschulbereich wie im schulischen Bereich ebenfalls keine herausragende Stellung einnehmen, belegen die Zahlen hinsichtlich der aus der Russischen Föderation an Thüringens Hochschulen eingeschriebenen Studenten, deren Zahlen eher auf einem niedrigen Niveau zwischen 226 und 335 Studenten im Zeitraum zwischen 2009 und 2017 schwanken. Das Gleiche gilt für die an Hochschulen beschäftigten Mitarbeiter aus Russland, deren Zahl sich zwischen 34 und 46 im gleichen Zeitraum bewegt. Auch hier bleibt also festzuhalten, dass sich die Beziehungen zu Russland im Hochschulbereich vielmehr in die internationalen Kooperationen der Thüringer Hochschulen einordnen und im Vergleich zu anderen Beziehungen, wie zum Beispiel mit Ländern wie Frankreich, Spanien, USA, Italien und Großbritannien, eher eine untergeordnete Rolle spielen. Eine Antwort darauf, warum es nun sinnvoll für die Fortentwicklung unserer Hochschullandschaft sein sollte, die Bedarfe für Kontakte mit Russland in diesem Bereich künstlich zu erweitern, bleibt uns der Einreicher der Großen Anfrage, vielleicht ja auch der Russlandkenner Ihrer Fraktion, Herr Kollege Rudy, noch schuldig. Mir jedenfalls erschließt sich dieses Ansinnen nicht.
Meine Damen und Herren, abgesehen von den überschaubaren Fragen und Antworten für den Schulbereich wurden im Rahmen verschiedener parlamentarischer Initiativen im Thüringer Landtag die in der Großen Anfrage angesprochenen Themenschwerpunkte bereits umfassend mehrfach diskutiert, sodass meine Fraktion eine Weiterbehand
lung der Großen Anfrage im zuständigen Fachausschuss nicht für notwendig erachtet. Ich denke, es ist genug darüber ausgetauscht. Danke schön.
Herr Präsident, sehr verehrte Kolleginnen und Kollegen, ich begrüße besonders herzlich die Vertreter der Belegschaft von Siemens und besonders auch den Betriebsratsvorsitzenden Herrn In der Au. Herzlich willkommen!
Um die Botschaft, die heute von diesem Hohen Haus ausgehen muss, gleich vorauszuschicken, meine Damen und Herren: Wir fordern den Erhalt des Produktionsstandorts unter der Flagge von Siemens. Ein Zerschlagen und Verkauf des Erfurter Siemensstandorts an einen anderen Investor bedeutet den Untergang dieses Produktionsstandorts. Das muss uns allen klar sein und deshalb muss das um jeden Preis verhindert werden, meine Damen und Herren!
Ich denke, dass diese Einschätzung auch die Landesregierung teilt. Die gemeinsam beantragte Aktuelle Stunde ist ja ein deutliches Signal, dass wir jenseits von sonstigen parteipolitischen Auseinandersetzungen über den richtigen Weg, was Industrieoder Energiepolitik angeht, wissen, wann es gilt, hier im Plenarsaal gemeinsam für den Erhalt von Arbeitsplätzen in Erfurt, in der Region, in Thüringen zu streiten und uns mit unserem Wort dafür einzusetzen.
Und so haben wir vor einer Woche mit Ihnen, mit den Beschäftigten von Siemens, mit dem Betriebsrat, mit der Gewerkschaft am Werktor, unsere kompromisslose Unterstützung bekundet – direkt, deutlich und sehr persönlich. Warum heute also eine Aktuelle Stunde, meine Damen und Herren? Die Begründung dafür liefert allein schon die Bedeutung des Siemens-Standorts Erfurt für unser ganzes Land, für unsere Region, für die Stadt Erfurt, aber vor allem für die Tausenden Beschäftigten und nicht nur die Beschäftigten des Siemens-Werks, sondern auch der zahlreichen Zulieferer, die davon betroffen wären, die vielen Einzelschicksale, hinter denen ebenfalls Familien, Ehefrauen, Ehemänner und Kinder stehen. Und neben dieser emotionalen Bewertung stehen aber auch ganz, ganz harte, klare, deutliche Fakten, die eine Schließung des Erfurter Standorts oder einen Verkauf – oder wie auch immer – nicht nachvollziehbar erscheinen lassen, meine Damen und Herren. Ich will nur einige nennen. Als Erfurterin könnte ich Ihnen eine ganze Palette referieren.
Ich kenne das Werk seit Langem, aber ich will nur einiges noch einmal in Erinnerung rufen. Es sind die mehr als 700 direkten Arbeitsplätze bei Siemens, die von Veränderungen betroffen wären, und noch einmal so viele bei den 49 Zulieferern in Thüringen, in Sachsen und in Sachsen-Anhalt. Wichtige Industriearbeitsplätze tun auch der Landeshauptstadt Erfurt gut, die ja sonst mehr als Verwaltungs- und Dienstleistungsstadt einen Namen hat. Die Beschäftigten von Siemens sind Know-howTräger in Thüringen, sie sind ein Forschungs- und Entwicklungsstandort sondergleichen und ich höre immer wieder von der guten Zusammenarbeit mit den Hochschulen in Thüringen, mit der TU Ilmenau, aber auch mit der FH Schmalkalden. Wissens- und Forschungstransfer, um nur das als Stichwort zu nennen: Wir reden darüber und wollen es, und hier an dem Standort gelingt es und deshalb muss es auch gesichert bleiben.
Das Siemens-Werk in Erfurt übernimmt aber auch eine wichtige gesellschaftspolitische Aufgabe in der Region. Sie arbeiten marktwirtschaftlich, die Auftragsbücher sind voll, da gibt es überhaupt keine Frage. Und sie sind ein wichtiger Exporteur: 95 Prozent werden ins Ausland exportiert.
Wenn man darüber redet, dass es vielleicht in der einen Sparte Schwierigkeiten geben könnte, dann will ich nur sagen, die Konzernleitung hat sich damit ja schon einmal beschäftigt. Aus dem Transformationsprogramm ist der Standort Erfurt eigentlich gestärkt hervorgegangen. Deshalb ist es diese einmalige Konstellation, dass Vertrieb, Engineering, Einkauf, Logistik und Fertigung an einem Standort vorhanden sind. Man kann nicht einfach geschehen lassen, dass das aufs Spiel gesetzt wird, meine Damen und Herren. Im Übrigen finde ich es absolut indiskutabel, wenn die Beschäftigten eher zufällig aus einem Managermagazin erfahren, dass in der Kraftwerkssparte Veränderung, Schließung, Verkauf oder Sonstiges erfolgen soll.
Meine Damen und Herren, das geht überhaupt nicht. Unter Berufung auf Konzernkreise sollen bis zu 11 der weltweit 23 Standorte geschlossen, verkauft werden. Ich sage nur, vier der fünf deutschen Standorte sind im Osten. Abbau Ost – keinesfalls! Das dürfen wir nicht zulassen.
Ich stehe regelmäßig in Kontakt mit dem Betriebsratsvorsitzenden – wie auch viele andere hier – des Werks. Und wir sagen: Wir wollen dagegen etwas tun, wir wollen Bund und Land gemeinsam auffordern, hier etwas entgegenzusetzen. Und als letzten Satz dazu: Das ist nicht die Transparenz, die wir erwarten, wenn die Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer im Unklaren gelassen werden, Nachfragen von der Konzernleitung nicht beantwortet werden und mehr oder weniger auf Zeit gearbeitet wird. Das lehnen wir ab, wir setzen uns für den Erhalt ein und ich freue mich, dass wir das gemeinsam tun. Danke schön.
Ausrichtung der Olympiade der Köche ab 2020 nicht mehr in Erfurt
Erfurt war seit dem Jahr 2000 fünfmal Gastgeber für die besten Köche und Patissiers der Welt. Laut einer Meldung des Verbandes der Köche Deutschlands soll nun die internationale Olympiade ab dem Jahr 2020 in Stuttgart und nicht mehr in Erfurt ausgetragen werden.
