Protokoll der Sitzung vom 21.11.2001

(Zuruf des Abgeordneten Lunacek [CDU])

Man muss deutlich sagen, dass der damalige Finanzminister die Steuereinnahmen natürlich höher geschätzt hat, um die Einnahmeposition im Bundeshaushalt hoch zu halten, was aber nicht erfüllbar war. Davon müssen wir abkommen. Gleiches gilt für den Landeshaushalt.

Frau Osten, es gibt keinen Beschluss zur Erhöhung der Nettokreditaufnahme. Ich habe dem Kabinett gestern einen Bericht vorgelegt, aus dem hervorgeht, was aus den Steuerschätzungen resultiert. Es gab zu diesem Bericht Einvernehmen. Aus den bisher eingegangenen Beschlussvorlagen der Fraktionen und aus den bisher vorliegenden Beschlussvorlagen der Regierung nach dem Regierungsentwurf ist eine resultierende Nettokreditaufnahme und eine globale Minderausgabe ersichtlich. Diese Zahlen sind in der Öffentlichkeit bekannt. Das ist ein Resultat dieser drei Säulen: Sicherheitspaket, Steuerschätzung und die Vorschläge der Regierungsfraktionen.

(Zuruf der Abgeordneten Frau Osten [PDS])

- Ich stelle es jetzt richtig, Frau Osten. Nehmen Sie es einfach zur Kenntnis!

Es ist schmerzhaft, was das Land Brandenburg zu verkraften hat. Das hat nichts, aber auch gar nichts mit fehlender Solidität, was den Willen der Landesregierung und der Koalition angeht, zur Konsolidierung und zur Fortführung des Konsolidierungsweges zu tun.

Die jetzigen Zahlen reihen sich in andere schwierige Daten der vergangenen Monate ein. Dazu gehören die Mehrkosten der Zusatzversorgungssysteme und die Mindereinnahmen aufgrund der Steuerreform. Wir alle wissen: Die Steuerreform wird uns kurzfristig sehr stark belasten. Wir erhoffen uns aber, dass sie uns mittel- und langfristig zu positiven ökonomischen Wirkungen verhilft. Deshalb haben wir das gemacht.

Wir sind uns sicherlich darüber einig, dass gerade jetzt eine strenge Fortführung des Konsolidierungskurses zwingend erforderlich ist. Wenn von außen zusätzlich Risiken auf uns einströmen, müssen wir unserer Verantwortung gemeinsam gerecht

werden. Es hilft nicht, wenn man sagt, dass Chaos im Haushalt herrsche. Wir müssen darauf reagierten. Wenn wir nicht darauf reagierten, dann würden wir dafür den Vorwurf erhalten. Dass das zeitlich alles in unsere parlamentarischen Beratungen fällt, kann man der Regierung nicht zum Vorwurf machen.

Es ist erforderlich zu prüfen, welche zusätzlichen Maßnahmen zu ergreifen sind, um den Konsolidierungskurs zu untermauern. Dazu will ich ein paar Fakten nennen.

Die Steuerschätzung hat die Folgen der schwachen wirtschaftlichen Entwicklung in Deutschland in diesem Jahr verdeutlicht. Die Gebietskörperschaften der Bundesrepublik müssen in diesem und im kommenden Jahr von Mindereinnahmen in Höhe von insgesamt rund 16 Milliarden Euro ausgehen. Es wäre Gift für die wirtschaftliche Entwicklung, wenn der Bund und die Länder gemeinsam versuchen würden, diese konjunkturbedingten Mindereinnahmen durch Steuererhöhungen oder durch drastische Ausgabenkürzungen zu kompensieren. Auf der anderen Seite wären kreditfinanzierte Investitionsprogramme nur ein Strohfeuer mit hohen Folgekosten und hohen Mitnahmeeffekten.

Es wäre aber auch für alle öffentlichen Haushalte nicht zu verkraften, wenn - wie es einige gefordert haben - der im Steuersenkungsgesetz beschlossene Entlastungsschritt im Jahre 2003 auf das Jahr 2002 vorgezogen würde. Bei den minimalen konjunkturellen Erfolgsaussichten einer solchen Aktion blieben wir auf den langfristigen Auswirkungen, nämlich steigenden Zinslasten, sitzen. Das können wir uns nicht leisten. Das wäre von uns nicht zu verantworten. In dieser Position sind sich der Bund und die Länder einig. Eine entsprechende Grundsatzerklärung gaben sechs Bundesländer - darunter auch Brandenburg - in der vergangenen Woche ab.

