Protokoll der Sitzung vom 16.05.2001

Herr Minister, sind Ihnen Praktiken bekannt, wonach das Staatliche Schulamt Schüler dahin gehend beeinflusst hat, die Schule in Storkow nicht zu besuchen, und wonach sich die geringe Anmeldezahl von nunmehr 29 Schülern auch daraus ergeben hat?

Diese sind mir nicht bekannt. Ich fordere Sie auf, Ross und Reiter zu nennen; denn dem müsste schulaufsichtlich nachgegangen werden. Vor dem Fernsehen solche Unterstellungen zu tätigen, noch dazu als Mitglied des Landtages, ist schwierig. Ich bitte Sie deshalb, mir möglichst heute noch Namen zu nennen. - Vielen Dank.

Das Wort geht an den Abgeordneten Petke von der CDU-Fraktion, der die Gelegenheit hat, die Frage 696 (Castortransport) zu formulieren.

Die Sicherung des Castortransports von Rheinsberg nach Lubmin erforderte einen erheblichen Einsatz der Polizei des Landes Brandenburg und anderer Länder.

Ich frage die Landesregierung: Welche Kosten entstanden dem Land Brandenburg insgesamt für die Sicherung dieses Castortransportes?

Herr Minister Schönbohm, Sie haben das Wort.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Herr Abgeordneter Petke, bei der Vorbereitung des Castortransports gingen wir davon aus, dass Kosten in Höhe von rund 11,7 Millionen DM entstehen würden. Dies waren die Kosten, die sich aus den einsatztaktischen Erfordernissen abgeleitet haben. Dabei ging es im Wesentlichen um einsatzbedingte Mehrkosten für die Unterstützung durch Polizeikräfte aus anderen Ländern in Höhe von 6,5 Millionen DM und für Unterbringung und Verpflegung der Einsatzkräfte von rund 3,2 Millionen DM.

Die tatsächlich entstandenen Kosten sind im Augenblick noch nicht bezifferbar, da durch den Polizeieinsatz insgesamt die Zahl der Störer gering - sozusagen eine zu vernachlässigende Größe - war.

(Zuruf von der PDS)

- Ja, darüber können wir gerne diskutieren. - Die Rechnungslegung, insbesondere für Unterbringung und Verpflegung, erwarten wir innerhalb der nächsten zwei Wochen, sodass wir

dann die Zahlen etwas spezifischer darlegen können. Die Abrechnung mit den anderen Ländern bedarf einer etwas längeren Zeit; in Einzelfällen dauert es bis zu sechs Monaten.

Der störungsfreie Einsatzverlauf und damit der kürzere Einsatz der Kräfte bis zur erfolgreichen Beendigung des Castortransports führt zur Kostenminimierung.

- Ich glaube, ich brauche nicht mehr weiterzusprechen, Herr Präsident, da die nächsten Fragen schon da liegen. -

Ich möchte trotzdem darauf hinweisen, dass nach einer ersten Kostenschätzung Einsparungen von rund 3,6 Millionen DM gegenüber den angemeldeten Kosten eintreten werden. Mit der Endabrechnung aller entstandenen Kosten kann nicht vor dem Herbst dieses Jahres gerechnet werden.

Es ist auch Kritik geübt worden, dass das Land Brandenburg 11,7 Millionen DM für den Castortransport veranschlagt hat, während im Land Mecklenburg-Vorpommern nur 3 Millionen DM dafür vorgesehen waren. Rückfragen in Mecklenburg-Vorpommern haben ergeben, dass der dortige Innenminister im Haushalt 3 Millionen DM für die Unterstützung des Einsatzes aus anderen Ländern vorgesehen hat und dass er die anderen Kosten aus dem eigenen Haushalt erbringen muss. Wie hoch die Kosten in Mecklenburg-Vorpommern tatsächlich sind, ist im Augenblick noch nicht bekannt.

Ausgaben für Unterbringung, Verpflegung, Kfz-Technik, Funk usw. sind in Brandenburg vorgesehen, in Mecklenburg-Vorpommern aber in den Kalkulationen nicht enthalten. Vollkommen klar ist, dass wir bei unseren Planungen davon ausgehen mussten, dass, abhängig von der Einsatzlage, Hundertschaften in Mecklenburg-Vorpommern eingesetzt werden müssen. Dies war aufgrund der Gesamtlage dann glücklicherweise nicht erforderlich.

Es gibt noch Klärungsbedarf. Wir beginnen mit dem Fragesteller. Bitte, Herr Petke.

