Iris Martin-Gehl
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Sehr geehrte Frau Präsidentin, sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen, liebe Gäste! Liebe Frau Obergerichtsvollzieherin Weber als Vertreterin des Landesverbands der Gerichtsvollzieher Thüringens, herzlich willkommen!
Der vorliegende Gesetzentwurf reiht sich in die Maßnahmen ein, die angesichts der zunehmenden Gewaltbereitschaft von Schuldnern zur Verbesserung der Sicherheit der Gerichtsvollzieherinnen und Gerichtsvollzieher bei ihrer Arbeit erforderlich sind. Er enthält eine Regelung, die es den Gerichtsvollzieherinnen und Gerichtsvollziehern ermöglicht, sich vor anstehenden Vollstreckungsmaßnahmen bei der Polizei über Gefahrenpotenziale aufseiten der Schuldner zu informieren und dann gegebenenfalls Amtshilfe in Anspruch zu nehmen. Der Gesetzentwurf in seiner ursprünglichen Fassung hatte wortgleich eine entsprechende Regelung aus dem sächsischen Justizgesetz übernommen – darauf wurde von meinen Vorrednern schon eingegangen. In der ersten Lesung hierzu gab es unterschiedliche Auffassungen, ob es angesichts der besonderen Rechtslage in Thüringen überhaupt die Notwendigkeit für eine solche Regelung gibt und wenn ja, ob die sächsische Regelung eins zu eins auf Thüringen übertragbar ist. Ersteres hatte ich schon damals bejaht und auch begründet, also die Notwendigkeit, dass es für die Gerichtsvollzieherinnen und Gerichtsvollzieher eine eigene gesetzliche Grundlage für einen Auskunftsanspruch gegenüber der Polizei geben muss. Bestätigt wurde diese Auffassung durch die Anhörung, denn die Anzuhörenden bemängelteten, dass sie nach der bestehenden Rechtslage von Ermessensentscheidungen der Polizei abhängig sind, sich also nicht darauf verlassen können, schnell und überhaupt die begehrten Auskünfte über potenzielle Gefahrensituationen zu erhalten. Der Gesetzentwurf schließt damit in Thüringen eine Lücke. Darin waren sich auch die Anzuhörenden einig.
Ob nun die sächsische Regelung für einen eigenen Auskunftsanspruch der Gerichtsvollzieherinnen und Gerichtsvollzieher auch für Thüringen der richtige Ansatz ist, das hatte ich schon anfangs bezweifelt. Auch hierzu äußerten sich die Anzuhörenden kritisch. So wurde schon die als Voraussetzung für einen Auskunftsanspruch festgelegte „Abwehr von Gefahren für Leib und Leben bei Vollstreckungsmaßnahmen“ als problematisch angesehen, denn daraus ließe sich ableiten, dass die Gerichtsvollzieherinnen und Gerichtsvollzieher auch nach dieser Regelung stets eine bestehende konkrete Gefahr nachweisen müssen, um an die begehrten Informa
tionen zu einer bestehenden Gefahr zu kommen, und genau das wäre widersinnig. Der vorliegende Änderungsantrag hat diesen Gedanken aufgegriffen und knüpft den Auskunftsanspruch nunmehr an das Vorliegen einer abstrakten Gefahr an. Besondere Begründungserfordernisse bestehen daher nun nicht mehr.
Aus den Reihen der Gerichtsvollzieherinnen und Gerichtsvollzieher wurde zudem einhellig bemängelt, dass der ursprüngliche Gesetzentwurf den Auskunftsanspruch nur auf bestimmte Vollstreckungsmaßnahmen beschränkt, nämlich auf Vollstreckungsmaßnahmen, die zu einem schwerwiegenden Eingriff bei dem Schuldner führen – also Verhaftungen, Wohnungsdurchsuchungen etc. Aber Gewalt kann nicht nur bei schwerwiegenden Maßnahmen vorkommen, sondern – wie die Praxis zeigt – auch bei einfachen Geldpfändungen, gerade auch und dann, wenn an sich überhaupt nicht damit zu rechnen ist – Herr Helmerich ist auch auf diese Problematik schon eingegangen.
Der Begriff „schwerwiegender Eingriff“ ist praktisch auch schwer zu erfassen, denn was schwerwiegend ist, hängt entscheidend von der subjektiven Betroffenheit des Schuldners im Einzelfall und nicht von einer juristischen Definition ab. Dementsprechend sieht der vorliegende Änderungsantrag diese Beschränkung „schwerwiegende Eingriffe“ auch nicht mehr vor.
Welche Informationen können die Gerichtsvollzieherinnen und Gerichtsvollzieher nun von der Polizei erhalten? Um hier Rechtssicherheit zu schaffen, enthält der Änderungsantrag einen Katalog von Kriterien, die beschreiben, was auf eine Gefährlichkeit und Gewaltbereitschaft schließen lassen kann. Ich will auf die Einzelheiten nicht eingehen, Herr Scherer hat die Punkte schon aufgeführt. Damit wird jedenfalls ein Rahmen für die Informationspflicht der Polizei abgesteckt, der aber auch nicht abschließend feststeht und noch in bestimmten Grenzen Spielräume zulässt.
Mit dieser Regelung, die ich sehr begrüße, wird den Thüringer Gerichtsvollzieherinnen und Gerichtsvollziehern ein Stück mehr Sicherheit für ihre oft schwierige Arbeit gegeben. Ich bin mir sicher, dass die Gerichtsvollzieherinnen und Gerichtsvollzieher sehr verantwortungsbewusst mit dem Auskunftsrecht umgehen werden, das ihnen ja nun als klarer gesetzlicher Anspruch eingeräumt ist.
Ich hoffe und wünsche allen Gerichtsvollzieherinnen und Gerichtsvollziehern, dass sie künftig etwas unbeschwerter an ihre Arbeit gehen können und dass sie am Ende stets unversehrt ihre Akten
schließen. Ich habe großen Respekt vor Ihrer Arbeit. Vielen Dank.
Sehr geehrte Frau Präsidentin, meine sehr geehrten Damen und Herren! Der Justizhaushalt ist ein eher unspektakulärer Teil des Haushalts, aber auch die Justiz braucht Geld. Geld, damit die Gerichte, die Staatsanwaltschaften und der Strafvollzug effizient arbeiten können. Der Haushaltsentwurf zur Thüringer Justiz ist auf Kontinuität und Stabilität angelegt, wobei auf die in einigen Bereichen angespannte Personalsituation besonderes Augenmerk gerichtet wird.
Neuere Umfragen und Studien zeigen, dass das Vertrauen der Menschen in unsere Justiz – vor allem in den neuen Bundesländern – gesunken ist. Ich verweise speziell auf die Anfang des Jahres dazu veröffentlichte Allensbach-Studie. Obwohl nach dieser Studie Justiz und Rechtsprechung im Vergleich mit anderen gesellschaftlichen Einrichtungen noch relativ gute Zustimmungswerte erfahren, so gibt es doch ernstzunehmende Warnzeichen von Unzufriedenheit. Die Gründe hierfür sind vielschichtig, vor allem aber gelten die Gerichte als überlastet und die Verfahrensdauer ist einfach zu lang – eine Einschätzung, die übrigens auch Richter und Staatsanwälte teilen. Eine Antwort hierauf ist der unlängst von Bund und Ländern geschlossene Pakt für den Rechtsstaat – er wurde hier bereits mehrfach erwähnt –, der unter anderem vorsieht, die Justiz mit mehr Personal auszustatten. Konkret bedeutet das, dass die Länder im Rahmen ihrer Personalhoheit bis Ende des Jahres 2021 bundesweit 2.000 neue Stellen für Richterinnen und Staatsanwältinnen und für das notwendige Folgepersonal schaffen und besetzen. Der vorliegende Haushaltsentwurf stellt sicher, dass die notwendigen finanziellen Voraussetzungen zur Umsetzung der sich für den Freistaat daraus ergebenden anteiligen Verpflichtungen geschaffen werden, damit die vom Bund für diesen Personalaufwuchs zugesagten Mittel in vollem Umfang fließen.
Auch die Personalsituation im Strafvollzug ist angespannt. Darüber haben wir schon mehrfach heftig im Plenum diskutiert und Herr Scherer hat es auch erwähnt. Mit dem vorliegenden Haushaltsentwurf wird nun der Weg für einen deutlichen Personalaufwuchs bereitet, der als Folge verfehlter Personalpolitik früherer Landesregierungen und im Zuge der anstehenden Pensionswelle dringend erforderlich ist.
Ich möchte an dieser Stelle aber auch betonen, dass die Forderung nach der Einrichtung neuer zusätzlicher Stellen für den mittleren Vollzugsdienst zwar durchaus verständlich, derzeit aber nicht zielführend ist. Denn schon jetzt gibt es freie Stellen,
die unbesetzt bleiben, weil es schlichtweg an geeigneten Bewerbern hierfür mangelt.
Um die Ursachen für die missliche Personalsituation im Strafvollzug nachhaltig zu beseitigen, bedarf es zwingend einer Erhöhung der Ausbildungskapazitäten und begleitend dazu einer Verbesserung der Attraktivität des Berufs des Strafvollzugsbediensteten.
Die dafür nötigen finanziellen Voraussetzungen und Anreize sind in dem vorliegenden Haushaltsentwurf abgebildet, der unter anderem auch 20 Stellenhebungen vorsieht.
Mit dem neuen Haushalt soll nun auch die Verbandsarbeit der ehrenamtlichen Richterinnen und Richter in der ordentlichen Gerichtsbarkeit, also der Schöffinnen und Schöffen, finanziell gefördert werden. Dies ist mir selbst ein besonderes Anliegen, denn Schöffinnen und Schöffen sind wie alle ehrenamtlichen Richterinnen und Richter bei der Ausübung ihres verantwortungsvollen Amts auf eine gute Fortbildung angewiesen. Speziell für Schöffinnen und Schöffen reduzieren sich die Angebote dafür in der Regel nur auf Einführungsveranstaltungen an dem jeweiligen Gericht ihres Einsatzes. Deshalb sind gerade für sie zusätzliche Fortbildungsangebote ihrer Interessenverbände sehr wichtig. Bei dieser Fortbildung geht es übrigens nicht vordergründig um die Vermittlung von Rechtskenntnissen, die dem Leitbild entgegenstehen könnten, dass Schöffinnen und Schöffen nur ihre Lebenserfahrung in die Entscheidungsfindung einbringen sollen. Es geht nicht darum, aus Schöffinnen und Schöffen Juristinnen und Juristen zu machen. Es geht allein darum, den Schöffinnen und Schöffen Wissen und Fähigkeiten zu vermitteln, die es ihnen ermöglichen, aktiv an der gerichtlichen Entscheidungsfindung teilzunehmen und ihnen dafür auch das notwendige Selbstvertrauen zu geben.
Ich hatte unlängst Gelegenheit, während eines Verbandstreffens mit Thüringer Schöffinnen und Schöffen ins Gespräch zu kommen. Dort wurde mir berichtet, dass sich die Schöffinnen und Schöffen vor allem deshalb meist nicht aktiv an der Verhandlungsführung beteiligen, weil sie Sorge haben, falsche Fragen zu stellen, etwa unzulässige Suggestivfragen. Eine entsprechende Schulung und entsprechendes Training in Fragetechniken kann da wirksam Abhilfe schaffen. Kurzum: Das Geld für die Weiterbildung von Schöffinnen und Schöffen im Rahmen ihrer Verbandsarbeit ist gut angelegtes Geld; davon bin ich überzeugt. Dieser vergleichsweise geringfügige Haushaltsposten setzt ein wich
tiges Zeichen für Wertschätzung und Förderung des Ehrenamts in der Justiz und trägt damit dazu bei, das ein Stück weit ins Wanken geratene Vertrauen in die Justiz wieder zu stärken.
Nun beschränkt sich der Einzelplan 05 nicht nur auf den Haushalt der Justiz. Deshalb noch einige Anmerkungen zu den weiteren Bereichen Migration und Verbraucherschutz.
Mit dem Haushalt für 2020 wird die Grundlage geschaffen, den eingeschlagenen flüchtlingspolitischen Weg fortzusetzen, das heißt eine gute Aufnahme und Unterbringung Geflüchteter zu gewährleisten, ihre Integration bestmöglich zu fördern und in vielfältige Angebote für ein gutes Miteinander in unserer Gesellschaft zu investieren. Diesen insoweit wachsenden Anforderungen entsprechend haben wir über die für das Integrationskonzept vorgesehenen 12,5 Millionen Euro hinaus den Ansatz für Maßnahmen der Integrationsförderung um 2 Millionen Euro auf 7,6 Millionen Euro erhöht. Dass das Thüringer Integrationskonzept in seiner Umsetzung immer mehr Form annimmt, zeigt sich beispielsweise im Bereich der Sprachförderung und bei der Vermittlung Geflüchteter in den Arbeitsmarkt. Die konkreten Wirkungen des Konzepts und die sich daraus etwa noch ergebenden notwendigen Maßnahmen wird der für September angekündigte Thüringer Zuwanderungs- und Integrationsbericht aufzeigen. Dann werden Sie, Herr Scherer, sehen, was mit dem Geld gemacht wurde, welche Möglichkeiten noch zu nutzen sind und wo möglicherweise auch noch Geld fehlt.
Noch einige Anmerkungen zum Bereich Verbraucherschutz. Ich möchte dazu besonders das Projekt zur Teilsubventionierung des Mittagessens an Thüringer Schulen erwähnen. Dieses Projekt wurde gemeinsam mit der Vernetzungsstelle Schulverpflegung und weiteren Partnern, wie der Deutschen Gesellschaft für Ernährung, Sektion Thüringen, entwickelt. Es sieht vor, dass Schulen sowohl etwas für gesünderes, regionales, saisonales Essen tun, als auch für bessere Bedingungen bei der Einnahme der Mittagsmahlzeit sorgen können. Derzeit ist die Teilnahme an diesem Projekt auf eine Schule pro Landkreis begrenzt. Mit dem Haushaltsansatz von 4,5 Millionen Euro für dieses Jahr und Verpflichtungsermächtigungen in derselben Höhe für jeweils die darauffolgenden Jahre ist die Fortführung dieses Projekts sichergestellt, wobei die Einbeziehung weiterer Schulen angestrebt wird.
Eine weitere Haushaltsposition, die ich ansprechen möchte, sieht vor, die Zuschüsse für Verbraucherinsolvenzberatungsstellen um 500.000 Euro zu er
höhen, um die Personalsituation in den Beratungsstellen zu verbessern. Damit wird der verstärkten Inanspruchnahme dieser Beratungsstellen und der zunehmenden Komplexität der zu bearbeitenden Fälle Rechnung getragen und damit die Beratungssituation insgesamt verbessert.
Nun noch ein Wort zu Ihren Entschließungsanträgen, das heißt, ich habe bisher nur einen gesehen. Ich sehe daran, dass Sie die so kurzfristig zur Verfügung gestellt haben, dass sie keine sachliche Diskussion dazu wünschen, denn uns allen ist bekannt, dass wir hier eine begrenzte Redezeit haben und hierfür zumindest etwas zeitlichen Vorlauf benötigt hätten, um uns darauf im Einzelnen einzustellen und sachliche Diskussionen zu führen.