Meine Damen und Herren! Für den Landeshaushalt bedeutet das Ergebnis der Steuerschätzung voraussichtliche Mindereinnahmen in diesem und im nächsten Jahr in Höhe von rund 220 Millionen Euro, und zwar bis zu 96 Millionen Euro in diesem Jahr und 122 Millionen Euro im nächsten Jahr. Nur das bedingt die Erhöhung der Nettokreditaufnahme, die wir als Regierung vorgeschlagen haben.

Für diejenigen, die noch nicht in Euro denken, und um diese Dimension auch in der Öffentlichkeit deutlich zu machen: Es sind rund 400 Millionen DM. Das ist eine riesige Belastung für unseren Haushalt. Wir werden das weder mit links noch mit rechts einfach so stemmen können.

(Beifall bei der CDU)

Für das Jahr 2003 müssen wir gegenüber unseren bisherigen Ansätzen von Mindereinnahmen in mindestens der gleichen Größenordnung wie für das Jahr 2002 ausgehen. Eine erste - ich sage das jetzt in Anführungsstrichen - verlässliche Einschätzung der Auswirkungen auf das Jahr 2003 wird aber erst nach der nächsten Steuerschätzung im Mai nächsten Jahres möglich sein. Dann werden uns in etwa die Rahmendaten der wirtschaftlichen Entwicklung für das Jahr 2003 vorliegen.

Auch die Kommunen des Landes werden in diesem und im nächsten Jahr mit deutlich geringeren Einnahmen rechnen müssen. Gegenüber dem Ergebnis der Steuerschätzung im Mai

werden sie in diesem Jahr um 11 % und im nächsten Jahr um 15 % geringere Einnahmen erzielen. In der Summe sind das knapp 230 Millionen Euro. Die Ursache dafür ist der Einbruch bei den Einnahmen aus der Gewerbesteuer. Hierfür sprechen zwei Gründe: zum einen die schwache ökonomische Entwicklung, zum anderen aber auch die offensichtlich bisher nicht ganz sicher getroffene Vorausschau der finanziellen Auswirkungen, die durch die Verschärfung der Bestimmungen zur degressiven Abschreibung erwartet worden waren.

Wir müssen uns darüber im Klaren sein, dass das Ergebnis für das Jahr 2002 mit zusätzlichen großen Unsicherheiten verbunden ist, die insbesondere im Zusammenhang mit der Prognose für die wirtschaftliche Entwicklung im Jahre 2002 stehen. Dies wurde vorhin bereits ausgeführt. Während die Bundesregierung und die führenden Wirtschaftsforschungsinstitute von einer moderaten Beschleunigung der wirtschaftlichen Entwicklung in Höhe von 1,25 % realem Wachstum im nächsten Jahr ausgehen, prognostiziert der Sachverständigenrat in seinem jüngsten Herbstgutachten ein reales Wachstum von lediglich 0,7 %. Also ist Vorsicht mit allzu positiven Prognosen geboten, wenn man überhaupt noch von positiven Prognosen sprechen kann.

(Zuruf des Abgeordneten Vietze [PDS])

Deshalb gehen wir in unseren Planungen da sehr restriktiv vor. Gleichzeitig geht der Sachverständigenrat von einer deutlich höheren durchschnittlichen Arbeitslosigkeit als die Bundesregierung aus. Dies würde natürlich erneut zu erhöhten Sozialkosten und zu weiteren Steuermindereinnahmen führen.

Meine Damen und Herren, die Steuermindereinnahmen in diesem Jahr werden wir weitgehend nur über eine Erhöhung der Nettokreditaufnahme kompensieren können. Ich sagte, dass es sich um 96 Millionen Euro handeln wird. Im Landeshaushalt für dieses Jahr haben wir dafür überhaupt keine Reserven mehr. Eine ausreichende Kreditermächtigung steht aus den Vorjahren zur Verfügung, die wir in Anspruch nehmen werden. Die genaue Summe wird erst mit dem Jahresabschluss 2001 zu Beginn des nächsten Jahres feststehen.

Im Jahr 2002 werden wir an einer Erhöhung der Nettokreditaufnahme ebenfalls nicht vorbeikommen. Nach den jetzigen Planungen der Landesregierung und der Koalitionsfraktionen - gestern hat das Kabinett darüber beraten - wird die Nettokreditaufnahme, wenn das Parlament dem so zustimmt, wohl auf 421 Millionen Euro steigen. Gleichzeitig erachten die Landesregierung und die Koalitionsfraktionen eine globale Minderausgabe in Höhe von 20 Millionen Euro für notwendig, die im nächsten Jahr zu erwirtschaften sein wird.

(Zuruf von der PDS: Zusätzlich?)

