Protokoll der Sitzung vom 10.10.2002

die ja wenige Tage vor Ihnen in Brüssel waren.

Doch wir als Fraktion der Deutschen Volksunion sehen uns als Vertreter der gesamten Bevölkerung unseres Landes,

(Fritsch [SPD]: Oh Gott!)

auch und gerade der ländlichen Bevölkerung, insbesondere in der Lausitz und im Spreewald. Aus diesem Grunde werden wir Ihrer Bitte nachkommen, Herr Kollege Thiel, und stimmen dem vorliegenden Antrag inhaltlich voll zu. - Ich bedanke mich für die Aufmerksamkeit.

(Beifall bei der DVU)

Ich erteile der CDU-Fraktion das Wort. Für sie spricht der Abgeordnete Habermann.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich könnte zu diesem Tagesordnungspunkt feststellen, dass inzwischen alles formuliert worden ist, nur nicht von mir. Ich werde trotzdem auf den Antrag eingehen und ihn zumindest in vier Punkten analysieren.

Übrigens, Herr Thiel, hat der Landtag nicht abgelehnt, im September über diese Problematik zu diskutieren, sondern der Antrag wurde von der antragstellenden Fraktion zurückgezogen. Das ist ein gewaltiger Unterschied. Ich weise nur deshalb darauf hin, weil diese Behauptung vorhin in den Raum gestellt wurde.

Erstens die Fakten - ich fasse mich relativ kurz -: Ende 2000 ist der Entwurf einer Verordnung über die Schaffung einer gemeinsamen Klassifikation der Gebietseinheiten - die so genannte NUTS-Verordnung - von der EU vorgelegt worden. Die NUTSKlassifikation ist streng hierarchisch und greift auf bestehende administrative Einteilungen der Mitgliedsstaaten zurück. In Deutschland wurde festgelegt, dass NUTS 1 die Länder, NUTS 2 die Regierungsbezirke und NUTS 3 die Kreise bezeichnet. Der Meldetermin ist übrigens von der Bundesregierung festgesetzt worden. Es war also keine unnötige Eile unsererseits, sondern wir standen mehr oder weniger unter Zwang.

Da Brandenburg keine Regierungsbezirke besitzt, gibt es zwei Varianten. Entweder wird NUTS 1 mit NUTS 2 gleichgestellt oder es werden NUTS-2-Gebiete nach bestimmten vorgegebenen Kriterien festgelegt, zum Beispiel zusammenhängende Gebiete, die auf NUTS 3 aufbauen, und mindestens 800 000 Einwohner in einem Gebiet.

Ich muss aber ausdrücklich hinzufügen: Die vorgenannten Kriterien sind von der Bundesregierung, dem eigentlichen Partner der EU-Kommission, bestätigt worden.

Nun komme ich zu Punkt 2, den Möglichkeiten: Unter der Annahme, dass das jetzige Ziel-1-Kriterium - die 75 % BIP pro Kopf - in der EU erhalten bleibt, könnte a) das ganze Land nach Beitritt der osteuropäischen Länder aus der Ziel-1-Förderung herausfallen, b) eines der beiden NUTS-2-Gebiete noch die Förderung erhalten, könnten c) beide NUTS-2-Gebiete Ziel-1Gebiete bleiben. Bezüglich der Varianten a) und b) verweise ich - Herr Wiebke hat dies auch getan - ausdrücklich auf die in Europa bisher immer geübte Praxis, für den Übergangszeitraum

entsprechende Förderungen zu gewährleisten, die zumindest in der Anfangszeit immer dieselbe Höhe haben. Verlautbarungen aus der EU-Kommission - nämlich von Barnier - lassen tatsächlich den Schluss zu, dass solche Gebiete bis zum Jahre 2012 mit einer europäischen Förderung rechnen können.

Nun komme ich zu Punkt 3: Spekulationen.

Von Ihnen wird angenommen, die Strukturförderung der EU wird mit den gleichen Kriterien - weil immer wieder auf den 75 % herumgeritten wird - nach Beitritt der osteuropäischen Länder weitergeführt. Das kann ein gewaltiger Irrtum sein. Erstens ändert sich das Fördergebiet völlig, zweitens können sich Kriterien und die verfügbaren Summen ändern. Wir haben erst gestern den erfreulichen Bericht der Kommission zur Kenntnis genommen, dass wir im Jahre 2004 zehn Beitrittsstaaten haben. Damit hat man schon wieder eine neue Variante im Spiel; denn vorher war ja nur von acht die Rede.

