Protokoll der Sitzung vom 13.04.2000

einen Kleinkrieg mit der Bundesausländerbeauftragten, die ja immerhin den von der Innenministerkonferenz festgelegten Rückführungszeitpunkt verschoben wissen möchte. Sind Sie wirklich der Meinung, Herr Minister, dass die Bundesregierung ihre Arbeit einfach nur schlecht gemacht hat, um den Rückführungszeitpunkt im Frühjahr dieses Jahres nicht umsetzen zu können, oder können nicht doch humanitäre Bedenken eine Bedeutung hierfür gehabt haben? Um die Relationen noch einmal deutlich zu machen: Von 515 Flüchtlingen sind bisher 288 freiwillig ausgereist; 67 wollen in diesen Tagen ausreisen, ich denke, dass dies auch möglich ist.

Herr Abgeordneter, ich bin überrascht, dass Sie mir Militanz zu

weisen. In der Art und Weise, wie Sie sprechen, sind Sie demagogisch.

(Sarrach [PDS]: Ich bedanke mich!)

Aber nun zur Sache selbst: Es gibt eine Ausländerbeauftragte und einen Bundesinnenminister, und dieser Bundesinnenminister hat die letzte Verantwortung für die Bundesregierung. Der Bundesinnenminister hat in Abwägung aller Sachverhalte die Empfehlung gegeben, die ich zitiert habe.

Wenn Sie der Auffassung sind, dass der Bundesinnenminister einen Fehler macht, dann stellen Sie die Frage dem Bundesinnenminister im Innenministerium bzw. im Bundestag, aber versuchen Sie nicht hier einen Ersatzkriegsschauplatz aufzumachen, Herr Abgeordneter!

(Zurufe von der PDS - Beifall bei der CDU)

Danke sehr. - Wir sind damit bei der Frage 209 ( Änderung der Verbrennungsverordnung). Herr Abgeordneter Neumann, bitte!

Nach der Abfallkompost- und Verbrennungsverordnung ist das Verbrennen pflanzlicher Abfälle aus Haushaltungen und Gärten nicht zulässig. Die Gründe für den Erlass dieses Verbots sind für viele Gartenfreunde nicht nachvollziehbar. Es regt sich hiergegen zunehmend Widerstand. Zum Beispiel wird gefordert, dass schadbefallener Baumschnitt nicht verbrannt werden darf. Insbesondere um der Ausbreitung von Pilzen und Viren in Kleingärten entgegenzuwirken, fordern die Kleingärtner, dass hier eine Änderung erfolgt.

Ich frage die Landesregierung, welche Auffassung sie in dieser Frage vertritt, insbesondere zu der Forderung nach Aufhebung der entsprechenden Regelung in der Abfallkompost- und Verbrennungsverordnung.

Herr Minister Birthler, Sie haben das Wort.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Lieber Kollege Neumann, die im Oktober 1994 in Kraft getretene Abfallkompostund Verbrennungsverordnung soll nicht nur Geruchsbelästigungen und Luftverschmutzungen einschränken, sondern vor allem die Verwertung pflanzlicher Abfälle sichern und damit dem Anliegen der Kreislaufwirtschaft Rechnung tragen.

Das Landeskonzept zur Verwertung biogener Abfälle sieht deshalb folgende Schwerpunkte vor:

1. Vorrang der Eigenkompostierung als der wirtschaftlich günstigsten Variante;

2. Gemeinschaftskompostierung in kompakten Wohn- oder Gartenanlagen;

3. ergänzende separate Sammlung durch die öffentlichrechtlichen Entsorgungsträger.

In den zurückliegenden Jahren wurden im Land Brandenburg durch die öffentlich-rechtlichen Entsorgungsträger zunehmend Voraussetzungen dafür geschaffen, die Entsorgung pflanzlicher Abfälle grundsätzlich zu gewährleisten. Die Angebote in den einzelnen Entsorgungsgebieten sind allerdings nicht einheitlich, sondern orientieren sich an den regionalen Bedingungen und Erfahrungen.

Am weiteren Ausbau und an der Optimierung mit dem Ziel, die Entsorgung noch kostengünstiger und nutzerfreundlicher zu machen, wird gearbeitet. Über die öffentlich-rechtliche Entsorgungsstruktur hinaus stehen heute landesweit 107 gewerblich betriebene Kompostierungsanlagen für Bioabfälle zur Verfügung.

Im Rückblick auf nunmehr fast zehn Jahre Abfallwirtschaft im Land Brandenburg kann ich feststellen, dass sich die grundlegende Orientierung auf eine Verwertung auch biogener Abfälle bewährt hat.