Die Olympiade findet alle vier Jahre statt, und dies – wie gesagt – in den letzten Jahren in Erfurt, zuletzt im Jahr 2016. Bereits bei der Terminfindung gab es offenbar Unklarheiten. Nachdem der Termin mehrfach verschoben wurde, kommt nun die endgültige Absage an Erfurt.
Ich frage die Landesregierung:
1. Wie hoch war die Förderung vom Wirtschaftsministerium für die Ausrichtung der Olympiade der Köche in den Jahren 2004, 2008 und 2012?
2. Gab es für die Ausrichtung im Jahr 2016 einen ähnlichen Förderantrag?
3. Stimmt es, dass die Landesregierung den Antrag im Jahr 2016 abgelehnt hat, und was waren gegebenenfalls die Gründe für die Entscheidung?
Ja. Die erste Nachfrage richtet sich darauf, wie die Stadt Erfurt in die Werbung um den Austragungsort einbezogen war? Gab es da Aktivitäten, die die Ihrigen ergänzt haben?
Die letzte Nachfrage. Nun ist ja bedauerlicherweise die Entscheidung für 2020 für Stuttgart gefallen. Ich schätze die Wirkung der Olympiade genauso ein wie Sie. Gibt es trotzdem noch mal die Überlegung, diese Entscheidung eventuell mit Anreizen für die Folgezeit zu verändern?
Frau Präsidentin, meine sehr geehrten Damen und Herren, ich möchte meine Rede in zwei Hauptteile untergliedern, wobei ich in einem einführenden unwesentlicheren Teil auf den Antrag „Für eine Europapolitische Strategie im nationalen Interesse“ eingehen möchte und mich dann aber im inhaltlichen Hauptteil der eigentlichen Europapolitischen Strategie des Freistaats Thüringen widmen werde.
Zum Initiator bzw. zum populistischen und teilweise auch europafeindlichen Antrag der AfD-Fraktion möchte ich kurz Folgendes ausführen:
Sowohl der Anschlag in Brüssel vor einem Jahr, in Berlin kurz vor Heiligabend und jetzt auch der Anschlag in London machen uns neben der Gefahr des politischen Islamismus vor allem eins deutlich: Europa muss zusammenstehen. Allein jeder Nationalstaat für sich wird die Terrorgefahr des IS nicht bannen können und wird das Problem nicht lösen können.
Meine sehr geehrten Damen und Herren, von dieser Stelle aus möchte ich nochmals gegenüber allen Opfern und Hinterbliebenen der Getöteten namens meiner Fraktion unser tiefstes Mitgefühl zum Ausdruck bringen und vor allen Dingen auch Großbritannien unsere Solidarität versichern.
Nun zur inhaltlichen Bewertung des AfD-Antrags: Beim Lesen des vor Europaphobie strotzenden Antrags fiel mein erster Blick darauf, dass dieser Antrag aufgrund des fehlenden Thüringenbezugs und seiner eher bundespolitischen Gewichtung wenig brauchbare Ansätze für die Diskussion einer Europapolitischen Strategie, wie wir sie von Thüringen aus führen, hat und an einigen Stellen sogar unzulässig ist. Aber wir sind ja großzügig. Und eigentlich müsste Ihnen als AfD-Fraktion auch aufgefallen sein, dass, wenn es um den im Antrag geforderten Schutz der Außengrenzen geht, Thüringen doch keine Außengrenzen zu anderen Nationalstaaten hat, und die Sprachbarriere zu Bayern und Sachsen finde ich beherrschbar.
Der Grundtenor des Antrags ist einfach, der ist auch nicht neu. Sie bieten ihn immer wieder in anderen Aufgüssen, Sie verkaufen die antiquierte Idee vom Europa der Vaterländer als eine neue.
Meine Damen und Herren, in Richtung Antragsteller sage ich: Schade! Das Europa der Vaterländer war eben eine Ursache für zwei große Kriege in Europa
und ist heute wieder oder immer noch – wie man das in der Ukraine sehen kann – das geistige Fundament für Kriege und für Elend. Nur noch geistige Brandstifter setzen heute auf Nationalismen und riskieren damit erneut das Ende einer langen Friedensperiode.
Damit spreche ich ganz und gar nicht – das sage ich hier auch sehr deutlich – gegen einen gesunden Nationalstolz auf das eigene Heimatland, einen Patriotismus, der mit Selbstbewusstsein dazu dient, dass wir auf Augenhöhe mit unseren europäischen Nachbarn für dieses gemeinsame Europa Politik machen. Das ist das, was wir brauchen. Da brauchen wir auch keine Verklemmtheit. Was wir nicht brauchen, ist das Zurückfallen in Klein-Klein und die Abgrenzungsmechanismen einer althergebrachten, überwundenen Strategie.
Meine Damen und Herren, bestimmte Dinge gehen in Europa nur gemeinsam. Wenn die Russen und die Chinesen versuchen, Europa auseinanderzudividieren und auch Amerika damit anfängt, dann müsste uns mittendrin, hier an diesem Ort, eigentlich ziemlich klar sein, dass wir nur gemeinsam in dieser multipolaren Welt Chancen haben werden.
Die europäischen Interessen sind da ganz einfach auch ganz uneigennützig unsere Interessen, denn wir wollen unseren Wohlstand hier in Thüringen auch weiter behalten, das will keiner aufgeben. Deshalb sind wir in diesem Staatenverbund auf vertraglicher Grundlage – und keiner will etwas anderes, wir jedenfalls nicht – an eine Zusammenarbeit gebunden, die zu unser aller Wohl auch weiter bestehen muss. Für diese Sicherung tragen wir Verantwortung. Auch der AfD muss wohl klar sein – und Sie haben es ja selbst auch anerkannt –, dass uns die europäische Idee über sieben Jahrzehnte den Frieden in Europa gebracht hat. Über sieben Jahrzehnte Frieden! Ich möchte noch ein bisschen mehr Frieden hier an dieser Stelle, in dieser Welt genießen können.
Meine Damen und Herren von der AfD, die europäischen Völker gegeneinander auszuspielen, was soll der Quatsch? Was soll es? Es bringt nichts! Gestalten Sie lieber konstruktiv.
Schließlich noch ein wichtiges Proargument für Europa: Ohne die Europäische Union wäre auch die deutsche Wiedervereinigung undenkbar gewesen. Das müssen wir auch mal deutlich sagen.
Nur mit dem Verweis auf die Einbindung des wiedervereinten Deutschlands in die EU konnten kritische Stimmen wie von Margaret Thatcher oder François Mitterrand eingefangen werden, ihre Zustimmung zu geben. Herr Höcke ist Geschichtslehrer und müsste eigentlich wissen, wie das war in dieser Zeit. Deshalb appelliere ich an das einheitliche Gedächtnis, das mal nicht zu streichen.
Meine Damen und Herren, erlauben Sie mir nun in der gebührenden Kürze auch eine parlamentarische Wertung des Antrags. Seit Unterrichtung der Landesregierung über die Europapolitische Strategie des Freistaats Thüringen und einer Regierungserklärung der Landesregierung dazu im März 2016 hat sich auch der Ausschuss für Europa, Kultur und Medien in einer ausführlichen, einer wirklich intensiven Beratung mit dieser Thematik beschäftigt und sich schließlich am 20. Januar dieses Jahres auf eine gemeinsame Beschlussfassung verständigt. Alle Fraktionen, auch Sie, meine Damen und Herren von der AfD, hatten die Möglichkeit, ihre zum Teil euroskeptischen Gedankenspiele in das gemeinsame Beratungsergebnis einfließen zu lassen. Natürlich hatten auch Sie die Möglichkeit, Ihre Positionen in der Beschlussfassung des Ausschusses als die Ihrigen kenntlich zu machen und dort einzubringen. Leider hat sich die AfD im Ausschuss verweigert und hat keine konkreten Formulierungsvorschläge für die Europapolitische Strategie beigesteuert.