Im Jahr 2003 erachten wir bei der Annahme von Steuermindereinnahmen in Höhe von ebenfalls 122 Millionen Euro - diese Zahl ist nun wirklich gegriffen; aber wir gehen davon aus, dass sich die wirtschaftliche Situation nicht viel besser gestalten wird - Nettokredite in Höhe von 307 Millionen Euro für notwendig. Dies allerdings gelingt nur, wenn wir gleichzeitig eine globale Minderausgabe von 144 Millionen Euro einplanen. Eine solche Minderausgabe - das füge ich gleich hinzu - bedarf großer Anstrengungen seitens der Ressorts. Wir werden aber alles daransetzen, diesen Betrag zu erzielen.

Mit diesen Maßnahmen unterscheidet sich Brandenburg in nichts von anderen Bundesländern. Auch dort werden höhere Kreditaufnahmen für notwendig erachtet. Die sechs Bundesländer, die die Erklärung abgegeben haben, weisen ebenfalls explizit darauf hin.

Lassen Sie mich einen Punkt der Erklärung noch herausgreifen: Das unternehmerische Verhalten erschwert in einer globalisierten Welt natürlich auch die Prognosen der Steuereinnahmen ganz erheblich. Wir dürfen nicht denken, dass wir in unserem Mustopf alles allein regeln und alle Auswirkungen auf Mark und Pfennig abschätzen können. Umso mehr ist es erforderlich, finanz- und haushaltspolitische Planungen an einer eher mittelfristigen Orientierungslinie auszurichten. Deshalb werde ich im ersten Halbjahr 2002 eine Budgetprojektion für den mittelfristigen Zeitraum bis 2009/10 vorlegen, die anhand von verschiedenen Ausgabepfaden eine modifizierte mittelfristige Finanzplanung ermöglichen soll. Der Zeitraum bis 2009/10 ergibt sich aus dem Auslaufen der gegenwärtigen EU-Förderperiode im Jahr 2006 und aus dem degressiven Abbau der Bundeszuweisungen ab 2009 als Ergebnis des Solidarpakts II. Darauf müssen wir uns jetzt einrichten.

Welche Konsequenzen sind aus dieser Lage zu ziehen? Es wäre grundfalsch - dies ist auch mit mir und dieser Landesregierung nicht zu machen -, den Konsolidierungskurs aufzugeben.

(Beifall bei SPD und CDU - Frau Osten [PDS]: Sie haben es doch längst gemacht!)

- Eben nicht! Der Pfad führt immer nach unten.

Die heutige Aktuelle Stunde verdeutlicht, dass dieser Kurs auch in den Koalitionsfraktionen unumstritten ist. Es ist offensichtlich, dass der Ernst der Lage überall - ich hoffe, damit auch bei den Freunden der konsumtiven Ausgaben - klar geworden ist.

(Frau Osten [PDS]: Nein, es könnte noch schlimmer kom- men!)

Das Ergebnis der Steuerschätzung zeigt zum einen, wie stark unsere eigene mittelfristige finanzpolitische Zielsetzung von der Stabilität exogener Faktoren wie der Entwicklung der Steuereinnahmen abhängt. Zum anderen wird aber auch deutlich, wie gering unsere eigenen Möglichkeiten sind, auf Veränderungen der Rahmenbedingungen auf andere Weise als mit einer Erhöhung der Nettokreditaufnahme oder der globalen Minderausgaben zu reagieren.

Unser Haushalt bietet keine großen Reserven, im Gegenteil. Ich verrate nichts Neues, wenn ich sage, dass die Jahresabschlüsse 1999 und 2000 jeweils um rund 300 Millionen DM höhere Kreditaufnahmen auswiesen. Dies zeigt eindeutig, wie schmal der Grat ist. Wir müssen also den Haushalt strukturell entlasten; das hat Herr Lunacek vorhin schon ausgeführt. Aus meiner Sicht bedeutet das insbesondere:

Erstens: Das Abbauziel von gut 8 000 Stellen in der Landesverwaltung muss bis Ende 2005 auf jeden Fall erreicht werden. Hier liegt natürlich noch ein Risiko in der Umsetzung. Wir müssen gemeinsam alles daransetzen, dass es uns gelingt, dieses Risiko zu minimieren. Hier sind auch die Gewerkschaften gefordert.

Zweitens: Wir leisten uns in einigen Politikbereichen höhere Ausgaben je Einwohner als in anderen Bundesländern. Dies werden wir vertieft daraufhin untersuchen, wo Möglichkeiten zu Einsparungen bestehen.

