Protokoll der Sitzung vom 15.03.2000

Ich frage die Landesregierung, wie sie die künftige Entwicklung am Verkehrslandeplatz Finow einschätzt bzw. weiter unterstützt.

Herr Minister Meyer, Sie haben erneut das Wort.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Frau Tack, ich stimme mit Ihnen absolut überein, dass die aktuelle Situation am Verkehrslandeplatz Finow kritisch ist. Bereits vor drei Wochen habe ich an dieser Stelle bei der Beantwortung der Mündlichen Anfrage des Abgeordneten Bartsch darauf hingewiesen, dass die Stadt Eberswalde mit Beschluss der Stadtverordnetenversamm

lung vom 17. Februar 2000 eine neue städtische Gesellschaft gegründet hat, die für den Fall eines notwendig werdenden Halterwechsels unverzüglich als potenzieller Betreiber zur Verfügung stünde, wenngleich auch diese kommunale Gesellschaft nur als Zwischenlösung angesehen werden sollte.

Vor dem Hintergrund der mit Datum vom 7. März 2000 verfügten zeitweiligen Einstellung des Flugbetriebes am Verkehrslandeplatz Finow sind sowohl im Interesse der Region, aber auch im Interesse des Landes gegenwärtig zwei Dinge von herausragender Bedeutung: erstens der Nachweis der Schaffung der personellen und wirtschaftlichen Voraussetzungen für die Gewährleistung eines sicheren Flugbetriebes durch die Genehmigungsinhaberin - nur so kann der Flugbetrieb wieder aufgenommen werden - und zweitens der Erhalt der Betriebsgenehmigung und damit die Schaffung stabiler Bedingungen für die Entwicklung des Verkehrslandeplatzes.

Die in der Ressortabstimmung befindliche erste Fortschreibung der Luftverkehrskonzeption sieht weiter die Entwicklungsmöglichkeit hin zu einem Regionalflugplatz vor. Nicht zuletzt deshalb wäre die Landesregierung auch bereit, eine solche Entwicklung im Rahmen der geltenden Förderrichtlinien finanziell zu unterstützen. - Schönen Dank.

Herr Minister, es gibt noch Klärungsbedarf Herr Christoffers, bitte!

Ich habe zwei Nachfragen.

Erstens: Ist Ihrem Haus bekannt. ob es ein ernsthaftes „Wiederinteresse" der Flughafen Wien AG an der Entwicklung dieses Platzes, wie der Presse zu entnehmen war, gibt?

Zweitens: Herr Minister, wie ist der Stand des Genehmigungsverfahrens, das gegenwärtig trotz des Stopps der Flugrechte bzw. trotz des Flugverbotes auf dem Verkehrslandeplatz Finow läuft?

Mir sind ernsthafte Interessen der Wiener Flughafen AG bekannt. Die Interessen der Flughafen AG gehen weiter als die Interessen des Landes zur Entwicklung des Regionalflughafens. Der Antrag auf Genehmigun g. der zurzeit vorliegt und bearbeitet wird, bezieht sich auf 20-Tonnen-Strahlantrieb-Flugzeuge und 30-Tonnen-Propellerantrieb-Flugzeuge. So wird der Antrag beantwortet und -so meine ich - auch in absehbarer Zeit positiv beschieden werden.

Die mündlich vorgetragenen Nachträge des bisherigen Betreibers und der Flughafen AG, die mir nicht definitiv, sondern aus der Presse und aus übermittelten Telefongesprächen bekannt sind, die sich auf 80 Tonnen beziehen, werden mit Sicherheit so nicht in das Antragsverfahren einbezogen. - Schönen Dank.

Ich danke auch. - Wir sind damit am Ende des Tagesordnungspunktes. den ich hiermit schließe. Ich rufe den Tagesordnungspunkt 2 auf:

Aktuelle Stunde

Thema: Vorausschauende Regionalplanung durch das raumordnerische Leitbild der dezentralen Konzentration

Antrag der Fraktion der SPD

Das Wort erhält Herr Ab geordneter Dellmann von der beantragenden Fraktion. Bitte sehr!