Meine Damen und Herren von der AfD, ich frage mich, warum diese Arbeitsverweigerung.
Ich kann es Ihnen aber auch erklären. Der Grund dafür – das erleben wir ja sehr oft in Ausschüssen – scheint mir klar. Mit den Mühen der Ebene, die die nicht öffentliche Ausschussarbeit so bietet und fordert, kann man natürlich keine öffentliche Aufmerksamkeit erheischen. Populismus macht sich da nur ganz schlecht.
Nur deshalb kommt die AfD-Fraktion, nachdem sie die Möglichkeit der Beratung im Ausschuss fast ein Jahr nicht genutzt hat, jetzt mit einem Plenarantrag – Oh Wunder! – zur erneuten Behandlung der Europapolitischen Strategie des Freistaats Thüringen um die Ecke. Prima! So dusselig sind wir nicht, dass wir auf dieses Szenario nicht entsprechend reagieren würden.
Meine Damen und Herren, antiquierte Ideen sind rückwärtsgewandt. Lassen Sie uns lieber ein bisschen nach vorn schauen und die Europapolitische Strategie des Freistaats Thüringen so entwickeln, dass sie unser Land in der Gemeinschaft frei von Egoismen – wie sie von der AfD favorisiert werden – voranbringt. Meine Fraktion hat ganz konkrete Vorschläge im Europaausschuss des Landtags entwickelt, die ich kurz anreißen darf, denn letztendlich geht es um nicht mehr und nicht weniger als die Interessen Thüringens und die Auswirkungen der europäischen Politik auf Thüringen. Letztendlich geht es uns darum, dass wir eine Europäische Union gestalten wollen, der es gelingen möge, dass die Bürgerinnen und Bürger wieder Vertrauen in das gemeinsame europäische Projekt gewinnen. Dazu muss die Europäische Union stärker von der Basis ausgehen und angemessene, nachvollziehbare und wirksame, wirkungsvolle Lösungen für die anstehenden Herausforderungen anbieten. Die vielen Dinge, die nur grenzübergreifend funktionieren, und die Städte, Regionen und Einzelstaaten nicht allein bewältigen können, muss man anpacken. Wo wir immer ein Stoppschild gesetzt haben, war, wenn es die Subsidiarität überschritten hat. Wir wollen nicht eine ausufernde Europäische Union,
sondern wir wollen, dass der Vertrag von Lissabon mit Lebendigkeit erfüllt wird. Manches, was nicht in Ordnung ist, kann man kritisieren und kann …
Ach, Herr Brandner, gehen Sie nachher hier vor, reden Sie hier vorn und quasseln Sie nicht ständig je
mandem ins Wort. Das bringt nichts, ist zwar manchmal ganz amüsant, aber an der Stelle geht es einfach fehl.
Meine Damen und Herren, zunächst ist festzuhalten, dass die jetzige Landesregierung auf bewährten, von der CDU-geführten Vorgängerregierung bereits umgesetzten Projekten aufbauen kann. Allerdings möchte ich auch nicht verhehlen, dass wir uns in einigen Aussagen noch mehr Klarheit und Präzision gewünscht hätten, denn die Zeit ist ja auch vorangegangen. So sehen wir in folgenden Kernbereichen einen Änderungs- und Ergänzungsbedarf, den wir im Gegensatz zu anderen im Ausschuss angezeigt haben, weshalb es auch im Papier drinsteht: Wie Rot-Rot-Grün sehen auch wir in der Schaffung der Europäischen Sozialunion eine wichtige Kernaufgabe künftiger Europapolitik. Doch im Gegensatz zu Rot-Rot-Grün wenden wir uns gegen einen Missbrauch dieser Sozialunion durch Einwanderung in unsere Sozialsysteme. Genau dieser Missbrauch, meine Damen und Herren, gefährdet auf Dauer die Akzeptanz der freien Wählbarkeit des Wohn- und Arbeitsorts für jeden EUBürger im Besonderen und die Akzeptanz der europäischen Idee insgesamt. Daher haben wir uns für folgende Formulierung in der Strategie starkgemacht – ich darf das zitieren –: „Es ist deshalb richtig, dass EU-Bürger weder Hartz IV noch Sozialleistungen erhalten, wenn sie sich zum Zweck der Arbeitssuche in Deutschland aufhalten, ohne hier vorher erwerbstätig gewesen zu sein.“
Da Europa vor allem auch über Verwaltung und die verschiedenen Instanzen umgesetzt wird, ist es für uns ungemein wichtig, dass auch in der Thüringer Verwaltung die Europakompetenz gestärkt wird, um das Verständnis der Beamtinnen und Beamten für Europa zu fördern. Zu diesem Zweck können wir uns die Teilnahme an entsprechenden Austauschprogrammen vorstellen, aber auch ein Austausch zwischen bestimmten Behörden. Da gibt es noch mehr Möglichkeiten als die, die bisher genutzt werden.
Ein wichtiger Punkt für uns Thüringer muss der Bereich der Kulturpolitik sein, wo wir als Thüringer ein schwergewichtiger Player sind, um es mal salopp zu formulieren. Wir sollten an dieser Stelle ganz selbstbewusst unsere Möglichkeiten und Erfolge ins Spiel bringen. Ganz klar, das enorme kulturelle Potenzial Thüringens ist in der Europapolitischen Strategie des Landes noch stärker herauszuarbeiten. Kulturpolitik soll für uns einen messbaren Beitrag dazu leisten, dass die Europäische Union zusammenwächst. Kultur übernimmt ja wirklich eine Brückenfunktion, kann sie übernehmen. Wir können uns eine europäische Integration über die Kultur
vorstellen. Darüber hinaus geht es aber auch um unsere wirtschaftlichen Interessen. Es muss uns einfach gelingen, unsere kulturellen Schätze besser zu vermarkten. Wenn sie keiner kennt, besucht sie keiner. Da gibt es noch Luft nach oben.
Meine Damen und Herren, letztendlich erwarten wir die Formulierung von konkreten kulturpolitischen Zielen in einem Strategiepapier des Landes, also konkrete Austauschprogramme, länderübergreifende Projekte. Da können wir uns eine enge Verbindung mit den Bereichen Tourismus, Bildung und Wissenschaft vorstellen. Ein konkreter Vorschlag ist übrigens die Einrichtung eines Anlauf- und Bündelungszentrums für alle europabegeisterten Kulturschaffenden. Diese Rolle könnte meines Erachtens auch das EIZ übernehmen. Vor allem aber ist es wichtig, dass in diesem Bereich regelmäßig Veranstaltungen und Projekte stattfinden. Konkret erwarten wir zudem einen Beitrag des Landes zum Gelingen des Europäischen Jahres des Kulturerbes 2018, indem eigene Strategien auf lokaler und regionaler Ebene in den Bereichen Kultur und Tourismus mit diesem Ereignis verknüpft werden. Tourismus ist ein Wirtschaftsfaktor. Meine Damen und Herren, ich glaube, da gibt es noch eine ganze Menge Potenzial zu erschließen.
Meine Damen und Herren, kommen wir nun zu einem existenziellen Kernbereich für den Zusammenhalt der Europäischen Union und das Vertrauen seiner Bürger in die EU, den Bereich Wirtschaft und Finanzen. Es ist eine Tatsache, dass der europäische Gedanke nur auf der Grundlage starker Volkswirtschaften funktioniert. Daher muss ein wichtiger Bestandteil der Europapolitischen Strategie der Landesregierung sein, alles für ein dauerhaftes wirtschafts- und investitionsfreundliches Klima in Thüringen zu tun. Die Konsolidierung der Staatshaushalte und Schuldenabbau sind dabei unerlässlich und vor allem muss das Vertrauen in den Euro wieder hergestellt werden. Es ist keine schwache Währung, aber das Vertrauen hat gelitten und an der Baustelle muss man eben arbeiten. Auch Thüringen muss sich in Brüssel weiterhin für konkrete Maßnahmen zur Bewältigung von Investitionshemmnissen starkmachen. Es braucht Maßnahmen, mit denen der Stabilitäts- und Wachstumspakt wachstumsfreundlicher wird und ein besseres Umfeld für langfristige Investitionen geschaffen wird. Auch hier sind Ideen aus Thüringen nicht nur willkommen, sondern gefragt und, meine Damen und Herren, man darf sie auch tatsächlich einbringen.
