Protokoll der Sitzung vom 17.05.2001

Ich eröffne die Aussprache zu diesem Tagesordnungspunkt mit dem Beitrag der CDU und erteile dem Abgeordneten Dr. Niekisch das Wort.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Wir beantragen heute mit einem umfänglichen Katalog, die Hochschulen im Land Brandenburg zu stabilisieren und weiterzuentwickeln. Wenn man etwas stabilisieren muss, dann gibt es mindestens Bereiche der Instabilität. Wenn man bei der Landesregierung beantragt, etwas weiterzuentwickeln, dann gibt es mindestens Gebiete des Stillstandes, vielleicht sogar des Rückschrittes.

So stecken also bereits im Titel des Koalitionsantrages zwei Alarmzeichen, die uns laut und deutlich sagen: Instabilität und auch Stillstand sind das Letzte, was sich Brandenburg erlauben darf. Wir wissen - es wurde ständig von hier aus wiederholt -: Das Land hat keine natürlichen Ressourcen. Nicht nur durch Fontane wissen wir, dass wir nur sehr spärlich mit wirklich überragenden Naturschönheiten gesegnet sind.

Um jedoch keine Unklarheiten aufkommen zu lassen: Bedenkt man, dass Brandenburg nach der Schließung der Viadrina in Frankfurt (Oder) vor über 200 Jahren in den folgenden 180 Jahren - also im 19. und 20. Jahrhundert - so gut wie keine Hochschultradition begründen oder entwickeln konnte, so hat sich doch nach der Wiedervereinigung Beachtliches getan.

Neben dem vorzufindenden mageren Fundus der Hochschule für Film und Fernsehen, der Pädagogischen Hochschule oder der - eher merkwürdigen - Akademie für Staats- und Rechtswissenschaften und kleineren Fachschulen ist eine mehr als vorzeigbare, ja stolze Bildungslandschaft von neuen Universitäten und Fachhochschulen geschaffen worden. Deren Ausstattung, Aussehen und wissenschaftlichen Leistungen sind vielfach gut, ja sogar vorbildlich.

Doch es gibt erheblichen Stabilisierungs- und Weiterbildungsbedarf und große Potenziale, ja Notwendigkeiten dafür. Dies ist nicht nur eines der Themen des heutigen Tages, sondern es handelt sich um eine der zentralen Herausforderungen der Landespolitik der kommenden Jahre, wenn nicht des kommenden Jahrzehnts.

Bewältigen wir diese Herausforderungen nicht, wird Branden

burg ein unmodernes, subventionsabhängiges und rückschrittliches Land werden. Stemmen wir jedoch diese Aufgabe, wird Brandenburg stark und modern werden. Und schließlich: Schaffen wir das nicht, meine Damen und Herren, werden wir uns auch für die Schönheiten der ökologisch gepflegten Natur und auch für den sozialen Frieden, für den in den letzten Jahren sehr viel getan worden ist, wenig kaufen können.

Also: Weiterentwicklung und Stabilisierung der Hochschulen muss nicht nur ein Teil, sondern ein zentraler Bestandteil der Bildungsoffensive des Landes Brandenburg sein.

Gerade deswegen möchte ich mit einigem Ernst und kritisch auch mit Blick auf unseren Koalitionspartner - anhand einiger Zahlen und Vergleiche zu Haushaltsansätzen zum Osten Deutschlands doch noch ein paar Dinge klarstellen, die aber für heute und die Zukunft so nicht mehr gelten.

Noch am Haushalt des laufenden Jahres 2001 kann man für die Aufgabenbereiche Wissenschaft, Forschung und Kultur eindeutig ablesen, dass es nicht Christdemokraten, sondern eher Sozialdemokraten waren, die in den ersten beiden Legislaturperioden führende und sogar allein regierende Kraft in Brandenburg waren. Denn 1990 und in den folgenden Jahren sind die wesentlichen Aufbauarbeiten geleistet worden. Damals wurden Prioritäten gesetzt, die aus personellen Gründen, weil es um Menschen geht, und auch aus technischen Gründen nicht innerhalb von wenigen Jahren verändert werden können.