Sehr geehrter Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Die Herstellung gleichwertiger Lebensverhältnisse in den Regionen Berlins und Brandenburgs ist nicht nur eine Forderune der Bürger, ist nicht nur eine Aufgabe unserer brandenburgischen Verfassung - nein, sie ist Aufgabe für uns alle.

Die Kernaufgabe ist, das Gefälle, das zwischen dem Randberliner Raum und den peripheren Landesteilen besteht, weitestgehend auszugleichen.

Zur Erinnerung: In Berlin und Um gebung, wenn wir es als Gesamtraum verstehen, wohnen auf 20 % der Gesamtfläche mehr als zwei Drittel der Bevölkerung - ca. 4,3 Millionen Menschen. Dagegen sind es im äußeren Bereich des Landes mit 82 % der Fläche 1,7 Millionen Menschen. Das sind etwas weniger als 30 %.

Das Gefälle in der Wirtschaft ist groß, aber auch bei den Einkommensverhältnissen. bei den Einkommensstrukturen gibt es ein deutliches Gefälle in den Raum hinein.

Politik - und damit wir als Landtagsab geordnete, als Landesregierung - hat die Aufgabe. zu steuern und entgegenzuwirken. Welche Varianten gibt es hierfür? Es gibt die Variante der zentralistischen und detaillierten Planung. Es gibt die Variante, ein freies Spiel der Kräfte des Marktes zuzulassen. und es gibt die Variante, die Entwicklung des wirtschaftlichen und sozialen Lebens über Rahmenbedingungen zu motivieren und mit anzuregen.

Berlin und Brandenburg haben sehr zeitig - bereits Anfang der 90er Jahre - erkannt, dass eine gemeinsame Planung für diesen Steuerungsprozess notwendig ist. Zu diesem Zeitpunkt wuchs das Leitbild der dezentralen Konzentration.

Die wichtigsten Elemente bei diesem Leitbild sind die differenzierte Forderung nach räumlichen Schwerpunkten, die Stärkung der regionalen Kräfte als Kern einer ausgeglichenen Raum-, Wirtschafts- und Siedlungsstruktur. vor allem auch der Verzicht auf eine einseitige Förderung der Metropole bzw. des Umlandes Berlin. und vor allen Din gen auch die Differenzierun g zwischen äußerem Entwicklungs- und engerem Verflechtungsraum.

Dabei - das will ich hier betonen - ist dieses planerische Leitbild kein Dogma. sondern es ist ein Orientierungs- und Handlungsrahmen. An diesem Konzept wurde und wird von sehr unterschiedlicher Seite immer wieder Kritik geübt. Es gibt die Forderung, das Land sollte für sehr viele Regionen einzelne Strukturkonzepte erarbeiten und diese mit begleiten. Es gibt die Forderung nach Konzentration auf den Speck gürtel. dass man sagt: Ausschließlich vom Speckgürtel Berlins sollten die Initiativen in den Raum hinaus ausstrahlen. Aber es gibt auch die Auffassung, im Speckgürtel tut sich alles von allein, und man fordert: Lasst uns ausschließlich eine Konzentration auf den ländlichen Raum vornehmen!

Wir sind der Auffassung, dass dezentrale Konzentration notwendi g ist. dass sie vor allen Dingen flexibel gehandhabt werden muss und dass es dazu keine akzeptable Alternative gibt. Aber wir dürfen die dezentrale Konzentration nicht nur auf Wirtschaftsförderung konzentrieren. Uns geht es dabei um eine differenzierte Entwicklung in den Reeionen, gerade unter dem Gesichtspunkt der knapper werdenden Ressourcen. Hierbei gilt es Kräfte zu bündeln.

Eine wichtige Frage lautet: Was wird vor gegeben und inwieweit lassen wir den Regionen Spielräume? Ich persönlich bin der Auffassung, dass es gerade darum geht. die Eigeninitiative in den Regionen zu unterstützen. Meiner Meinung nach gibt es diesbezüglich sehr viele gute Beispiele, die zeigen, wie versucht wird, regionale Kompetenzprofile zu erarbeiten und diese ausstrahlen zu lassen.

