Protokoll der Sitzung vom 29.05.2002

Es würde zum Zynismus der Politik gehören, würde man diesen Zynismus der Unterhaltungsindustrie einfach übersehen.

Wenn wir diesem Gesetz dennoch zustimmen, so deshalb, weil wir hoffen, im Zusammenwirken mit anderen wirkliche Ursachen von Rechtsextremismus bekämpfen zu können. Die in den Mediengesetzen enthaltenen Paragraphen zum Schutz von Kindern und Jugendlichen werden immer zahlreicher und umfangreicher, zugleich aber immer weniger wirksam. Wer das übersieht, meint irrtümlich, das Unangenehme in einer gewaltbereiten Gesellschaft per Paragraph beseitigen zu können, und wäre

folglich auf dem berühmten Holzweg. - Ich danke für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall bei der PDS)

Das Wort geht an den Abgeordneten Muschalla. Er spricht für die SPD-Fraktion.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Es geht nicht darum, die allgemeine Pressefreiheit zu beschränken; es geht darum, verfassungsfeindlichen Organen das Leben schwerer zu machen und sie im Rahmen der Verjährungsfrist verfolgen zu können.

Zwei Punkte werden hier geändert, die im Landespresserecht von 1993 so nicht enthalten sind: einmal die Verjährungsfristen und zum anderen der Datenschutz.

Bei den Verjährungsfristen werden die Tatbestände der Verbreitung von Propagandamitteln verfassungsfeindlicher Organisationen, der Verwendung von Kennzeichen verfassungsfeindlicher Organisationen sowie der Volksverhetzung, also die Tatbestände der §§ 86, 86 a und 130 Strafgesetzbuch, aus der kurzen Verjährungsfrist des Presserechts herausgenommen und den allgemeinen strafrechtlichen, also in diese Paragraphen integrierten Tatbeständen und damit der längeren Verjährungsfrist zugeordnet. Sie sind dann fünf Jahre verfolgbar, ausgehend von der Strafandrohung von im Wesentlichen drei Jahren.

Dadurch gelten die Fristen des § 16 Abs. 1 Satz 1 unseres Presserechts nicht mehr. Sie werden angepasst an Satz 2. Das sind die Dinge, die Sie gemeint haben, Pornographie usw. Damit ist eine Gleichstellung erfolgt. Diese Straftatbestände können dann fünf Jahre lang verfolgt werden.

Der Grund ist, dass es bei den kurzen Verjährungsfristen Organisationen geschafft haben, durch Teilveröffentlichung die Frist in Gang zu setzen, sodass bei der Hauptveröffentlichung von Propagandamaterial und anderem eine Verfolgung wegen Verjährung nicht mehr möglich war.

Die Änderung ist politisch wie rechtsorganisatorisch richtig, zeitgemäß und praxisnah und wird, wie ich glaube, von der breiten Bevölkerung auch so gesehen und verstanden.

Die datenschutzrechtlichen Änderungen beziehen sich auf die Anwendung des § 41 Bundesdatenschutzgesetz. Dieser Paragraph war bisher Rahmenrecht und soll nunmehr direkt im Landespresserecht von Brandenburg gelten. Das heißt, dadurch gelten in unserem Recht die Vorschriften zu den Schadensersatzansprüchen und zur Entwicklung von Verhaltensregeln im Datenschutz, wie in den §§ 7 und 38 a Bundesdatenschutzgesetz geregelt.

Durch diese Regelungsänderung bzw. -ergänzung ist der Datenschutzstandard von Bund und Ländern einheitlich. Auch das ist zeitgemäß, richtig und praxisnah und hilft dem Rechtsstaat, gegen solche Organisationen vorzugehen. Ich glaube, das ist im Interesse aller, und ich denke, wir stimmen der Überweisung in

den Rechtsausschuss zu. - Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall bei der SPD)

Ich danke auch. - Wir sind bei der DVU-Fraktion. Für sie spricht der Abgeordnete Schuldt.

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Erst denken, dann handeln, Herr Speer! Es überrascht uns doch, dass die Landesregierung hinsichtlich der Anwendbarkeit des Bundesdatenschutzgesetzes unter dem Aspekt der Vorschriften über den Schadensersatzanspruch nach § 7 sowie über die Entwicklung von Verhaltensregeln zur Förderung der Durchführung datenschutzrechtlicher Regelungen eine derartige Entscheidung beabsichtigt. Die geplante Abschaffung der kurzen Verjährungsfristen in den §§ 86, 86 a und 130 Strafgesetzbuch für Presseinhaltsdelikte indes erfordert deutlich differenzierende Überlegungen.

Die bisherige kurze Verjährung im Landespressegesetz ergab sich aus der Bedeutung des Artikels 5 Grundgesetz, der Hemmnisse für informelle Quellen möglichst vermeiden will.

Das Grundrecht der Pressefreiheit umfasst zwei Komponenten. Zum einen gibt sie den Presseangehörigen das Abwehrrecht gegen staatliche Eingriffe, zum anderen hat der Staat das Institut der freien Presse zu garantieren. Die Pressefreiheit erfüllt damit eine unentbehrliche Funktion für eine moderne Demokratie.

