Protokoll der Sitzung vom 21.11.2001

Eine niedrige Inflationsrate und die steuerliche Entlastung von Unternehmen bilden ein positives Umfeld für die Wirtschaftstätigkeit. Es ist und bleibt unser Ziel, mit sozialem Augenmaß die Ausgaben des Landes an die Einnahmen anzupassen.

Wir halten also uneingeschränkt Kurs. Wir wollen in naher Zukunft keine weiteren Schulden mehr auftürmen, sondern die Neuverschuldung stoppen und den Schuldenbestand abbauen. Davon rücken wir nicht ab.

Ich behaupte: Geld ausgeben kann jeder, selbst in Bayern übrigens bis vor kurzem noch ein Nehmerland -, aber mit knappen Mitteln Prioritäten zu setzen, neue Wege zu gehen und auch Widerstände zu überwinden, das verstehe ich unter harter Arbeit, zu der soziales Augenmaß, Mut und auch ein gehöriges Maß an Entschlossenheit gehören.

(Beifall bei der SPD und vereinzelt bei der CDU)

Eine Decke wird nicht länger, wenn man an einer Ecke zieht, wohl aber kürzer, wenn wir sie zu heiß waschen, wie ich vorhin gerade anhand des Vergleichs zwischen der Justiz in Brandenburg und der in Mecklenburg-Vorpommern beispielhaft verdeutlicht habe.

Neben der LEG, über die in diesem Hohen Haus intensiv diskutiert und debattiert wurde, will ich nochmals kritisch Verbeamtungen nennen, bei denen sich mir persönlich die hoheitlichen Aufgaben zum Beispiel an einer Schule nicht recht erschließen. Dies kostet heute Motivation im Kollegium und morgen Pensionen. Diese steigen übrigens stark an. Im Altbundesgebiet liegen die Ausgaben für Beamtenpensionen heute rund 50-mal so hoch wie derzeit in Brandenburg.

Erstmalig im Landtag werden wir auch - am Donnerstag tagt wie vereinbart der Haushalts- und Finanzausschuss - mit Beschluss des Haushaltes Mitte Dezember einen eigenen Sparbeitrag aus der Mitte der Regierungskoalition neben sozialen Umschichtungen für Kernprojekte einbringen. Sparen ist für mich kein Selbstzweck, sondern konkrete Verantwortung für die jüngsten Brandenburger. Für die SPD-Fraktion gehört auch das soziale Augenmaß notwendigerweise dazu. Deshalb werden wir an der Finanzierung von Krippe, Kindergarten und Hort nicht rütteln.

(Lachen und Beifall bei der PDS)

Wir stocken die Mittel für den Bau und die Sanierung von Schulen im Rahmen der Bildungsoffensive deutlich auf. Die Unterstützung für Gehörlose - Kollege Lunacek hat es bereits angeführt - bleibt erhalten. Auch die Förderung von Frauenzentren, Frauenhäusern und Familien wird deutlich nachgebessert. Durch unsere Prioritätensetzung sichern wir sozialen Projekten und der Wirtschaft das Abrufen von Bundes- und EU-Mitteln.

Notwendige Sicherheitsmaßnahmen zum Schutz vor Terroranschlägen werden selbstverständlich ergriffen.

Andererseits senken wir unter anderem spürbar die Ausgaben der eigenen Landesverwaltung. Es ist unser Ziel, Schulden abzubauen, und dieses Ziel ist ehrgeizig. Auf Dauer werden wir nicht mehr ausgeben können, als wir einnehmen. Dies gilt für uns ebenso wie für einen Betrieb oder einen Sportverein. Dafür arbeiten wir auf vielen Feldern. Das möchte ich noch einmal ganz klar unterstreichen.

Bildungsoffensive, Polizeistrukturreform, Forstreform und die laufende Gemeindegebietsreform sind bei allem Für und Wider genauso wie die Konzentration auf soziale Kernprojekte bzw. auf hoheitliche Aufgaben, die Entschlackung von Verordnungen und Erlassen und eine sozialverträgliche Personalanpassung notwendige Steine für das Zukunftsmosaik des Landes Brandenburg.

Im Bund - das sei noch einmal angemerkt - haben wir als Sozialdemokraten gemeinsam mit dem Koalitionspartner den Reformstau nach 16 Jahren Kohl aufgelöst.

(Lachen bei der PDS)

Reformen durchführen, Prioritäten setzen, Verwaltung straffen, soziales Augenmaß beweisen - das ist unsere klare Politik!

