Protokoll der Sitzung vom 24.10.2001

(Allgemeiner Beifall)

Ich rufe Tagesordnungspunkt 4 auf:

Gesetz über das Leichen-, Bestattungs- und Friedhofswesen im Land Brandenburg (Brandenburgisches Be- stattungsgesetz - BbgBestG)

Gesetzentwurf der Landesregierung

Drucksache 3/2535

Beschlussempfehlung und Bericht des Ausschusses für Inneres

Drucksache 3/3323

2. Lesung

Ich eröffne die Aussprache mit dem Beitrag der PDS-Fraktion. Herr Sarrach, Sie haben das Wort.

Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Der Gesetzentwurf ist unaufgeregt, aber intensiv beraten worden. Das können wir heute im Plenum fortsetzen.

Richtig ist, dass bislang geltendes übergeleitetes DDR-Recht durch zeitgemäße Bestimmungen ersetzt werden sollte. Aber nicht alles, was als nicht mehr zeitgemäß bewertet wird, muss uneingeschränkt dem Markt geöffnet werden. Damit meine ich

die Zulassung privater Rechtsträger neben Gemeinden, Gemeindeverbänden und kommunalen Zweckverbänden bei Errichtung und Betrieb von Feuerbestattungsanlagen nach § 24 Abs. 1 des Gesetzentwurfes.

In der auf Antrag meiner Fraktion durchgeführten Anhörung im Innenausschuss gab es wegen dieser Zulassung privater Betreiber starken Widerspruch vonseiten der kommunalen Spitzenverbände und der Kirche. Diese unterschiedlichen Auffassungen gilt es konstruktiv und nicht im Streit aufzulösen. Deshalb beantragen wir, § 24 Abs. 1 so zu ändern, dass Feuerbestattungsanlagen von Gemeinden, Gemeindeverbänden und kommunalen Zweckverbänden errichtet und betrieben werden dürfen. Diese Kommunen sollen mit Zustimmung der Kommunalaufsicht die Errichtung und den Betrieb einzelner Feuerbestattungsanlagen aber auch widerruflich einem privaten Rechtsträger übertragen können. Damit wird vor allem berücksichtigt, dass die würdige Bestattung von Verstorbenen eine öffentliche Aufgabe ist. In der Abwägung sollten wir über die Betroffeneninteressen der Kommunen auch deshalb nicht allzu leicht hinweggehen, weil die Landesregierung noch nicht ihre Hausaufgaben gemacht hat dahin gehend, das Gemeindewirtschaftsrecht so zu novellieren, dass die Kommunen in den verbliebenen Tätigkeitsbereichen bessere Bedingungen im Wettbewerb haben. Das gehört eben zusammen.

Schließlich hat Herr Rechtsanwalt von Hammerstein als Anzuhörender im Innenausschuss ausgeführt, dass auch ein Gesetz verfassungsgemäß wäre, das die Privatisierung ausschlösse und klarstellte, dass nur Kommunen solche Feuerbestattungsanlagen errichten und betreiben dürfen. Trotz der damit verbundenen Beschränkung der wirtschaftlichen Betätigung Privater könne ein solches Gesetz verabschiedet werden. Das will niemand hier im Haus, auch die PDS-Fraktion nicht, wie Sie unserem Antrag entnehmen können.

Wir schlagen Ihnen mit unserem Änderungsantrag gleichzeitig vor, einen Beitrag zur Rechtsangleichung mit dem Land Berlin zu leisten. Die für die Kommunen bessere Vorschrift, die Private nicht ausschließt, sollte also neidlos von uns übernommen werden können. - Ich danke Ihnen.

(Beifall bei der PDS)

Das Wort geht an die SPD-Fraktion, an Herrn Abgeordneten Dr. Kallenbach.

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Ein Gesetz über das Leichen-, Bestattungs- und Friedhofswesen im Land Brandenburg ist formell und materiell notwendig. Wie kein anderes Gesetz berührt es die privatesten Interessen jedes Bürgers. An Sterben und Tod kommt niemand vorbei. Das Gesetz ist zwingend notwendig, weil wir elf Jahre nach der Wiedervereinigung hier immer noch DDR-Recht ausführen und somit bei Bürgern, Behörden, Kircheninstitutionen und Ärzten Rechtsunsicherheit beseitigen müssen.

Auch aus gesundheitspolitischer Sicht ist die Verabschiedung des Gesetzes zwingend notwendig, weil der rechtliche Rahmen

zur Regelung der Sektion präzisiert werden muss, um Handlungssicherheit herzustellen. Dazu gehören auch detaillierte Vorgaben zur Durchführung von Leichenschau und Leichentransport. Der starke Rückgang der Zahl klinischer Sektionen, der seit der Wende von Ärzten konstatiert wird, ist nicht tolerierbar, weil Sektionen wesentlicher Bestandteil medizinischer Qualitätssicherung und eine Conditio sine qua non für Diagnostik, Therapie, Forschung und Lehre sind.

