Protokoll der Sitzung vom 01.03.2001

Jetzt komme ich zur Frage der Sicherheit. Wie Sie wissen, habe ich vor allem mit dem Einsetzen einer unabhängigen Expertenkommission einen Schritt getan, wie er bislang in kaum einem anderen Bundesland gegangen wurde. Hier lässt ein Minister erstmals den gesamten Maßregelvollzug im Land durchleuchten. Die Kommission hat den Auftrag, Aufklärung und Transparenz in die Organisation und die Abläufe im Maßregelvollzug Brandenburgs zu bringen.

Sie sehen, wir lassen uns sehr tief in die Karten schauen, um Sicherheit für die Bürgerinnen und Bürger zu erreichen. Die Sicherheit hat für mich oberste Priorität.

Frau Kollegin Birkholz - ich muss Sie korrigieren. Besuchskommissionen, wie sie unser Landesgesetz vorsieht, haben eine andere Funktion. Sie können eine solche Aufgabe nicht leisten. Meine Damen und Herren der PDS-Fraktion, schauen Sie ins Gesetz! Diese sieben Kommissionen haben die Aufgabe, darauf zu achten, dass die Rechte der in psychischen Einrichtungen Untergebrachten gewahrt werden. Es sind keine Sicherheitsinspektoren, wie Sie uns glauben machen wollen. Aber wir sollten gemeinsam darüber reden, ob wir nicht Sicherheitsbeauftragte in jeder Klinik für Maßregelvollzug einsetzen sollten. Das ist nicht unumstritten, aber ich kann mir das durchaus vorstellen. Ich lasse mir dazu zurzeit etwas ausarbeiten. Auch das soll ein weiterer Beitrag zu mehr Sicherheit sein.

Meine Damen und Herren! Fakt ist, eine ausreichende Platzzahl ist ebenfalls ein entscheidender Sicherheitsaspekt. Brandenburg braucht dringendst ausreichend Plätze im Maßregelvollzug,

damit wir unter sachgerechten, personellen und räumlichen Bedingungen qualifiziert und effektiv handeln können. Das setzt die rasche Fertigstellung der Neubauten voraus.

Ich dringe seit meinem Amtsantritt stets auf die schnellstmögliche Realisierung der Neubauten. Ich habe niemals einen Hehl daraus gemacht, dass die bauliche Situation in den Altbauten unbefriedigend ist. Die Kapazitäten reichen einfach nicht aus. Deshalb dringe ich so vehement darauf, die Neubauten zügig fertig zu stellen. Ich dringe vor allem darauf, dass die Finanzierung gesichert bleibt, um einen zügigen Baufortschritt zu gewährleisten. Das ist ebenfalls gelungen.

Meine Damen und Herren! Wir waren mit einem schlimmen DDR-Erbe konfrontiert, denn in der DDR gab es keinen Maßregelvollzug. Psychiatrische und alkoholabhängige Straftäter wurden in aller Regel einfach - Herr Dr. Wagner hat es gesagt weggeschlossen, viele von ihnen für immer und ewig. Ohne eine Therapie gab es auch für diejenigen, die als leichtere Fälle galten, kaum eine Chance auf eine gesellschaftliche Integration.

Heute haben wir uns an Bundesrecht zu halten. Das bundesgesetzlich vorgeschriebene Vorgehen ist ohne angemessene Lockerungen nicht denkbar. Der Maßregelvollzug bedeutet eben nicht, die Leute wegzuschließen. Er soll Wege ebnen, um in die Gesellschaft zurückzufinden. So fordert es das Gesetz. Dies hat selbstverständlich bei Wahrung der Sicherheit für die Bevölkerung und auf der Basis einer schrittweisen Therapie zu erfolgen. Für mich - ich wiederhole das - steht der Schutz der Bevölkerung an oberster Stelle.

Noch ein Wort an die PDS-Fraktion. Sie wissen doch ganz genau, welch immense Anstrengungen das Land seit 1990 unternimmt, um die Versorgung dieser während der DDR-Zeit vernachlässigten Gruppe kranker Menschen zu verbessern. Das wissen Sie doch. Psychisch kranke Menschen sind Teil unserer Gesellschaft.

(Prof. Dr. Bisky [PDS]: Was soll das jetzt?)

- Jetzt wollen Sie das nicht hören.

(Prof. Dr. Bisky [PDS]: Bezüglich der DDR sind wir uns doch einig!)

Auch diejenigen, die straffällig werden, sind Teil der Gesellschaft. Wenn Sie mir das nicht glauben, so fragen Sie doch Herrn Prof. Leygraf oder Herrn Prof. Kröber!

(Frau Stobrawa [PDS]: Sagen Sie das der DVU!)

Der Umgang mit ihnen ist eine gesamtgesellschaftliche Aufgabe. Diese ist früher vernachlässigt worden.

