Protokoll der Sitzung vom 13.04.2000

Der Steuerrechtler Prof. Wagner von der Universität Tübingen beschreibt diesen Teil des Gesetzentwurfes als gigantisches Beschäftigungsprogramm für Steuerberater. So ist die Option von mehreren Gesellschaften nur gemeinsam ausübbar. Es entfällt bei der Ausübung der Option die bei Personenunternehmen gegebene Möglichkeit der Verrechnung von Verlusten aus dem Gewerbebetrieb mit positiven Einkünften aus anderen Quellen. Schließlich ist das Optionsmodell nur für Personengesellschaften interessant, für die die Besteuerung von einbehaltenen Gewinnen mit 25 % günstiger als der Steuersatz für das zu versteuernde Einkommen ist.

Die angeführten Punkte lassen sich kurz und knapp zusammenfassen. Kapitalgesellschaften und große Personengesellschaften werden begünstigt. Für kleine und mittlere Personengesellschaften birgt das Optionsmodell keine wirklichen Vorteile. Hierbei wurde der Versuch unternommen, ein Modell aus Österreich auf die Unternehmenslandschaft in Deutschland zu übertragen. Das betrifft uns in Brandenburg. Für Österreich mag das Modell tauglich sein. Dort sind 90 % der Unternehmen Kapitalgesellschaften. In Deutschland und gerade in Brandenburg hingegen sind über 85 % in der Rechtsform der Personengesellschaft.

Bei der Wirtschaftsstruktur Brandenburgs ist hinzuzufügen, dass die tragende Säule die kleinen und mittelständischen Unternehmen sind. Das heißt, es ist zu befürchten, dass von den angeblichen Entlastungen, die das Optionsmodell verspricht, die brandenburgische Wirtschaft nicht genügend profitieren wird.

Drittens: Es ist für Kapitalgesellschaften eine Steuerfreiheit von Gewinnen bei der Veräußerung von Anteilen an andere Kapitalgesellschaften im Inland vorgesehen.

Ministerpräsidentin Simonis sagte dazu, es sei nicht einzusehen, dass große Versicherungskonzerne durch die Regelung Milliardenbeträge steuerfrei einnehmen könnten, während die Länder durch die geplante Reduzierung der Steuersätze mit Steuermindereinnahmen rechnen müssten.

Ich warne davor, einen künstlichen Gegensatz zwischen Industrie und Mittelstand zu schaffen. Dennoch, die Masse der Ar

beitsplätze schaffen kleine und mittelständische Betriebe in Brandenburg.

(Beifall bei der CDU)

In Brandenburg sind dies überwiegend Personengesellschaften. Es wäre unerträglich, wenn das Land Brandenburg belastet, das Gros unserer Unternehmen aber nicht entlastet würde.

Viertens: Wie ausgeführt, profitieren von den Entlastungen vor allen Dingen Kapitalgesellschaften und große Personengesellschaften; bei den Maßnahmen, die zur Gegenfinanzierung angedacht werden, erfolgt hingegen eine Belastung aller Unternehmen. Von den Entlastungen profitiert die Brandenburger Wirtschaft also nur in geringerem Maße, von den Belastungen hingegen ist sie in vollem Umfang betroffen.

Ich will nicht bestreiten, dass die Verschärfung von vielen Abschreibungsregelungen die bisherige Begünstigung von nicht sinnvollen Investitionen verhindert. Wir müssen aber sehen, dass die Senkung des maximalen degressiven Abschreibungssatzes von derzeit 30 % auf 20 % auch wichtige Investitionen hemmt. Gerade im Zeitalter moderner Informations- und Kommunikationstechnologien kann die Verlängerung von Abschreibungszeiträumen negative Folgen nach sich ziehen. Jeder kennt die immer geringer werdende Halbwertszeit neuer Computergenerationen. Eine Verringerung des Abschreibungssatzes würde auch unsere ehrgeizigen Ziele hemmen, in Brandenburg neue, innovative Arbeitsplätze zu schaffen.

Meine Damen und Herren! Ich denke, ich habe verdeutlicht, dass bei der Konzeption der Unternehmenssteuerreform Nachbesserungsbedarf besteht. Mit diesem gemeinsamen Antrag geht es uns um die Stärkung der Wirtschaft und des Unternehmensstandortes Brandenburg. Es geht uns um die Schaffung neuer Ausbildungs- und Arbeitsplätze.

