Protokoll der Sitzung vom 31.12.2000

Diese Verbände waren und sind seit ihrer Neugründung fast ausschließlich auf Mitgliedsbeiträge und auf öffentliche Zuschüsse von Bund und Land angewiesen. Diese Abhängigkeit ermöglichte ihnen bisher nur ein finanzielles Dahinvegetieren und brachte sie darüber hinaus in eine nicht hinnehmbare Abhängigkeit von der jeweils herrschenden Politik. Anders ausgedrückt: Nur bei politischem Wohlverhalten gab es finanzielle Mittel.

Sieht man sich die Mittel näher an, so stellt man fest, dass zum Beispiel im Zuge der Haushaltsberatungen zum Doppelhaushalt 2002/2003 lediglich 50 000 Euro zur Unterstützung des Bundes der Vertriebenen in den Landeshaushalt eingestellt wurden. Der Antrag der DVU-Fraktion, für den gleichen Zweck 500 000 Euro in den Haushalt einzustellen, wurde von Ihnen, meine Damen und Herren von SPD und CDU und auch von PDS, bekanntlich abgelehnt. Selbst die Einstellung besagter 50 000 Euro war ja auch nur durch Ihren beherzten Vorstoß, Herr Kollege von Arnim, und durch die Zustimmung unserer DVUFraktion im Finanzausschuss möglich geworden. Doch was sind 50 000 Euro? Diese Summe ist doch nur ein Tropfen auf den heißen Stein.

Im Zuge der Zusammenarbeit mit den mittel- und osteuropäischen Staaten, und zwar auch und gerade im Zusammenhang mit der EU-Osterweiterung, kommt der Vertriebenenfrage und der Frage der deutschen Minderheiten eine besondere Bedeutung zu.

Bereits im Jahre 1950 haben die Vertriebenen in ihrer Stuttgarter Charta auf Rache und Gewalt für die Vertreibung aus ihren seit Jahrhunderten besiedelten und zur Blüte gebrachten Gebieten und für die 2,5 Millionen Toten, die die Vertreibung von mehr als 15 Millionen Deutschen kostete, feierlich verzichtet. Dafür und für ihren hervorragenden Anteil am Aufbau Deutschlands und Brandenburgs gebührt ihnen Respekt und Dank.

(Beifall bei der DVU)

Heute gilt es, gemeinsam mit den Vertriebenenverbänden sowie den Regierungen Russlands, Polens und der Tschechischen Republik Lösungen zu suchen, die es den Vertriebenen und

ihren Nachkommen in einem „Gemeinsamen Haus Europa”, um mit Michail Gorbatschow zu sprechen, ermöglichen, von ihrem „individuellen Recht auf Heimat” Gebrauch zu machen.

Den bestehenden deutschen Minderheiten in den mittel- und osteuropäischen Staaten muss die Wahrung ihrer Kultur, Sprache und Religion gewährleistet werden, und zwar beispielsweise durch freien Zugang deutscher Lehrer und deutschen Lehr- und Lernmaterials.

In den Beitrittsverhandlungen zur EU mit den Beitrittskandidaten Polen und der Tschechischen Republik müssen die Anliegen der Vertriebenen und der deutschen Minderheiten beispielsweise durch Rücknahme der völkerrechtswidrigen GomulkaDekrete bzw. Benes-Dekrete durchgesetzt werden.

Hier in Brandenburg muss das vielfältige kulturelle Erbe der bei uns lebenden Vertriebenen zum Nutzen unseres ganzen Volkes gewahrt und gefördert werden.

All dies sind Aufgaben des Bundes der Vertriebenen, die dieser mit den vorhandenen finanziellen Mitteln jedoch nicht wahrnehmen kann.

Hinzu kommt weiterhin die Betreuung der Spätaussiedler, insbesondere derjenigen aus der früheren Sowjetunion.

Für die Vertriebenenverbände hier in Brandenburg, also für den Bund der Vertriebenen und seine Mitgliedsverbände, besteht heute die reelle Chance, die von mir genannten Aufgaben und die damit einhergehenden positiven Veränderungen des gesellschaftlichen Klimas voranzubringen, indem sie integrativer Teil des gesellschaftlichen Umfeldes werden, statt als exklusive und nach dem Willen ihrer Gegner aussterbende Schicksalsgemeinschaften zu fungieren.

„Die deutschen Heimatvertriebenen, die deutschen Aussiedler sowie die deutschen Minderheiten in Mittel- und Osteuropa finden mit ihren berechtigten politischen Anliegen bei uns nach wie vor eine politische Heimat. Die Kultur des deutschen Ostens und das kulturelle Erbe der deutschen Vertriebenen und Aussiedler sind fester Bestandteil der Geschichte und Kultur Deutschlands. Dazu gehört für uns die Förderung der Kulturarbeit der Landsmannschaften und insbesondere die Unterstützung des Tages der Heimat.”