Herr Minister, wie bewerten Sie die auch im politischen Raum vereinzelt vorgebrachte Kritik, dass der Einsatz der Polizei in Brandenburg nicht den tatsächlichen Gegebenheiten entsprochen habe, dass sozusagen zu viel Vorkehrungen für den Einsatz beim Castortransport getroffen worden seien?

Die Kritik geht fehl, weil sie folgende Situation nicht berücksichtigt: Wenn wir über den Einsatz und den Schutz von Castortransporten reden, reden wir über einen ablaufenden dynamischen Prozess. Die Dynamik kann man sich sowohl im Wendland als auch woanders ansehen. In dem Augenblick, in dem wir wenig Polizeikräfte haben, ist zu vermuten, dass die Störerseite sehr viel stärker wird. Wenn wir auf der anderen Seite genügend Polizeikräfte haben - für 100 km Bahnstrecke waren bis zu 4 200 Polizeibeamte eingesetzt -, dann hat dies eine abhaltende Wirkung und führt dazu, dass die Störer feststellen, dass sie keine Chance haben werden.

Das ist die übliche Kritik, die von denen kommt, die, wenn sie aus dem Rathaus kommen, immer schlauer sind. Ich wäre dankbar gewesen, wenn einer vorher gesagt hätte: Wir von den Grünen - oder von welcher Partei auch immer - garantieren, dass keine Gewaltbereitschaft aufkommt.

(Beifall bei der CDU - Lachen des Abgeordneten Prof. Dr. Bisky [PDS] - Zurufe von der PDS)

- Klar, Herr Bisky, wenn sie das gesagt hätten, hätte ich das auch geglaubt. Ich weiß gar nicht, warum Sie darüber lachen. Herr Bisky, sehen Sie sich einmal an, wie das in Berlin war, was das für unglaubliche Einsätze waren. Sehen Sie sich an, wie es im Wendland war.

(Prof. Dr. Bisky [PDS]: Wir sprechen von Brandenburg, nicht von Buxtehude, Herr Minister!)

Als verantwortlicher Innenminister werde ich die Polizeikräfte einsetzen, die notwendig sind,

(Zuruf der Abgeordneten Frau Dr. Enkelmann [PDS])

um solche Transporte durchzuführen. - Punkt, Ausrufezeichen!

(Beifall bei CDU und SPD)

Frau Kaiser-Nicht, bitte!

Herr Minister, ich möchte zwei Fragen stellen.

Erstens: Halten Sie die von Ihnen gegebene politische Lageeinschätzung, die diesen noch nicht bezifferbaren, aber mindestens zweistelligen Millionenaufwand für den Steuerzahler in Brandenburg durch den Polizeieinsatz nach sich zog - bei aller zuzugestehenden Dynamik -, trotz der von uns vorher benannten offensichtlichen Unterschiede zu den Rahmenbedingungen des Castortransports im Wendland und trotz einer anderen politischen Demonstrationskultur in Brandenburg nicht inzwischen für falsch?

Meine zweite Frage: Wie erklären Sie den Widerspruch, meiner Fraktion am 4. April im Landtag geantwortet zu haben, Sie wüssten nicht, was wir mit „Deeskalationsstrategie” meinen, Sie wüssten auch nicht, was sich hinter dem Begriff „Konfliktmanagement” verberge und es würden keine Konfliktmanager eingesetzt - das kann man nachlesen -, während gleichzeitig die veröffentlichte polizeiliche Einsatzstrategie eindeutig Deeskalation zugrunde legte und auf deren Grundlage zehn Teams von Konfliktmanagern im Einsatz waren?

Frau Abgeordnete Kaiser-Nicht, Kollege Hammer hat mir dazu einen Brief geschrieben und Vorschläge gemacht. Diesen Brief habe ich beantwortet und erläutert, dass ich keinen Bedarf an Konfliktmanagern à la Hammer sehe. - Das ist der Kernpunkt. Von daher gesehen habe ich erläutert, dass wir im Rahmen der Öffentlichkeitsarbeit, die wir betrieben haben - Sie konnten sich

davon überzeugen -, die Öffentlichkeit intensiv über das, was wir tun, informiert haben.

(Frau Kaiser-Nicht [PDS]: Die Landtagsöffentlichkeit!)

Wir haben die Öffentlichkeit informiert. Wir haben, wenn wir im Innenausschuss gefragt wurden, geantwortet. Ich kann mich nicht entsinnen, dass Sie im Innenausschuss eine weiterführende Frage dazu gestellt hätten.

(Zurufe von der PDS - Glocke des Präsidenten)

- Diese Fragen werden wir auch beantworten. Das ist der Effekt des Vorher-Nachher, des Hineingehens und Herauskommens aus dem Rathaus. Wir werden uns damit auseinander setzen.