Ich nenne einige Beispiele, so den Bereich um Schwedt, die Lausitz oder Schwarzheide, wo vieles geschieht. Ich nenne auch den Versuch in Eberswalde, im Holz- und Forstbereich etwas zu tun. Zu nennen sind des Weiteren die Initiativen im Berliner Umfeld, ob es um verkehrslogistische Fragen oder um das Medienzentrum in Potsdam/Babelsberg geht.

Es geht aber auch darum. dass wir Unterstützun g bei der Herausbildung ei gener Identitäten geben. Meiner Meinung nach ist das etwas, was vor 1990 in vielen Punkten unterlassen wurde. Ein gesundes Regionalbewusstsein und eine gewisse Konkurrenz zwischen den Regionen in Brandenbur g mit der Erzielung einer Vorbildwirkung kann nur das Richtige sein.

Gerade im wirtschaftlichen Bereich stellen wir fest, dass es hinsichtlich des Mittelstandes zwingend erforderlich ist, auch durch Zusammenarbeit auf der regionalen Ebene Ideen und Lösungen zu finden.

Dazu gehört aber auch die integrierte ländliche Entwicklung. Wir dürfen eines nicht tun: Wir dürfen die ländlichen Räume nicht abkoppeln. Es geht gerade in Zeiten, in denen wir damit leben müssen, dass es eine weitere Abwanderung gibt, darum.

gleichwertige Lebens- und Arbeitsbedingungen im ländlichen Raum zu schaffen.

Im Zusammenhang mit diesem Thema möchte ich auch an positive Beispiele erinnern, die fortgesetzt werden sollten. So nenne ich das Beispiel der Regionalmarken, wo in der Landwirtschaft ganz bewusst spezielle landwirtschaftliche Produkte in die Vermarktung genommen werden. Es geht um Produkte, mit denen sich gute Preise erzielen lassen, die natürlich nur in

dem Raum Berlin-Brandenburg primär zu verkaufen sind und die auf eine sehr hohe Akzeptanz stossen, hin bis zur Direktvermarktung.

Ein weiterer Punkt - wir müssen versuchen, die Initiative, die aus dem Raum Lausitz stammt und die internationale Unterstützung finden muss, zu fördern, sodass wir es schaffen, die Lausitz international bekannt zu machen - ist die „Internationale Bauausstellung Fürst-Pückler-Park".

Welche Steuerungsinstrumente und welche Handlungsfelder gibt es? Da sind zum einen die Infrastrukturentwicklung und die Wirtschaftsförderung zu nennen, aber es geht meiner Meinung nach auch um die Sicherung leistungsfähiger Gemeinden und Kommunen. Diese müssen bürgerorientiert und effizient arbeiten können. Wir sollten, wenn wir im Laufe dieses Jahres die Diskussion über Gemeindestrukturen erneut aufnehmen, daran denken, dass auch die Frage dezentraler Strukturen ein Teilaspekt ist.

Die Entwicklung dieses Landes kann nur vonstatten gehen, wenn wir es unseren Gemeinden ermöglichen, größtmögliche Kompetenz zu erzielen und ihnen ausreichende Gestaltungs- und Entwicklungsspielräume geben.

Dazu gehört nicht nur die Frage nach der Struktur, sondern auch die Frage nach dem Finanzausgleich. Das wird sicherlich eine der spannendsten Diskussionen werden. Wenn wir in den einzelnen Fraktionen fragen, wer sich in Bezug auf seine Region finanziell benachteiligt fühlt, werden wir feststellen, dass sich jeder meldet. Das betrifft sowohl die großen Städte als auch die ländlichen Regionen. Ich glaube, dass wir in der Diskussion zu einem fairen Finanzausgleich zwischen den Kommunen im Hinblick aufdie Fragen der punktuellen Stärkung und der Steuerung sowie der dezentralen Konzentration kommen müssen.