Wie sieht es aus mit konkreten Maßnahmen zur Bewältigung von Investitionshemmnissen, zur Überbrückung von Investitionslücken? Budgetierungsfragen werden im Moment sehr gern von der Kommission diskutiert; nicht bei allen schlägt das Herz höher, was so diskutiert wird. In diesem Zu
sammenhang unterstützt die CDU ausdrücklich die Forderung des AdR, von der Europäischen Kommission einen Vorschlag für einen mehrjährigen Finanzrahmen nach 2020 zu erwarten und zu fordern. Dieser Finanzrahmen soll die Vorhersehbarkeit der langfristigen Ausgaben der EU gewährleisten, eine Reform der Eigenmittel der EU vorschlagen, die Einheit des EU-Haushalts wahren helfen und weitere Vereinfachungsmaßnahmen vorlegen und schließlich eine Laufzeit von fünf plus fünf Jahren mit einer obligatorischen Halbzeitprüfung nach den ersten fünf Jahren festlegen. Das ist nicht ganz unerheblich, weil im Moment so manches, was bei der Europäischen Kommission diskutiert wird, uns hier vor Ort auch nicht so ganz gefallen kann. Insofern muss man eben in die Speichen greifen. Auf unseren Stühlen sitzen zu bleiben, hilft da nicht, sondern wir müssen versuchen mitzugestalten, mitzutun von Thüringen aus über die Bundesregierung. Aber da sind auch Eile und Dranbleiben geboten.
Im Bereich der Wirtschaft muss die Europapolitische Strategie des Landes Antworten geben können bezüglich des Ausbaus der Energieinfrastruktur. Wir brauchen einen Energiemarkt mit echtem Wettbewerb, einen zügigen Breitbandausbau und die Überarbeitung der Entsenderichtlinie, um bürokratische Hürden abzubauen. Das Hauptproblem ist, dass die Institutionen der Europäischen Union sehr viel Bürokratie aufgebaut haben. Das ist ohne Zweifel so, das ist auch erkannt. Nur ist der Abbau zugegebenermaßen schwieriger, wenn man einmal Bürokratien und Formverständnisse aufgebaut hat, die schwer zu überwinden sind. Aber da gibt es eindeutig, glaube ich, die Tendenz, dass man erkannt hat, wenn sich alle darauf verständigen wollen, gemeinsam anzupacken und zusammenzubleiben, dass man das bewältigen muss, es einfacher zu gestalten, was einfacher gehen kann. Ob das im Bereich der Strukturfonds ist – um an Strukturfonds heranzukommen, ist oft ein langer Antragsweg erforderlich.
Die Frage ist: Was kann man vereinfachen? Bei dem EFSE-Investitionsprogramm ist es besonders augenscheinlich, dass kleinere und mittelständische Unternehmen in Thüringen im Moment nur wenige Chancen haben, wenn sie sich nicht zu größeren Einheiten zusammenschließen, an EFSEMittel, also Hebelungsmittel, um mehr Investitionen zu tätigen, heranzukommen. Hier sagen wir auch ganz deutlich: Es gibt kein Zweifeln und kein Rütteln an dem gemeinsamen europäischen Weg, aber man kann es immer noch besser machen. Um daran mitzutun, sollten wir auch von Thüringen Initiativen einbringen.
Schließlich ist es für das ländlich geprägte Thüringen von großer Bedeutung, dass Thüringen auf Maßnahmen zur Entwicklung des ländlichen Raums seitens der EU drängt. EU-Politik muss
auch unter dem Gesichtspunkt der ländlichen Entwicklung geeignet sein, die ländlichen Gebiete als Pole der Entwicklung und Innovation anzuerkennen und diese zum Erreichen der Ziele des Territorialen, des Zusammenhalts heranzuziehen und zu fördern.
Den Beitrag für eine überarbeitete Gemeinsame Agrarpolitik für die Zeit nach 2020 – das will ich hier noch einmal anreißen – haben die Agrarpolitiker schon längst diskutiert. Aber auch das gehört in eine europapolitische Strategie, um eine Wiederankurbelung von Wachstum und Beschäftigung in ländlichen Gebieten zu erreichen und die hochwertige Lebensmittelqualität, Sicherheit und Versorgung in Europa insgesamt zu erhalten.
Meine Damen und Herren, erlauben Sie mir in diesem Zusammenhang einen Hinweis auf die Kohäsionspolitik, die auch für Thüringen nach wie vor von großer Bedeutung ist, denn durch die Hauptinvestitionspolitik der EU werden auch in den Regionen und Städten Thüringens neue Arbeitsplätze geschaffen – und gar nicht wenige. Die Wettbewerbsfähigkeit der Unternehmen, das Wirtschaftswachstum und die Verbesserung der Lebensqualität hängen davon mit ab und werden dadurch gefördert. So manche Forschungseinrichtung in kleinen und mittelständischen Unternehmen ist nur zustande gekommen, weil sie über EU-Strukturfonds gefördert wurde. Manche Zusammenarbeitsprojekte mit universitärer Unterstützung existieren auch nur, weil sie aus Strukturfonds gefördert wurden.
Die Aufgabe der Landesregierung muss es dabei sein, sich klar und bestimmt in Brüssel dafür einzusetzen, dass alle Regionen gleichberechtigt die Chance haben, Fördermittel zu beantragen. Hier wird es neue Weichenstellungen geben. Da kann ich nur sagen: Augen auf und aufgepasst, denn mit dem Austritt des Vereinigten Königreichs mit Blick auf den nächsten mehrjährigen Finanzrahmen wird es auch Auswirkungen auf den EU-Haushalt haben und es bietet Gelegenheit zur Reform. Aber die Gelegenheit zur Reform ist auch immer gleichzeitig die Sache, wo man aufpassen muss, dass nicht eigene Chancen und Möglichkeiten beschnitten werden. Wir sind auch nicht allein auf der Welt, um es einmal so zu sagen.
In diesem Kontext habe ich bei den letzten Diskussionen erst vorgestern Abend mit einem Kommissionsvertreter gesprochen und war nicht so begeistert über das, was …
Ja. Ich sage noch einen Satz zum Ergebnis: Die Regionalpartnerschaften sollten wir pflegen und
stärken, sie gehören zu unserem Austausch mit unseren europäischen Nachbarn und auch da wünschen wir uns ganz konkrete Schritte.
Ansonsten werden Sie Verständnis haben, dass wir uns weiter der Stimme enthalten, aber Sie konstruktiv unterstützt haben in der Beilegung von einigen konkreten Formulierungsvorschlägen zur Verbesserung. Danke schön.
Frau Präsidentin, sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen Abgeordnete, mit dem vorliegenden Gesetzentwurf möchte die AfD-Fraktion an den islamistischen Terroranschlag auf dem Berliner Breitscheidplatz am 19. Dezember erinnern und ihn nach wie vor zum Gedenktag erklären. Ich hatte eigentlich gehofft, dass Sie infolge der Debatte vor vier Wochen diesen Antrag einfach zurückziehen. Das wäre angemessener gewesen.
Der Anschlag vom 19. Dezember auf dem Weihnachtsmarkt hat uns alle schockiert. Dass zwölf Menschen aus unterschiedlichen Ländern in den Tod gerissen und 55 weitere verletzt wurden, ist kaum in Worte zu fassen. Das hat uns alle berührt. Dessen ungeachtet – und dabei bleiben wir –, gibt auch Ihr heutiger Beitrag keine wirkliche Begründung für Ihr Anliegen. Wir müssen einen Blick auf die Feiertags- und Gedenktagegesetze des Bundes und der Länder richten. Die Feiertags- und Gedenktagegesetze des Bundes und der Länder sind durch die christlichen Wurzeln unseres Landes und ebenso einschneidende, ins kollektive Gedächtnis eingeprägte Ereignisse unserer Geschichte bestimmt, zu denen sich eine weitgehende unumstrittene Lesart durchgesetzt hat. Wir sollten uns davor hüten, die Tat eines islamistischen Terroristen dort einzuordnen. Richtiger ist es, dem islamistischen Terror entschlossen zu begegnen, und zwar – das betone ich – mit allen dem Staat zur Verfügung stehenden Mitteln.