Dieser Aussage aus dem Kommunalwahlprogramm der Bonner CDU, also Ihrer Parteifreunde, Herr Homeyer, haben wir nichts hinzuzufügen.

Doch gehört dazu unter anderem auch ein neues Finanzierungskonzept für die Vertriebenenverbände, das vor allem ihre finanzielle Unabhängigkeit sichert. Daher halten wir als DVU-Fraktion ein Stiftungskonzept, wie es beispielsweise in der Form des „Hauses Brandenburg” in Fürstenwalde in Miniaturformat bereits praktiziert wird, für die einzig gängige Lösung. Nehmen wir uns die von der österreichischen Bundesregierung initiierte und mit den Stimmen auch der oppositionellen Sozialdemokraten ins Leben gerufene Vertriebenenstiftung der Republik Österreich als Vorbild.

Unser Antrag dient dazu, den Bund der Vertriebenen und seine

Mitgliedsverbände in Brandenburg erstmals seit 1990 auf eine eigenständige finanzielle Basis zu stellen. Damit wären die Vertriebenenverbände keine Bittsteller mehr, sondern könnten über eigene Mittel für ihre Arbeit, und zwar nicht nur für ihre Mitglieder, sondern auch für unser ganzes Land Brandenburg, verfügen. Der Landtag würde damit ein starkes Symbol setzen im Wissen darüber, dass die Vertriebenen Brandenburg mit aufgebaut haben.

Deshalb bitte ich um Zustimmung zu unserem Antrag. - Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall bei der DVU)

Ich danke Ihnen, Frau Abgeordnete Hesselbarth, und gebe das Wort an Herrn Abgeordneten Homeyer. Er spricht für die Koalitionsfraktionen SPD und CDU.

Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Selbstverständlich würdigen wir sowohl die Arbeit der Heimatvertriebenen als auch die der Vertriebenenverbände. Angesichts einer Debatte, die wir in den letzten Monaten in Deutschland erleben - ich erinnere an die „Spiegel”-Dokumentation und an das Buch von Günter Grass -, stellen wir fest, dass es in Deutschland möglich ist, mit der Problematik der Heimatvertriebenen in einem anderen gesellschaftlichen Klima umzugehen.

Es ist aber falsch, meine Damen und Herren von der DVU, wenn Sie behaupten, dass wir im Lande Brandenburg die Arbeit der Vertriebenen nicht unterstützen.

(Zuruf der Abgeordneten Frau Hesselbarth [DVU])

- Frau Hesselbarth, wir haben einen Betrag von 50 000 Euro in den Haushalt eingestellt und darüber hinaus durch zahlreiche weitere Zuwendungen dafür Sorge getragen, dass die Arbeit der Vertriebenen im Lande Brandenburg angemessen unterstützt wird.

Übrigens bedeuten die von Ihnen angesprochenen 50 000 Euro eben gerade nicht eine Absenkung der Unterstützung der Vertriebenenverbände; vielmehr wurde erstmalig ein eigenständiger Titel ausgewiesen und mit der genannten Summe ausgestattet. Für die Einrichtung eines solchen Titels hat sich - das darf ich an dieser Stelle wohl sagen - insbesondere die CDU-Fraktion engagiert. Ich danke den Kollegen der SPD-Fraktion, dass sie das mitgetragen haben. Angesichts der schwierigen Hauhaltslage des Landes ist es als Erfolg zu werten, dass es nach langem parlamentarischen Ringen gelungen ist, diesen Titel einzurichten. Dies bedeutet auch eine Anerkennung und Würdigung der Arbeit des Vertriebenenverbandes des Landes Brandenburg.

Meine Damen und Herren, die mit dem Antrag der DVU-Fraktion vorgeschlagene Errichtung einer Vertriebenenstiftung mit einer Finanzausstattung von 10 Millionen Euro bis zum Jahre 2004 aus Landesmitteln ist jedoch völlig überzogen und populistisch. Sie, meine Damen und Herren von der DVU, wollen damit bei den Vertriebenenverbänden billig Punkte machen.

Diese plumpe Anbiederungspolitik wird mit Sicherheit nicht honoriert werden.

Die Vertriebenen wissen, dass Sie für dieses Land niemals Verantwortung übernehmen werden und deshalb auch den größten Unfug fordern können, ohne dafür jemals zur Kasse gebeten zu werden. In diesem Sinne lehnen wir Ihren Antrag ab.

(Beifall bei der CDU)

Ich danke dem Abgeordneten Homeyer und erteile das Wort der Fraktion der PDS, dem Abgeordneten Vietze.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! In der Begründung des vorliegenden Antrages lesen wir, dass die Vertriebenen einen bedeutenden Beitrag zum Wiederaufbau in Brandenburg erbracht haben, der nunmehr durch die Gründung einer Vertriebenenstiftung anerkannt werden soll.