Ich kann allerdings schon so viel sagen, dass keine Veranlassung besteht, auf Ihre Forderungen einzugehen, weil zum Beispiel Punkt 1 mit dem Haushaltsplan erfüllt ist. Die finanziellen Voraussetzungen für die Umsetzung des Pakts für den Rechtsstaat, soweit er die Justiz betrifft, werden geschaffen. Das ist ausgeführt worden, das können Sie im Haushaltsentwurf nachlesen.
Mir bleibt jetzt keine Zeit, auf die anderen Punkte im Einzelnen einzugehen. Aber es gibt auch keine Notwendigkeit dafür, diesem Entschließungsantrag zuzustimmen, und wir werden ihn deshalb ablehnen. Danke schön.
Sehr geehrte Frau Präsidentin, meine sehr geehrten Damen und Herren, ich möchte das Ergebnis meiner Überlegungen zu dem vorliegenden Gesetzentwurf vorwegnehmen: Auch ich beantrage die Überweisung an den zuständigen Ausschuss für Migration, Justiz und Verbraucherschutz. Warum? Weil uns die Sicherheit der Gerichtsvollzieher ein wichtiges Anliegen ist und weil der Gesetzentwurf
einen Vorschlag aufgreift, den wir in dieser Frage unlängst im Ausschuss unterbreitet haben.
Mit ihrer Arbeit tragen die Gerichtsvollzieher – das wurde bereits ausgeführt – in hohem Maße zum Funktionieren unseres Rechtsstaats bei, denn sie setzen bekanntlich gerichtliche, staatliche Entscheidungen um, die freiwillig nicht erfüllt werden. Dass sie dabei von den Betroffenen nicht gerade freundlich empfangen werden, liegt in der Natur der Sache und gehört auch zum Berufsrisiko. Aber – auch das wurde zu Recht schon erwähnt – die Angriffe auf die Gerichtsvollzieher werden häufiger, die Aggressivität der Schuldner steigt. Die Angriffe werden schärfer, brutaler und unberechenbarer. Dabei geht es nicht mehr nur um die gestiegene Zahl verbaler Angriffe, sondern es geht um den häufigeren Gebrauch von Waffen und Bedrohung, Nötigung und auch um Freiheitsberaubung.
Leider werden Vorfälle dieser Art kaum öffentlich wahrgenommen. Denn wer weiß schon, dass in den letzten Jahren in Karlsruhe ein Gerichtsvollzieher bei einer Zwangsräumung erschossen wurde? Es wurde schon kurz darauf hingewiesen. Oder wer weiß, dass in Kassel ein Gerichtsvollzieher wegen 500 Euro Zwangsgeld durch einen körperlichen Angriff zu einem Pflegefall wurde, dass in Fulda, im sächsischen Bärwalde und in Weimar Gerichtsvollzieher von den sogenannten Reichsbürgern körperlich angegriffen und teilweise gefesselt wurden? Über diese Fälle haben die Medien immerhin berichtet.
Die Masse der Angriffe – selbst schwere Verletzungen mit Äxten und Eisenstangen, oft bei alltäglichen Pfändungen – wird indes nicht öffentlich und zumeist auch nicht zur Anzeige gebracht, denn dies erfordert einen hohen Aufwand, wie mir die Gerichtsvollzieher berichtet haben, und es verbessert die Sicherheitslage der Gerichtsvollzieher nicht im Geringsten.
In Anbetracht der steigenden Zahl von Angriffen ist es verständlich, dass die Gerichtsvollzieher und ihre Verbände bundesweit mehr Sicherheit für ihre Arbeit einfordern. Es hat sich insoweit aber schon einiges getan, darauf hat meine Kollegin Frau Rothe-Beinlich hingewiesen. Wie in anderen Bundesländern werden die Gerichtsvollzieher in Thüringen nunmehr auch mit Sicherheitswesten ausgestattet. Nach meiner Information steht die Auslieferung unmittelbar bevor. Auch die Erprobung der Notfallsender – auch das wurde erwähnt – ist vor mehr als einem Jahr begonnen worden. Diese Ausstattung der Gerichtsvollzieher wird perspektivisch sicherlich zu deren Grundausstattung gehören.
Die Sicherheitsausstattung ist allerdings nur ein Aspekt für mehr Sicherheit der Gerichtsvollzieher bei ihrer Arbeit. Zu Recht fordern die Gerichtsvollzieher auch, dass sie zumindest vor einschneidenden Vollstreckungsmaßnahmen, etwa Wohnungsräumungen, von der Polizei sicherheitsrelevante Informationen erhalten können, mit denen Gefährdungssituationen im Vorfeld erkannt und entsprechende Schutzmaßnahmen ergriffen werden können. Die bereits mögliche Amtshilfe durch die Polizei dürfte insoweit kein ausreichendes rechtliches Instrumentarium bieten, da Voraussetzung für die Amtshilfe eine nachgewiesene konkrete Gefährdungssituation ist. Diese ist aber für die Gerichtsvollzieher oft nicht im Vorfeld erkennbar, also bevor sie den Schuldnern dann gegenüberstehen. Verdachtsmomente und Vermutungen allein, so zeigt die Praxis, sind für eine Amtshilfe nicht ausreichend und werden mit dieser Begründung auch regelmäßig abgelehnt.
Auch die im Thüringer Polizeiaufgabengesetz lediglich als Kann-Bestimmung vorgesehene Möglichkeit einer Datenübermittlung, unter anderem zur Verhütung erheblicher Nachteile für das Gemeinwohl oder für die schutzwürdigen Belange Einzelner, hat den Thüringer Gerichtsvollziehern bislang nicht zu den notwendigen Informationen über bestehende Gefahrenlagen verholfen, weil diese Auskünfte regelmäßig nicht erteilt werden, sofern keine offenkundig akute Gefährdungssituation besteht. So jedenfalls erleben es die Gerichtsvollzieher immer wieder.
Genau diese Problematik wird übrigens auch in anderen Bundesländern seit Jahren diskutiert. Nach den mir bekannten Informationen sollen Gerichtsvollzieher – etwa jetzt in Nordrhein-Westfalen, auch das klang schon an – Gefährlichkeitsabfragen bei den örtlichen Polizeidienststellen vornehmen dürfen, nachdem es unlängst wieder zu einem schweren Übergriff auf eine Gerichtsvollzieherin gekommen ist. Dieser Angriff hätte wohl durch vorherige Information über die der Polizei bekannt gewesene Gewalttätigkeit der Schuldnerin vermieden werden können.
Es wurde bereits erwähnt: Der vorliegende Gesetzentwurf übernimmt die in Sachsen im Jahr 2014 geschaffene Regelung des § 42a des Sächsischen Justizgesetzes eins zu eins für Thüringen. Diese Regelung sieht vor – so wie es sich die Gerichtsvollzieher in Thüringen auch wünschen –, dass es den Gerichtsvollziehern möglich ist, vor schwerwiegenden Vollstreckungsmaßnahmen bei den örtlich zuständigen Polizeidienststellen anzufragen, ob dort Erkenntnisse zu einer Gefährlichkeit oder Gewaltbereitschaft des Schuldners vorliegen.
Ob allerdings die einfache „Kopie“ dieser Vorschrift – so wie beabsichtigt – in das Thüringer Regelungsgefüge passt, erscheint indes fraglich. Insbesondere wird im Ausschuss darüber zu diskutieren sein, ob die Regelung in dieser Form geeignet, erforderlich und verhältnismäßig ist und/oder ob es möglicherweise andere Instrumentarien gibt, um dem Informationsbedürfnis der Gerichtsvollzieher auf der Grundlage der bestehenden Rechtslage ausreichend Rechnung zu tragen. Ich bin auf diese Debatte im Ausschuss gespannt. Vielen Dank.
Sehr geehrte Frau Präsidentin, meine sehr geehrten Damen und Herren, im Jahr 2017 waren in Thüringen 47 Prozent der nach Jugendstrafrecht rechtskräftig verurteilten Straftäter Wiederholungstäter. Mehr als die Hälfte von ihnen hatte sogar mehrere Vorstrafen aufzuweisen. So nachzulesen im Statistischen Monatsheft des Thüringer Landesamts für Statistik vom Oktober 2018. Diese Zahlen zur Jugendkriminalität verdeutlichen, wie wichtig es ist, rechtzeitig und nachhaltig erzieherisch auf junge Menschen einzuwirken, die mit dem Gesetz in Konflikt geraten sind, um erneuter Straffälligkeit entgegenzuwirken. Ein Mittel hierfür ist der Jugendarrest, ein kurzfristiger Freiheitsentzug mit erzieherischem Charakter, der sich von der schärferen Jugendstrafe unterscheidet. Diese Unterscheidung deutlich zu machen und mit gezielten erzieherischen Maßnahmen auf die Vermeidung erneuter Straffälligkeit von Jugendlichen und Heranwachsenden hinzuwirken, ist Anliegen des vorliegenden Gesetzentwurfs. Da
zu hatte ich in meinem Beitrag zur ersten Lesung bereits näher ausgeführt.
Im Ergebnis der durchgeführten Anhörung hat der Gesetzentwurf einige Änderungen erfahren, die dem Erziehungsgedanken des Jugendarrests und seines Vollzugs noch stärker Geltung verschaffen. Dies verdeutlichen die Festlegungen in § 2 Abs. 2 und in § 6 Abs. 2, die die Zusammenarbeit der Jugendarrestanstalt mit Einrichtungen der Jugendgerichtshilfe, der Bewährungshilfe und insbesondere mit dem Jugendamt und mit freien Trägern der Jugendhilfe hervorheben. Eine solche Vernetzung ist unabdingbar, um die vielfältigen Hilfestellungen jenseits und unabhängig vom Jugendarrest zu koordinieren und die Fortführung der erzieherischen Arbeit durch entsprechende nachsorgende Maßnahmen sicherzustellen. Denn: Verhaltensänderungen lassen sich kaum allein während des maximal vier Wochen dauernden Jugendarrests bewirken. Verhaltensänderungen können nur über langfristige Prozesse in Gang gesetzt werden, weshalb eine rechtzeitig und gut geplante einzelfallbezogene Nachsorge letztlich für den Erfolg der im Jugendarrest geleisteten Erziehungsarbeit entscheidend ist. Mit dieser Neureglung wird zugleich eine Forderung der Fachkommission „Jugendarrest/Stationäres soziales Training“ aus den sogenannten Mindeststandards zum Jugendarrestvollzug umgesetzt.
Einer Anregung aus der Anhörung folgend wurden zudem die in § 8 Abs. 3 aufgeführten erzieherischen Maßnahmen konkretisiert und erweitert. Aufgenommen wurden insbesondere die Vermittlung von Konfliktlösungsstrategien zur einvernehmlichen Streitbeilegung und die Auseinandersetzung mit der jeweils begangenen Straftat mit Blick auf die Opfer bzw. die angerichteten Schäden. Dass diese Maßnahmen zur Förderung sozialer Kompetenz der Arrestierten sinnvoll sind, dürfte außer Frage stehen. Vor diesem Hintergrund wird nunmehr auf ein sogenanntes Opfer-Empathie-Training, dem auch ein Täter-Opfer-Ausgleich folgen kann, orientiert. Derartige Maßnahmen werden übrigens schon andernorts, etwa in Schleswig-Holstein, bereits erfolgreich praktiziert.
Weitere Änderungen betreffen die Einschränkung von Grundrechten, die auf das unbedingt nötige Mindestmaß begrenzt wird, wie etwa das Verbot des Rauchens und des Konsums von Alkohol nach § 16 Abs. 1 oder der Empfang und Versand von Paketen nach § 17 Abs. 3. Über all dem steht die Einhaltung des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes, wonach in die jeweilige Abwägung die weitgehende Aufrechterhaltung alltäglicher Lebensverhältnisse in Freiheit einerseits und die Wahrung des sozialen Friedens in der Anstalt und die Sicherung reibungs
loser Abläufe im Vollzug andererseits einzubeziehen sind. Auf eine vorübergehende Fesselung, wie ursprünglich in § 26 Abs. 3 vorgesehen war, wird ganz verzichtet, weil dies mit dem Konzept des Jugendarrests als Erziehungsmaßnahme nicht in Einklang steht. Das heißt, dass in schwerwiegenden Fällen einer Gefährdung nach § 26 Abs. 3 eine Jugendarrestvollzugsanstalt nicht mehr der passende Aufenthaltsort für den Betroffenen sein kann.
Nun zur personellen Ausstattung, speziell der Jugendarrestvollzugsanstalt Arnstadt: § 34 Abs. 1 des Gesetzentwurfs bestimmt hierzu, dass „die Anstalt mit dem für die Erreichung des Vollzugsziels und für die Erfüllung ihrer Aufgaben erforderlichen Personal ausgestattet [wird]“. Wie ist die Situation derzeit? In der Thüringer Jugendarrestanstalt in Arnstadt stehen für genau 39 Arrestplätze 14 Bedienstete zur Verfügung. Durchschnittlich befinden sich allerdings nur zehn Arrestierte in der Anstalt. Das bedeutet, dass bei Berücksichtigung von Ausfällen durch Krankheit, Urlaub etc. sowie unter Beachtung der Schichtdienste eine ausreichende Betreuung der Arrestierten auch an den Wochenenden sichergestellt ist. Wenn Sie, Frau Meißner, das in Ihrer Berichterstattung bezweifeln, geht Ihre Einschätzung vermutlich auf die Stellungnahme des Vertreters des BSBD, des Bundes der Strafvollzugsbediensteten Deutschlands, Landesverband Thüringen, zurück. Dort wird ausgeführt, dass ein Widerspruch zwischen den gesetzlichen Aufgaben und dem dafür zur Verfügung stehenden Personal bestünde bzw. dass sich mit der derzeitigen Personalausstattung die Anforderungen des Gesetzes an den Arrestvollzug nicht erfüllen ließen. Diese Bedenken decken sich allerdings nicht mit den Einschätzungen des Behördenleiters der Anstalt in Arnstadt und der dort beschäftigten Bediensteten selbst, die jedenfalls derzeit keine personellen Engpässe sehen. Man muss dabei auch im Blick haben, dass das Gesetz im Grunde festschreibt, was in der Vergangenheit im Jugendarrestvollzug ohnehin schon geleistet wurde. Es werden den Bediensteten also nicht in immensem Umfang neue Aufgaben übertragen, die ohne personellen Zuwachs nicht zu bewältigen wären, zumal auch die Tendenz zur Verhängung von Jugendarrest eher rückläufig ist. Derzeit jedenfalls ist die Thüringer Jugendarrestanstalt nach der Zahl der Bediensteten und der Anzahl der durchschnittlich zu betreuenden Arrestierten auskömmlich. In Kürze wird zudem noch eine Vertretung der momentan allein in der Anstalt eingesetzten Sozialarbeiterin geschaffen, sodass auch insoweit ein möglicher Ausfall kompensiert werden kann.
Selbstverständlich wird das zuständige Ministerium die künftige Entwicklung im Jugendarrestvollzug
verfolgen und jährlich mit der Anstaltsleitung die personelle Situation erörtern, um gegebenenfalls personell nachzubessern. Dies ist eine zwingende Konsequenz aus der mit Bedacht in das Gesetz aufgenommenen Ausstattungsverpflichtung nach § 34 Abs. 1, ich erwähnte sie bereits.
Zudem bietet die neu eingeführte Evaluierungsklausel nach § 46 des Gesetzentwurfs ausreichende Gewähr dafür, dass auf Veränderungen beim Personalbedarf zeitnah reagiert wird. Nach alledem gibt es keinen Anlass für die mit dem vorliegenden Entschließungsantrag begehrte Personalbedarfsanalyse und -planung. Wir werden den Antrag daher ablehnen.