Die von der Landesregierung intendierte Ausnahme von der kurzen Verjährungsfrist für die genannten Delikte geht oberflächlich gesehen d’accord mit der ausdrücklichen verfassungsrechtlichen Einschränkung des Artikels 5 des Grundgesetzes. Darin heißt es: Durch allgemeine Gesetze, Jugendschutzbestimmungen oder durch das Recht der persönlichen Ehre kann die Meinungsfreiheit und damit auch die Pressefreiheit eingeschränkt werden. Das ist gut und das ist richtig so.

Was bisher für Gewaltdarstellungen und Verbreitung pornographischer Schriften galt, mag durchaus auch für die Tatbestände der §§ 86, 86 a und 130 Strafgesetzbuch gelten. Aber die angehängte Begründung der Verfasser als Grundlage teleologischer Gesetzesauslegung ist mehr als fragwürdig: Die Einschränkung der Pressefreiheit muss nach der so genannten Wesensgehaltstheorie des Bundesverfassungsgerichts wiederum im Licht der “wertsetzenden Bedeutung” des Grundrechtes gesehen und ihrerseits eingeschränkt angewandt werden.

Das führt in der Praxis zu einer einzelfallbezogenen Abwägung der kollidierenden Grundrechtspositionen. Auch für Juristen ist das, wie sie mir sagten, keine leicht verdauliche Kost. Gefordert ist ein Hin-und-her-Abwägen, wie es vom Bundesverfassungsgericht gefordert wird - faktisch ein Gegenüberstellen von Wertungsgesichtspunkten, verbunden mit der Entscheidung über eine bestimmte Reihenfolge.

Betrachtet man jedoch die Begründung der Landesregierung, so merkt man von einem Abwägungsprozess, von einem Gegen

überstellen von Wertungsgesichtspunkten nichts. Die Rede ist hier ausschließlich von “rechtsextremistischen Propagandisten” und dann von “rechtsgerichteten Schriften”, was auch immer das sein mag. Der Bezug zur Verwirklichung konkreter Straftatbestände ist darin nicht klar hergestellt. Die Landesregierung wäre gut beraten, das Gesetz und die Kommentare einmal zu lesen.

Wer zum Beispiel, wie geschehen, durch fragwürdige und unwissenschaftliche Publikationen Millionen deutscher Soldaten inkriminiert und öffentlich Hass gegen diese Teile der Bevölkerung schürt oder sie beschimpft, böswillig verächtlich macht oder verleumdet, erfüllt gleichermaßen den Tatbestand der Volksverhetzung nach § 130 Abs. 1 des Strafgesetzbuches wie jemand, der in menschenverachtender Weise gegen andere Teile der Bevölkerung Propaganda betreibt. Darüber steht in Ihrer Entwurfsbegründung jedoch nichts, meine Damen und Herren von der Landesregierung!

Die Begründung der Landesregierung - und diese beschreibt nichts anderes als den Telos, den Sinn und Zweck der Gesetzesänderung - zeugt von einer ausgeprägten verfassungsrechtlichen Oberflächlichkeit, geht man von der genannten höchstrichterlichen Abwägungspraxis aus.

Wir als Fraktion der Deutschen Volksunion sehen vor Verabschiedung dieser Gesetzesänderung noch einigen Klärungsbedarf, weil wir uns unserer Verantwortung als Teil dieses Parlaments, des Gesetzgebungsorgans, bewusst sind. Daher stimmen wir einer Ausschussüberweisung zu. - Ich bedanke mich für die Aufmerksamkeit.

(Beifall bei der DVU)

Das Wort geht an die CDU-Fraktion. Für sie spricht der Abgeordnete Schöps.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich denke, dass weder Pressefreiheit noch Meinungsfreiheit angegriffen werden. Ich will es nicht spannend machen. Der letzte Vortrag war in einer Art und Weise überzogen, die mit dieser kleinen wichtigen Gesetzesänderung überhaupt nicht vereinbar ist.

(Zuruf von der DVU: Oh doch!)

Mit dem vorliegenden Gesetz soll das Brandenburgische Landespressegesetz an die Vorgaben des Bundesdatenschutzgesetzes angepasst werden. Bisherige Verjährungsfristen sollen darüber hinaus - das wurde auch schon gesagt - den allgemeinen strafrechtlichen Verjährungsfristen angepasst werden.

Dabei werden im Einzelnen die kurzen Verjährungsfristen des bisherigen Landespressegesetzes in Bezug auf das Verbreiten von Informationsmaterialien bzw. die Verwendung von Kennzeichen verfassungswidriger Organisationen nach §§ 86 und 86 a Strafgesetzbuch und in Bezug auf den Sachverhalt der Volksverhetzung gemäß § 130 Strafgesetzbuch ausgenommen und den Vorschriften des normalen Strafgesetzbuches unterstellt. Bisherige Verjährungsfristen sollen den allgemeinen strafrechtlichen Verjährungsfristen angepasst, sprich verlängert werden.