Für uns ist unbestritten, dass die Vertriebenen, die ab 1944/1945 nach Brandenburg gekommen sind, einen wichtigen Beitrag zum Wiederaufbau unserer Städte und Dörfer geleistet haben. Zugleich ist für uns unbestritten, dass auch diejenigen, die von alters her auf dem Territorium des heutigen Bundeslandes Brandenburg lebten, einen nicht minder gewichtigen Beitrag zum Wiederaufbau des durch den Krieg geschändeten Landes erbracht haben.

Die Anerkennung der Lebensleistung der einen wie der anderen Gruppe bedarf aber nach unserer Auffassung nicht der Einrichtung einer Stiftung. Die Anerkennung der Lebensleistung der großen Gruppe der über 70jährigen Brandenburgerinnen und Brandenburger erfolgt vor allem dann, wenn eine zügige Angleichung der Renten erfolgt, wenn ihnen in allen Teilen des Landes eine angemessene gesundheitliche Betreuung zuteil wird und ihnen damit ein sicherer und erfüllter Lebensabend im Lande Brandenburg ermöglicht wird. Einer Vertriebenenstiftung, deren einziger Zweck eine haushaltsfinanzierte Förderung für einen Verband ist, bedarf es allerdings zur Anerkennung dieser Lebensleistung nicht.

Ich darf in diesem Zusammenhang darauf hinweisen, dass die DVU, wenn sie über die Vertriebenen redet, diese Gruppe der Brandenburger für gewöhnlich politisch instrumentalisiert. Dabei arbeiten ja auch manche Funktionsträger der Vertriebenenverbände denjenigen in die Hände, die auch heute noch nicht davon ablassen können, die Osterweiterung der Europäischen Union an die Erfüllung von Forderungen der Vertriebenen zu binden.

In diesem Zusammenhang will ich klar und deutlich sagen Herr Homeyer war so freundlich, darauf zu verweisen -: Natürlich gibt es in der Gesellschaft einen intensiveren und aktiveren Gedankenaustausch zu dieser Problematik. Nicht nur Günter Grass hat mit seinem Buch „Krebsgang” dazu angeregt, auch die „Spiegel”-Folge mit ihren vier - wie ich finde - sehr umfänglichen Aussagekomplexen macht deutlich, dass keineswegs nur in der DDR im Umgang mit diesem Thema eine gesellschaftli

che Verdrängung - auch eine Diskreditierung und vieles andere mehr - stattgefunden hat.

Insofern glaube ich schon, dass wir im Lande Brandenburg gemeinsam etwas zu tun haben. Ich glaube auch, das demokratisch verfasste Brandenburg mit seiner Grenze an Oder und Neiße ist in geradezu besonderer Weise dafür prädestiniert, über unsere kulturelle Vergangenheit und vieles andere nachzudenken und die öffentliche Diskussion zu führen. Ich meine, diese Diskussion - eben über Identität und Wurzeln eines zusammenwachsenden Europas - sollten wir im Umgang mit Russen, Polen, Litauern, Tschechen und anderen führen.

Wir meinen, dazu gibt es in Brandenburg genügend Möglichkeiten, unter anderem die in Potsdam beheimatete Stiftung „Deutsches Kulturforum östliches Europa”. Dies bietet eine gute Möglichkeit, diesen Dialog zu führen, und ist vielleicht auch eine gute Chance, uns vor rechtspopulistischen und rechtsextremistischen Gelüsten der DVU zu bewahren und ihnen den Nährboden zu entziehen.

Wir lehnen den Antrag ab. - Danke schön.

(Beifall bei der PDS)

Ich danke dem Abgeordneten Vietze. - Da die Landesregierung Redeverzicht angezeigt hat, schließe ich die Aussprache und komme zur Abstimmung.

Die Fraktion der DVU beantragte die Überweisung des Antrags in der Drucksache 3/4124 zur federführenden Beratung an den Hauptausschuss und an den Ausschuss für Haushalt und Finanzen. Wer dieser Überweisungsempfehlung folgen möchte, den bitte ich um sein Handzeichen. - Gegenstimmen? - Stimmenthaltungen? - Damit ist die Überweisung mehrheitlich abgelehnt worden.

Ich komme zur Abstimmung des Antrags in der Drucksache 3/4124 in der Sache. Wer diesem Antrag seine Zustimmung geben möchte, den bitte ich um sein Handzeichen. - Gegenstimmen? - Stimmenthaltungen? - Damit ist der Antrag mehrheitlich abgelehnt worden.

Ich schließe die Beratung zu Tagesordnungspunkt 7.

Ehe ich den Tagesordnungspunkt 8 aufrufe, möchte ich wieder Gäste im Landtag begrüßen, und zwar Schüler vom EinsteinGymnasium Angermünde. Herzlich willkommen!

(Allgemeiner Beifall)

Ich rufe Tagesordnungspunkt 8 auf:

Berichterstattung der Landesregierung über Windkraftanlagen im Land Brandenburg

Antrag der Fraktion der DVU

Drucksache 3/4125