Noch eine Bemerkung zu der bereits erwähnten Evaluierungsklausel: Auch wenn sie in erster Linie dazu dient, die gesetzlichen Vorgaben für den Jugendarrestvollzug insgesamt auf ihre Umsetzung und Wirksamkeit und damit auch die personelle Ausstattung zu überprüfen, so bietet sie zugleich auch eine gute Gelegenheit, Vorschläge und Anregungen, die noch nicht in den Gesetzentwurf Eingang finden konnten, zu gegebener Zeit neu zu diskutieren. Das betrifft beispielsweise die im Gesetzentwurf beschriebene Pflicht der Arrestierten zur Mitwirkung, die im Kontext des Erziehungskonzepts des Jugendarrests kritisch zu sehen ist und aus meiner Sicht durch Mittel der Motivierung und des Anreizes ersetzt werden sollte. Vielleicht ist dann auch die Zeit reif für ein terminologisches und konzeptionelles Umdenken weg vom „Jugendarrest“ und hin zu einem „stationären sozialen Training“, wofür es bereits andernorts Vorbilder gibt.
Die Bundesvereinigung der Anstaltsleiter und Anstaltsleiterinnen im Justizvollzug hat in ihrer Stellungnahme den Gesetzentwurf als umfassendes Regelwerk zum Vollzug des Jugendarrests beschrieben, „das einerseits der ermahnenden Funktion, gleichfalls aber auch der unterstützenden Zielrichtung dieses Zuchtmittels in einem ausgewogenen Verhältnis Rechnung trägt“. Dem ist nichts hinzuzufügen. Vielen Dank.
Sehr geehrte Frau Präsidentin, meine sehr geehrten Damen und Herren, der Antrag der Fraktionen Die Linke, der SPD und Bündnis 90/Die Grünen zur Änderung der Geschäftsordnung des Thüringer Landtags in Drucksache 6/7174 wurde in der 129. Plenarsitzung des Landtags am 28. September 2018 in erster Lesung beraten und mit Beschluss an den Ausschuss für Migration, Justiz und Verbraucherschutz als den für die Geschäftsordnungsangelegenheiten zuständigen Ausschuss überwiesen.
Der Antrag beinhaltet die Aufnahme eines neuen § 125 in die Geschäftsordnung des Thüringer Landtags, mit dem Regelungen für die Errichtung und die Arbeit eines innerhalb der Landtagsverwaltung fachlich unabhängigen arbeitenden wissenschaftlichen Dienstes verankert werden. Der neue § 125 wird durch eine in Anlage 4 zur Geschäftsordnung verankerte Richtlinie über die Grundsätze des Wissenschaftlichen Dienstes ergänzt, die Regelungen
zu Details der Tätigkeit des Wissenschaftlichen Dienstes, Verfahrensabläufe, personelle Anforderungen etc. beinhaltet.
Der überwiesene Antrag wurde vom Ausschuss für Migration, Justiz und Verbraucherschutz in seiner 69. Sitzung am 26. Oktober und in seiner 71. Sitzung am 7. Dezember 2018 beraten. Die Koalitionsfraktionen brachten zur Sitzung am 07.12.2018 in Vorlage 6/4974 eine Neufassung des ursprünglichen Antrags aus Drucksache 6/6174 ein. Unmittelbar vor der 70. Sitzung des Ausschusses am 26. Oktober 2018 ging den Mitgliedern des Ausschusses eine Stellungnahme der Landtagsverwaltung zu dem ursprünglichen Antrag in Drucksache 6/6174 zu. Um diese Stellungnahme eingehend prüfen zu können, wurde die Beratung zu diesem Tagesordnungspunkt auf die 71. Sitzung vertagt.
Die Neufassung des Antrags in Vorlage 6/4974, die gegenüber dem Ursprungsantrag nur Änderungen in Details enthält, aber am Grundsatz der Einführung eines neuen § 125 der Geschäftsordnung festhält, wurde in der 71. Sitzung des Ausschusses für Migration, Justiz und Verbraucherschutz von der Ausschussmehrheit beschlossen und in die Beschlussempfehlung aufgenommen, die ebenfalls in der 71. Sitzung beschlossen wurde. Diese Beschlussempfehlung des Ausschusses für Migration, Justiz und Verbraucherschutz liegt nun in Drucksache 6/6546 vor. So weit die Berichterstattung aus dem Ausschuss.
Liebetrau, Christina; Lukasch, Ute; Dr. Lukin, Gudrun; Malsch, Marcus; Dr. Martin-Gehl, Iris; Marx, Dorothea; Meißner, Beate; Mitteldorf, Katja; Mohring, Mike; Möller, Stefan; Mühlbauer, Eleono
re; Muhsal, Wiebke; Müller, Anja; Müller, Olaf; Pelke, Birgit; Pfefferlein, Babett; Dr. Pidde, Werner; Primas, Egon; Reinholz, Jürgen; Rietschel, Klaus; Rosin, Marion; Rothe-Beinlich, Astrid; Rudy, Thomas; Schaft, Christian; Scheerschmidt, Claudia; Scherer, Manfred; Dr. Scheringer-Wright, Johanna; Schulze, Simone; Skibbe, Diana; Stange, Karola; Tasch, Christina; Taubert, Heike; Thamm, Jörg; Tischner, Christian; Prof. Dr. Voigt, Mario; Wagler, Marit; Walk, Raymond; Warnecke, Frank; Wirkner, Herbert; Wolf, Torsten; Worm, Henry; Wucherpfennig, Gerold; Zippel, Christoph.
Sehr geehrte Frau Präsidentin, meine sehr geehrten Damen und Herren, dem Landtagsplenum liegt in Drucksache 6/4807 der Gesetzentwurf der Fraktionen Die Linke, SPD und Bündnis 90/Die Grünen für ein Thüringer Gesetz über die Errichtung eines Beteiligtentransparenzregisters beim Landtag zur zweiten Beratung vor. Das Anliegen dieses Gesetzes besteht darin, für die Öffentlichkeit transparent und damit nachvollziehbar zu machen, welche Akteure aus dem außerparlamentarischen Bereich in welcher Form und mit welchen Inhalten auf Gesetzgebungsverfahren Einfluss genommen haben und inwieweit solche Inhalte in den endgültigen Gesetzestext eingeflossen sind. Für dieses Konzept der Offenlegung von Interessenvertretungen in Gesetzgebungsverfahren, das in der Gesetzesbegründung ausführlich beschrieben ist, hat sich in Fachkreisen der Begriff „legislativer Fußabdruck“ etabliert.
Durch Beschluss des Landtags vom 13. Dezember 2017 wurde der Gesetzentwurf an den Ausschuss für Migration, Justiz und Verbraucherschutz überwiesen. Der Ausschuss hat den Gesetzentwurf in seiner 55. Sitzung am 19. Januar 2018, in seiner 56. Sitzung am 26. Januar 2018, in seiner 60. Sitzung am 20. April 2018, in seiner 69. Sitzung am 26. Oktober 2018 und in seiner 74. Sitzung am 25. Januar 2019 beraten. Im Rahmen dieser Beratungen wurde am 20. April 2018 ein mündliches Anhörungsverfahren zu dem Gesetzentwurf und mit Beschluss in der 69. Sitzung ein weiteres schriftliches Anhörungsverfahren zu dem von den Koalitionsfraktionen am 25. Oktober 2018 in Vorlage 6/4802 vorgelegten Änderungsantrag durchgeführt.
An der ersten Anhörung zum Gesetzentwurf beteiligten sich folgende Organisationen und Fachleute mit schriftlichen und/oder mündlichen Stellungnahmen: Der Bund der Steuerzahler Thüringen, Prof. Dr. Martin Morlok von der Heinrich-Heine-Universität Düsseldorf, die Handwerkskammer Erfurt, Transparency International Deutschland e. V., der Thüringer Rechnungshof, der Thüringer Landesbe
auftragte für den Datenschutz und die Informationsfreiheit, Prof. Dr. Manfred Mai von der Universität Duisburg-Essen, die Arbeitsgemeinschaft der Thüringer Industrie- und Handelskammern, die Deutsche Gesellschaft für Politikberatung e.V. und Privatdozent Dr. Rudolf Speth aus Berlin. In der Anhörung stellte es sich als problematisch dar, dass der Gesetzentwurf sowohl Festlegungen für den besagten „legislativen Fußabdruck“ enthält, als auch Regelungen zu einem Lobbyregister, das sich auf den gesamten Bereich der Lobbytätigkeiten – unabhängig von konkreten Gesetzgebungsverfahren – erstreckt. Mehrere Anzuhörende empfahlen daher, sich im Gesetzentwurf für eines der Regelungsmodelle zu entscheiden.
Der Gesetzentwurf wurde auch in das Online-Diskussionsforum des Thüringer Landtags eingestellt. Dort gab es einen Diskussionsbeitrag.
In Auswertung der Anhörung legten die Koalitionsfraktionen mit Datum vom 25. Oktober 2018 einen Änderungsantrag vor, der ausschließlich das Modell der Dokumentation des „legislativen Fußabdrucks“ umsetzt. Dies wird schon mit der vorgesehenen begrifflichen Änderung verdeutlicht, wonach zur klaren Abgrenzung von einem Lobbyregister der bisherige Begriff „Beteiligtentransparenzregister“ im Titel des Gesetzes und durchgängig im gesamten Gesetzestext durch die Bezeichnung „Beteiligtentransparenzdokumentation“ ersetzt wird. Mit dem Änderungsantrag werden zugleich die inhaltlichen Kriterien für die Beteiligtentransparenzdokumentation durch konsequenten Bezug auf konkrete Gesetzgebungsverfahren des Landtags geschärft und es wird klargestellt, dass ausschließlich schriftliche Beteiligungsbeiträge von der Dokumentation erfasst werden.
Da Thüringen mit dem Gesetzgebungsvorhaben zur Beteiligtentransparenzdokumentation Neuland betritt, beschloss der Ausschuss, den Änderungsantrag den Anzuhörenden nochmals zur fachlichen Einschätzung vorzulegen. In Auswertung dieser zweiten, nur schriftlichen Anhörung legten die Koalitionsfraktionen am 18. Januar 2018 eine Neufassung des Änderungsantrags in Vorlage 6/4802 vor. Diese sieht neben einigen rein formalen Änderungen auch inhaltliche Konkretisierungen vor, etwa, dass eine Veröffentlichung von schriftlichen Beiträgen zu Gesetzesvorhaben eine Einwilligung voraussetzt und dass die Dokumentationspflichten mit dem Stichtag des Inkrafttretens des Gesetzes beginnen und für alle ab diesem Tag neu eingebrachten Gesetzgebungsverfahren gelten, es für schon laufende Gesetzgebungsverfahren also keine Nachdokumentationspflicht geben wird.
Die Neufassung des Änderungsantrags der Fraktionen Die Linke, SPD und Bündnis 90/Die Grünen wurde in der Sitzung des Ausschusses für Migration, Justiz und Verbraucherschutz am 25. Januar
2019 von der Mehrheit des Ausschusses beschlossen. Dieses Abstimmungsergebnis fand Eingang in die ebenfalls in dieser Sitzung beschlossene Beschlussempfehlung des Ausschusses, die Ihnen in Drucksache 6/6704 nun ebenfalls zur Abstimmung vorliegt. Danke schön.
Sehr geehrte Frau Präsidentin, verehrte Kolleginnen und Kollegen, liebe Gäste, in der letzten Plenarsitzung haben wir das Thüringer Richter- und Staatsanwältegesetz verabschiedet. Leider hat sich in die Beschlussempfehlung des Ausschusses für Migration, Justiz- und Verbraucherschutz, die mit dem Gesetz zur Abstimmung stand, ein Fehler eingeschlichen.
Dieser Fehler stellt sich wie folgt dar: Es wurden mit der Beschlussempfehlung in § 40 des Gesetzes unter den Ziffern 12 bis 14 drei Tatbestände in die volle Mitbestimmung aufgenommen, die zuvor nach der ursprünglichen Gesetzesfassung der nur eingeschränkten Mitbestimmung unterliegen sollten und demnach als Ziffern 8 bis 10 in § 41 Abs. 3 geregelt waren. Folgerichtig müssen diese in eine höhere Form der Mitbestimmung übertragenen gleichlautenden Tatbestände in § 41 Abs. 3 gestrichen werden, was bedauerlicherweise übersehen wurde, sodass nunmehr eine Doppelregelung der entsprechenden Textpassagen in den §§ 40 und 41 vorliegt.
Dieses redaktionelle Versehen zu korrigieren, ist Anliegen des vorliegenden Antrags. Die rechtliche Grundlage für diese Korrektur findet sich in § 110 Abs. 2 der Geschäftsordnung des Thüringer Landtags, der vorsieht, dass offenbare Unrichtigkeiten beschlossener Gesetze vor deren Ausfertigung und Verkündung vom Präsidenten bzw. der Präsidentin zu berichtigen sind. Dass es sich im vorliegenden Fall um eine solche offenbare Unrichtigkeit handelt, dürfte außer Frage stehen, denn es wird auf den ersten Blick deutlich, dass eine Verschiebung nahezu wortgleicher Textpassagen innerhalb der vorgegebenen Regelungssystematik erfolgt ist, die nur dann einen Sinn ergibt, wenn eine Streichung der nicht mehr gewollten ursprünglichen Regelung vor
genommen wird. Dies geht auch aus der Begründung der Beschlussempfehlung hervor, die in Bezug auf die betroffenen Regelungspunkte hervorhebt, dass zur Stärkung der Richter- und Staatsanwaltsräte die Tatbestände der vollen Mitbestimmung ausgeweitet werden, was bedeutet, dass die betroffenen Tatbestände eben nicht mehr der eingeschränkten Mitbestimmung unterliegen sollen und zwangsläufig damit an der entsprechenden Stelle im Gesetz fehl am Platz sind.
Wenn nun aber offenkundig ist, dass hier lediglich ein redaktionelles Versehen vorliegt, stellt sich natürlich die Frage, ob denn nicht § 110 Abs. 2 Geschäftsordnung des Thüringer Landtags eine ausreichende Ermächtigungsgrundlage für den Landtagspräsidenten bzw. die Landtagspräsidentin darstellt, um von sich aus in der gebotenen Weise korrigierend tätig werden zu können. Darüber wird man sicher diskutieren können. Wir sind indes der Auffassung, dass der vorliegende Fall kein typischer im Sinne der genannten Vorschrift ist, denn hier geht es nicht einfach um die Richtigstellung eines vorgegebenen Gesetzestextes, es geht vielmehr um die Streichung von Gesetzestext. Aufgrund dieser Besonderheit und vor allem aus Respekt vor dem Parlament als Gesetzgeber halten wir es daher für sinnvoll, ja für notwendig, dem Landtag die Entscheidung über die Redaktionsermächtigung der Präsidentin im Rahmen der in dem Antrag genannten Vorgaben zu überlassen. Vor diesem Hintergrund bitte ich um Zustimmung zu dem Ihnen vorliegenden Antrag. Danke schön.