Wir als CDU-Fraktion werden dem religiösen Terrorismus jedenfalls nicht via Gedenktag die Tür zu unserer Gesellschaft öffnen. Der Versuch, den Anschlag vom 19. Dezember 2016 unter die eine oder die andere Überschrift, Gedenk- oder Feiertag, zu subsumieren, schlägt fehlt und er wird auch dem schrecklichen Ereignis vom Dezember 2016, dem Tod vieler unschuldiger Menschen, nicht gerecht.
Sie wollen mit Ihrem Vorschlag ein Deutungsmuster erzeugen. Mit Ihrer Begründung wird es auch heute nicht besser. Ich glaube, Ihnen geht es eigentlich auch heute nicht wirklich um die Opfer. Zu Ihrem Anwurf der vergessenen Trauer um die Opfer kann ich nur sagen, da nehme ich Bezug auf den Beitrag der Kollegin Pelke, die das letzte Mal in sehr guter und ausführlicher Art und Weise aus der Rede des Bundestagspräsidenten, Herrn Lammert, zitiert hat. Das möchte ich aber heute nicht noch einmal wiederholen. Sie können das im Protokoll gut nachlesen.
Meine Damen und Herren, es geht, glaube ich, der AfD nicht wirklich um die Opfer. Es gibt keine Opfer erster oder zweiter Klasse. Auch dazu habe ich in der letzten Rede ausgeführt. Ich will das auch ganz sachlich tun. Denn dazu könnten wir auch noch einen Exkurs in die Geschichte machen. Den will ich mir aber sparen. Ich will auf Ihren Punkt eingehen, dass Sie kritisiert haben, dass wir auf den Volkstrauertag abheben. Das tun wir auch weiterhin. Wir brauchen keinen besonderen Gedenktag, denn wir haben diesen Volkstrauertag als Gedenktag – einen Gedenktag, der uns an die Opfer von Kriegen, von Gewaltherrschaften und eben von Terrorismus erinnert und mahnt, der über Ihre Forderung hinausgeht. Es ist der Tag, der in jedem Jahr sowohl als zentrale Feier als auch in den 16 Bundesländern jeweils eigen begangen wird. Vielleicht ist es ja eher die Wahl des Datums und sein
theologischer Aspekt, der Ihnen wesentlich weniger passt, denn mit der Wahl eines Datums am Ende eines Kirchenjahres, welches eben theologisch eine Zeit im Erkennen von Endlichkeit ist – und ich betone, für Christen sind diese Tage mit der Hoffnung verbunden, dass der Tod nicht das letzte Wort über das Leben ist –, mit diesem Tag stellt die thematische Ausrichtung bewusst den Schrecken von Krieg, von Gewaltherrschaft und Terrorismus und nicht die Glorifizierung von Gewalttaten in den Vordergrund. Unabhängig von politischer Gesinnung, Religionszugehörigkeit oder sozialem Status entsteht damit ein einheitliches Gedenken an die Toten, wirklich ein Gedenken an die Menschen, die Opfer von Gewalt, von Terrorismus, von kriegerischen Auseinandersetzungen geworden sind. Und es ergibt wirklich eine Sinnhaftigkeit in Verbindung mit dem Streben nach Frieden und nach mahnendem Gedenken. Hier zeigt sich, wer wie mit Gedenken und mit Trauerkultur umgeht – ich habe es das letzte Mal gesagt und ich betone es gern heute noch mal –, und das sieht man auch an der Teilnehmerschar an diesem Tag, wer wie mit Gedenken, Mahnen und Trauer umgeht. Danke schön.
Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen, Herr Präsident, sehr geehrte Besucher! Die AfD-Fraktion hat ein Thema zur Aktuellen Stunde aufgerufen, das ohne Zweifel – und das will ich gar nicht in Abrede stellen – wichtig ist. Das hat Bedeutung. Aber als Aktuelle Stunde, meine sehr verehrten Damen und Herren, ist es hier vollkommen fehl am Platz.
Im Übrigen darf ich darauf verweisen: Jeder Abgeordnete hat die Möglichkeit, eine Kleine Anfrage zu stellen. Wir würden dann auch gespannt der Beantwortung entgegensehen.
Aber eine Aktuelle Stunde, glaube ich, das trägt an dieser Stelle nicht.
In der Strafvollzugskommission, die, glaube ich, auch mit einer Abgeordneten der AfD besetzt ist – soweit ich weiß –, gibt es übrigens einen Fragenkatalog von Frau Abgeordneter Lehmann aus unserer Fraktion, der sehr ausführlich ist und der noch nicht behandelt worden ist. Auch da besteht natürlich die Möglichkeit, wenn man wirklich an detaillierten Informationen und wirklich am Thema interessiert ist und nicht nur an der Oberfläche schwimmen möchte, dem nachzugehen.
Übrigens ist Ihre Begründung für diese Aktuelle Stunde falsch, denn der Justizausschuss hat sich auf Antrag meiner Fraktion in seiner Sondersitzung vom 9. Dezember mit dem Thema „Drogenmissbrauch und Drogenkontrolle im Thüringer Strafvollzug“ beschäftigt. Das Thema war uns so wichtig, dass wir noch vor Weihnachten am 2. und 8. Dezember, noch vor der Weihnachtspause, dazu beraten haben. Die Diskussion dazu ging um die Punkte: Wie kommen Drogen in die Anstalt? Welche Sicherheitsvorkehrungen sind getroffen? Gegen welche Sicherheitsvorkehrungen wird gegebenenfalls verstoßen? Warum fließen zum Beispiel keine Informationen einzelner Ausschüsse zusammen im Justizministerium, um dort entsprechend bewertet zu werden? Warum setzt sich die Hausleitung nicht angemessen ernsthaft und stringent mit den verifizierten Vorkommnissen wie auch mit den Vorwürfen auseinander? – Das sind ja nun nicht irgendwelche Milchmädchensachen, die dort erörtert worden sind. Es sind sehr ernsthafte Fragen, die gestellt wurden, und die Diskussion wurde rege geführt. Allerdings wurde aus Ihren Reihen weder ei
ne einzige Frage gestellt noch sich in einer anderen Form an der Erörterung beteiligt. Auch in der letzten Ausschusssitzung wurden die Themen „Drogen“, „Missstände“ und „strafrechtlich relevante Vorkommnisse“ behandelt. Ich sage aber auch eines: Ich bin ja durchaus nicht unbedingt einer Meinung mit dem, was bisher vorgetragen wurde, aber Recht und Anstand gebieten es, dass mit personenbezogenen Informationen vertraulich umgegangen wird
und dementsprechend eben nicht in öffentlicher Sitzung über Vorwürfe befunden wird, die leider zum Teil schon presseöffentlich sind. Deshalb kann man es auch sagen: Es war die Rede von Selbstbedienung, von Vorteilsnahme im Amt und vielen anderen Dingen, die schon schlimm genug sind, und strafrechtlich relevanten Vorkommnissen. Deshalb ist es wichtig, dass man informiert wird und dass es diskutiert wird, aber in dem Rahmen, wo es hingehört. Dann wird auch das Resümee gezogen, ganz klar ohne Ansehen der Person.
Damit wir uns an dieser Stelle nicht falsch verstehen: Wir sind keinesfalls mit der aktuellen Situation zufrieden. Es ist eine Selbstverständlichkeit, dass es gerade im Justizvollzug keine „rechtsfreien Räume“ geben darf.