In den vergangenen Jahren ist die erforderliche ortsnahe Infrastruktur zur Entsorgung von Pflanzenabfällen geschaffen worden. Die einer Verwertung zugeführten Pflanzenabfälle aus Haushaltungen und Gärten haben sich seit 1997 verdreifacht. Diese Entwicklung zeigt, dass es in der Bevölkerung eine große Akzeptanz für die Bioabfallverwertung gibt.

Bezüglich der Krankheiten, die Sie angesprochen haben, gibt es für die Erreger der so genannten Quarantäne-Krankheiten nach dem Pflanzenschutzrecht Verordnungen, die rechtmäßig eine Verbrennung vorsehen. Die Abfallkompost- und Verbrennungsverordnung findet in diesen Fällen keine Anwendung. Alle anderen Krankheitserreger und Schädlinge können in gewerblich betriebenen Kompostierungsanlagen sicher ab getötet werden. Kleinere Mengen können nach entsprechender Vorbehandlung auch im eigenen Garten kompostiert werden.

Meines Erachtens rühren die zum Verbrennungsverbot aufgeworfenen Fragen in erster Linie daher, dass sperrige holzige Pflanzenabfälle aus dem Baumschnitt nur schwer im eigenen Garten kompostiert werden können. Daher wird in meinem Haus gegenwärtig geprüft, unter welchen Bedingungen nach § 7 des Landesimmissionsschutzgesetzes trockenes holziges Pflanzenmaterial auch ohne spezielle Genehmigung im Hausgarten verbrannt werden darf. Ich denke - um hier einmal in Klammern zu reden -, es geht im Prinzip um Lagerfeuer und Traditionsfeuer, z. B. um Osterfeuer. Wer einmal versucht hat, einen Antrag zur Genehmigung eines Lager- oder Traditionsfeuers ordnungsgemäß auszufüllen, weiß, dass nur noch eine einzige Frage fehlt. Das ist die Frage: Wie alt waren die Kinder des Pflanzers vor 150 Jahren zur Zeit des Baumpflanzens? Das ist das Einzige, was noch fehlt.

(Beifall bei der CDU)

Alles andere ist in diesem Fragebogen, der damit nahezu unausfüllbar ist, enthalten. Hier zu praktischen Lösungen zu kommen ist das Ziel meines Hauses.

Allerdings habe ich betont, dass wir prüfen, unter welchen Bedingungen wir das machen, weil ich natürlich eine generelle Zulassung von Grünabfall-Verbrennungen nicht geben möchte, auch nicht begrenzt, kampagneartig im Frühjahr oder im Herbst. Es gibt dafür Gründe.

Zum einen würde das einen deutlichen Rückgang der Verwertung biogener Abfälle bedeuten. Es würde zum Rückbau der ausgebauten Erfassungssysteme führen, zum Konkurs von Kompostierungsanlagen und damit zum Verlust von Arbeitsplätzen, zu erhöhtem Verwaltungsaufwand aufgrund der erforderlich werdenden Genehmigungen sowie zu zusätzlichen Luftbelastungen, da bei diesen kampagneartigen Verbrennungen nicht ausschließlich trockene Holzabfälle verbrannt werden.

Die Regelung derAbfallkompost- und Verbrennungsverordnung muss daher beibehalten werden - wie gesagt, mit der Einführung von praktischen Lösungen -, wie trockene holzige Abfälle verbrannt werden dürfen. - Vielen Dank.

Ich danke Ihnen auch für Ihren feurigen Beitrag, Herr Minister.

Wir kommen nun zum Tagesordnungspunkt 2:

Aktuelle Stunde

Thema: Angleichung der Löhne und Gehälter - ein Ende in Sicht?

Antrag der Fraktion der PDS

Das Wort geht an den Vertreter der beantragenden Fraktion. Herr Abgeordneter Prof. Bisky, Sie haben das Wort.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Der Gleichheitsgrundsatz gilt laut Grundgesetz Artikel 3 Abs. 3 für die gesamte Bundesrepublik, also auch für Ostdeutschland.

Umso erstaunlicher ist es, wenn im zehnten Jahr der deutschen Einheit Ostdeutsche anders behandelt werden als Westdeutsche. Das gilt natürlich besonders für die Einkommenssituation der Ostdeutschen. Für eine durchschnittliche Wochenarbeitszeit von 39,3 Stunden gegenüber 37,4 Stunden in Westdeutschland erhalten Ostdeutsche durchschnittlich nur 90,5 % der Grundvergütung der Westdeutschen. Ostdeutsche erhalten weniger Urlaub. Das Urlaubsgeld und die Jahressonderzahlung betragen in den neuen Bundesländern 89 % des Monatsentgelts. In den alten Ländern sind es im Durchschnitt 98 %.