Sehr geehrte Frau Präsidentin, sehr geehrte Damen und Herren Kollegen, liebe Zuschauer auf der Tribüne und am Livestream, uns liegt ein Gesetzentwurf vor, der längst überfällig ist. Denn: Das gegenwärtig geltende Richtergesetz stammt aus dem Jahr 1994 und seither hat sich einiges getan, insbesondere bei der Entwicklung des modernen Dienstrechts. Inzwischen besteht ein erheblicher Reformbedarf für das Thüringer Richtergesetz – darauf hat Frau Meißner schon hingewiesen –, wobei ich hier nur die Stichwörter „Alterszeitregelungen“, „Mitwirkungs- und Beteiligungsrechte der Richtervertretungen“, „Verfahren bei Besetzungen von Beförderungsämtern“, „Transparenz des Beurteilungssystems“ nennen möchte.
Wie schon eben gesagt, hat es im Ausschuss eine umfassende Anhörung der Vertreter der Richter, Staatsanwälte, Rechtsanwälte und ehrenamtlichen Richter gegeben. Ich kann Frau Meißner aber darin nicht folgen, dass deren Anregungen nicht aufgegriffen wurden und dass das Gesetz grundsätzlich und insgesamt von den Anzuhörenden abgelehnt wurde. Die Anhörung war sehr differenziert, es gab Befürworter und auch Ablehner, aber niemals des gesamten Gesetzentwurfs, sondern es ging immer um einzelne Regelungen. Die Anregungen wurden insgesamt sehr sorgfältig geprüft und weitgehend in den Gesetzentwurf aufgenommen. Es gibt eine sehr detaillierte schriftliche Stellungnahme des Thü
ringer Richterbunds und weiterer Richtervertretungen vom Dezember 2017, für die ich mich an dieser Stelle nochmals besonders bedanken möchte. Daraus wurden zahlreiche Anregungen in den Gesetzentwurf eingearbeitet und Formulierungsvorschläge sogar weitgehend wörtlich übernommen, unter anderem die zum Beurteilungswesen in § 7. Man möge dies einmal nachlesen.
Welche Neuerungen beinhaltet nun der Gesetzentwurf? Da ist allen voran die Aufhebung des Letztentscheidungsrechts des Justizministers in Beförderungsangelegenheiten zu nennen. An die Stelle dieses Letztentscheidungsrechts tritt nun ein Konsensverfahren, das die von den Richterverbänden oft bemängelte, exekutive Umklammerung der Justiz ein gutes Stück weit lockert. Nach der Neuregelung wird nun bei Meinungsverschiedenheiten zwischen Minister und Richtervertretung über die Geeignetheit eines Bewerbers für ein Beförderungsamt der Richterwahlausschuss einbezogen, der mit dem Minister zu einem Konsens gelangen muss. Anderenfalls ist ein anderer Bewerber vorzuschlagen oder die Stelle gar neu auszuschreiben. Jedenfalls liegt, anders als bisher, die Beförderung von Richtern und nunmehr auch die von Staatsanwälten nicht mehr allein in der Hand des Ministers. Damit wird eine berechtigte Forderung umgesetzt, die Richter und Staatsanwälte und auch meine Fraktion schon seit Jahren erheben. Jedenfalls wird mit dieser Regelung der zuweilen geübten Praxis Einhalt geboten, Beförderungen nicht nach dem Leistungsprinzip, sondern nach etwaigen politischen Erwägungen vorzunehmen.
Im Weiteren wird mit dem vorliegenden Gesetz das Dienstrecht der Richter reformiert, indem die Altersgrenze an die der Beamten angepasst wird. Nun haben Richter die Möglichkeit, mit Abschlägen schon mit 62 Jahren in den Ruhestand zu gehen. Damit wird eine Möglichkeit für die Verjüngung der Justiz eröffnet, da auf diese Weise frei werdende Stellen neu besetzt werden können, noch bevor der große personelle Umbruch vonstattengeht, dann, wenn nämlich in wenigen Jahren eine große Zahl der Thüringer Richter innerhalb kurzer Zeit in den Ruhestand geht.
Eine weitere Neuerung des Gesetzes sind die Regelungen zum Beurteilungswesen. Mit § 7 wird erstmals eine gesetzliche Grundlage für dienstliche Beurteilungen von Richtern und Staatsanwälten geschaffen. Die dazu vorgesehenen Regelungen, insbesondere die Festlegung von Beurteilungsintervallen, die Einbeziehung des Beurteilten im Rahmen von Beurteilungsgesprächen und die Möglichkeit der Beteiligung der Richtervertretungen sind geeignet, Transparenz und einheitliche Maßstäbe für dienstliche Beurteilungen zu garantieren. Die einzelnen Vorgaben des Gesetzes insoweit sind auf die bestehenden rechtlichen Rahmenbedingungen, insbesondere auf das Thüringer Beamtengesetz
und das Thüringer Disziplinargesetz abgestimmt. Im Übrigen gibt die Ermächtigung für den Erlass einer Rechtsverordnung Gelegenheit, weitere Anregungen aus der Richterschaft zur näheren Ausgestaltung des Beurteilungsverfahrens zu normieren.
Das Gesetz erweitert im Vergleich zu den bisher geltenden Regelungen auch die Mitbestimmungsrechte der Richtervertretungen, räumt etwa ein Teilnahmerecht an den Auswahlgesprächen für die Einstellungen in das Richterverhältnis auf Probe ein und eine Teilnahmemöglichkeit bei Beurteilungsgesprächen. Darüber hinaus werden die Beteiligungstatbestände der vollen und der eingeschränkten Mitbestimmung erweitert und damit die Richter und Staatsanwaltschaftsräte gestärkt.
Viele Richter begrüßen all diese Neuerungen, weil damit ein wichtiger Schritt in Richtung „mehr Selbstbestimmung der Richterschaft in den eigenen Angelegenheiten“ gegangen wird. Ich betone: Ein Schritt, denn dies ist nicht der letzte Schritt. Darauf werde ich später noch einmal zurückkommen.
Es ist mir bekannt, dass auch die Staatsanwälte und Staatsanwältinnen das neue Gesetz begrüßen, denn anders als bisher im Thüringer Richtergesetz werden sie in dem neuen Gesetz nicht mehr quasi als Anhängsel der Richterschaft behandelt –, etwa mit einem angefügten Regelungskomplex –, sondern ihrer besonderen Stellung als Organe der Rechtspflege, der Strafrechtspflege, wird dadurch Rechnung getragen, dass die Rechtsverhältnisse der Richter und Staatsanwälte – soweit statusrechtlich möglich, denn sie gehören ja unterschiedlichen Gewalten an – parallel geregelt werden. Davon zeugt auch schon die Bezeichnung des Gesetzes, mit der eben Richter und Staatsanwälte im Landesdienst als Adressaten des Gesetzes benannt werden.
Nun will ich aber auch nicht verschweigen, dass es nach wie vor kritische Stimmen vonseiten der Adressaten des Gesetzes gibt. So beklagen sich Vertreter der Richterschaft über zu wenig Mitbestimmung in personellen Angelegenheiten und – das wurde auch bereits erwähnt –, die Anwaltschaft ist enttäuscht, dass der ursprünglich im Gesetzentwurf vorgesehene anwaltliche Vertreter im Richterwahlausschuss durch den Änderungsantrag nun wieder gestrichen wurde, ja, dass der Anwaltschaft jegliche Mitsprache versagt wird. Ich selbst bedauere es, dass diese aus meiner Sicht durchaus berechtigten Forderungen, die gerade meine Fraktion auch seit Jahren unterstützt, nicht in das Gesetz Eingang finden konnten. Dafür gibt es aber eine Erklärung, die sich in einer kurzen Formel zusammenfassen lässt: „Politik ist die Kunst des Möglichen.“ Ich finde, dass diese Feststellung, die Otto von Bismarck zugeschrieben wird, sehr treffend unseren begrenzten Handlungsspielraum beschreibt. Der vorliegende Gesetzentwurf ist das derzeit Mögliche.
Sie alle wissen, dass das parlamentarisch Mögliche in besonderem Maße durch das rechtlich Zulässige, durch das politisch Gewollte und auch durch das praktisch Machbare beschränkt wird. Diese Schranken sind auch beim vorliegenden Gesetz maßgebend dafür, dass ein Teil der Wünsche und Anregungen nicht – ich möchte sagen, noch nicht – umgesetzt werden konnte.
So ist etwa der Wunsch von Vertretern des Thüringer Richterbundes, Beurteilungsgremien nach dem Vorbild des österreichischen Richtergesetzes einzuführen und eine Mitbestimmungsregelung für die Neueinstellung von Richtern aus dem Richtergesetz von Nordrhein-Westfalen zu übernehmen, zwar verständlich, aber nicht realisierbar. Das Argument: „Die anderen machen es doch auch.“ mag zwar überzeugend klingen, aber Vergleiche sind bekanntlich nur dann etwas wert, wenn tatsächlich Gleiches gegenübergestellt wird. Eine solche Vergleichbarkeit ist hier aber weder mit dem österreichischen Richtergesetz noch mit dem Richtergesetz von Nordrhein-Westfalen gegeben. Denn schon die Verfassungslage, in die die jeweiligen Gesetze eingebettet sind, ist eine andere als diejenige in Thüringen.
So gibt es eben in der Verfassung von NordrheinWestfalen keine dem Artikel 89 Abs. 2 Thüringer Verfassung vergleichbare Regelung, wonach der Thüringer Justizminister, und nur der Justizminister, über die vorläufige Anstellung von Richtern entscheidet. Auch sieht das Landeswahlrecht von Nordrhein-Westfalen keinen Richterwahlausschuss vor, der – wie in Thüringen – die Machtfülle des Justizministers beschränkt. Dies geschieht in Nordrhein-Westfalen auf andere Weise. Kurzum: Es bestehen in beiden Bundesländern unterschiedliche Regelungssysteme, die sich eben nicht direkt vergleichen lassen.
Ebenso wenig lässt sich aufgrund der richterlichen Sonderstellung das Thüringer Beamtenrecht eins zu eins auf die Richterschaft übertragen, wie es zuweilen gefordert wird. Es ist aus meiner Sicht daher juristisch nicht korrekt, wenn der Wortlaut von einzelnen Rechtsvorschriften aus anderen Gesetzen zur Begründung von Regelungswünschen herangezogen und dabei deren Verschränkung mit anderen Vorschriften im System der jeweiligen Rechtsordnung völlig ausgeblendet wird.
Warum sage ich, dass ein Teil der im Rahmen der Anhörung geäußerten und aus meiner Sicht auch nachvollziehbaren Wünsche und Anregungen mit diesem Gesetz noch nicht umgesetzt wurde? Ich sage das, weil dieses Gesetz von vornherein als ein Gesetzeswerk angelegt ist, das sich in einem Prozess der Vervollkommnung befindet, also einen ersten Schritt in Richtung der Schaffung moderner, transparenter Justizstrukturen darstellt. Beleg dafür ist die mit dem Änderungsantrag eingeführte Evalu
ierungsklausel. Wenn dieses Gesetz in wenigen Jahren und danach in regelmäßigen Abständen immer wieder auf dem Prüfstand steht, wird sich erweisen, ob sich die jetzt eingeführten Neuerungen bewährt haben bzw. inwieweit Änderungen oder Ergänzungen vonnöten sind.
Doch auch das Zutun von uns Parlamentariern ist gefragt. Denn je besser es uns gelingt, die derzeit hinderlichen gesetzlichen Rahmenbedingungen zu verändern, umso mehr kann sich das Richter- und Staatsanwältegesetz für mehr Selbstverwaltung der Justiz und mehr Mitbestimmung öffnen. Ich richte mein Augenmerk dabei vor allem auf Artikel 89 der Thüringer Verfassung, dessen Änderung zu thematisieren sein wird. Es bleibt zu hoffen, dass sich künftig in diesem Haus hierfür die notwendige Mehrheit findet und damit den Weg frei macht für eine weitere Modernisierung des Thüringer Richterund Staatsanwältegesetzes.
Politik ist die Kunst des Möglichen, aber auch die Kunst, Mögliches unmöglich zu machen. Lassen Sie es nicht so weit kommen und stimmen Sie dem vorliegenden Gesetz zu. Vielen Dank.
Sehr geehrte Frau Präsidentin, meine Damen und Herren, durch Beschluss des Landtags vom 3. November 2017 wurden der Antrag der Koalitionsfraktionen „Änderung der Geschäftsordnung des Thüringer Landtags“ in Drucksache 6/4658 und der Änderungsantrag des Abgeordneten Krumpe in Drucksache 6/4709 jeweils an den Ausschuss für Migration, Justiz und Verbraucherschutz überwiesen. Der Ausschuss für Migration, Justiz und Verbraucherschutz hat den Antrag und den Änderungsantrag in seiner 68. Sitzung am 21. September 2018 sowie in seiner 69. Sitzung am 26. Oktober 2018 beraten.
In Vorlage 6/4159 bzw. 6/4159 – Neufassung – haben die Koalitionsfraktionen einen Änderungsantrag zum Antrag in Drucksache 6/4658 eingebracht. Auch die CDU-Fraktion hat in Vorlage 6/4616 einen Änderungsantrag zu Drucksache 6/4658 eingebracht. Diesen Antrag, der sich auf die Ergänzung der Geschäftsordnung des Thüringer Landtags zum Thema „Kleinkinder im Plenarsaal“ bezog, hat die Antragstellerin in der Ausschussberatung am 26.10.2018 zurückgezogen und erklärt, dass sie den Änderungsantrag in Vorlage 6/4159 – Neufassung – unterstützt und mit den Änderungen der Drucksache 6/4658 zustimmt.
Der Änderungsantrag des Abgeordneten Krumpe, der sich wie auch der Koalitionsantrag auf § 80 Geschäftsordnung des Thüringer Landtags bezog, wurde leicht modifiziert in den Änderungsantrag der Vorlage 6/4159 – Neufassung – aufgenommen. Im Rahmen der Beratungen hat sich der Ausschuss
auch mit Stellungnahmen der Landtagsverwaltung in den Vorlagen 6/4790 und 6/4791 befasst.
Anlass der erneuten Änderung der Geschäftsordnung des Thüringer Landtags in dieser Wahlperiode ist die Umsetzung der in einer Entscheidung des Thüringer Verfassungsgerichtshofs beschriebenen Anforderungen an die Verfassungsgemäßheit der Arbeitsabläufe des Thüringer Landtags, insbesondere bei kommunalrelevanten Gesetzentwürfen. Der Thüringer Verfassungsgerichtshof trifft in seinem Urteil vom 09.06.2017 zum sogenannten „Vorschaltgesetz“ die Feststellung, dass allen Abgeordneten des Landtags rechtzeitig vor der abschließenden Beratung und Entscheidung derartiger Gesetzentwürfe alle entscheidungserheblichen Informationen und Dokumente vorliegen müssen. Verfassungsrechtlich wird dies mit dem umfassenden Informationsrecht der Abgeordneten begründet. Dementsprechend werden in der vorliegenden Beschlussempfehlung in Drucksache 6/6323 vor allem die §§ 52 und 80 entsprechend geändert. Entscheidend ist, dass in Zukunft alle Sitzungsprotokolle und dazugehörige weitere Beratungsdokumente innerhalb von zwei Wochen nach der jeweiligen Sitzung vorliegen müssen, wobei die Ausschüsse auch kürzere Fristen beschließen können. In solchen Fällen werden Vorabprotokolle erstellt.