Wir hatten vorhin eine Frage in Bezug auf die regionalen Planungsgemeinschaften, die von Herrn Birthler beantwortet wurde. Es wird gefra gt: Sollten wir die regionalen Planungsgemeinschaften nicht gleich abschaffen?

(Zuruf von der CDU: Ja!)

Die regionalen Planungsgemeinschaften sind ein Instrument, um zu einem sinnvollen Ausgleich zwischen Speckgürtel und ländlichem Raum zu kommen. Ich sage das sehr deutlich. Das wird auch eine Frage bezüglich der Diskussion Berlin-Brandenburg sein. Diese Frage wird zu diesem Zeitpunkt gestellt werden, aber genau in dieser Zeit werden die regionalen Planungsgemeinschaften eine wesentlich größere Aufgabe zu übernehmen haben. und zwar die Aufgabe des Ausgleiches zwischen städtischen und ländlichen Strukturen.

Dazu gehört ebenfalls die Frage: Wie sichern wir die Chancengleichheit auch für jüngere Menschen? Das ist eine Frage der Schuldiskussion. Dazu gehört auch, dass die jun gen Leute bzw. die Eltern mit ihren Kindern die ländlichen Räume nicht verlassen. Sie würden sie verlassen, wenn sie keine ausreichenden Angebote hinsichtlich der Schulen fänden. Wir brauchen Konzepte zum Erhalt von Schulen im ländlichen Raum.

Meine Damen und Herren! Ich glaube, dazu gehört auch. dass

wir uns verstärkt Gedanken über das Image von Regionen machen. In Brandenburg sind wir diesbezüglich oftmals etwas zurückhaltend.

Ich glaube, wir sollten mit wesentlich mehr Selbstbewusstsein unsere Regionen. sei es die Prignitz oder die Lausitz, nach außen vertreten, denn wir haben die Voraussetzungen einer hervor

ragenden Natur- und Kulturlandschaft und wir haben auch die Kompetenzen in neuen Bereichen, ob es die Medien- oder die Informationstechnik ist.

Dazu gehört auch, dass wir die Region Berlin-Brandenburg als Tor zum Osten verstehen. Es geht darum. auch den östlichen Bereich Brandenburgs nicht nur als eine Region für den Erhalt industrieller Kerne zu verstehen, sondern diese Region bzw. diese Städte - ich denke nur an Schwedt, Frankfurt (Oder), Eisenhüttenstadt oder an die Lausitz - auch als die Tore zum Osten zu sehen. Wir dürfen diesbezüglich nicht rückwärts gewandt sein, sondern wir müssen nach vorne gehen und uns überlegen, welche Möglichkeiten es zukünftig dort gibt.

Meine Damen und Herren! Bei der Frage nach Veränderung von Planungsgrundsätzen gibt es ein wichtiges Element, das im Mittelpunkt steht. Nicht nur von den Menschen allgemein, sondern gerade von der Wirtschaft wird Verlässlichkeit gefordert. Niemand investiert oder zieht in eine Region_ von der er nicht weiß, ob dort das Wort, das ihm gegeben worden ist, nach der Ansiedlune noch gilt. Ein Abweichen von den Prinzipien der dezentralen Konzentration wird meiner Auffassung nach zu Unsicherheit führen. Nicht nur allgemein die Wirtschaft oder die Kommunen, sondern konkret die Bürger verlassen sich aufdiese Meinung.

Meine Damen und Herren! Es ist unsere soziale und politische Verantwortung, zu einer Verrin gerung des Gefälles zwischen dem Berliner Umfeld, dem Umland und den ländlichen Räumen zu kommen. Es ist unsere Aufgabe, gleichwertige Lebensbedingungen in allen Regionen unseres Landes zu schaffen. - Danke.

( Beifall bei der SPD und vereinzelt bei der CDU)

Ich danke Ihnen. - Bevor ich der Abgeordneten Frau Tack von der PDS-Fraktion das Wort erteile, möchte ich Gäste begrüßen, und zwar eine 10. Klasse aus der Gesamtschule Beelitz. - Herzlich willkommen!