Ich wünsche der Landesregierung bei den bevorstehenden Verhandlungen viel Erfolg und erhoffe mir, dass es zu Kompromissen kommt, die die Intentionen unseres Antrages widerspiegeln. Ich bitte Sie um Ihre Zustimmung zu unserem Antrag. - Vielen Dank!

(Beifall bei der CDU und vereinzelt bei der SPD)

Ich danke Herrn Abgeordneten Dr. Ehler. - Das Wort geht an die Fraktion der PDS, Herrn Abgeordneten Christoffers.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Herr Kollege Ehler, die Verantwortlichen eines internationalen Unternehmens, die nicht prüfen, wie sich die tatsächliche Steuerbelastung darstellt. würden nicht mehr als eine Entscheidung überleben.

Wenn Sie sich mit Mecklenburg-Vorpommern beschäftigen wollen, so darf ich Ihnen empfehlen, an den Runden teilzunehmen, in denen Unternehmer, IHK, Handwerkskammern und arbeitsmarktpolitische Träger gemeinsam über die Zukunft der so genannten GAP-Projekte diskutieren.

Es existiert ein Gegensatz in der Interessenlage zwischen großen Kapitalgesellschaften und dein Bereich der kleinen und mittleren Unternehmen. Dieser Gegensatz wird nicht künstlich herbeigeredet, sondern er ist tatsächlich vorhanden. Er ergibt sich aus der Struktur und dem Wirkungsbereich der Unternehmen.

(Beifall bei der PDS)

Es ist hier im Parlament bereits mehrfach deutlich geworden, dass die Fraktion der PDS erheblichen Handlungsbedarf bei der Reform des Steuersystems in der Bundesrepublik sieht. Eckwerte sind die Einführung einer Wertschöpfungsabgabe, die die tatsächliche Leistungsfähigkeit von Unternehmen berücksichtigt und für den Bereich der kleinen und mittleren Unternehmen eine tatsächliche Entlastung darstellen würde; die Wiedereinführung der Vermögensteuer oder einer Vermögensabgabe, die auch nach dem Urteil des Bundesverfassungsgerichts möglich ist; die Reform der Kommunalfinanzierung, die auch Veränderungen im Steuersystem zugunsten der Kommunen beinhaltet. Diese und andere Eckwerte sind von der PDS als eigenständiges Konzept vorgelegt worden.

Auch für das jetzt vorgelegte Konzept der Unternehmenssteuerreform liegen Veränderungsvorschläge der PDS vor. Die Mittelstandskomponente, die im Antrag der Koalition enthalten ist, deckt sich mit Auffassungen der PDS. Die von Finanzminister Eichel angedachte Optionslösung, dass sich Personengesellschaften - das sind ca. 90 % der Unternehmen bundesweit wie Kapitalgesellschaften besteuern lassen können, ist von der Steuersystematik her schwer nachzuvollziehen. Diese Lösung wird das Steuersystem weiter komplizieren und hat meines Erachtens einen zusätzlichen gravierenden Fehler: Die von Finanzminister Eichel errechnete Entlastung des Mittelstandes die Tabellen habe ich vor mir liegen - würde nur dann eintreten, wenn ca. 30 % aller KMU-Bereiche dieses Optionsmodell wählten. Das ist nach einheitlicher Einschätzung von Experten und der Kammern nicht möglich, allein weil aufgrund des Generationsübergangs die Frage der Erbschaftssteuer zur Beantwortung ansteht und die Wahlmöglichkeit de facto nicht existiert. Anders formuliert: Die Entlastun g des mittelständischen Bereiches, wie durch die Bundesregierung postuliert, wird nicht eintreten, im Gegenteil, die Belastungen werden sich eindeutig erhöhen.

Eine Rücklagenregelung, wie sie sich im Kern hinter Punkt I Ihres Antrages verbirgt, würde einen tatsächlichen Effekt im KM U-Bereich mit sich bringen und somit nicht nur für die Brandenburger Unternehmenslandschaft positive Auswirkungen haben, denn das ist ein gesamtdeutsches Problem.

Punkt 1 Ihres Antrages enthält eine Detailänderung, die von der PDS bereits vorgeschlagen worden ist. Aber warum gehen Sie eigentlich nicht einen Schritt weiter? Warum fordern Sie nicht eine Streichung der Regelung, die die Steuerfreistellung der Erlöse, die durch die Veräußerung von Unternehmensbeteiligungen anfallen, beinhaltet? Dabei geht es nicht um den schon zitierten künstlichen Gegensatz. Vielmehr zeigt sich daran eine mittelstandsfeindliche Komponente in der so genannten Unternehmenssteuerreform. Diese Komponente ist wirtschafts- und gesellschaftspolitisch nicht begründbar. Es handelt sich um ein

Geschenk, das ohne zwingende Notwendigkeit in den Vorschlag zur Steuerreform Eingang gefunden hat.