Die Vorgaben des Thüringer Verfassungsgerichtshofs führen dazu, dass in kürzerer Zeit mehr Informationsmaterial verarbeitet und verteilt werden muss, als das bisher der Fall war. Deshalb sehen die Koalitionsanträge ebenso wie der Antrag des Abgeordneten Krumpe vor, die Arbeitsabläufe des Landtags stärker zu digitalisieren. Demnach soll die zentrale Informationseinrichtung zur verbindlichen Bereitstellung der Informationen an alle Abgeordneten das digitale Abgeordneteninformationssystem sein. Da zur praktischen Umsetzung eine Reihe technischer Änderungen und Neuerungen notwendig wird, können die Änderungen, so sie denn heute beschlossen werden, erst zum 01.03.2019 in Kraft treten.
Am 26. Oktober 2018 hat der Ausschuss für Migration, Justiz und Verbraucherschutz zu den Drucksachen 6/4658 und dem Änderungsantrag in Vorlage 6/4159 – Neufassung – und zum Antrag in Drucksache 6/4709 eine Beschlussempfehlung in Drucksache 6/6323 verabschiedet. Zu dieser Beschlussempfehlung liegt Ihnen nun in der jetzigen zweiten Lesung ein Änderungsantrag der Fraktionen CDU, Die Linke, SPD und Bündnis 90/Die Grünen vor. Mit diesem Änderungsantrag wird die Frist für die Vorlage der Sitzungsprotokolle nach § 80 Geschäftsordnung des Thüringer Landtags auf drei Wochen verlängert. Danke.
Sehr geehrte Frau Präsidentin, sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen, liebe Zuschauer auf der Tribüne und am Livestream! Als im Juni dieses Jahres der sogenannte BAMF-Skandal hohe Wellen schlug, wurden Stimmen laut, die zur Aufklärung des Sachverhalts einen Untersuchungsausschuss forderten. Diesem Vorschlag wurde entgegengehalten, dass ein Untersuchungsausschuss zu träge sei, die Aufklärung verzögern würde, aber doch schnelles Handeln erforderlich sei und dem öffentlichen Interesse genügt werden müsse. Es gab auch Skeptiker, die für den Fall der Einsetzung eines Untersuchungsausschusses sogar von einer gewollten Nichtaufklärung sprachen. Das hat mich alles sehr verwundert und vermutlich nicht nur mich allein.
Meine sehr geehrten Damen und Herren, der Untersuchungsausschuss gilt bekanntlich als das schärfste Schwert der Opposition. Doch offenbar ist dieses Schwert in der öffentlichen Wahrnehmung stumpf geworden. Dies jedenfalls zeigen die erwähnten Querelen zur Einsetzung eines Untersuchungsausschusses zum BAMF-Skandal.
Natürlich haben Untersuchungsausschüsse immer eine politische Dimension und es stehen sich im Grunde zwei Lager mit gegensätzlichen, unterschiedlichen Interessen gegenüber. Doch ich meine, dieses Gegeneinander sollte nicht Richtschnur unserer Arbeit in den Untersuchungsausschüssen dieses Landtags sein. Es gilt, das stumpfe Schwert zu schärfen, und dies gelingt nur dann, wenn es einem Untersuchungsausschuss gelingt, sich über Parteigrenzen hinweg gemeinsam dem Ziel der schnellstmöglichen, vorbehaltlosen Aufklärung zu widmen. Das war und bleibt der Anspruch, den wir an die Arbeit im Untersuchungsausschuss 6/3 stellen.
Vor diesem Hintergrund bringen die Koalitionsfraktionen heute einen Antrag auf Erstellung eines Zwischenberichts für den Untersuchungsausschuss 6/3 „Möglicher Amtsmissbrauch“ in das Plenum ein. Uns leitet dabei eine einfache Motivation: Wir wollen nach zwei Jahren Arbeit unserer Verpflichtung nachkommen, das Hohe Haus und die Öffentlichkeit über die bisher erzielten Ergebnisse zu informieren. Der Untersuchungsausschuss 6/3 soll nicht
als Gremium der Nichtaufklärung in Erinnerung bleiben, sondern als Gremium der konstruktiven Auseinandersetzung, als Gremium der Aufklärung von Sachverhalten, die im öffentlichen Interesse liegen.
Nun ist niemandem hier entgangen, dass Sie, verehrte Kollegen der CDU-Fraktion, die Dinge etwas anders sehen. So ist etwa der Presse zu entnehmen, dass Sie einem Zwischenbericht die Sinnhaftigkeit absprechen, weil der Untersuchungsauftrag des Untersuchungsausschusses nach Ihrer Ansicht zeitnah abgearbeitet und vor Ablauf der Wahlperiode ein Abschlussbericht gefertigt werden könne. Diese Vorstellung geht jedoch weit an der Realität vorbei, denn bis jetzt ist erst etwa ein Drittel der Fragestellungen des Einsetzungsbeschlusses abgearbeitet. Damit ist bei realistischer Betrachtung ein Ende der Beweisaufnahme vor Ablauf der Wahlperiode nicht absehbar.
Gerade deshalb ist es notwendig und wichtig, dass der Landtag und die Öffentlichkeit über das bisherige Ergebnis der Arbeit des Untersuchungsausschusses informiert werden. Und genau dafür ist ein Zwischenbericht nach § 28 Abs. 5 des Thüringer Untersuchungsausschussgesetzes ein probates Mittel. Was sich aus Sinn und Zweck dieser Vorschrift, vor allem aber auch daraus ergibt, dass ein Zwischenbericht die Aufklärungsarbeit des Untersuchungsausschusses nicht aufhält oder gar beendet, sondern deren ungehinderte Fortführung gerade ermöglicht.
Befremdet hat mich auch das zu Beginn der Plenarsitzung vorgebrachte Argument, die Anwendung des § 28 Abs. 5 des Untersuchungsausschussgesetzes von Thüringen verletze die Minderheitenrechte und erschwere damit die Arbeit des Untersuchungsausschusses insgesamt. Eine solche Auslegung dieser Vorschrift, die ja dem Landtag als „Herrn des Untersuchungsverfahrens“
das Recht einräumt, jederzeit einen Untersuchungsausschuss zu verlangen, ist in meinen Augen – gelinde gesagt – etwas abenteuerlich. Danke schön.
Sehr geehrter Herr Präsident, sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen, liebe Zuschauer auf der Tribüne und am Livestream, bislang wird der Vollzug des Jugendarrests in Thüringen noch ausschließlich von § 90 Jugendgerichtsgesetz und von der Jugendarrestvollzugsverordnung, also durch Bundesrecht geregelt. Mit der Föderalismusreform ist jedoch die Gesetzgebungskompetenz für diese Materie Ländersache geworden.
Aber nicht nur aus dieser Zuständigkeitsverschiebung, sondern auch aus den Vorgaben des Bundesverfassungsgerichts aus seiner Entscheidung vom 31.05.2006 zum Jugendstrafvollzug entstand die Notwendigkeit einer gesetzlichen Regelung auch zum Jugendarrestvollzug. Mit diesem Urteil wird nämlich unter anderem klargestellt, dass jegliche Eingriffe in Grundrechte von Strafgefangenen im Jugendstrafvollzug, also auch solche Eingriffe, die über den Freiheitsentzug hinausgehen, unter dem Gesetzesvorbehalt stehen und deshalb einer eigenen gesetzlichen Grundlage bedürfen. Diese Rechtsgrundlage wurde für die Jugendlichen, die eine Jugendstrafe verbüßen, bereits im Jahre 2007 in eigener Länderzuständigkeit mit dem Thüringer Jugendstrafvollzugsgesetz geschaffen. Für den Jugendarrest, der ja keine Jugendstrafe, sondern – wie wir gehört haben – ein sogenanntes Zuchtmittel ist und dementsprechend Besonderheiten des Vollzugs aufweist, fehlt indes eine eigene gesetzliche Regelung des Landes Thüringen, die den auch hierfür geltenden Vorgaben des genannten Urteils des Bundesverfassungsgerichts gerecht wird.
Diese Lücke schließt der vorliegende Gesetzentwurf. Zugleich eröffnet sich damit die Möglichkeit, im Zuge dieser Neuregelung den Vollzug des Jugendarrests positiv gestaltend auf eine moderne wissenschaftlich fundierte gesetzliche Grundlage zu stellen.
Der Jugendarrest, der als Dauerarrest, Freizeitarrest, Kurzarrest, Nichtbefolgungsarrest oder begleitend zu einer Jugendstrafe als sogenannter Warnschussarrest bis zu einer maximalen Dauer von vier Wochen verhängt werden kann, unterscheidet sich wesentlich von der härtesten Sanktion des Jugendstrafrechts, der Jugendstrafe. Dazu hat Herr Staatssekretär von Ammon bereits ausgeführt. Diesen Unterschied deutlich zu machen, ist elementarer Anspruch, der an das im Entwurf vorliegende Gesetz zum Vollzug des Jugendarrests zu stellen ist.
Eingedenk dieser Prämissen durchzieht der Erziehungsgedanke den Gesetzentwurf wie ein roter Faden. Er ist dabei nicht nur in § 4 Abs. 1 ausdrücklich als allgemeines Gebot des Arrestvollzugs ausgestaltet, sondern schon die Bestimmung des Vollzugsziels in § 2 verdeutlicht diesen Ansatz. Hier heißt es, dass der Arrestvollzug darauf ausgerichtet ist, den Arrestierten das begangene Unrecht, dessen Folgen und ihre Verantwortung hierfür bewusst zu machen und einen Beitrag dazu zu leisten, sie zu befähigen, künftig ein eigenverantwortliches Leben ohne Begehung von Straftaten zu führen. Zu Recht ist an dieser Stelle nur vom „Leisten eines Beitrags“ die Rede, denn es liegt auf der Hand, dass Erziehung längerer Zeiträume bedarf und man im Rahmen des Arrestvollzugs eben nur Anstöße geben kann.
Ich will auch nicht verhehlen, dass die Frage, ob Vollzug des Jugendarrests überhaupt eine erzieherische Wirkung entfalten kann, in der Fachwelt kontrovers diskutiert wird. Auch ich habe da so meine Zweifel. Gleichwohl sieht nun mal das Jugendgerichtsgesetz diese Sanktion vor und der Thüringer Gesetzgeber muss für einen effektiven, jugendgemäßen Vollzug Sorge tragen, das heißt, versuchen, das Mögliche und Machbare zu leisten, um dem Anliegen gerecht zu werden, erneuten Straftaten von Jugendlichen entgegenzuwirken. Ich bin der Auffassung, dass dies mit dem Thüringer Jugendarrestvollzugsgesetz gelingen kann und gelingen wird.
Ich nannte den Erziehungsgedanken in den Regelungen der §§ 2 und 4. Dieser Gedanke setzt sich fort in der Benennung konkreter Maßnahmen erzieherischer Gestaltung des Vollzugs in § 5, etwa die Heranführung der Arrestierten an einen geregelten Tagesablauf. Auch davon war schon die Rede. Hervorzuheben ist in diesem Zusammenhang auch das Aufnahmeverfahren nach §§ 7 und 8. Es birgt aus meiner Sicht entscheidendes Potenzial für eine Weichenstellung, ob und wie es gelingt, die Arrestierten an die Angebote der Hilfestellung und Förderung heranzuführen. Die Ermittlung des konkreten Hilfebedarfs in jedem Einzelfall und die Aufstellung eines Erziehungs- und Förderplans unter breiter Einbeziehung aller Beteiligten nach § 8 lässt Parallelen zur Hilfeplanung aus dem Kinder- und Jugendhilferecht erkennen, die sich aus meiner Kenntnis in der Praxis recht gut bewährt hat und die sich entsprechend auch im Vollzug des Jugendarrestes bewähren wird. Wie effektiv diese Maßnahme sein wird, dürfte allerdings nicht zuletzt davon abhängen, wie das Entlassungsmanagement organisiert ist, also ob nach der Entlassung die im Jugendarrestvollzug geleistete Erziehungsarbeit ohne Unterbrechung fortgesetzt wird.
Die Regelungen der §§ 29 und 30, die sich insoweit nicht allein auf die Erstellung eines Schlussberichts beschränken, sondern eine Nachsorge vorsehen,
also die Arrestierten nicht einfach ihrem Schicksal überlassen, bieten dafür eine gute Grundlage. Ob allerdings die Vorgaben des Gesetzentwurfs hierfür ausreichend sind, um das angestrebte Erziehungsziel nach § 2 zu erreichen, wird zu diskutieren sein. Zur Diskussion dürfte auch die Frage stehen, ob es sinnvoll und im Sinne des beabsichtigten Erziehungsziels ist, den Arrestierten eine Mitwirkungspflicht aufzuerlegen, so wie das in § 3 Abs. 3 des Gesetzentwurfs vorgesehen ist.
Ich möchte insoweit das Augenmerk auf die von einer „Fachkommission Jugendarrest/Stationäres soziales Training“ im Jahr 2009 verabschiedeten Mindeststandards zum Jugendarrestvollzug lenken. Diese von Vertretern aus Wissenschaft, Justiz und Jugendarrestvollzug verfasste Studie spricht sich klar gegen eine Mitwirkungspflicht aus, vor allem weil sie zu unbestimmt, praktisch nicht umsetzbar und offen für Willkür sei, was verfassungsrechtlichen Bedenken begegne. Einige Bundesländer, so etwa Baden-Württemberg, Brandenburg, Niedersachsen, Schleswig-Holstein, haben dieser Empfehlung folgend eine Mitwirkungspflicht in ihren Jugendarrestvollzugsgesetzen nicht festgelegt, sondern sie setzen stattdessen auf die gezielte Förderung der Bereitschaft zur Mitwirkung, also auf Freiwilligkeit.
Ich gehe davon aus, dass die genannte Studie auch in anderer Hinsicht Anstöße für die zu dem Gesetzentwurf im Ausschuss zu führende Debatte gibt, so etwa auch im Hinblick auf die verwendeten Bezeichnungen und Begriffe. Dass die Bezeichnung „Arrest“ historisch belastet ist, möchte ich hier nicht näher ausführen, das ist allenthalben bekannt. Die Fachkommission schlägt deshalb für den Vollzug des Jugendarrestes die Verwendung der Bezeichnung „Stationäres soziales Training“ vor, die eine positive spezialpräventive Ausrichtung signalisiert, wie es in der Studie heißt. Quasi Vorreiter für die Umsetzung dieser Idee ist das Jugendarrestvollzugsgesetz von Baden-Württemberg, das das soziale Training als tragendes Element und Schwerpunkt der pädagogischen Gestaltung des Arrestvollzugs definiert und aus meiner Sicht folgerichtig die Jugendarrestanstalten selbst als „Einrichtungen für soziales Training“ bezeichnet. Ich möchte diese ersten Überlegungen zu dem vorliegenden Gesetzentwurf hiermit beenden und die Überweisung des Gesetzentwurfs an den Ausschuss für Migration, Justiz und Verbraucherschutz beantragen. Ich erwarte dort eine interessante Debatte. Vielen Dank.
Sehr geehrte Frau Präsidentin, sehr geehrte Damen und Herren Kollegen, sehr geehrte Gäste! Es ist sehr bedauerlich, dass zwei Thüringer Strafvollzugsanstalten binnen weniger Monate in negative Schlagzeilen geraten sind. Es ist auch durchaus berechtigt, danach zu fragen, welche Schlussfolgerungen sich daraus für die künftige Verhinderung derartiger Vorfälle ergeben. Hierzu hat es aber bereits mehrere ausführliche Berichte des Thüringer Justizministeriums im Justizausschuss gegeben,
die auch weitgehend in der Presse veröffentlicht wurden und allenthalben bekannt sein dürften. Deshalb hat mich das Thema dieser Aktuellen Stunde etwas verwundert.