(Beifall bei der SPD)

Mancher fragt sich vielleicht: Wozu überhaupt diese selbstverordnete Diät? Essen wir doch, solange etwas auf dem Tisch steht! Das Geld sprudelt, es kommt von den Banken. Der Hunger wird ohnehin irgendwann schrecklich.

Aber ich freue mich, dass nicht nur ich überzeugt bin, sondern auch unser Kollege Heinz Vietze inzwischen fest davon überzeugt ist, dass es eben besser ist, nicht am Abend auf eine Praline zu verzichten...

(Oh! bei der PDS)

Es ist besser, seine Ernährung umzustellen, als am Abend auf eine Praline zu verzichten, lieber Kollege Heinz Vietze!

(Heiterkeit bei der PDS)

Denn wenn wir die letzte Hose verpfänden, dann werden wir nicht nur frieren, sondern ausgemergelt auch noch hungern.

Natürlich sind die Früchte unserer Konsolidierungsbemühungen noch klein und runzlig. Aber dass sie deswegen weniger schmackhaft, weniger aromatisch und weniger vitaminreich sind, kann ich nicht feststellen.

(Fortgesetzte Heiterkeit bei der PDS)

Meine Damen und Herren! Wir halten mit einer eigenen Mehrheit der Koalitionsfraktionen am gebotenen finanzpolitischen Konsolidierungskurs fest. Wir werden dabei soziales Augenmaß permanent unter Beweis stellen und die Nettokreditaufnahme all Ihren anders lautenden Vermutungen zum Trotz - Jahr für Jahr senken.

Meine Damen und Herren, ich wünsche uns hierzu in den Haushaltsverhandlungen vor Verabschiedung des Doppelhaushaltes Mitte Dezember 2001 weiterhin eine befruchtende Debatte. Herzlichen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall bei der SPD und vereinzelt bei der CDU)

Ich danke Ihnen, Herr Abgeordneter Bischoff. - Das Wort geht an die Fraktion der DVU, Frau Abgeordnete Hesselbarth.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Brandenburg ist pleite! Dies und nichts anderes ist die bittere Wahrheit und der Hintergrund dieser Aktuellen Stunde am heutigen Tag. Im September hat die Landesregierung den Doppelhaushalt 2002/2003 vorgelegt, welcher bereits zu diesem Zeitpunkt das Papier nicht wert war, auf dem er geschrieben stand.

(Beifall bei der DVU)

In diesem Haushalt war buchstäblich für kein einziges haushaltspolitisches Risiko, zum Beispiel die Liquidation der LEG, Vorsorge getroffen. Das war der Landesregierung und auch Ihnen, meine Damen und Herren von der Koalition, natürlich bewusst.

Also zauberte die Landesregierung eine so genannte Ergänzungsvorlage aus dem Hut. Diese wurde zurückgenommen, um das Haushaltschaos perfekt zu machen, und zwar rechtzeitig vor dieser Plenarsitzung.

Unterdessen kündigten Sie, meine Damen und Herren der Koalition, an, diese Vorlage nun als Ihre Vorlage einzubringen. Das ist eine Arbeitsweise! Haben Sie schon einmal etwas von Gewaltenteilung gehört?

(Beifall bei der DVU)

Das Bemerkenswerte an Ihrer Vorlage, meine Damen und Herren von SPD und CDU, ist, dass Sie die von Ihnen geplanten Mehrausgaben unter anderem mit einer zusätzlichen Nettoneuverschuldung von 88 Millionen Euro im Jahr 2002 finanzieren wollen - die globale Minderausgabe dabei nicht zu vergessen! Womit Sie diese Deckungslücken schließen wollen, sagen Sie natürlich nicht.

Doch damit nicht genug! Die von Ihnen geplanten haarsträubenden Sozialkürzungen, zum Beispiel bei den Kindertagesstätten, dem Gehörlosengeld, den Frauenhäusern oder dem Schulneubau, mussten Sie aus taktischen Gründen vor dem Hintergrund der gerade begonnenen Bürgermeister- und anschließenden Kommunalwahlen wieder zurücknehmen, sonst hätten Sie nämlich nicht nur unzählige Wählerstimmen, sondern auch einen Großteil Ihrer eigenen Kommunalpolitiker verloren. Also machten Sie diese Kürzungen dadurch rückgängig, dass Sie zum Beispiel im Bereich des Ministeriums für Stadtentwicklung, Wohnen und Verkehr radikale Streichungsvorschläge einbrachten, welche wiederum auf Kosten der Bauwirtschaft in diesem Land gehen werden. Sie kürzen also bei den Investitionen, die

so wichtig für die Zukunft Brandenburgs sind. Herr Bischoff, verdrehen Sie also nicht die Tatsachen.