Das heißt also, die gesetzlichen Regelungen werden härter. Ich denke, das ist auch richtig so. Dies geschieht, weil im Ergebnis der Verbreitungspraxis rechts- bzw. linksextremistischer Propaganda genau wie pornographischer Literatur oder Ähnlichem die kurzen Verjährungsfristen des Brandenburgischen Landespressegesetzes schlichtweg ausgenutzt wurden, indem man strafrechtliche Verfolgung durch verschiedene zeitverzögernde Veröffentlichungsmethoden verhindert hat.

Ziel ist es also zu vermeiden, dass die Hersteller und Vertreiber rechts- und natürlich auch linksextremistischer und anderer Publikationen diese kurzen Verjährungsfristen dazu nutzen, sich der strafrechtlichen Verfolgung zu entziehen. Dem muss man natürlich entgegenwirken. Das tut dieses Gesetz.

In Bezug auf die Verbreitung personenbezogener Daten durch die Presse ist darüber hinaus eine präzise Definition im Landesrecht Brandenburgs erforderlich, weil die Bundeszuständigkeit, ausgehend von einer Grundgesetzänderung vom 27. Oktober 1994, zugunsten der Länderzuständigkeit eingeschränkt wurde, sodass nunmehr neben Datengeheimnis und technischen Datensicherheitsvorschriften auch Vorschriften bezüglich Schadensersatzanspruchs entsprechend § 7 BDSG und Verhaltensförderung zum Datenschutz entsprechend § 38 BDSG gelten sollen.

Was ist nun die politische Bedeutung? Im Ergebnis der Gesetzesänderung verschärfen wir also erstens die Möglichkeiten strafrechtlicher Verfolgung bei rechts- bzw. linksextremistischer Propaganda, zweitens verbessern wir die datenschutzrechtlichen Verhaltensregeln bzw. sichern einen einheitlichen Datenschutzstandard für die Presse in Bund und in den Ländern. Beides ist unstrittig und beides ist zweckmäßig und es ist in der heutigen Zeit auch notwendig.

Ich schlage vor, das Gesetz an den Hauptausschuss zu überweisen, und signalisiere schon einmal für die CDU-Fraktion, dass wir diesen Gesetzentwurf sehr wohlwollend begleiten und zum Abschluss bringen wollen. - Ich danke Ihnen.

(Beifall bei der CDU)

Da wir am Ende der Rednerliste angelangt sind, schließe ich die Aussprache.

Wir kommen zur Abstimmung. Das Präsidium empfiehlt die Überweisung des in der Drucksache 3/4319 vorliegenden Gesetzentwurfes an den Hauptausschuss. Wer diesem Überweisungsansinnen folgen möchte, möge die Hand aufheben. - Gibt es Gegenstimmen? - Stimmenthaltungen? - Damit ist der Gesetzentwurf überwiesen und ich kann Tagesordnungspunkt 6 schließen.

Wir kommen zum Tagesordnungspunkt 7:

Tier- und Artenschutz als Verfassungsnorm

Gesetzentwurf der Fraktion der DVU

Drucksache 3/4327

1. Lesung

Ich erteile der einbringenden Fraktion das Wort, die Gelegenheit hat, ihre Begründung in einem oder in zwei Debattenabschnitten zu liefern. - Sie wird es in einem Redebeitrag tun.

Herr Präsident! Meine Damen, meine Herren! Sind Tiere nicht schützenswert? Wir zielen mit unserem Gesetzentwurf auf eine Änderung von Artikel 39 Abs. 3 der brandenburgischen Landesverfassung ab. Jeder hier im Hause wird bemerkt haben, dass der Ihnen zur Abstimmung vorliegende Gesetzentwurf wortgleich mit unserem noch zu behandelnden Antrag zur Änderung von Artikel 20 a Abs. 2 GG im Wege einer Bundesratsinitiative unseres Landes ist.

Tier- und Artenschutz sind als Bestandteile des Umwelt- und Naturschutzes nicht wegzudenken. Umwelt und Natur sind nicht nur um ihrer selbst willen zu schützen, sondern sozusagen allen anderen Verfassungsgütern vorgelagert. Ohne den Erhalt von Umwelt, Natur und Arten - auch ohne den Tierschutz - sind die Verfassungsgüter Menschenwürde, Leben und Gesundheit ebenso wenig zu garantieren, wie die Verfassungsprinzipien von Demokratie, Rechts- und Sozialstaatlichkeit zu verwirklichen sind. In einer völlig ruinierten Umwelt wird beides nicht möglich sein. Das macht den hohen Stellenwert aus, den wir Umwelt und Natur und damit eben auch dem Tier- und Artenschutz zumessen müssen.

Hinzu tritt bei Tieren natürlich noch, dass diese nach unserem Werteverständnis als Mitgeschöpfe anzusehen sind und nicht einfach als Sache. Sie sind aus ethischen Gründen entsprechend zu behandeln und insoweit vor der Beliebigkeit menschlichen Handelns zu schützen.

Erwähnt sei hierzu noch, dass dies den Grundüberzeugungen unserer Fraktion entspricht.