Gleichwohl möchte ich auf die besagten Konsequenzen aus den jüngsten Vorkommnissen – namentlich in der JVA Suhl-Goldlauter und der JSA Arnstadt – eingehen, wobei ich im Grunde vieles nur wiederholen kann, was vonseiten des Ministeriums bereits dargetan wurde.
Zunächst ist festzuhalten, dass die Gefangenenentweichungen nach dem Ergebnis der Ermittlungen aufgrund menschlichen Fehlverhaltens, insbesondere durch Nichteinhaltung von Sicherheitsvorschriften ermöglicht wurden. Dementsprechend müssen die daraus abzuleitenden Konsequenzen auch hier anknüpfen. Insoweit hat das Ministerium folgerichtig mit sofortigen personellen Konsequenzen reagiert und die Anstaltsleiter der jeweiligen Einrichtung – zumindest bis zum Ablauf der Ermittlungen – von ihren Aufgaben entbunden bzw. mit anderen Aufgaben betraut.
Dass auch die in die Vorkommnisse unmittelbar involvierten Bediensteten – soweit notwendig – in andere Arbeitsbereiche abgeordnet wurden, versteht sich von selbst. Aber auch insoweit sind zunächst die Ergebnisse der Ermittlungen abzuwarten, bis endgültige Maßnahmen getroffen werden können.
Darüber hinaus werden selbstverständlich die Sicherheitskonzepte und das Krisenmanagement in den betroffenen Einrichtungen aus gegebenem Anlass einer Überprüfung unterzogen. Zu diesem Zweck hat das Thüringer Justizministerium bekanntlich eine externe Expertenkommission eingesetzt, die sich speziell mit den Sicherheitsvorkehrungen und der Aufdeckung von Sicherheitsschwachstellen in der JVA Suhl-Goldlauter befasst und deren Abschlussbericht wohl demnächst zu erwarten ist.
Ich gehe davon aus, dass das Ministerium im Justizausschuss zeitnah darüber berichten wird. Im Übrigen hat das Ministerium nach der Gefangenenentweichung aus der Jugendstrafanstalt Arnstadt das Vorkommnis mit allen – ich betone, mit allen – Leiterinnen und Leitern der Thüringer JVAs ausgewertet und angewiesen, dass die jeweiligen Sicherheitskonzepte in den Einrichtungen einer Tiefenprüfung unterzogen werden. Dass hier ein organisatorisches Versagen des Ministeriums bei der Aufarbeitung dieser Vorkommnisse vorliegt, vermag ich angesichts dieser geschilderten Maßnahmen nun wahrlich nicht zu erkennen.
Was mich befremdet, ist der erhobene Vorwurf, Herr Minister Lauinger habe sich nicht wie ein „guter Chef“ hinter seine Mitarbeiter gestellt, sondern deren Fehlverhalten auch öffentlich benannt. Ich beziehe mich da insbesondere auf zwei Artikel in der „Thüringer Allgemeinen“ vom 08.01. und vom 09.01., in denen auch Sie, verehrter Herr Kollege Scherer, mit diesem Vorwurf zitiert werden. Ich bin der Auffassung, dass es gerade einen „guten Chef“ ausmacht, dass er nicht zu tolerierendes Fehlverhalten einzelner Mitarbeiter, also hier der betreffenden Bediensteten, benennt und darauf in der gebotenen Weise mit Konsequenzen reagiert.
Denn damit stellt er sich doch schützend vor alle anderen Bediensteten, die 365 Tage im Jahr eine hervorragende, aufopferungsvolle Arbeit in den Thüringer Justizvollzugsanstalten leisten,
wofür ich diesen Bediensteten an dieser Stelle sehr herzlich danken möchte. Ich denke, ich tue dies auch im Namen der Mehrheit der Abgeordneten dieses Hauses.
Im Übrigen frage ich mich, wie sich der Minister nach Ansicht dieser Kritiker hinter die Bediensteten stellen soll, die schwerwiegendes Fehlverhalten zu verantworten haben. Hätte er das menschliche Fehlverhalten etwa verschweigen und stattdessen in der Öffentlichkeit von angeblich ordnungsgemäßen Abläufen in den Einrichtungen berichten sollen? Allein diese Vorstellung ist doch absurd!
Und noch ein Vorwurf steht im Raum, nämlich dass die Sicherheit im Thüringer Strafvollzug von RotRot-Grün stiefmütterlich behandelt würde. Das vermag ich nicht zu erkennen. Gerade die Sicherheit hat für uns einen hohen Stellenwert. Erinnern Sie sich: Wir haben gestern den Haushalt beschlossen, der unter anderem ein Sicherheitspaket für den Strafvollzug im Umfang von rund 4 Millionen Euro beinhaltet. Im Gegensatz dazu haben Sie sich, Herr Kollege Scherer, für eine Mittelkürzung ausgesprochen. Was soll ich dazu noch sagen?
Ich kann auch nichts mehr dazu sagen, denn meine Redezeit ist abgelaufen. Danke schön.
Adams, Dirk; Becker, Dagmar; Berninger, Sabine; Blechschmidt, André; Bühl, Andreas; Carius, Christian; Dittes, Steffen; Emde, Volker; Engel, Kati; Fiedler, Wolfgang; Floßmann, Kristin; Geibert, Jörg; Gentele, Siegfried; Grob, Manfred; Gruhner, Stefan; Hande, Ronald; Dr. Hartung, Thomas; Harzer, Steffen; Hausold, Dieter; Helmerich, Oskar; Henfling, Madeleine; Henke, Jörg; Hennig-Wellsow, Susanne; Herold, Corinna; Herrgott, Christian; Hey, Matthias; Heym, Michael; Höcke, Björn; Holbe, Gudrun; Holzapfel, Elke; Huster, Mike; Jung, Margit; Kalich, Ralf; Kellner, Jörg; Kießling, Olaf; Kobelt, Roberto; König-Preuss, Katharina; Korschewsky, Knut; Kowalleck, Maik; Kräuter, Rainer; Krumpe, Jens; Kubitzki, Jörg; Kummer, Tilo; Kuschel, Frank; Lehmann, Annette; Lehmann, Diana; Leukefeld, Ina;
Adams, Dirk; Becker, Dagmar; Berninger, Sabine; Blechschmidt, André; Bühl, Andreas; Carius, Christian; Dittes, Steffen; Emde, Volker; Engel, Kati; Fiedler, Wolfgang; Floßmann, Kristin; Geibert, Jörg; Gentele, Siegfried; Grob, Manfred; Gruhner, Stefan; Hande, Ronald; Dr. Hartung, Thomas; Harzer, Steffen; Hausold, Dieter; Helmerich, Oskar; Henfling, Madeleine; Henke, Jörg; Hennig-Wellsow, Susan
ne; Herold, Corinna; Herrgott, Christian; Hey, Matthias; Heym, Michael; Höcke, Björn; Holbe, Gudrun; Holzapfel, Elke; Huster, Mike; Jung, Margit; Kalich, Ralf; Kellner, Jörg; Kießling, Olaf; Kobelt, Roberto; König-Preuss, Katharina; Korschewsky, Knut; Kowalleck, Maik; Kräuter, Rainer; Krumpe, Jens; Kubitzki, Jörg; Kummer, Tilo; Kuschel, Frank; Lehmann, Annette; Lehmann, Diana; Leukefeld, Ina;
Sehr geehrter Herr Präsident, sehr verehrte Kolleginnen und Kollegen, liebe Gäste! Der vorliegende Antrag der CDU-Fraktion hat mich sehr befremdet.
Ein Minister soll unverzüglich aus seinem Amt entlassen werden. Das ist eine schwerwiegende Forderung, für die man wohl eine fundierte Begrün
dung erwarten dürfte. Was sich in der vorliegenden Begründung allerdings findet, basiert auf Behauptungen, Unterstellungen, Vermutungen.
Da ist etwa die Rede von „mangelndem Problembewusstsein“, von „Nachlässigkeit“, von „Missachtung parlamentarischer Informationsansprüche“, ohne auszuführen, welche konkreten Ministerpflichten angeblich verletzt wurden, welches Verhalten nachlässig gewesen sein soll bzw. was konkret von Herrn Minister Lauinger erwartet wurde. Was bitte soll man mit diesen lapidaren Aussagen anfangen? Ebenso wenig erschließt sich, welches vermeintliche Fehlverhalten sich hinter dem Vorwurf des „dilettantische[n] Umgangs mit schwerwiegenden Angelegenheiten“ verbergen soll. Nehmen wir den „gut organisierten Drogenring“ in der JVA Tonna, insoweit stellt sich zunächst die Frage, woraus die Antragstellerin die Erkenntnis schöpft, dass es in der JVA Tonna den behaupteten gut organisierten Drogenring gibt. Nach den vorliegenden Pressemitteilungen muss man davon ausgehen, dass Quelle dieses Wissens eine Fernsehberichterstattung ist, in der – medial eindrucksvoll in Szene gesetzt – in der Sache beteiligte Personen über die Drogenproblematik in der JVA Tonna aus ihrer persönlichen subjektiven Wahrnehmung heraus sprechen und Bezug auf sogenannte Ermittler genommen wird, deren Identität völlig im Dunkeln liegt. Solche nicht überprüfbaren Informationen als Tatsachen zu unterstellen und daraus der Öffentlichkeit einen gut organisierten Drogenring, ja sogar ein „Drogenkartell“, wie es in der Pressemitteilung heißt, zu präsentieren, das ist abenteuerlich, ich möchte schon sagen vermessen.
Bleiben wir doch bei den Fakten: Dass es in der JVA Tonna – und auch nicht nur in dieser JVA – Drogenprobleme gibt, ist seit Langem bekannt. Herr Minister Lauinger hat dazu in den Sitzungen des Justizausschusses am 09.12.2016 sowie am 20.01.2017 ausführlich berichtet. Dabei informierte er auch über die Maßnahmen, die zur Eindämmung des Drogenkonsums im Thüringer Strafvollzug und speziell zur Prävention ergriffen wurden. Die Details hierzu sind in den Protokollen der Ausschusssitzungen nachlesbar. Zudem empfehle ich als Lektüre die Antwort vom 23.12.2015 auf die Große Anfrage der CDU.
Was die staatsanwaltlichen Ermittlungen zu Drogenvorfällen in der JVA Tonna anbelangt, vermag ich kein Informationsdefizit vonseiten des Justizministeriums zu erkennen, denn Ermittlungsverfahren sind bekanntlich vertraulich zu behandeln. Diese Vertraulichkeit ist notwendig, um ein faires Verfahren sicherzustellen, um einerseits die Persönlich
keitsrechte von Beschuldigten und Zeugen zu gewährleisten und andererseits den Ermittlungserfolg nicht zu gefährden.
Dies ist ein unabdingbares Gebot der Rechtsstaatlichkeit, über das sich auch Minister und Abgeordnete nicht hinwegsetzen dürfen. Gerade in dem sensiblen Bereich des Strafvollzugs verbietet es sich, Ermittlungen vor ihrem Abschluss öffentlich zu machen. In gleicher Weise verbietet es sich aber auch, aufgrund einzelner Vorfälle in spekulativer Weise das Ermittlungsergebnis quasi vorwegzunehmen und damit die öffentliche Meinung zu manipulieren.
Also was ist daran dilettantisch, wenn sich ein Minister an rechtsstaatliche Gebote hält? Lassen Sie uns den Abschluss der staatsanwaltschaftlichen Ermittlungen abwarten, dann wird sich zeigen, ob und gegebenenfalls in welchem Umfang Strukturen des organisierten Drogenhandels in der JVA Tonna bestanden oder gar noch bestehen und welche Abwehrmaßnahmen geboten sind.
Zum Ausbruch eines hochgefährlichen Straftäters aus der Justizvollzugsanstalt Suhl-Goldlauter: Über diesen Vorfall hat der Justizminister in der Sitzung des Justizausschusses am 27.10.2017 ausführlich berichtet. Und falls Sie sich in dieser Angelegenheit dennoch nicht ausreichend informiert fühlen sollten, erlaube ich mir, auf eine Sitzung des Justizausschusses vom 14.02.2008 zu verweisen. Ein Vertreter des damals CDU-geführten Justizministeriums führte zu einer ähnlichen Problematik aus, dass die Nichtrückkehr eines Strafgefangenen aus einem ihm gewährten Hafturlaub kein Gegenstand sei, über den die Landesregierung den Ausschuss unterrichten würde. Zudem beklagte er in diesem Zusammenhang den reißerischen Unterton der Medien.
Hört, hört! Da hat sich ja einiges geändert seit Ihrem Umzug in die Opposition. Ein Schelm, wer Böses dabei denkt!
Zurück zu Ihrem Antrag: Sie sind also der Meinung, dass Herr Minister Lauinger den Herausforderungen seines Amtes nicht gewachsen sei, weil es in Thüringer Justizvollzugsanstalten eine Drogenproblematik gibt und weil ein Untersuchungsgefangener entflohen ist.
Lassen Sie uns doch einmal einen Blick in die Vergangenheit werfen: Lieber Herr Kollege Geibert, als ehemaliger Abteilungsleiter Strafvollzug des TJM werden Sie mir sicher zustimmen, dass Ausbrüche aus Justizvollzugsanstalten und Drogenprobleme in Haftanstalten nichts ganz und gar Ungewöhnliches sind und gewiss
gut, warten Sie es ab, ich werde dazu noch etwas sagen – nicht von Nachlässigkeit und fehlender Kompetenz des jeweils amtierenden Justizministers zeugen. Ich möchte dazu an Ausbruchsfälle aus der Zeit erinnern, als das Thüringer Justizministerium von der CDU geführt wurde – ja, jetzt kommt’s –: Im Jahr 2000 brach ein Häftling aus der Justizvollzugsanstalt Gotha aus, ein weiterer entwich im selben Jahr aus der Justizvollzugsanstalt Goldlauter, zwei weitere im Jahr 2006 aus dem Maßregelvollzug in Mühlhausen. Die Aufzählung ließe sich fortsetzen; ich nehme insoweit Bezug auf die Antwort auf die Kleine Anfrage des Abgeordneten Nothnagel vom 09.01.2008, da finden Sie eine schöne Liste.
Und was die Problematik des Drogenkonsums in Haftanstalten anbelangt, möchte ich nur beispielhaft an den tragischen Tod eines Häftlings in der JVA Hohenleuben wegen unbekannter Drogenproblematik im Jahr 2006 erinnern. Vonseiten des damals CDU-geführten Justizministeriums wurde dazu ausgeführt, dass es trotz aller Kontrollen immer wieder solche Fälle und auch immer wieder Bedienstete geben werde, die sich in dieses Geschäft einbinden ließen, dass es eine drogenfreie Anstalt weder in Thüringen noch in ganz Deutschland gebe und dass es vermessen wäre, wenn man behaupten würde, dass eine Justizvollzugsanstalt, in der natürlich auch ein hoher Anteil von Betäubungsmittelabhängigen inhaftiert sei, drogenfrei wäre.
In Anbetracht des vorliegenden Antrags müsste man meinen, dass die damaligen Justizminister wegen dieser Vorfälle ihren Hut nehmen mussten. Aber mitnichten! Auf solch eine absurde Idee ist damals niemand gekommen.
Woher kommt aber dieser Gesinnungswandel? Ich denke, Ausführungen hierzu kann ich mir ersparen.