(Beifall bei der PDS)

Wenn Sie schon fordern, dass Steuerausfälle von Kommunen und Ländern aufgrund der Unternehmenssteuerreform vermindert werden sollen, dann ist es nicht nachzuvollziehen, dass die öffentliche Hand auf mehrstellige Milliardenbeträge - über diese Größenordnung sprechen wir verzichten soll. Sowohl die finanzielle als auch die wirtschaftliche Vernuft erfordern auch von den neuen Bundesländern gerade in diesem Punkt ein gemeinsames Handeln, um diese Regelung, die zum Nachteil sowohl der mittelständischen Wirtschaft als auch der öffentlichen Hand ausfällt, aufzuheben.

Damit bin ich bei Punkt 2 Ihres Antrages. Trotz unterschiedlicher Auffassungen zur Finanzministerin gehe ich nicht davon aus, dass sie die Verhandlungen mit dem Bund mit dem Ziel führt, die Belastungen für das Land und die Brandenburger Kommunen zu erhöhen. Deshalb verstehe ich den Handlungsauftrag in Punkt 2 nicht ganz. Wenn selbst die Opposition nicht diese Zielstellung bei der Finanzministerin vermutet, dann kann ich nur davon ausgehen, dass Sie als Koalitionsfraktionen ein gewisses Misstrauen in das Verhandlungsgeschick der Landesregierung zum Ausdruck bringen wollen. Aber das ist nicht unser Problem; das ist Ihr Problem.

(Beifall bei PDS und DVU)

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Wir sind uns in der Zielstellung einig: Auch wir wollen die Belastungen für die Kommunen und das Land Brandenburg möglichst reduzieren. Dann wäre es jedoch nur fair, zumindest im Begründungstext zu sagen, wie Sie das erreichen wollen.

Herr Abgeordneter Christoffers, gestatten Sie eine Zwischenfrage?

Aber selbstverständlich, Herr Kollege.

Herr Christoffers, können Sie sich vorstellen, dass die Koalitionsfraktionen diesen Antrag formuliert haben, um die Verhandlungsposition unserer Finanzministerin zu stärken und zu signalisieren, dass wir ihren Kurs unterstützen und ihr nicht misstrauen?

Herr Kollege Homeyer, mir erschließt sich nicht ganz, warum der Verfassungsauftrag, auf den alle Mitglieder der Landesregierung einen Eid geschworen haben - er lautet, Schaden vom Land Brandenburg abzuwenden -, von Ihrer Seite einer Bekräftigung bedarf.

(Beifall bei der PDS)

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Wir sind uns, wie gesagt, in der Zielstellung völlig einig. Aber seien Sie so ehrlich und sagen Sie zumindest in der Begründung, wie die Finanzministerin dieses Ziel erreichen soll. Ich kann Ihnen verschiedene Vorschläge unterbreiten. So kann man über eine Erhöhung der Mineralölsteuer ins Gespräch kommen. Auch kann man über eine Veränderung der Erbschaftsteuer nachdenken. Ich weiß nicht, ob Sie das beabsichtigen. Ich jedenfalls beabsichtige keine Erhöhung der Mineralölsteuer. Aber sagen Sie zumindest, welche Varianten als Alternativen ins Gespräch gebracht werden sollen. Das wäre fair gegenüber den Bürgern, Um n icht missverstanden zu werden, betone ich es noch einmal: Ich lehne eine Erhöhung der Mineralölsteuer ab. Wenn Sie anderer Auffassung sind, dann müssen Sie das auch so deutlich sagen.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich möchte im Namen meiner Fraktion eine punktweise Abstimmung beantragen, um zu verdeutlichen, dass es uns nicht darum geht, die mittelstandsbezogene Komponente Ihres Antrages in irgendeiner Art und Weise abzulehnen, denn diese Komponente entspricht auch unserer Intention. Der Rest Ihres Antrages, meine Damen und Herren von der Koalition. ist im Prinzip der Versuch, andere Sachverhalte zur Garnierung einzuführen, von denen Sie im Grunde wissen. dass sie mit den vorgeschlagenen Instrumenten und Maßnahmen nicht umsetzbar sind. - Ich danke Ihnen.