(Frau Kaiser-Nicht [PDS]: Warum sagen Sie das nicht der DVU? - Beifall bei SPD und CDU)

Sie von der PDS-Fraktion waren doch bei den Ausschusssitzungen stets dabei. Sie haben gesehen, mit welchen Problemen wir seit 1990 zu kämpfen haben. Sie wissen, dass wir die Zahl der Entweichungen deutlich senken konnten. Sie wissen ebenso, dass sich die Zahl der im Maßregelvollzug Untergebrachten in den letzten Jahren nicht verdoppelt oder verdreifacht hat. Sie hat

sich vervierfacht. Sie machen es sich zu leicht, meine Damen und Herren von der PDS-Fraktion,

(Vietze [PDS]: Nein, Sie machen es sich jetzt zu leicht!)

wenn Sie heute harte Forderungen stellen, vor allem weil Sie in den Gremien, in denen das Vorgehen beraten wurde, geschwiegen haben.

(Klein [SPD]: Genau das kann ich bestätigen! - Beifall bei SPD und CDU)

Die Frage aller Fragen und die schwierigste Entscheidung für die Therapeuten ist immer wieder: Zu welchem Zeitpunkt gebe ich dem Patienten welche Lockerung? Darüber entscheidet keine Einzelperson, sondern ein Gremium erfahrener, medizinisch und psychologisch geschulter Fachleute, also Mediziner, Psychologen, Schwestern und Pfleger. Aber auch hierzu wird sich die Expertenkommission sicherlich äußern.

In den letzten Jahren hat sich nicht nur in Brandenburg, sondern bundesweit die Zahl der im Maßregelvollzug Untergebrachten drastisch erhöht. Die Unterbringungszeiten haben sich verlängert. Wir beobachten, dass die Gerichte zunehmend von den Möglichkeiten des Maßregelvollzugs Gebrauch machen. Ein Ende dieser Entwicklung ist nicht abzusehen.

Meine Damen und Herren! Kein Minister kann beeinflussen, was unabhängige Gerichte entscheiden. Ich will das auch nicht tun. So sind bundesweit die Einrichtungen des Maßregelvollzugs bis an die Grenzen belegt. Das ist hinreichend bekannt. Deshalb empfinde ich es als heuchlerisch, wenn die PDS-Fraktion verlangt, die brandenburgischen Einrichtungen zu schließen und die Insassen auf die Bundesländer - damit können nur die alten Bundesländer gemeint sein - zu verteilen. Auch die alten Bundesländer haben die Erfahrung gemacht, dass der Bau neuer Einrichtungen ein langwieriger und komplizierter Prozess ist.

Meine Damen und Herren! Durch die Ereignisse des letzten Herbstes ist der Maßregelvollzug im Land Brandenburg in den Blickpunkt des öffentlichen Interesses gerückt worden. Ich bin mir sicher, dass ihm auch weiterhin öffentliche Aufmerksamkeit zuteil wird. Ich bin angetreten, die Dinge in Ordnung zu bringen. Das werde ich tun. - Vielen Dank.

(Beifall bei SPD und CDU)

Vielen Dank, Herr Minister Ziel. - Ich gebe das Wort noch einmal an die Fraktion der PDS. Herr Abgeordneter Ludwig, bitte!

Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren! Das Thema dieser Aktuellen Stunde lautet „Die aktuelle Situation im Maßregelvollzug in Brandenburg”. Wenn man die letzten Reden gehört hat, hat man nicht den Eindruck, dass es heute darum gehen soll.

Herr Wagner, es geht eben nicht darum, dass man einmal Alkohol in einer Anstalt findet. Das finden Sie in jeder dieser An

stalten, wenn Sie nur intensiv genug suchen. Gott sei Dank wird auch im Strafvollzug jetzt intensiv gesucht.

Herr Kallenbach, es geht eben nicht um die Darstellung, wie man Maßregelvollzug machen müsste. Vielmehr geht es um die aktuelle Situation.

Deshalb bin ich besonders entsetzt darüber, dass der Minister die Gelegenheit nicht genutzt hat, auf die DVU-Redebeiträge einzugehen. Das, was Sie hier geboten haben, war ein Skandal. Das war unterstes Niveau. Das war „Rübe runter, Schwanz ab”. Das ist der kranke Versuch, an die Stammtische in Brandenburg vorzudringen und dort die Hoheit zu erreichen.

(Beifall bei PDS, SPD und CDU)

Eine solche Forderung „Für immer hinter Schloss und Riegel!”, wie von der Rednerin gestellt, ist schlichtweg grundgesetzwidrig. Sie missachten nicht nur die Wissenschaft, sondern auch alle in der Bundesrepublik geltenden Gesetze. Sie sind „die Gefahr für die Bevölkerung”! Sie sind „die Bestien”!