Lassen Sie mich nun auf die Vorwürfe zum Verhalten des Ministers in der Angelegenheit der Prüfungsbefreiung seines Sohnes eingehen oder – besser gesagt – nicht eingehen. Denn es ist ein Unding zu verlangen, dass sich das Plenum mit Fragestellungen befasst, die Gegenstand der Ermittlungen eines Untersuchungsausschusses sind.
Diesen Untersuchungsausschuss 6/3 haben Sie, liebe CDU-Fraktion, selbst initiiert. Nun sollten Sie sich auch an dessen Regeln halten,
und diese besagen, dass sich die Mitglieder und Ersatzmitglieder bis zum Vorliegen eines schriftlichen Berichts über die Ergebnisse der Untersuchung einer öffentlichen Beweiswürdigung zu enthalten haben. Also warten Sie ab, bis die Ergebnisse dieses Untersuchungsausschusses vorliegen, bevor Sie das Verhalten des Ministers Lauinger in dieser Angelegenheit bewerten! Das gebieten nicht nur die Vorgaben des Untersuchungsausschussgesetzes, sondern auch der Respekt vor der Arbeit des Untersuchungsausschusses,
in dem Sie selbst an der Aufklärung der von Ihnen thematisierten Fragen mitwirken. Bedauerlich ist, dass Sie sich mit Ihrem Antrag nicht nur durch die versuchte Umgehung des Untersuchungsausschusses, sondern auch durch Missachtung des Justizausschusses über grundlegende parlamentarische Regeln und Gepflogenheiten hinwegsetzen.
Denn der Justizausschuss ist das zuständige Gremium für die begehrten Berichterstattungen, Aufklärungen und damit einhergehenden Sachdiskussionen. Weshalb Sie keine Sondersitzung des Justizausschusses zur Klärung der im vorliegenden Antrag angesprochenen Fragen beantragt und keine Sachanträge, etwa zum Justizvollzug, gestellt haben, erschließt sich jedenfalls nicht.
Damit verdichtet sich allerdings der Eindruck, dass es Ihnen tatsächlich nicht um Sachaufklärung geht, sondern um eine gezielte Kampagne gegen die Person des Ministers Lauinger.
Das empfinde ich als ungehörig und geschmacklos und ich möchte an Sie appellieren, zur Sachlichkeit zurückzukehren.
Zum Schluss noch ein Satz zum Alternativantrag der AfD – und ich sage wirklich nur einen Satz –: Dieser Antrag ist derart abwegig und unsubstanziiert, dass sich jegliche Kommentierung erübrigt. Danke schön.
Sehr geehrter Herr Präsident, meine sehr geehrten Damen und Herren, ich kann zunächst den Eindruck teilen, dass ich dies auch für eine nicht gewöhnliche Aktuelle Stunde halte. Nicht gerade für eine komische, sondern für eine außergewöhnliche, denn es wird hier beantragt, über Vorfälle in Justizvollzugsanstalten zu sprechen, zu diskutieren. Aber was es für Vorfälle sind, wird in dem Antrag selbst nicht benannt. Es geht allgemein um Vorfälle, ohne zu sagen, in welcher Justizvollzugsanstalt was passiert sein soll. Das haben Sie zwar nun in Ihren einleitenden Bemerkungen klargestellt, aber dennoch gibt es keinen dringenden Anlass für eine öffentliche Debatte hierüber – jedenfalls nicht mit der Begründung, die Sie anführen. Denn Ihre Behauptung – und darauf hat Frau Rothe-Beinlich schon hingewiesen –, dass das Thema im zuständigen Ausschuss nicht behandelt worden sei, ist schlichtweg falsch.
Sämtliche – und ich betone: sämtliche – bekannt gewordenen Vorfälle in Thüringer Justizvollzugsanstalten sind im Justizausschuss erörtert worden, was Ihnen, Herr Brandner, als Ausschussvorsitzendem eigentlich auch nicht entgangen sein dürfte. Sie werden sich erinnern – und darauf hat Frau Walsmann hingewiesen –, dass es am 9. Dezember 2016 eine Sondersitzung des Ausschusses für Migration, Justiz und Verbraucherschutz auf Antrag der CDU-Fraktion zu zwei aktuellen Vorfällen in den Justizvollzugsanstalten Tonna und Goldlauter gab. Das Ministerium erstattete hierzu ausführlich Bericht; das können Sie im Protokoll nachlesen. Erinnern möchte ich zudem an die letzte Sitzung des Ausschusses vom 20.01.2017 – dazu hat auch Frau Rothe-Beinlich schon ausführlich vorgetragen. Ich möchte gleichwohl einige Punkte nochmals vertiefend darstellen: Auch in dieser Ausschusssitzung war das Thema in zwei Tagesordnungspunkten Gegenstand ausführlicher und aktueller Berichte des Justizministers. Ich möchte inhaltlich nicht darauf eingehen – das ergibt sich alles aus dem Protokoll –, unter anderem aber auch deshalb, weil zum Teil Vertraulichkeit vereinbart ist, und daran halten wir uns.
Verweisen möchte ich aber auch darauf, dass die Situation im Thüringer Strafvollzug sowohl im Ministerium als auch im Ausschuss ständig im Blick ist und man sich deshalb – auch daran sollten Sie sich erinnern, Herr Brandner – darauf verständigt hat, dass das Thema durch das Ministerium unaufgefordert wieder aufgegriffen wird, wenn sich neue Erkenntnisse ergeben oder neue Einzelfälle zu berichten sind. Auch das dürfte Ihnen nicht entgangen sein. Richtig ist, dass in der letzten Ausschusssitzung ein Tagesordnungspunkt nicht behandelt wurde; darauf wurde auch schon eingegangen. Der entsprechende Antrag wurde deshalb nicht behandelt, weil er keine Mehrheit der anwesenden Mitglieder gemäß § 74 Abs. 2 Satz 1 der Geschäftsordnung des Thüringer Landtags erhielt.
Gleichwohl – und das will ich hier noch mal betonen – ist der Justizminister im Ausschuss an anderer Stelle, nämlich in seinem Bericht zum Tagesordnungspunkt 5, explizit auf die angesprochenen Vorkommnisse in der Jugendstrafanstalt Arnstadt eingegangen, mit dem speziellen Hinweis, dass er dies gerade deshalb tut, weil der eigene Tagesordnungspunkt hierzu aus den genannten Gründen nicht behandelt wurde.
Es wäre sehr traurig, wenn Sie sich nicht daran erinnern könnten, dass wir im Ausschuss über die Kontrollen zum Auffinden von Drogen bei Gefangenen, über den Einsatz von Drogenhunden – das hatten wir auch schon mal erwähnt –, über die Problematik von Überwürfen, über die Telefonate der Gefangenen, über Kamerakontrollen, über die Einhaltung der Besuchsordnung, ja sogar über das letzte Candle-Light-Dinner in der Jugendstrafanstalt Arnstadt gesprochen haben. Davon, dass den von Ihnen mit Ihrem Antrag zur Sprache gebrachten Vorkommnissen in der Jugendstrafanstalt Arnstadt keine Aufmerksamkeit entgegengebracht wurde, kann daher überhaupt nicht die Rede sein. Sie versuchen hier – wie so oft – mit unwahren Behauptungen wieder einmal ein völlig falsches Bild zu vermitteln und Unsicherheit zu schüren.
Im Übrigen – und auch da kann ich nur meinen Vorrednerinnen zustimmen – ist eine Aktuelle Stunde nun wahrlich nicht der richtige Ort, um, wie Sie es sich wünschen, in Thüringer Justizvollzugsanstalten – ich zitiere aus Ihrem Antrag – „Verstöße aufzudecken und zu beseitigen“. Hierfür sind parlamentarische Anfragen und Anträge im Plenum der geeignete und richtige Weg, sofern Sie sich in dem von Ihnen selbst geleiteten Ausschuss nicht ausreichend informiert fühlen.
Der noch folgende Bericht der Landesregierung wird belegen, dass die Vorkommnisse in Thüringer Justizvollzugsanstalten sehr ernst genommen und alle notwendigen und geeigneten Maßnahmen zur Abhilfe und Prophylaxe geschaffen werden.
Es hat immer Vorkommnisse in Justizvollzugsanstalten gegeben und es wird sie auch künftig geben, so wie es eine absolute Sicherheit nicht gibt. Entscheidend ist, dass entsprechend auf die Vorfälle reagiert wird. Das hat die Landesregierung getan, und dazu wird sie noch weiter ausführen. Vielen Dank.
Adams, Dirk; Becker, Dagmar; Berninger, Sabine; Blechschmidt, André; Brandner, Stephan; Bühl, Andreas; Carius, Christian; Dittes, Steffen; Emde, Volker; Engel, Kati; Fiedler, Wolfgang; Floßmann, Kristin; Geibert, Jörg; Gentele, Siegfried; Grob, Manfred; Gruhner, Stefan; Hande, Ronald; Harzer, Steffen; Hausold, Dieter; Helmerich, Oskar; Henfling, Madeleine; Henke, Jörg; Hennig-Wellsow, Susanne; Herold, Corinna; Herrgott, Christian; Hey, Matthias; Heym, Michael; Höcke, Björn; Höhn, Uwe; Holbe, Gudrun; Holzapfel, Elke; Huster, Mike; Jung, Margit; Kalich, Ralf; Kellner, Jörg; Kießling, Olaf; Kobelt, Roberto; König, Katharina; Korschewsky, Knut; Kowalleck, Maik; Kräuter, Rainer; Krumpe, Jens; Kubitzki, Jörg; Kummer, Tilo; Kuschel, Frank;
Sehr geehrte Frau Präsidentin, meine Damen und Herren, nach den Ausführungen meiner Vorrednerin muss man den Eindruck gewinnen, dass mit dem vorliegenden Gesetzentwurf die Thüringer Justiz erheblich geschädigt, geschwächt, ja geradezu in den Abgrund getrieben wird.
Sie werden sicher nicht überrascht sein, sehr verehrte Frau Kollegin Walsmann, dass ich diese Auffassung nicht teile.
Die Umstellung des juristischen Referendariats vom Beamtenverhältnis in ein öffentlich-rechtliches Ausbildungsverhältnis ist grundsätzlich notwendig und sinnvoll. Diesen Systemwechsel, der in allen anderen Bundesländern bereits vollzogen ist, hat der Thüringer Rechnungshof bereits seit Jahren angemahnt und auch im Rahmen der durchgeführten Anhörung erneut befürwortet. Rechtliche Gründe, die einer solchen Statusänderung entgegenstehen könnten, sind nicht ersichtlich. Die Auswirkungen, die sich nach dem Gesetzentwurf für den Systemwechsel ergeben, wurden von meiner Vorrednerin leider etwas einseitig dargestellt und bewertet.
Hervorzuheben ist nämlich zunächst, dass der Wechsel in ein öffentlich-rechtliches Ausbildungsverhältnis mit sozialen Verbesserungen für die künftigen Rechtsreferendare verbunden ist. Diese wurden auch im Rahmen der Anhörung durchaus positiv bewertet. Durch ihre Einbeziehung in die gesetzliche Sozialversicherung erwerben alle Rechtsreferendare – und ich betone alle – künftig Ansprüche auf Arbeitslosengeld I,
wenn sie keine Anschlussbeschäftigung finden. Nach der bisherigen Rechtslage konnte allenfalls Arbeitslosengeld II – das sogenannte Hartz IV – in Anspruch genommen werden, was allerdings aufgrund der strengen Bedürftigkeitsprüfung nicht für alle Betroffenen gleichermaßen zutraf. In meinem Redebeitrag zur ersten Lesung des Gesetzentwurfs bin ich darauf schon näher eingegangen. Die
Kehrseite der Medaille ist allerdings, dass mit der Statusänderung der Rechtsreferendare ein verringertes Einkommen einhergeht. Auch wenn in anderen Bundesländern, die diesen Wechsel vollzogen haben, in gleicher Weise verfahren wurde und zum Teil noch gravierendere Senkungen der Bezüge vorgenommen wurden, gibt es Bedenken, auf die ich bereits in der ersten Lesung zu dem ursprünglichen Gesetzentwurf hingewiesen habe.
Mit dem vorliegenden Änderungsantrag wird diesen Bedenken, die auch in der Ausschussanhörung benannt wurden, zumindest teilweise Rechnung getragen, indem zusätzlich zu der vorgesehenen Unterhaltsbeihilfe Kinderzuschläge vorgesehen sind und die Unterhaltsbeihilfe selbst als Mindestbetrag ausgestaltet ist. Ob mit dieser Nachbesserung des ursprünglichen Gesetzentwurfs die durchaus ernst zu nehmende Gefahr gebannt ist, dass durch die Absenkung der Referendarvergütung Hartz IV-Aufstocker „produziert“ werden, ist heute noch nicht absehbar, sollte aber im Auge behalten werden. Jedenfalls müssen die vorgesehenen Vergütungsregelungen nicht zwangsläufig bedeuten, dass das künftige Einkommen der Rechtsreferendare nicht auskömmlich ist. Thüringen liegt mit einem Betrag von 1.100 Euro Unterhaltsbeihilfe im Mittelfeld der deutschen Bundesländer. Selbst aus den Bundesländern, die geringere Beträge zahlen, gibt es keine Meldungen etwa darüber, dass Rechtsreferendare dort in gravierender Weise in wirtschaftliche oder soziale Bedrängnis geraten.
Im Jahr 2014 wurde unter Rechtsreferendaren in Berlin eine Befragung durchgeführt, also dort, wo mit 1.008 Euro eine geringere Vergütung als in Thüringen gezahlt wird. Im Ergebnis dieser Befragung, die sich im Wesentlichen auf die soziale Lebenssituation der Rechtsreferendare und die Auskömmlichkeit ihrer Vergütung bezog, offenbarten sich keine besorgniserregenden Defizite. Zwar verbietet sich ein unmittelbarer Vergleich mit der Thüringer Situation der Rechtsreferendare, gleichwohl lässt sich aus meiner Sicht aus den überwiegend mehrjährigen Erfahrungen anderer Bundesländer mit dem Modell des öffentlich-rechtlichen Ausbildungsverhältnisses durchaus ableiten, dass die Thüringer Rechtsreferendare künftig nicht zwangsläufig in eine prekäre Lage und wirtschaftliche Nöte geraten werden.
Nicht nachvollziehbar ist das Argument, Thüringen verzichte mit der Umstellung des Referendarstatus und der Absenkung der Vergütung auf einen Wettbewerbsvorteil bei der frühzeitigen Gewinnung qualifizierten juristischen Nachwuchses. Wenn dem nämlich so wäre, dann unterstellte man erstens, dass diejenigen Juristen aus anderen Bundesländern, die in Thüringen ihr Referendariat absolvieren wollen, dies allein wegen des Geldes und des Beamtenstatus tun, zweitens, dass darunter dann auch überwiegend gute Juristen mit Bestnoten sind,
kurzum, dass gute Juristen nur des Geldes und des Beamtenstatus wegen nach Thüringen zur Referendarausbildung kommen, und drittens, dass unter den durch ein Jurastudium in Jena bereits in Thüringen verwurzelten Referendaren keine oder zu wenige gute Juristen sind, die künftig in der Thüringer Justiz Verwendung finden könnten. Diese Thesen halte ich für abenteuerlich,
denn die Realität spricht eine andere Sprache. Zum einen sind bislang nur sehr wenige Referendare aus anderen Bundesländern zur Ausbildung nach Thüringen gekommen, zum anderen gab es in Thüringen bisher keine ausreichenden Stellen im Beamtenstatus für Absolventen mit Bestnoten, die man hier überhaupt hätte halten können. Wenn sich Letzteres auch in den nächsten Jahren ändern wird, so stellt sich doch die Frage, was dagegen spricht, durch bundesweite Stellenausschreibungen kommende Juristengenerationen auch aus anderen Bundesländern anzuwerben und nicht ausschließlich aus den in Thüringen ausgebildeten Juristen zu rekrutieren. Entscheidend dafür, ob es „kluge Juristenköpfe“ mit Prädikatsexamina nach Thüringen zieht, sind doch letztlich die Stellenangebote und deren Attraktivität nach der Referendarausbildung, nicht aber die Attraktivität der Ausbildung in Thüringen selbst.