Die Bereiche Wissenschaft, Hochschule und Kultur gehörten nicht unbedingt in dem Maße zu den Prioritäten, dass Destabilisierung verhindert werden konnte oder dass Weiterentwicklungspotenziale in dem Maße aufgestaut worden sind.

Über diese Worte muss in diesem Haus niemand empört oder gar beleidigt sein; denn es ist eine nüchterne Feststellung. Es gibt dazu sprechende, ja sogar sehr geschwätzige Zahlen. Oder lassen Sie es mich umgekehrt sagen: Auch in allen anderen neuen Bundesländern - egal, ob sie heute mit absoluter Mehrheit schwarz oder rot-rot regiert werden - kann man für das Jahr 2001 an den Haushaltsansätzen für den Bereich Wissenschaft, Forschung und Kultur feststellen, dass diese Länder ab 1990 vor allen Dingen unter christdemokratischer Führung das Laufen gelernt haben.

Ich will jetzt gar nicht Bayern heranziehen, das für die Hochschulen etwa so viel wie ein Viertel unseres Landeshaushaltes ausgibt. 5 Milliarden DM, das ist nicht unsere Ebene - noch nicht.

Aber wie sieht es für 2001 aus? Sachsen gibt 2 Milliarden DM aus. Das sind 6,4 % des Haushaltes. Bei Thüringen sind es 1,1 Milliarden DM - 5,8 % des Haushaltes. Mecklenburg-Vorpommern gibt immerhin 750 Millionen DM aus. Das sind 5,4 % des Landeshaushaltes. Sachsen-Anhalt gibt 1,1 Milliarden DM aus. Das entspricht 5,4 % des Landeshaushaltes. Bei uns sind es 570 Millionen DM und ganze 2,9 %.

Auch für den Bereich Kultur könnte ich das fortsetzen. Dort haben wir die rote Laterne an vorletzter und nicht an letzter Stelle.

Also, meine Damen und Herren, als Sozialdemokraten und als

unsere Partner haben Sie hier keinen Ruf zu verlieren, sondern wir haben gemeinsam für dieses Land einen Ruf zu gewinnen. Gegen die rote Farbe muss man ja nicht unbedingt etwas haben. Aber wenn es um die rote Laterne geht, dann muss uns dieses gemeinsam alarmieren und so einen, dass wir Prioritäten vorsichtig verändern.

Die Schwerpunkte der 90er Jahre haben vor allem auf Umweltschutz, auf Meliorationen der Natur und auf Arbeitsmarktpolitik gelegen, vor allen Dingen als soziale Aufgabe. Ich möchte das gar nicht kleinreden, weil für die Menschen und für den sozialen Frieden im Lande Beachtliches getan worden ist.

Aber ich denke, wenn die Wahlergebnisse von 1999 und auch die Entwicklungen, die daraus folgten, einen Sinn haben sollten, dann doch den, dass wir jetzt gemeinsam den Aufholprozess in Deutschland, auch im Osten Deutschlands, anpacken. Wir müssen unser Land mit aller Kraft modernisieren und weiterentwickeln. Das heißt: Nationale und internationale Wettbewerbsfähigkeit, Weiterentwicklung der Hochschulen und gezielte Entwicklung der wirtschaftsnahen Forschung müssen Schwerpunkte sein.

Konkret möchte ich dazu Folgendes sagen: Wir haben nicht nur zu wenig Studenten. Auch hierzu ein paar Zahlen: Berlin hat 120 000, Sachsen 90 000 und wir haben jetzt 33 000. Wir haben auch viel zu wenig Studierende. Die Abiturienten gehen also zu wenig an Hochschulen in Brandenburg oder nach außerhalb.

Besonders besorgniserregend ist, dass nur etwa 17 % unserer Studentinnen und Studenten Natur- und Ingenieurwissenschaften studieren. Das ist viel zu wenig. Die Brandenburgische Ingenieurkammer hat sehr richtig festgestellt, dass dieses Problem bereits in den Schulen beginnt. Bereits in den Schulen muss das Interesse an naturwissenschaftlichen und technischen Berufen geweckt und gefördert werden.