Drittens: Die laufenden Subventionen bleiben unverändert auf dem Prüfstand. Zwar hat die Landesregierung in der Vorbereitung des Doppelhaushalts nach harten Diskussionen schon Kürzungen im Umfang von 40 Millionen Euro vorgenommen, trotzdem leisten wir uns im konsumtiven Bereich noch Dinge, die wir uns angesichts der finanziellen Situation schon jetzt nicht mehr, in Zukunft mit Sicherheit überhaupt nicht mehr leisten können.

Viertens: Wir werden auch bei investiven Zuweisungen an Kürzungen nicht vorbeikommen. Dies sehen wir aber als allerletzte Möglichkeit an und werden das ganz nach hinten schieben. Sie wissen, dass wir EU- und Bundesmittel zu 100 % abrufen wollen, um aus unserem Geld noch das meiste zu machen.

Fünftens: Auch wenn die Kommunen des Landes mit erheblichen Mindereinnahmen rechnen müssen, können wir den kommunalen Finanzausgleich aus den Konsolidierungsbemühungen nicht ausklammern. Zwar leisten die Kommunen aufgrund der Finanzausgleichsmechanismen schon jetzt einen gewissen Beitrag zur Schließung der Lücke, die durch die Steuermindereinnahmen entstehen wird, aber es muss unser Ziel sein, den kommunalen Finanzausgleich von seinem relativ hohen Niveau zurückzuführen. Selbstverständlich muss es dafür angemessene Übergangsfristen geben. Dazu gibt es einen Prüfauftrag, den das Kabinett im Sommer dieses Jahres an das Innen- und das Finanzministerium erteilt hat.

(Frau Osten [PDS]: Die Kommunen haben auch Minder- einnahmen!)

- Richtig.

Meine Damen und Herren, in den letzten Tagen gab es viel zu tun. Viele Vorschläge mussten in eine einigermaßen übersichtliche Handlungsrichtlinie geführt werden. Das hat auch die Opposition in den Haushaltsberatungen gefordert. Ich weise nur auf die ehrgeizigen Ziele der Koalition im Hinblick auf Einnahmeerhöhungen hin, die ich durchaus als kühn bezeichnen möchte. Insbesondere sind die Einnahmen aus Verkäufen sehr ehrgeizig veranschlagt.

(Vietze [PDS]: Das ist doch bestimmt auch solide!)

Ich bin jedoch die Letzte, die nicht alles daransetzen wird, die formulierten Ziele zu erreichen. Ich setze dabei auch auf Ihre tatkräftige Unterstützung. - Ich danke für Ihre Aufmerksamkeit und hoffe auf einen konstruktiven Dialog.

(Beifall bei SPD und CDU)

Ich danke Ihnen, Frau Ministerin Ziegler. - Das Wort geht jetzt noch einmal an die Fraktion der PDS, an den Abgeordneten Vietze. - Herr Vietze, Sie haben noch vier Minuten.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Herr Bischoff war so freundlich, auf meine Diät zu verweisen. Ich bin über sie sehr froh, sage aber: Während mir die verordnete Diät gut getan hat, ist die dem Landeshaushalt verordnete Diät keine, mit der man gesund abnehmen kann, sondern eine, bei der es an die Substanz geht. Deshalb ist ein solcher Vergleich nicht tragfähig.

(Beifall bei der PDS)

Ich erinnere Sie daran, dass vor gut einem Jahr das Steuerentlastungsgesetz und die Steuerreform als große Errungenschaften der Sozialdemokratie gefeiert wurden. Die Steuerzahler sollten um Milliarden entlastet werden. Herr Schönbohm hat bis in die frühen Morgenstunden darum gerungen, Herr Platzeck war begeistert, weil mit dieser Entscheidung die Koalition ihre Handlungsfähigkeit bewiesen hat. Es hieß, es komme zu einem Aufbruch im Lande. Frau Blechinger hat erklärt, dies sei auch eine große Stunde für die CDU, weil es Schönbohms Erfolg sei.

Wie sieht denn nun der Erfolg aus? Für das Land - darauf hat seinerzeit schon die damals im Übrigen viel sachlicher agierende Finanzministerin hingewiesen - bringt das möglicherweise Mindereinnahmen in Höhe von 570 Millionen DM oder aber, bezogen auf zwei Jahre, je 240 Millionen DM. Vielleicht wird es also ein bisschen weniger, als damals prognostiziert worden ist. Was hat aber diese kluge, sich auf Konsolidierungskurs befindende Regierung im Wissen um diese Auswirkungen gemacht? Wenn man jemandem Steuern erlässt, dann zahlt er auch weniger, und deswegen nimmt man weniger ein; das hat man ja gerade beschlossen.

(Zuruf von der CDU: Ach was!)