Das gilt für die Inhaftierten und noch viel mehr auch für die Bediensteten, die im Strafvollzug auch eine besonders hohe Verantwortung tragen. Meine Damen und Herren, Strafvollzug hat zwei Komponenten – das will ich Herrn Helmerich noch mal sagen –, wenn Sie ins Gesetzbuch schauen: Schutz der Allgemeinheit vor der Begehung weiterer Straftaten und Resozialisierung. Diese beiden Ziele sind immer noch gleichberechtigt, es geht also nicht nur um eine Seite der Medaille.
An der Integrität der Mitarbeiter – das muss ich auch mal deutlich sagen –, egal auf welcher Ebene, darf keinerlei Zweifel bestehen.
Wenn es Probleme gibt, dass ein Vorgesetzter nicht hinter seinen Mitarbeitern steht, oder es Probleme zwischen Mitarbeitern und Vorgesetzten gibt, dann muss das auch erörtert werden, weil das immer Einfallstore sind, die Strafvollzug unsicher machen und die Strafvollzug auch gefährlich machen, das einerseits für die Öffentlichkeit, aber auch intern. Das geht aber zu weit, das an dieser Stelle zu erörtern, meine Damen und Herren. In diesem Zusammenhang sage ich aber deutlich, auch weil es presseöffentlich war: Es geht nicht an, eine Füh
rungskraft im Ministerium zu haben, die sich dem Vorwurf der Vorteilsnahme im Amt ausgesetzt sieht. Da muss gehandelt werden. Wenn die Führungskraft nicht mehr im Ministerium ist, muss auch gehandelt werden, denn irgendjemand muss die Abteilung weiterführen. Es ist jedenfalls kein Zeichen von Vertrauenswürdigkeit, wenn in so einem Schlamassel dann letztendlich ein ganzer Bereich ohne Aufsicht und ohne Kontrolle gelassen wird, das muss man einfach in die Hand nehmen. An der Stelle, lieber Herr Lauinger, habe ich deutlich gesagt, sage ich auch jetzt, bin ich mit Ihrer Tat nicht ganz einverstanden. Das ist mir zu zögerlich, was da gemacht wird, und überzeugt mich nicht.
Welchen Eindruck macht es auch für die Bediensteten,
wenn tagtäglich ihr Dienst getan wird und keiner hinter ihnen steht? Es ist kein einfacher Dienst und das darf man auch nicht außer Acht lassen. Wir bleiben jedenfalls dran an den Fragen. Danke schön.
Herr Präsident!
Abordnung des Abteilungsleiters Strafvollzug aus dem Thüringer Ministerium für Migration, Justiz und Verbraucherschutz in das Thüringer Ministerium für Inneres und Kommunales
Laut einer Pressemitteilung der „Thüringer Allgemeine“ vom 17. Januar 2017 mit dem Titel „Neuer Posten trotz Ermittlungen“ wird der Leiter der Abteilung Strafvollzug im Thüringer Ministerium für Migration, Justiz und Verbraucherschutz kommissarisch mit der Leitung der Kommunalabteilung im Thüringer Ministerium für Inneres und Kommunales beauftragt. Gegen den Beamten ermittelt die Staatsanwaltschaft wegen des Verdachts der Vorteilsnahme durch Inanspruchnahme von Leistungen in zwei Gefängniswerkstätten ohne angemessene Bezahlung.
Ich frage die Landesregierung:
1. Welches Mitglied der Landesregierung hat wann erstmals mit wem Gespräche über eine Versetzung oder Abordnung dieses Beamten in das Thüringer Ministerium für Inneres und Kommunales geführt?
2. Welche Stellen in der Landesregierung sind seit wann mit möglichen disziplinarrechtlichen Ermittlungsverfahren gegen diesen Beamten befasst?
3. Welchen Stand haben mögliche disziplinarrechtliche Ermittlungsverfahren?
Herr Präsident, sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen Abgeordnete, sehr geehrte Besucher hier im Landtag, sehr geehrte Zuschauer am Livestream, mit dem vorliegenden Gesetzentwurf möchte die AfD-Fraktion an den islamistischen Terroranschlag auf dem Berliner Breitscheidplatz am 19. Dezember 2016 erinnern und ihn zum Gedenktag erheben. Der Anschlag vom 19. Dezember auf den Weihnachtsmarkt hat uns alle schockiert. Zwölf Menschen aus Deutschland, Tschechien, Italien, Israel, Polen und der Ukraine wurden durch einen in Deutschland bisher unbekannten Akt der Gewalt in den Tod gerissen, 55 weitere wurden verletzt.
Meine Damen und Herren, das ist kaum in Worte zu fassen und es hat uns alle berührt. In dieser Weise hat es auch die betroffen, die vielleicht sonst nie an so etwas gedacht haben. Dessen ungeachtet – das will ich betonen – muss man einen Blick auf die Feiertags- und Gedenktagsgesetze von Bund und Ländern werfen, ob das, was Sie vorhaben, mit dem wirklich erreicht werden kann. Die Feiertags- und Gedenktagsgesetze des Bundes und der Länder sind durch die christlichen Wurzeln unseres Landes und ebenso einschneidende, ins kollektive Gedächtnis eingeprägte Ereignisse unserer Geschichte bestimmt, meine Damen und Herren, Ereignisse, zu denen sich eine weitgehend unumstrittene Lesart durchgesetzt hat.
Wir sollten uns davor hüten, die Tat eines islamistischen Terroristen dort einzuordnen. Richtiger ist es, dem islamistischen Terror entschlossen zu begegnen, und zwar mit allen dem Staat zur Verfügung stehenden Mitteln.
Der Versuch, den Anschlag vom 19. Dezember 2016 unter die eine oder die andere Überschrift – Gedenk- oder Feiertag – subsumieren zu wollen, schlägt fehl und er wird auch dem schrecklichen Ereignis, das sage ich ganz deutlich, vom Dezember 2016, dem Tod der Menschen nicht gerecht. Sie wollen mit Ihrem Vorschlag ein Deutungsmuster erzeugen. Ich sage, auch mit Ihrer Begründung wird es nicht besser und ich glaube, Ihnen geht es nicht wirklich um die Opfer.
Deutungsmuster bergen immer die Gefahr einer Schwarz-Weiß-Sicht in sich. Und oft werden Deutungsmuster, Feindbilder auch sehr gern von Populisten benutzt.
Meine Damen und Herren, Terror will Angst und Schrecken in die Mitte der Gesellschaft tragen. Durch systematische, für die Masse der Bevölkerung willkürlich erscheinende Gewaltanwendung soll die Bevölkerung eingeschüchtert werden. Wollen Sie allen Ernstes dem religiösen Terrorismus via Gedenktag Türen zu unserer Gesellschaft öffnen?
Hätten dann nicht diejenigen, die Terror, Angst und Schrecken unter uns verbreiten wollen, genau dieses Ziel erreicht? Wie rechtfertigen Sie eigentlich den hier beantragten Gedenktag beispielsweise gegenüber den Opfern der linksextremistischen RAF, den Opfern von Rechtsextremisten oder von Reichsbürgern? Sicherlich kann man geteilter Meinung sein, ob die in Berlin im Anschluss an den 19. Dezember stattgefundene Trauer- und Gedenk
veranstaltung angemessen oder ausreichend war. Angehörige der Opfer beklagten eine mangelnde Trauerkultur durch den Bund und das Land Berlin. Aber zuvor müsste auch abgesteckt werden, wie genau man denn „angemessen“ und „ausreichend“ definiert. Für viele Schüler und Schülerinnen an Schulen hier in Erfurt war es zum Beispiel das Bedürfnis, eine Minute einfach in Schweigen zu verharren und wirklich der Menschen, der Opfer zu gedenken. Im Anschluss würde dann die Frage stehen: Ist es denn angemessen, den Angriff auf den Breitscheidplatz in all seinem Schrecken und seiner Tragik insbesondere für die Opfer und deren Angehörige mit anderen Gedenktagen, die aus dem von mir im Vorhinein genannten Kontext der Gedenktage in Bund und Ländern ergangen sind, mit diesen Ereignissen gleichzusetzen? Was ist mit den über hundert Männern und Frauen, die außerhalb Deutschlands islamistischen Attacken zum Opfer fielen? Was ist mit den zwei Schülerinnen, die bei dem Anschlag in Nizza ihr Leben verloren, meine Damen und Herren? Was ist überhaupt mit der Wahl des Termins für diesen Gedenktag, dass der 19. Dezember der Gedenktag des Bundesrats für die vom NS-Regime verfolgten Sinti und Roma ist? Das eine gegen das andere ausspielen? Das wäre doch schäbig. Ich vermag nicht daran zu denken.