In den einzelnen Wirtschaftszweigen ist der Angleichungsgrad unterschiedlich. Er reicht von I00 % im privaten Bankgewerbe oder in der Druckindustrie bis zu immerhin 66 % in der Bekleidungsindustrie. Dabei ist noch zu berücksichtigen, dass die tariflichen Entgelte im produzierenden Bereich vielfach unterschritten werden.

Deutlich weniger Lohn für die gleiche Arbeit bei Lebenshaltungskosten, die den Bedingungen im Westen angeglichen sind und in einigen Bereichen - ich nenne Abwasser und Energie - sogar höher liegen -, das wird zunehmend als ungerecht empfunden. Damit werden die Menschen in den neuen Bundesländern zu Deutschen zweiter Klasse.

Eine solche Perspektive war aus der Sicht des Jahres 1990 nicht vorhergesagt worden - von Vertretern Ihrer beiden Parteien, will ich gerechtigkeitshalber sagen. Damals versprachen die führenden Politiker der Bundesrepublik, dass der Angleichungsprozess bis 1995 abgeschlossen sein sollte. Ich kann Ihnen das hinreichend mit Zitaten belegen.

1991 wurden im Schnitt 60 % der westdeutschen Löhne und Gehälter gezahlt. Im Jahre 1998 wurden durch eine Steigerung 90,5 % der westdeutschen Löhne erreicht. Das sind die durchschnittlichen Tarifentgelte, die sehr differenziert eingehalten werden.

Der öffentliche Dienst hat zum jetzigen Zeitpunkt 86,5 % des Westniveaus erreicht und ist damit von einerAngleichung an den öffentlichen Dienst in den Altbundesländern noch deutlich entfernt. Und legt man die Entwicklung der letzten Jahre zugrunde, muss man befürchten, dass der Angleichungsprozess mindestens noch einmal zehn Jahre in Anspruch nehmen wird. Der Finanzminister Sachsens spricht vom Jahr 2017.

Der Brandenburger Landtag hat sich verschiedene Male mit der Angleichung der Löhne und Gehälter im öffentlichen Dienst beschäftigt. Eine Zäsur war das Jahr 1995, als die Landesregierung im Zusammenhang mit dem Neugliederungsstaatsvertrag mit Berlin den öffentlich Beschäftigten in Brandenburg 100 % des Westtarifs für das Jahr 1998 in Aussicht stellte. Als die Fusion nicht zustande kam, obwohl die Landesregierung deutlich erklärte, dass eine Lohn- und Gehaltsangleichung innerhalb von drei Jahren realisierbar wäre - damals, I995 -, kam darauf keiner mehr zurück.

Vor diesem Hintergrund brachte die PDS-Fraktion 1998 einen Antrag in den Landtag ein, der forderte, einen Stufenplan für die endgültige Angleichung von Löhnen und Gehältern im öffentlichen Dienst an das Westniveau zu erarbeiten. Besonders erfreut waren wir, meine Damen und Herren von der CDU-Fraktion, dass Sie damals diesem Antrag zugestimmt haben.

(Beifall bei der PDS)

Die Mehrheitsfraktion der SPD verhinderte jedoch, dass ein solcher Beschluss zustande kam.

Nachdem es beim großen Buhlen um die Wählergunst verschiedene Äußerungen von Landtagskandidaten aller Parteien gegeben hatte, die hoffnungsfroh stimmen konnten, starteten wir im frisch gewählten Landtag einen neuen Anlauf. In der 3. Sitzung - im November des vergangenen Jahres - stellte die PDS-Fraktion erneut das Anliegen eines Stufenplanes zur Abstimmung. Dieses Mal lehnte nicht nur die SPD, sondern auch die CDU ab.

Finanzministerin Simon sagte in der Debatte vor dem Landtag:

„Das Bestreben, die Ungleichheit zwischen Ost- und West

deutschland zu beseitigen,... kann sich nicht in dem Vorhaben erschöpfen, vorrangig die Gehaltsangleichung der Beschäftigten im öffentlichen Dienst mit sicheren Arbeitsplätzen zu verwirklichen."

Wie wahr, Frau Simon! Dazu gehört wesentlich mehr. Aber die Gehaltsangleichung gehört eben auch dazu.

(Beifall bei der PDS)

Und ich sehe, dass Sie weder für das eine noch für das andere konsequent genug eintreten. Sie finden sich mit dem bestehenden Zustand ab und fordern von den Betroffenen, dass sie sich mit dem bescheiden sollen, was sie bekommen. Das ist aus Ihrer Position auch verständlich. Mit Ihrer Argumentation diskreditieren Sie aber das legitime Interesse der öffentlich Bediensteten an einer gerechten Bezahlung.