Nun kommt die nächste Hiobsbotschaft. Die aktuelle bundesweite Steuerschätzung lässt für den Bund und alle Bundesländer erhebliche Steuermindereinnahmen für die Jahre 2001 und 2002 erwarten. Für Brandenburg sind - so das Ergebnis des Arbeitskreises Steuerschätzung in Berlin - Mindereinnahmen von bis zu 90 Millionen Euro im Jahre 2001 und von bis zu 130 Millionen Euro im Jahre 2002 zu erwarten.

In einer Pressemitteilung geht die Finanzministerin selbst davon aus, dass die Steuerausfälle im Jahre 2003 das Niveau des Jahres 2002 erreichen könnten.

Die erwarteten Steuerausfälle sind vor allem konjunkturell bedingt. Die Wirtschaftsforschungsinstitute sprechen von einem Wirtschaftswachstum von 0,7 % für das Jahr 2001 und von maximal 2 % für das Jahr 2002. Das Land Brandenburg lag mit einem Wirtschaftswachstum von 0,3 % im Jahre 2000 an letzter Stelle aller Bundesländer. Das ist Ihnen bekannt. Der Schrumpfungsprozess der wichtigsten Branchen in Brandenburg ging derweil munter weiter, zum Beispiel im Baugewerbe und im Bergbau.

Dass angesichts solcher Zahlen sowie der so genannten Eichelchen ein Steuerloch in derartigem Ausmaß eintreten musste, war doch wohl zu erwarten.

Nun erklärte die Finanzministerin gegenüber der Presse, dass angesichts des Umfangs der Steuerausfälle ein Teilausgleich über eine höhere Kreditaufnahme als bisher geplant nicht ausgeschlossen sei. Das heißt doch nichts anderes, als dass man einerseits an nicht hinnehmbaren Sparmaßnahmen festhält oder diese sogar verstärkt und andererseits jedoch allen Versprechungen auf Haushaltskonsolidierung zum Trotz wieder zur Massenverschuldung zurückkehrt.

Sinnvoller wäre es gewesen, die Änderungsanträge der DVUFraktion anzunehmen. Mit unseren Anträgen könnte man eine Ankurbelung der Konjunktur erreichen und soziale Besserstellungsmaßnahmen mit einer deutlich geringeren Nettoneuverschuldung finanzieren.

(Beifall bei der DVU)

Sie können also nicht einmal rechnen, Herr Lunacek! Sie haben Ihre Prioritäten festgelegt. Unsere Prioritäten liegen in der Besserstellung der kleinen und mittelständischen Betriebe, weil nur hier dauerhaft Arbeitsplätze und Ausbildungsplätze geschaffen werden können. Genau das tut Not für die Zukunft des Landes Brandenburg. - Ich bedanke mich für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall bei der DVU)

Das Wort geht an die Landesregierung. Frau Ministerin Ziegler, bitte.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Es ist zu begrüßen,

dass wir heute noch einmal über dieses Thema sprechen. Um in den Bildern von Herrn Bischoff zu reden: Es ging quer durch den Gemüsegarten, was die Argumente und die Ansatzpunkte in der Diskussion betraf. Deshalb möchte ich auf das eingehen, was Herr Lunacek in Bezug auf die Steuerschätzungen gesagt hat.

Ich will meine Ausführungen mit ein paar Fakten anreichern. Diese tragen sicherlich zur Erhellung bei. Im Jahre 1995 wurde eine Steuerschätzung für die darauf folgenden Jahre abgegeben. Im Jahre 1996 musste diese aufgrund konjunkturbedingter Steuerausfälle wie folgt korrigiert werden: in Höhe von 70 Milliarden DM für 1997, von 90 Milliarden DM für 1998 und von 100 Milliarden DM für 1999. Dagegen sehen die 12 Milliarden DM und die 18 Milliarden DM der Bundesregierung für die kommenden Jahre relativ verkraftbar aus. Das sind die Fakten, die zeigen, was beim Übergang von der CDU-Regierung auf die SPD-Regierung bei den Steuerschätzungen geschehen ist.

(Zuruf des Abgeordneten Lunacek [CDU])