Wir haben also die Öffentlichkeit darüber informiert, was wir tun. Wenn Sie in Rheinsberg oder in anderen Orten mit den Bürgern sprechen, werden Ihnen die Bürger bestätigen, dass sie sich gut informiert fühlen.

Der Begriff „Deeskalation” ist etwas ideologisch besetzt. Einige sagen, Eskalation entstehe dadurch, dass die Polizei anwesend sei. Das sind diejenigen, die sagen, sie wollten Deeskalation dadurch, dass die Polizei nicht anwesend sei. Ich zähle zu denen, die sagen: Wenn der Rechtsstaat bestimmte Güter zu schützen hat, muss die Polizei präsent sein. Wer im Vorhandensein der Polizei Eskalation sieht, hat ein falsches Verhältnis zum Rechtsstaat.

(Beifall bei CDU und SPD)

Darum habe ich gesagt, ich weiß nicht, was Frau Kaiser-Nicht mit „Deeskalation” meint.

Nun kommt der nächste Punkt, Frau Kaiser-Nicht. Ich habe darauf hingewiesen, dass die Polizei im Rahmen der Verhältnismäßigkeit arbeitet. Die Verhältnismäßigkeit ist für polizeiliche Einsätze ein wichtiger Gesichtspunkt. Ich freue mich, dass es durch die Art und Weise, wie wir die Polizei eingesetzt haben, zu gar keiner Eskalation gekommen ist. Wenn es zu keiner Eskalation kommt, brauche ich keine Deeskalation. Von daher war das für uns alle insgesamt ein zufrieden stellendes Ergebnis.

Sie sprachen über Demonstrationskultur in Brandenburg. Ich möchte ausdrücklich feststellen: Wir haben glücklicherweise in Brandenburg eine Art des Umgangs miteinander, die ich wie folgt beschreiben möchte: dass für bestimmte Zwecke demonstriert wird und dass man dies friedlich tut. Aber die einzige Garantie, die ich nicht hatte und die Sie mir auch nicht geben konnten, bezieht sich auf die Frage: Was tun reisende Chaoten?

Haben Sie sich einmal im Internet umgesehen, wie dazu aufgerufen wurde? Haben Sie nachgelesen, welche Hassparolen dort publiziert wurden? Nach dem 1. Mai in Berlin war vollkommen unklar, welche Verstärkungsmöglichkeiten von außerhalb die friedliche Demonstration aus Brandenburg bekommen würde. Wir wissen es aus dem Wendland, das ich sehr gut kenne. Das Wendland ist friedlich und lieblich. Aber in dem Augenblick, da die reisenden Chaoten dahin kommen, ist es ganz anders. Das Gleiche gilt auch für die Gegend von Rheinsberg. Das war die Gefährdung, darauf haben wir uns vorbereitet und durch unsere Vorbereitungen ist diese Gefährdung nicht eingetreten. Daher

ist es, glaube ich, nicht fair, wenn Sie jetzt sagen, es sei zu viel gewesen. Wäre es andersherum gewesen, hätten wir die Diskussion sicher anders geführt. Ich möchte die Diskussion lieber darüber führen, dass glücklicherweise keine Polizisten verletzt wurden. Das ist für mich das entscheidende Argument, mit dem ich mich auseinander setzen möchte.

(Beifall bei CDU und SPD)

Verehrte Kollegen, ich bitte Sie im Sinne der Fairness gegenüber denen, die ihre Fragen auch noch beantwortet haben möchten, die Fragen kurz und präzise zu stellen, so wie es die Geschäftsordnung vorsieht. - Herr Hammer, bitte!

Nach der Auftaktdemonstration in Rheinsberg war klar, dass kein Klima für Gewalt vorhanden sein würde, und die politischen Wanderarbeiter, die Sie genannt haben, sind wieder abgezogen.

Meine Frage: Hätte man nach Neueinschätzung der Lage am Sonntag in Rheinsberg aus Ersparnisgründen nicht schon Polizeikräfte abziehen können?

Ich habe vom verantwortlichen Polizeipräsidenten - Sie legen ja wesentlichen Wert darauf, dass dies fachlich entschieden wird keine Empfehlung bekommen, dies zu tun. Ich sehe keine Notwendigkeit, aus politisch-demonstrativer Sicht etwas zu tun, um sagen zu können, es sei großartig, wie wir deeskalieren. Ich verlasse mich dabei auf den Rat der Fachleute. Und ich habe keinen Grund, daran zu zweifeln.

(Vereinzelt Beifall bei der CDU)