In diesen Zusammenhang gehört natürlich auch eine gezieltere Begabtenförderung und Zusammenarbeit zwischen Schulen, Hochschulen und Wissenschaft als ganz wichtige Orientierungshilfe.

Selbstverständlich haben auch die Universitäten und Fachhochschulen ihre Forschungsprofile zu schärfen, Studienangebote mit dem nahen Berlin und dessen Hochschulen besser abzustimmen und Anwendungen und Praxisbezug zu verstärken. Jedoch, meine Damen und Herren, müssen wir in Deutschland und in Europa nicht unbedingt jeden Studiengang oder Abschluss aus den Vereinigten Staaten sklavisch importieren oder kopieren.

Zum Beispiel ist der international nach wie vor anerkannte Abschluss als Diplomingenieur hochmodern und zeitgemäß. In den 20er Jahren haben 20 % ausländische Studenten an deutschen Hochschulen und Universitäten Ingenieurwissenschaften studiert. An der BTU in Cottbus sind wir schon wieder so weit. Unser deutscher Ingenieurabschluss sollte also durchaus seinen Rang behalten.

Meine Damen und Herren! Sicher sollten auch die Hochschulen weiter und verstärkt daran arbeiten, ihre Drittmitteleinnahmen zu erhöhen und intelligent mit flexibilisierten oder globalisierten Haushalten umzugehen. Jedoch ist unzweifelhaft - hier möchte ich die Finanzministerin zitieren:

„Wir werden uns in Zukunft auf das Wesentliche konzentrieren müssen.”

Ebenso unzweifelhaft ist, was der Präsident der Brandenburgischen Ingenieurkammer, Mollenhauer, jüngst sagte:

„Alles ist umsonst, wenn für die Hochschulen vergleichsweise weniger Haushaltsmittel eingestellt werden als für die Arbeitsbeschaffungsmaßnahmen oder Stützungen für unprofitable Investitionsvorhaben.”

Hier geht es um Personalmittel, um die Auslastung der Labore, die Erhöhung der Studentenzahlen, vor allen Dingen um den Technologietransfer, und darum, dass junge Menschen als Wissenschaftler und Techniker für die mittelständische Wirtschaft hier gehalten werden können.

Lassen Sie uns also neben den Schwerpunkt der Erhaltung des sozialen Friedens und der Pflege der Landschaft und der Umwelt die Komponenten Modernisierung sowie internationale und nationale Wettbewerbsfähigkeit stellen. Es kann und darf nicht sein, dass brandenburgische Universitäten wie die Viadrina oder die BTU in Cottbus mit starker Blickrichtung nach Mittel- und Osteuropa über Auszehrung klagen oder ihre Destabilisierung befürchten. Deswegen, meine Damen und Herren, möchte ich zum Abschluss etwas wiederholen, was ein Politiker aus Frankfurt (Oder) einmal gesagt hat und was nicht nur für diese Stadt, sondern für ganz Brandenburg gilt: Brandenburg liegt in Deutschland eher ganz hinten, aber in Europa ganz vorn. - An dieser Stelle wird sich zeigen: Ist Brandenburg bei der europäischen Einigung ein Transitland für andere oder sind wir an vorderster Front Mitgestaltende, auch für die Brandenburger? Danke schön.

(Beifall bei der CDU und vereinzelt bei der SPD)

Ich danke dem Abgeordneten Dr. Niekisch und gebe das Wort an die Fraktion der PDS, an den Abgeordneten Dr. Trunschke.

Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Letzte Woche feierte der erste Wissenschaftsminister dieses Landes, Hinrich Enderlein, seinen 60. Geburtstag. Bei dieser Gelegenheit erinnerten viele der Gratulanten daran, dass in der 1. Legislaturperiode wesentliche Grundzüge der Wissenschafts- und Kulturpolitik partei- und fraktionsübergreifend...

Herr Präsident, dass die Lampe jetzt schon Redezeitende anzeigt, muss ein Fehler sein.