Schließlich zeigen Erfahrungen, dass die Auswahl des Bundeslands für den juristischen Vorbereitungsdienst gerade nicht vordergründig von der Höhe der Vergütung und/oder dem Beamtenstatus abhängig gemacht wird. Das lässt sich schon allein an den Wartezeiten für Referendarplätze erkennen. In Thüringen wurde bislang die höchste Referendarvergütung im gesamten Bundesgebiet gezahlt und dennoch gab und gibt es für angehende Referendare keine Wartezeiten. Für Hamburg und Berlin hingegen, wo das öffentlich-rechtliche Ausbildungsverhältnis längst eingeführt und die Vergütung niedriger als in Thüringen ist, gibt es Wartelisten mit erheblichen Wartezeiten. Die Attraktivität der Ausbildung ist also ganz offenkundig an anderen Kriterien zu messen. Die heraufbeschworene Gefahr, dass Thüringen durch die Gesetzesänderung einen Wettbewerbsvorteil bei der Gewinnung gut ausgebildeter Juristen verliere, ist für mich daher auch nicht ansatzweise gegeben.
Mein Resümee: Der vorliegende Gesetzentwurf, da verrate ich kein Geheimnis, ist ein Kompromiss. Und Kompromisse leben bekanntlich von Zugeständnissen, die sich im Bereich des Vertretbaren bewegen. So ist es auch hier. Die Vor- und Nachteile der gesetzlichen Neuregelung dürften sich in etwa die Waage halten und sind daher insgesamt
vertretbar. Dennoch nimmt meine Fraktion die bereits in der ersten Lesung dargestellten Bedenken und auch die im Rahmen der Anhörung vorgebrachten Vorbehalte in Bezug auf die vorgesehene verminderte Vergütungshöhe sehr ernst. Wir werden im Blick behalten, ob sich die wirtschaftliche Situation der Rechtsreferendare verändert, ob die Referendare künftig ergänzende Sozialleistungen in Anspruch nehmen müssen, ob es zu einem gravierenden Anstieg von Nebentätigkeiten kommt und ob bzw. gegebenenfalls wie sich dies auf die Examensergebnisse auswirkt. Sollte sich Nachbesserungsbedarf zeigen, wird der Mindestbetrag der Vergütung kritisch zu hinterfragen und gegebenenfalls nachzubessern sein. Mit dem Ihnen vorliegenden Änderungsantrag werden hierfür die entsprechenden Rahmenbedingungen geschaffen. Vielen Dank.
Sehr geehrte Frau Präsidentin, sehr geehrte Damen und Herren Abgeordnete, sehr geehrte Gäste! „Liebe deinen Nachbarn, aber reiße den Zaun nicht ein!“, diese Volksweisheit beschreibt den neuralgischen Punkt, um den es im Nachbarrecht im Wesentlichen geht, um die Grundstücksgrenze, um deren Sicherung, um deren Unantastbarkeit, denn Grundstücksgrenzen markieren Eigentum und Eigentum steht unter verfassungsrechtlichem Schutz.
Auch der heute in zweiter Lesung behandelte Gesetzentwurf zur Änderung des Thüringer Nachbarrechtsgesetzes beinhaltet in seinem Kern diese Thematik – das wurde schon angesprochen –, nämlich in Gestalt des neu vorgesehenen § 14 a, der das nachbarliche Duldungsrecht für Überbau durch Wärmedämmungsmaßnahmen gesetzlich begründet. Dass und weshalb diese Regelung aus wirtschaftlicher und ökologischer Sicht sinnvoll und aus rechtlicher Sicht zulässig ist, hatte ich bereits während der ersten Lesung zu diesem Gesetzentwurf ausgeführt. Darauf möchte ich jetzt nicht noch einmal eingehen.
Wie aber stehen die Betroffenen zu dieser neuen Duldungspflicht, diejenigen, die die Regelung künftig anzuwenden haben, sowie die Eigentümer diesseits und jenseits der Grundstücksgrenzen? Eine dazu durchgeführte Anhörung gibt darüber Aufschluss. Die eingegangenen Stellungnahmen aus Justiz, von berufsständischen Kammern, Vereinen, Verbänden – Frau Berninger hat sie im einzelnen aufgeführt – reichen von vorbehaltloser Zustimmung über vorsichtige Skepsis bis hin zu konkreten Bedenken und auch die Sorge um mögliches neues Konfliktpotenzial.
Erfreulich aber ist, dass die Neuregelung in allen vorliegenden Stellungnahmen grundsätzlich begrüßt wird. Die vorgebrachten Bedenken ranken sich vor allem um die Frage, ob der Eingriff in das Eigentumsrecht, wie er sich in der Duldungspflicht
nach § 14 a manifestiert, durch die Wahrung des Verhältnismäßigkeitsprinzips gedeckt ist. Mit anderen Worten: Dahinter verbirgt sich die Frage, ob denn diese Vorschrift einen ausreichenden rechtlichen Rahmen für eine angemessene Interessenabwägung der beteiligten Grundstücksnachbarn bietet. Im Gegensatz zu Herrn Scherer habe ich daran keine Zweifel. Denn die Regelung führt die Anforderungen an die Wahrung des Verhältnismäßigkeitsprinzips ganz konkret im Detail auf. Danach besteht eben eine Duldungspflicht, dann und nur dann, wenn
1. die zum Überbau führende Wärmedämmung als solche geeignet ist – was unter anderem schon Gegenstand der vorab durchzuführenden öffentlichrechtlichen Zulässigkeitsprüfung ist –,
2. die Maßnahme als solche erforderlich ist, also kein milderes Mittel zur Verfügung steht,
das die Inanspruchnahme des Nachbargrundstücks entbehrlich macht, insbesondere eine Innendämmung nicht möglich ist und
3. die Anbringung der Wärmedämmung in einem ausgewogenen Verhältnis zur Nutzung fremden Eigentums steht, was Gegenstand der hier schon erwähnten Wesentlichkeitsprüfung ist.
Diese Voraussetzungen für die Begründung einer Duldungspflicht sind hoch. So ist schon allein der Nachweis schwierig, dass es im konkreten Fall keine anderen Wärmedämmungsmaßnahmen gibt, die den Grundstücksnachbarn nicht belasten. Jedenfalls hat etwa die Handwerkskammer Erfurt in ihrer Stellungnahme darauf hingewiesen, dass es nach dem heutigen Stand der Technik schon in zahlreichen Fällen vernünftige Alternativen für effektive Innendämmungen gibt und mehr noch in Zukunft geben wird. Eine Gefahr, dass diese Neuregelung des Nachbarrechtsgesetzes eine Flut von Streitfällen und Gerichtsverfahren auslösen wird, ist daher nicht zu befürchten.
Die in die Diskussion eingebrachte Auffassung, die festgelegte Wesentlichkeitsgrenze für die Inanspruchnahme des Nachbargrundstücks – jetzt komme ich zu Ihrem Einwand, Herr Scherer – sei mit 25 Zentimetern zu weit und zu starr bemessen und eröffne keinen Spielraum für eine Interessenabwägung, teile ich nicht. Zum einen stehen diese 25 Zentimeter im Einklang mit den öffentlich-rechtlichen Vorgaben des Bauordnungsrechts und zum anderen entspricht diese Zahl den technischen und ökologischen Standards für Wärmedämmungsmaßnahmen. Im Übrigen – und das ist das Entscheidende – ist dieses Maß von 25 Zentimetern als Obergrenze im Rahmen der Wesentlichkeitsprüfung zu verstehen, sodass im konkreten Fall eben auch schon 15 oder 20 Zentimeter eines Überbaus eine wesentliche Beeinträchtigung sein können und
damit eine Duldungspflicht ausschließen. Was wesentlich im Sinne von § 14 Abs. 1 Ziffer 3 ist, bestimmt sich im Übrigen nicht allein an der Tiefe des Überbaus, sondern an einer Vielzahl von Kriterien, die im Rahmen einer Interessenabwägung zu prüfen sind. Dass § 14 a hierfür keinen ausreichenden Spielraum bietet, ist weder zu erkennen noch zu befürchten. Denn die Rechtsprechung hat für das Nachbarrecht das Rechtsinstitut des nachbarlichen Gemeinschaftsverhältnisses entwickelt, das für nachbarliche Interessenkonflikte stets – ich betone es nochmals –, stets einen nachbarlichen Interessenausgleich, eine Güterabwägung als Beurteilungsmaßstab verlangt, auch und vor allem dann, wenn eine Regelung des Nachbarrechts keinen entsprechenden Hinweis darauf enthält. Dies gilt insbesondere auch für § 14 a Abs. 4, der einen Beseitigungsanspruch für duldungsverpflichtete Grundstücksnachbarn vorsieht.
Der Gesetzentwurf sieht weitere Änderungen vor, die ich nur am Rande erwähnen möchte, da sie teils lediglich redaktionelle Änderungen, teils rein technische Anpassungsregelungen an andere Vorschriften beinhalten. Eingehen möchte ich allerdings noch auf die vorgesehenen Änderungen zu § 46 des Nachbarrechtsgesetzes. Hier geht es um die Grenzabstände für Bepflanzungen an öffentlichen Verkehrsflächen. Der Gesetzentwurf sah ursprünglich vor, dass im nachbarlichen Verhältnis zwischen Straßeneigentümern und Anliegern bei Bepflanzungen beiderseits keine Grenzabstände einzuhalten sind. Zu Recht wurden im Rahmen der Anhörung Bedenken vorgebracht, dass sich bei einer solchen Regelung das Konfliktpotenzial zwischen Anliegern und Straßeneigentümern unnötig erhöht, weil die Straßeneigentümer in der Regel auch die Träger der Straßenbaulast sind und für Gefahrenabwehr Sorge zu tragen haben, für Gefahren, die etwa von übergreifenden Wurzeln oder Ästen oder übermäßigem Blattwerk ausgehen können, verursacht von Pflanzen, die zu nah am öffentlichen Verkehrsraum stehen. Die Anregung, auf die insoweit vorgesehene Änderung des Nachbarrechtsgesetzes zu verzichten, ist Gegenstand des vorliegenden Änderungsantrags. Danach verbleibt es bei den nach bisherigem Recht vorgesehenen Abstandsregelungen im Verhältnis zwischen Trägern öffentlicher Straßen und den Anliegern. Weiterer Bedarf für Änderungen des in erster Lesung vorgestellten Gesetzentwurfs hat sich nach intensiver Diskussion in den Fachgremien und nach Auswertung der Anhörung nicht gezeigt. Auch sehen wir keine Notwendigkeit, die Abstandsregelungen, die Herr Scherer angesprochen hat, zwischen Grundstück und Wald zu ändern. Denn es ist die Rede von bebauten und bebaubaren Grundstücken, und ein bebaubares Grundstück kann eben auch an der Grundstücksgrenze noch bebaut werden. Und dann besteht derselbe Abstand wie in den Fällen, in denen das Grundstück bereits an einer Grundstücks
grenze bebaut ist. Es wäre also inkonsequent zu sagen, es würde keinen Sinn machen, wenn wir hier von bebauten und bebaubaren Grundstücken sprechen. Schließlich sind auch die Erfahrungen aus anderen Bundesländern, die schon vor Jahren Regelungen insbesondere zur Duldungspflicht bei Wärmedämmung eingeführt haben, in den Blick zu nehmen. Etwa hat sich die mit dem Thüringer Entwurf inhaltsgleiche Regelung in Brandenburg bewährt und keine beachtlichen neuen oder gar außergewöhnlichen Konflikte befördert. Auch die gerichtlichen Auseinandersetzungen liegen bei dieser Thematik bundesweit vornehmlich auf bauordnungsrechtlichem Gebiet und damit in der Regel bereits im Vorfeld möglicher nachbarlicher Konflikte. Jedenfalls gibt es für die Gefahr einer Zunahme nachbarlicher Streitigkeiten aufgrund der vorgesehenen Gesetzesänderungen auch daher keinerlei Anhaltspunkte. Ich werbe deshalb für Ihre Zustimmung zu den heute zur Abstimmung stehenden Änderungen des Thüringer Nachbarrechtsgesetzes. Vielen Dank.
Sehr geehrter Herr Präsident, sehr geehrte Damen und Herren! „Es kann der Frömmste nicht in Frieden leben, wenn es dem bösen Nachbarn nicht gefällt.“ Sie alle kennen dieses Sprichwort und manch einer hat diese Erfahrung auch sicher schon selbst machen müssen. Doch in den wenigsten Fällen geht es um den bösen Nachbarn, wenn es zu Streitigkeiten kommt. Meist beruhen nachbarliche Unstimmigkeiten auf Missverständnissen, auf Unkenntnis rechtlicher Vorgaben oder schlichtweg auf Unklarheit der Rechtslage.
Der vorliegende Gesetzentwurf zielt darauf ab, eine Lücke zu schließen, nämlich eine bislang unklare Rechtslage zu klären. Denn der Entwurf schreibt das Thüringer Nachbarrecht nicht einfach im Wege einer Entfristung fort, sondern er nimmt sich einer Problematik an, die sich in den letzten Jahren als konfliktträchtig gezeigt hat und die auch unsere Gerichte zunehmend beschäftigt. Es geht dabei speziell um die Frage, ob ein Grenzüberbau aufgrund von Wärmedämmungsmaßnahmen von Grundstücksnachbarn geduldet werden muss. Nach den bundesgesetzlichen Regelungen besteht ein sol
cher Duldungsanspruch in der Regel nicht bzw. nur unter engen, speziellen Voraussetzungen. Auch nach dem Thüringer Nachbarrecht besteht das Problem, dass der Grundstücksnachbar quasi ein „Vetorecht“ hat, um eine ökologisch sinnvolle Wärmedämmmaßnahme am Nachbargrundstück zu verhindern. Das heißt, er kann einem Überbau auf sein Grundstück seine Zustimmung verweigern und damit die Maßnahme undurchführbar machen.
Diese Rechtslage ist unbefriedigend. Denn die Nachrüstung gerade älterer Gebäude mit wärmedämmendem Fassadenmaterial ist ein wichtiger Beitrag zum Natur- und Klimaschutz und liegt damit im Interesse des Allgemeinwohls. Um hier Abhilfe zu schaffen, werden mit dem vorgesehenen § 14 a des Gesetzentwurfs, der überschrieben ist mit „Überbau durch Wärmedämmung“, nun im Thüringer Nachbarrecht die rechtlichen Rahmenbedingungen geschaffen, um die energetische Sanierung von Gebäuden zu fördern und damit zugleich ein wichtiges Anliegen des Koalitionsvertrags umzusetzen.