Meine sehr verehrten Damen und Herren, außerdem braucht es keinen besonderen Gedenktag, denn wir haben bereits einen Gedenktag. Wir haben einen Gedenktag, der uns an die Opfer von Kriegen, von Gewaltherrschaft und Terrorismus erinnert und mahnt, der über Ihre Forderung hinausgeht. Es ist der Volkstrauertag, der in jedem Jahr sowohl als zentrale Feier als auch in den 16 Bundesländern begangen wird. Mit der Wahl eines Datums am Ende des Kirchenjahrs, welches theologisch eine Zeit im Erkennen von Endlichkeit ist – und ich betone, für Christen sind diese Tage mit der Hoffnung verbunden, dass der Tod nicht das letzte Wort über das Leben ist –, mit diesem Tag stellt die thematische Ausrichtung bewusst den Schrecken von Krieg, Gewaltherrschaft und Terrorismus und nicht die Glorifizierung von Gewalttaten in den Vordergrund. Unabhängig von politischer Gesinnung, Religionszugehörigkeit oder sozialem Status entsteht damit ein einheitliches Gedenken an die Toten, wirklich an die Menschen, an die Opfer, und ergibt wirklich eine Sinnhaftigkeit in Verbindung mit dem Streben nach Frieden und einem mahnenden Gedenken. Und hier zeigt sich, wer wie mit Gedenk- und Trauerkultur umgeht – übrigens auch an der Teilnahme an einem solchen Tag. Vielen Dank.
Frau Präsidentin, meine sehr verehrten Damen und Herren! Irgendwie, Herr Minister Hoff, hatte ich jetzt das Gefühl, dass Sie den Wunsch und das Bedürfnis hatten, die etwas verunglückte Rede des Innenministers gestern zur Gebietsreform, die ja auch eine Regierungserklärung sein sollte, korrigieren zu wollen.
Aber das hätten Sie dann gestern tun sollen, das wäre der richtige Ort gewesen, und vielleicht auch im Beisein des Innenministers. Irgendwie beschleicht mich da das Gefühl, dass es auch nicht ganz fair ist. Aber das ist nicht unser Problem, das ist Ihr Problem in der Regierung. Das kann man ja mal sagen.
Kommen wir aber zum Thema. Ich begrüße die Schüler des Heinrich-Böll-Gymnasiums aus Saalfeld,
die ja eigentlich zu den Fakten des Thüringen-Monitors in dieser Debatte dabei sein wollten. Und auch nach den Debattenbeiträgen, die gefolgt sind, meine ich, dass es wichtig ist und dass es gut ist, dass wir den Thüringen-Monitor auch im 16. Jahr haben und dass er uns mit Zahlen – und Zahlen sind nun mal unverrückbar – ein Verständnis von Demokratie unserer Thüringer Bürgerinnen und Bürger übermittelt.
Mike Mohring, mein Fraktionsvorsitzender, hat sich ja bereits zu der Gesamtheit des Monitors geäußert und doch möchte ich noch mal auf eine ganz dezidierte Fragestellung des Thüringen-Monitors eingehen, weil es mir auch gerade als direkt gewählte Erfurter Abgeordnete besonders wichtig und bedeutsam erscheint. Lieber Herr Kollege Hey, auch in mein Abgeordnetenbüro kommen viele Bürgerinnen und Bürger und sie tragen eben ein Spektrum von Sorgen, auch von Fragen, von Dingen vor, die sich im Thüringen-Monitor in dieser Themenstellung finden. Aber Sie wollen nicht nur vortragen, sondern Sie wollen auch eine Lösung, eine Antwort haben und Sie möchten vor allen Dingen, dass Ihre Meinung gehört wird, aufgenommen wird. Deshalb ist es wichtig, dass wir die Fakten des Thüringen-Monitors nicht nur dezidiert diskutieren, sondern dass daraus auch etwas erwächst.
Lassen Sie mich daher auf den Punkt 5 des Monitors zu sprechen kommen, die Einstellung gegenüber Muslima und Muslimen und dem Islam, und das ohne Polemik, aber mit klarem Blick auf den Befund, den uns der Thüringen-Monitor gibt. Bereits im Mai dieses Jahres hatten wir eine ähnliche Debatte, als es um den Bau der Moschee in ErfurtMarbach ging. Kontrovers wurde diskutiert über Sinn und Unsinn eines solchen Baus. Es freut mich, dass die Bürger laut Thüringen-Monitor prinzipiell kulturell offen sind. Gleichzeitig jedoch begegnen viele Thüringer gerade Muslimen mit Skepsis und Misstrauen. Die Zahlen sprechen hier für sich: So waren es 2012 immerhin schon 49 Prozent, die den Bau einer Moschee als Störung empfanden. 2016 sind es bereits 54 Prozent. Interessant dabei ist, dass in Städten, in denen der Anteil von Muslimen deutlich höher ist als im ländlichen Raum, die Toleranz gegenüber Muslimen erheblich höher scheint. 57 Prozent der Thüringer meinen, wir müssen uns in Zukunft den Wertvorstellungen und Maßstäben anderer Kulturen stärker öffnen. Doch beim Thema „Islam“ scheint da eine schwer verrückbare Grenze erreicht. Lediglich 20 Prozent der Befragten würden jenen Satz unterschreiben, der aus der Präsidentschaft Christian Wulffs geblieben ist: „Der Islam gehört zu Deutschland.“ Die Zurückhaltung wird ge
stützt durch einen anderen mageren Wert: Nur 53 Prozent der Befragten glauben, dass die meisten in Deutschland lebenden Muslime unsere Werte akzeptieren, wie sie im Grundgesetz festgeschrieben sind. Vor diesem Hintergrund wird verständlich, wenn 49 Prozent der Deutschen eine Islamisierung Deutschlands fürchten. 67 Prozent der Befragten haben Sorge, dass mit den Flüchtlingen und Asylsuchenden der Einfluss des Islam in unserem Land zu stark wird. Im Thüringen-Monitor 2012, der die Akzeptanz von Zuwanderung und Integration ausführlich thematisierte, konnte gezeigt werden, dass die Befragten die Zuwanderung aus verschiedenen Herkunftsländern bzw. Regionen sehr differenziert bewerten und dabei die kulturelle Kompatibilität der Zuwandernden ausschlaggebend ist. 51 Prozent der Befragten befürworteten demnach eine Beschränkung des Zuzugs von Menschen aus arabischen Ländern – das ist alles in allem ein schwieriger Befund. Kulturelle Distanz und Differenz werden als besonders schwerwiegend empfunden. Die säkularisierten, weitgehend atheistisch geprägten Bevölkerungsanteile Ostdeutschlands haben damit nochmals ein verschärftes Problem.
Es reicht nicht aus, dies einfach zur Kenntnis zu nehmen. An einer gelingenden Integration auf Basis der deutschen Leitkultur hängen mittel- und langfristig innerer Friede und Zusammenhalt unseres Gemeinwesens und letztlich die Akzeptanz und damit der Fortbestand unserer freiheitlich-demokratischen Ordnung.
Wovor die Menschen Angst haben – und das bringt der Thüringen-Monitor klar zutage –, ist ein polit-religiöses System des radikalen Islamismus, das sich unter dem Deckmantel der Religionsfreiheit in Stellung bringt gegen eine von religiösen Auseinandersetzungen entwöhnte, deshalb irritierte und seltsam hilflose Gesellschaft.