Ich wusste gar nicht, dass Sie so sensibel sind, Herr Dr. Trunschke. Sie achten doch sonst nicht auf die rote Lampe, die ich Ihnen von oben zeige.

(Allgemeine Heiterkeit)

Wenn sie am Anfang bereits blinkt, schon.

Fahren Sie bitte fort.

Beispielsweise konnte das damalige Hochschulgesetz mit der Zustimmung der damals im Land vertretenen Fraktionen angenommen werden und ich frage mich, ob Ähnliches heute noch möglich wäre.

Der vorliegende Antrag bringt mich jedoch in ein erhebliches Dilemma. Einerseits sagt er nichts Falsches und fordert auch nichts Unbilliges. Man kann ihn also schlecht ablehnen. Andererseits ist er in mehrfacher Hinsicht weder Fisch noch Fleisch und man fragt sich, warum man ihn eigentlich unterstützen sollte. Einerseits habe ich durchaus das Gefühl, dass der Antrag in die richtige Richtung weist, andererseits stelle ich beim genauen Lesen viele Oberflächlichkeiten fest, die den Verdacht eines Schaufensterantrages aufkommen lassen, dem zuzustimmen sich die PDS zu schade ist.

Entsprechend Ihrer fünf Punkte will ich deutlich machen, sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen von der Koalition, wie ich das meine: In Punkt 1 wollen Sie die Bildungsoffensive der Landesregierung auf die Hochschulen ausdehnen. Lässt man einmal die nicht nur polemische Frage beiseite, ob das angesichts der Qualität und Quantität der bisherigen Bildungsoffensive nicht eher Schlimmes erwarten lässt, so wäre dem durchaus zuzustimmen. Ich könnte sogar erfreut feststellen, dass SPD und CDU jetzt eine Initiative der PDS, die sie noch vor zwei Jahren abgelehnt haben, aufgreifen; denn bereits bei der letzten Novelle des Hochschulgesetzes hat die PDS eine deutliche Ausweitung der Studien- und Berufsberatung vorgeschlagen. Sie können unsere damaligen detaillierten Vorschläge gern noch einmal nachlesen. So weit, so gut.

Ihre Forderung aber, die Landesregierung solle die Quote der Schulabgänger mit Abitur und Studierquote erhöhen, wirkt so, als solle die Landesregierung gutes Wetter beschließen. Wollen wir dies nicht gemeinsam so präzisieren, dass die Landesregierung aufgefordert wird, die Rahmenbedingungen für Schule, Hochschule und Beruf so zu verbessern, dass mehr junge Menschen ein Studium aufnehmen können und wollen? Wollen wir nicht im Ausschuss die dafür nötigen Kriterien entwickeln?

Zu Ihrem zweiten Punkt, die Hochschulen sollten ihr jeweiliges Lehr- und Forschungsziel schärfen: Nach meiner Beobachtung, Herr Niekisch, ist das längst im Gange. Anders kämen die Hochschulen auch nicht mehr über die Runden. Sie haben im Gegensatz zu anderen ihre Hausaufgaben überwiegend gemacht. Allerorten wird über Leitbilder, Profile und Schwerpunkte diskutiert, werden neue Studiengänge und -formen konzipiert, von internationalen Studiengängen bis hin zur virtuellen Fachhochschule.

Ich lese diesen Teil Ihres Antrages daher so, dass Sie von den Hochschulen fordern, was diese eh schon tun, und dass Sie die Hochschulen in der Fortsetzung dieses Weges bestärken wollen.

Weiter fordern Sie die Hochschulen auf - ich zitiere -,

„Anwendungsorientierung und Praxisbezug in Lehre und Forschung zu stärken sowie das Ausbildungsangebot stärker auf die Bedürfnisse der Berufswelt auszurichten”

„durch vielfältige Kooperationen mit anderen Universitäten und Fachhochschulen sowie mit anderen Forschungseinrichtungen und mit Wirtschaftsunternehmen kostengünstige Synergieeffekte zu erzielen”.

Dagegen kann man wirklich nichts sagen.