(Beifall bei der PDS)

Ich danke Ihnen, Herr Abgeordneter Christoffers. - Das Wort geht an die Fraktion der SPD, Herrn Abgeordneten Müller.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Wir haben jetzt sehr viel Kritik an den Plänen der Bundesregierung zur Steuerreform gehört. Aber vielleicht sollte man im Vorhinein auch einmal darauf hinweisen, dass dieses Steuersenkungspaket, das von der Bundesregierung vorgelegt worden ist, das größte Reformpaket in der Geschichte der Bundesrepublik Deutschland darstellt. Die Bundesregierung dokumentiert dabei ganz unmissverständlich, dass die Konsolidierung der Staatsfinanzen und die Steuerreform in Form von Steuersenkungen zusammengehören und keinen Gegensatz bilden.

Vielleicht sollte man auch einmal feststellen - damit muss ich mich an die andere Seite des Hauses wenden dass diese Steuerreform zu spät kommt. Darüber sind wir uns vermutlich einig. Sie kommt zehn, vielleicht sogar zwanzig Jahre zu spät.

(Beifall bei der SPD)

Da gab es einmal eine Bundesregierung, die es nicht geschafft hatte, ein solches Paket auf den Weg zu bringen.

(Beifall bei der SPD und vereinzelt bei der PDS)

Wir erleben gemeinsam - darüber werden wir uns auch gemeinsamen freuen -, dass die Kursänderung der jetzigen Bundesregierung in Form des vorgelegten Steuersenkungspakets dazu führt, dass wieder Schwung in das Land kommt. Wir stellen fest,

dass Wirtschaftswachstum und Schaffung von Arbeitsplätzen wieder am Horizont zu erkennen sind. Wir sehen, dass das Hauptziel, das sich dahinter verbirgt, umsetzbar ist, nämlich den Wirtschaftsstandort Deutschland attraktiv zu gestalten.

Das Interessante ist für mich dabei, dass sowohl die Arbeitnehmer als auch die Arbeitsuchenden und die Unternehmer tatsächlich von diesem Paket profitieren werden. Ich halte das für gut so.

Aber - und da haben Sie ein Stück weit dann doch Recht - es gibt Nachbesserungsbedarf. weil auch die Bedingungen in den verschiedenen Bundesländern durchaus unterschiedlich sind, Insofern beteiligen wir uns zumindest auch partiell an der Kritik, die hier vorzutragen ist. Das betrifft insbesondere das Optionsmodell, wo wir uns, glaube ich, im gesamten Parlament einig sind, dass das für Brandenburg, vielleicht sogar für die Bundesrepublik keine gute Lösung ist. Aber wir sind ja an der Stelle schon ein Stückchen schlauer, sogar schlauer, als es in dem Antrag formuliert ist; denn wir wissen, wie man es anders machen kann.

An der Stelle kommt ein neues Konzept für uns in frage, was insbesondere durch Brandenburg initiiert wird und wo wir unsere Finanzministerin ausdrücklich unterstützen wollen, dieses Modell in den Bundesratsgesprächen durchzusetzen. Ich rede hier vom Rücklagemodell.

Die Nachteile des Optionsmodelles sind, glaube ich, allen inzwischen relativ klar. Das heißt, wir kriegen mehr Bürokratie und wissen nicht, ob wirklich unter dem Strich etwas für unsere Unternehmen herauskommt. Das Rücklagenmodell mit seinen Akzenten scheint dazu geeignet zu sein, tatsächlich für das typische Brandenburger Unternehmen Vorteile zu bringen. Deswegen muss es durchgesetzt werden. Deswegen ist dieser Antrag hier im Landtag Brandenburg auch außerordentlich vernünftig.

Wir wollen genau dies tun, was der Herr Homeyer in Form einer Frage formuliert hat, wir wollen der Landesregierung den Rücken stärken auf dem Weg, dieses Rücklagenmodell durchzusetzen.

Ich will aber auch noch etwas zu dem Punkt sagen, der nicht in dem Antrag steht und von Herrn Christoffers angesprochen worden ist, nämlich zur Veräußerung von Unternehmensanteilen, die steuerfrei gestellt werden sollen. Es ist schon so, dass auch wir darüber diskutieren, ob das der richtige Weg ist, dies so konsequent, wie das jetzt von der Bundesregierung formuliert worden ist, durchzusetzen. Ich kann Ihnen sagen, da gibt es durchaus unterschiedliche Auffassungen.