Aus diesem Grund stimmt die SPD-Fraktion den Regelungen des Gesetzentwurfes zu den medizinischen Aspekten uneingeschränkt zu.

Das ist aber nur ein Problembereich. Um den anderen - das ist der § 24 des Gesetzentwurfs - haben wir vor allem im federführenden Ausschuss für Inneres hart gerungen.

„Erlauben wir privaten Rechtsträgern den Betrieb von Feuerbestattungsanlagen?”, lautete die entscheidende Frage. Die Würde des Menschen auch über den Tod hinaus zu schützen und die Trauer der Angehörigen zu respektieren sei eine hoheitliche Aufgabe, sie müsse deshalb in der Verantwortung des Staates bleiben und dürfe auch nicht in Teilen den Gesetzen des freien Wettbewerbs ausgesetzt werden, argumentieren die einen. Die Befürchtung, die Privatisierung lasse Feuerbestattungsanlagen zu Entsorgungsbetrieben verkommen, habe sich bisher in keinem Bundesland, das die Privatisierung gestatte, bestätigt, erwidern die anderen, die darüber hinaus geltend machen, dass keine Rechtsgrundlagen existieren, um Privaten den Betrieb von Krematorien zu untersagen.

Meine Damen und Herren, für die Fraktion der SPD ist in dieser Frage von entscheidender Bedeutung, dass dem Grundsatz „Pietät vor Wirtschaftlichkeit” Rechnung getragen wird. Unser Koalitionspartner ist der Meinung, dass der Gesetzentwurf das leisten kann. Wir haben uns nach gründlicher Abwägung aller Argumente und nach Maßgabe des Koalitionsvertrages dazu entschieden, diesen Gesetzentwurf nicht an der Frage der Möglichkeit der Privatisierung von Krematorien scheitern zu lassen, obwohl auch der Berliner Weg, also ein Beleihungsmodell, denkbar gewesen wäre, um den Wünschen der Spitzenverbände und der Kirchen entgegenzukommen.

Deshalb fordern wir das Innenministerium auf, die zu erlassende Rechtsverordnung zur näheren Ausgestaltung der Privatisierungsbestimmungen unter das Leitmotiv der Achtung der Würde der Toten und der Trauer der Hinterbliebenen zu stellen. Horrorgeschichten über Akkordverbrennungen in einem belgischen Krematorium, wie sie in der Vergangenheit der Presse zu entnehmen waren, wird es in brandenburgischen Zeitungen nicht zu lesen geben. Dafür sorgen umfangreiche Bau-, Betriebs- und Immissionsschutzvorschriften, für deren Überwachung und Einhaltung die zuständigen Behörden Sorge tragen werden.

Ich möchte an dieser Stelle auch noch einmal ausdrücklich den Kirchen die Sorge nehmen, als Träger von Friedhöfen mit so genannter Monopolstellung bei der Unterhaltung dieser Anlagen allein gelassen zu werden. Der Staats-Kirchen-Vertrag vom 8. November 1996 nimmt die Kommunen hier explizit in die Pflicht.

Meine Damen und Herren, die SPD-Fraktion empfiehlt den vorliegenden Gesetzentwurf zur Annahme, damit ein landes

rechtlicher Rahmen die Grundlage nachfolgender Verordnungen sein kann. - Ich bedanke mich für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall bei SPD und CDU)

Das Wort geht an den Abgeordneten Claus. Er spricht für die DVU-Fraktion.

Herr Präsident! Meine Damen! Meine Herren! Wir haben heute über ein Gesetz zu befinden, das Regelungen über die Würde eines Verstorbenen trifft. Der Tote ist nicht recht- und schutzlos.

In § 4 des Gesetzentwurfs wird festgeschrieben, dass der Arzt den Todeszeitpunkt, die Todesart und die Todesursache zu untersuchen hat. Das ist in unserer Rechtsordnung eine Selbstverständlichkeit.

Auch die klinische Sektion bedarf wegen des in der Begründung zu dem Gesetzentwurf Dargelegten keiner weiteren Erörterungen.

Wir leben in einem Kulturkreis, der allgemeine sittliche Vorstellungen entwickelt hat, die sich im Gesetzentwurf widerspiegeln. Eine potenzielle Unsterblichkeit besitzen weder Mensch noch Tier und Pflanze. Die Würde des Menschen geht über den Tod hinaus. Deshalb ist es selbstverständlich, dass der Tote eine würdige letzte Ruhestätte erhält. Freunde und Bekannte, Verwandte oder Ehepartner nehmen ein letztes Mal Abschied. Das sind die Anstandsregeln, die uns überliefert sind.

Vom Kulturhistoriker und Mitbegründer der deutschen Heimatbewegung Hermann Allmers stammen folgende Zeilen:

„Mein Leib in Heimaterde, mein Lied in Volkes Mund: So möchte ich, dass es werde nach meiner letzten Stund.”