(Beifall bei PDS, SPD und CDU - Zuruf von der CDU)

Wir gehen auch nicht mit Herrn Ziel konform, der hier darstellte, dass alles, was zehneinhalb Jahre nach dem Beitritt der DDR zur Bundesrepublik existiert, Ergebnis des schlimmen DDR-Erbes sei. Selbst Herr Dr. Wagner wies darauf hin, dass das gleiche System heute noch in Schweden betrieben wird. Wo bleibt Ihr Protest gegen das schwedische System?

(Widerspruch bei der SPD)

Wenn wir seit 1990 in diesem Landtag Gott sei Dank über die Enthospitalisierung gesprochen haben, redeten wir nicht über den Maßregelvollzug, sondern über die Chance für Menschen, die damals in Krankenhäusern untergebracht waren, zum Teil auf unterstem medizinischem Niveau. Es ging darum, dass diese Menschen wieder eine Chance haben, selbstständig ihr Leben zu führen. Wir haben seit zehn Jahren eben nicht über den Maßregelvollzug - leider schon gar nicht in Haushaltsdebatten gesprochen.

Hier sitzt uns nun die dritte brandenburgische Landesregierung gegenüber, die an das Rechtsstaatsgebot des Grundgesetzes gebunden ist. Das gilt für alle Mitglieder der Regierung. Deshalb stört uns der Kleinkrieg zwischen Sozialministerium und Finanzministerium darum, wie viel Milliönchen eventuell in diesem Jahr nun endlich in die Sanierung der Anstalten fließen. Da erwarten wir einfach ein gemeinsames Vorgehen, nicht über die Presse oder über Briefe, die im Internet stehen, sondern da muss in einer Sprache gesprochen werden.

Es ist eben nicht nur der Gesundheitsminister, der in der Pflicht steht, genauso wie für Sicherheit im Strafvollzug nicht nur der Justizminister verantwortlich ist, schon gar nicht, wenn unter Schirmherrschaft des Finanzministeriums seit 1990 das Landesbauamt tätig ist, durch das alle baulichen Investitionen durchgehen müssen. Dass hier Reibungsverluste entstehen, habe ich gerade für den Justizvollzug an dieser Stelle mehrfach beklagen müssen.

Auch das Rechtsstaatsgebot des Grundgesetzes bindet nicht erst

beim Einsatzbefehl die Polizei, sondern bindet die Exekutive insgesamt. Insofern müssen wir feststellen: Seit zehn Jahren werden in der Bundesrepublik geltende Gesetze und seit 1996 das Brandenburgische Psychisch-Kranken-Gesetz in diesem Haus verletzt. Das muss betont werden und wir sehen hier die Landesregierung in der Pflicht.

(Beifall bei der PDS)

Dazu gab es heute wieder keine Antworten. Keine Antworten gab es ebenso auf die Frage - und die habe ich Ihnen, Herr Minister, in der Fraktionssitzung gestellt -: Was ist denn nun mit der pauschalen Personalkürzung in diesem und im nächsten Jahr im Maßregelvollzug? Es werden weitere Stellen im Maßregelvollzug wegfallen. Das heißt, Sie loben heute hier das Personal, durch dessen Leistung überhaupt Sicherheit gewährleistet wird, das noch Therapie macht, und wissen, dass schon im nächsten Jahr die Stellen nicht mehr vollständig zur Verfügung stehen. Keine Antwort!

Meine Damen und Herren, ein Mensch ist durch den Ausbruch des Herrn Schmökel zu Tode gekommen. Wann übernimmt die Politik die Verantwortung dafür? Auch dazu heute keine Antworten! Keine Antworten auf die Frage: In welchem Verhältnis stehen Polizeikosten und Investitionskosten im Maßregelvollzug?

Bei allem hier zu erklärenden Dank an die Polizistinnen und Polizisten, die diesen gefährlichen Einsatz gemacht haben wann werden wir sie wieder losschicken müssen, um einen Flüchtigen zu stellen? Keine Antworten!

Herr Abgeordneter Ludwig, formulieren Sie nicht noch so viele Fragen; Ihre Redezeit ist abgelaufen.

Letzter Satz, Herr Präsident: Da keine neuen Antworten gekommen sind, gibt es auch keine neue Position der PDS-Landtagsfraktion. Der Minister muss die politische Verantwortung dafür übernehmen. Sein Rücktritt ist gefordert. - Danke schön.

(Beifall bei der PDS)

Ich danke dem Abgeordneten Ludwig. - Ich frage die Landesregierung, ob sie noch einmal das Wort wünscht. - Nein. - Herr Abgeordneter Kallenbach, die SPD-Fraktion hat noch vier Minuten.

Meine Damen und Herren! Wir haben vielfältige Erörterungen zu dem brisanten Thema gehört. Ich bin zu der Auffassung gelangt, dass insbesondere die DVU-Fraktion hier einen Beitrag abgeliefert hat, der des Hohen Hauses nicht würdig ist