Einerseits, meine Damen und Herren, verhindert ein integrierter Islam, der sich auf Basis dieser Leitkultur entwickelt und ihre Prinzipen akzeptiert, dass islamische Gemeinschaften zum Rekrutierungsfeld oder zur Brutstätte für Fundamentalismus, Extremismus oder gar Terror werden. Auf der anderen Seite haben viele Menschen genau an diesem Punkt eben auch berechtigte Fragen. Diesen Debatten dürfen wir nicht ausweichen und wir dürfen sie vor allem den islamischen Gemeinschaften nicht ersparen. Wie haltet ihr es mit der Rolle der Frauen? Wer zum Beispiel aktuell auf den Fluren der rot-rot-grünen Koalitionsfraktionen ein Frauenbild propagiert, das nicht mit den Stimmungen des Grundgesetzes zur Gleichheit der Geschlechter und schon gar nicht mit den allgemein akzeptierten Vorstellungen zur Rolle der Frau in Deutschland vereinbar ist, der darf sich nicht wundern, wenn er nicht mit offenen Armen empfangen wird.
Ich ermahne aber auch die Menschen, die in Deutschland enormen Einfluss auf die Meinungsbildung haben. Was sich kürzlich bei Maybrit Illner abgespielt hat, das geht gar nicht. Wer in Talkshows im öffentlich-rechtlichen Rundfunk mitdiskutieren will, der soll und muss auch Gesicht zeigen.
Ein solcher Auftritt zerstört mehr Verständnis, als es Zehntausende Gespräche und Begegnungen schaffen können.
Es sind weitere Fragen: Wie geht ihr mit Kritik und Meinungsfreiheit um? Wie haltet ihr es mit der Religionsfreiheit? Wie haltet ihr es mit der Trennung von Religion und Politik? Wie haltet ihr es mit der Scharia? Wie steht ihr zum islamistischen Terror und seid ihr bereit, jede Form der Gewaltausübung im Namen des Islam öffentlich zu verurteilen und die Gläubigen eindeutig und mit Nachdruck zur Gewaltlosigkeit aufzurufen? Das sind nicht allein politische Fragen, meine Damen und Herren. Das sind auch theologische Fragen. Zu wenig ist dabei aber die Antwort – und das möchte ich hier auch noch einmal ganz klar hervorheben –: Wir halten uns an die Gesetze des Landes, in dem wir in einer Minderheit leben. Das reicht nicht aus.
Im Verhältnis zu unserem Grundgesetz, zu unseren dort verbrieften Grundwerten, gibt es keinen kulturellen Rabatt. Diese Debatte muss etwa in den Hochschulen, wo sich auch Lehrstuhlinhaber für islamische Theologie der wissenschaftlichen Kritik stellen müssen, oder auch in den Schulen geführt werden. Deshalb haben wir uns schon im Januar 2015 für Religionsunterricht für Muslime ausgesprochen. Wer über Lehrpläne diskutieren muss, der kann der Diskussion über die Grenzen unserer Verfassung für Glaubensgemeinschaften nicht ausweichen. Daher sollten wir auch ganz aktuell die im Januar anstehende Petition hier im Landtag dazu nutzen, um beiderseitig aufzuklären und Ressentiments abzubauen. Die Worte meines Abgeordnetenkollegen Christian Herrgott aus der vergangenen Woche kann ich daher nur bekräftigen. Die Sorge der Erfurter und die gesamte Debatte über den Islam in Thüringen müssen gemeinsam mit den Kirchen und Religionsgemeinschaften, mit der Wissenschaft und uns als Abgeordnete erörtert und versachlicht werden.
Denn eines ist nicht verhandelbar: Religionsfreiheit gehört zu den rechtlichen und ethischen Fundamenten des deutschen Staates.
Entscheidend ist, dass sich Glaubensgemeinschaften an Recht und Gesetz halten und die freiheitlichdemokratische Leitkultur Deutschlands achten. Zu
rückhalten sollten wir uns mit steilen Programmsätzen. Ob der Islam zu Deutschland, zu Thüringen gehört, das ist letztlich eine belanglose Frage. Tatsache ist, dass Millionen Muslime im Land leben. Tatsache ist, dass sie Religionsfreiheit genießen. Tatsache ist, dass Religionsfreiheit kein Supergrundrecht ist, sondern im Rahmen der Gesetze gilt. Und Tatsache ist, dass die Geschichte dieses Landes untrennbar mit der Geschichte des Christentums verbunden ist und seine gesamte Kultur, auch die politische, davon durchdrungen ist. Gestern hat das Reformationsjahr mit einem wunderbaren Festakt begonnen. Die eigenen Kenntnisse zur Kultur und Geistesgeschichte dieses Landes kann man prima in diesem Reformationsjahr vertiefen. Tatsache ist, dass das für den Islam nun einmal nicht gilt und dass dies auch durch eine Proklamation von höchster Stelle nicht geändert wird.
Unser Ziel muss sein, auch für den Islam hinzubekommen, was die hier lebenden Menschen – übrigens nicht nur die Deutschen – erwarten und was die Jenaer Wissenschaftler als „Akkulturation“ bezeichnen: Hineinwachsen einer Person in ihre kulturelle Umwelt durch Erziehung – Kurzbegriff. Dieser Prozess und nur dieser Prozess, sich ernsthaft damit auseinanderzusetzen, ohne Denkverbote ranzugehen, aber mit Klarheit und Blick auf die Fragestellung dessen, was unsere Bürger bewegt, behindert die Religionsausübung überhaupt nicht, aber er fußt auf der Kontinuität mit den Normen, die diese Gesellschaft ausmachen. Das Grundgesetz ist klare Aussage davon, worauf wir uns verständigt haben. Das bindet unsere westliche Wertegemeinschaft. Ich denke mal, damit ist es eine grandiose Richtschnur dafür, entlang welcher Grenzen Auseinandersetzung funktionieren kann: nur so! Danke schön.
Herr Präsident, sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen, die anwesend sind,
Sie ganz besonders herzlich –, verehrte Besucher!
Ja, das schreiben wir uns für die anderen auch auf.
Aber jetzt zu unserem Antrag. In Artikel 4 unseres Grundgesetzes ist die Religionsfreiheit umfassend definiert. Sie umfasst die positive sowie die negative Religionsfreiheit, auch das Recht, Religion, Weltanschauung oder sonstige Bekenntnisse zu wechseln. Ob und in welchem Umfang theologische Lehrmeinungen unterschiedlicher muslimischer Schulen mit diesem Verständnis der Religionsfreiheit in Konflikt stehen, ist Gegenstand mannigfaltiger wissenschaftlicher und politischer Erörterungen. Dass Christen in islamistisch beherrschten Regionen massiver Verfolgung ausgesetzt sind, ist unbestritten. Ob und in welchem Umfang Übergriffe auf Christen in Erstaufnahmeeinrichtungen und Gemeinschaftsunterkünften religiös motiviert sind, ist 2015 und 2016 wiederholt Gegenstand politischer Kontroversen gewesen. In Thüringen wurden im Jahr 2015 drei mutmaßlich religiös motivierte Angriffe auf Christen registriert. Die in religiös motivierten Auseinandersetzungen liegende Brisanz wurde durch die schweren Ausschreitungen in Suhl am 19. August 2015 deutlich. Die Debatte wird auch durch die jüngsten islamistischen Terrorakte befeuert. So beschreibt Markus Rode, Vorsitzender der Organisation „Open Doors“, einer Menschenrechtsorganisation, die sich weltweit für verfolgte Christen einsetzt, die Situation in deutschen Asylbewerberheimen für geflüchtete Christen als unerträglich. Sein Fazit damals in einer Sendung der ARD: Christliche Flüchtlinge würden hierzulande von denselben Menschen drangsaliert, vor denen sie in ihren Heimatländern geflüchtet seien. Der eigentliche Vorwurf besteht aber darin, dass die Verfolgung vor unseren Augen und vor allem der der