Diese Zeilen sagen uns, dass das Wort oder das Lied des Verstorbenen weiterlebt.

Der Tod hat seine eigenen Gesetze. Wir als Lebende können kein unmittelbares Verhältnis zu ihm herstellen, aber wir können ihn aus der Nähe betrachten und dabei Erfahrungen machen, die es uns ermöglichen, ihm mutig ins Auge zu blicken und keine Furcht vor ihm zu empfinden. Dies sind Worte eines französischen Philosophen.

Der Tod war zu allen Zeiten nicht nur eine profane Angelegenheit, indem Organe ihren Dienst versagen, sondern nach christlich-abendländischer Auffassung vor allem der dramatische Übergang in eine andere Welt. Der letzte Weg des Menschen soll in Würde beschritten werden. Die Lebenden sind verpflichtet, dies zu garantieren.

Dem Gesetzentwurf in der uns vorliegenden Fassung werden wir natürlich zustimmen.

Ihren Änderungsantrag, meine Damen und Herren von der PDSFraktion, werden wir ablehnen. Wir haben, wie der Kollege Sarrach gesagt hat, eine öffentliche Anhörung durchgeführt.

Niemand von den kommunalen Spitzenverbänden oder von den Kirchen konnte ein Argument dafür vorbringen, dass man Krematorien nicht privatisiert, wie das in anderen Bundesländern schon der Fall ist. Sie schreiben selbst in Ihrer Begründung, die würdige Bestattung von verstorbenen Personen sei eine öffentliche Aufgabe. Wenn wir dahin zurück wollten, dann müssten Sie den privaten Bestattungsunternehmen wieder alles wegnehmen. - Ich danke für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall bei der DVU)

Das Wort geht an die CDU-Fraktion. Herr Abgeordneter Petke, bitte.

Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Der vorliegende Entwurf eines Gesetzes über das Leichen-, Bestattungs- und Friedhofswesen im Land Brandenburg berührt tatsächlich einen sensiblen Bereich. Ich bin dem Kollegen Kallenbach außerordentlich dankbar dafür, dass er auf die medizinischen Aspekte dieses Gesetzentwurfs hingewiesen hat; denn sowohl in der öffentlichen Debatte, die von Überschriften wie „Leichentourismus” oder „Tote auf Reisen” gekennzeichnet war, als auch in der Anhörung wurde überwiegend auf den § 24 abgestellt, also auf die im Gesetzentwurf vorgesehene Möglichkeit, dass Krematorien privat betrieben werden und nicht mehr allein in der Hand der Gemeinden und Landkreise sind.

Wir haben hier die Situation, dass die 1. Lesung des Gesetzentwurfs ohne Debatte erfolgt ist und dass uns dann ein Brief eines Senators aus dem Land Berlin, von Senator Strieder, erreicht hat. Es ist ein, ich glaube, fast einmaliger Vorgang, dass sich ein Senator eines benachbarten Landes an die Mitglieder des Innenausschusses des Landtages Brandenburg wendet mit der Bitte, den vorliegenden Gesetzentwurf speziell mit Blick auf § 24 Abs. 1 noch einmal unter die Lupe zu nehmen, wenn nicht gar auf die Möglichkeit der Privatisierung zu verzichten. Man darf sich natürlich nicht nur mit dieser Bitte beschäftigen, sondern muss sich auch mit der Frage auseinander setzen, warum ein benachbartes Land, hier vertreten durch einen Senator, diese Bitte an uns heranträgt.

(Zuruf des Abgeordneten Schippel [SPD])

- Sicherlich deshalb, weil er mit uns fusionieren will. Das war ja dann möglicherweise der erste Vorschlag, der in die richtige Richtung geht. - Wenn man sich die Berliner Situation ansieht, speziell die auf dem Gebiet der Krematorien, dann kommt man zu der Erkenntnis, dass dort nicht alles so funktioniert, wie das die Berliner vielleicht gerne möchten, dass es tatsächlich vorkommt, dass Menschen bei der Bestattung ihrer Angehörigen und Freunde den Weg in das benachbarte Umland suchen, um Kosten zu sparen. Die Landesregierung hat sich bei diesem Gesetzentwurf zu Recht dafür entschieden, die Möglichkeit in Betracht zu ziehen, den § 24 so zu fassen, dass die Privatisierung möglich ist.

Weder bei der Anhörung noch im vorliegenden Änderungsantrag der PDS sind konkrete Punkte angesprochen worden

das fehlt mir in dieser Debatte -, die die Gefahr einer nicht pietätvollen Bestattung belegen oder die belegen, dass durch die vorgesehene Regelung die Kultur des Bestattens verloren geht. Durch die Verwaltungsvorschriften, die dann erlassen werden und durch die Kontrolle durch die Landkreise, die aus meiner Sicht auch leistbar ist, werden wir die notwendige Kontrolle insgesamt sicherstellen.