Zweitens: Die bestehenden Kriterien für die NUTS-Gebietseinteilung können noch einmal korrigiert werden. Das ist durchaus möglich, aber ich halte es für sehr schwer, da diese Kriterien mit den EU-Mitgliedsländern abgestimmt und von ihnen akzeptiert wurden und die Bundesregierung ebenfalls bereits zugestimmt hat.

Drittens: Aufgrund des größeren Bedarfs - auch eine Spekulation - werden mehr Mittel für die EU-Strukturförderung bereitgestellt. Auch das halte ich für einen Irrtum, weil das ja heißen würde, dass die Mitgliedsstaaten mehr Beiträge an die EU zahlen, und das kann ich mir nicht vorstellen.

Nun komme ich zum Antrag der PDS; das ist Punkt 4: Punkt 1 des Antrages wurde bereits geprüft und bei Einhaltung der vorliegenden Kriterien als gegenwärtig nicht realisierbar eingestuft. Im Übrigen gibt es bereits die Zusage der Landesregierung darauf möchte ich ausdrücklich verweisen -, jede andere NUTS2-Einteilung zu prüfen, die sich bei eventueller Änderung der EU-Verordnung ergeben könnte. Ich bin mir sicher, dass die Diskussion der Variante „engerer Verflechtungsraum einerseits und äußerer Entwicklungsraum andererseits” dann genauso eingeschlossen ist wie eine eventuelle Dreiteilung des Landes auf der Ebene NUTS 2. Verhandlungspartner ist dabei in erster Linie die Bundesregierung. Die CDU-Fraktion unterstützt diese Vorgehensweise ausdrücklich mit einem Fraktionsbeschluss, einschließlich der logischen Forderung nach Ausgleichsmaßnahmen, sollte die EU-Förderung eingeschränkt werden.

Sie sehen, Ihr Antrag enthält nichts Neues und die Landesregierung hat das längst als ihre Aufgabe akzeptiert.

Punkt 2 des Antrages - da nehme ich nur einmal Punkt a) heraus - beinhaltet quasi eine Aufgabenstellung für eine Regierungserklärung des Ministerpräsidenten. Haben Sie doch noch Geduld bis November; da bekommen Sie doch die Antwort auf die Frage.

Was den zweiten Teil von Punkt 2 anbelangt, gehen Sie von einer falschen Grundlage aus. Nach 2006 ist eine Kompensation für verloren gehende EU-Förderung nicht unbedingt notwendig. Selbst im ungünstigsten Fall wird es für Brandenburg erst ab 2012 um eine Kompensation für verloren gehende EU-Förderung gehen. Unter diesen Voraussetzungen im Jahre 2002 konkrete Aussagen zu fordern halte ich für sehr realitätsfern.

Herr Abgeordneter, wir hören Ihnen alle gern zu; dennoch müssten Sie zum Ende kommen.

Ich bin beim vorletzten Satz. - Ihr Antrag ist somit entbehrlich und kann beruhigt abgelehnt werden, meine Herren von der PDS.

Ich erlaube mir noch einen Zusatz: Im Übrigen sollte man solche Themen wie dieses nicht so aufgeregt diskutieren, vor allem, wenn man die vielen Unbekannten einer zukünftigen Förderpolitik mit berücksichtigt. Der Begeisterung für Europa hat man damit mit Sicherheit keinen Dienst erwiesen. - Danke schön.

(Beifall bei CDU und SPD)

Das Wort geht an die Landesregierung. - Die Ministerin der Finanzen steht schon in den Startlöchern. Sie erhält nun das Wort.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Die PDS fordert eine erneute Willensbildung des Landes in Bezug auf die NUTS-2Verordnung. Aus unserer Sicht ist das nicht erforderlich. Wir haben als Landesregierung im Interesse des Landes Brandenburg die richtige Entscheidung getroffen.

(Zuruf von der PDS)

Zum ersten Punkt Ihres Antrages: Eine Untergliederung nach dem gemeinsamen Landesentwicklungsprogramm, das heißt mit Berücksichtigung der Unterschiede zwischen dem engeren Verflechtungsraum und dem äußeren Entwicklungsraum, ist eben nicht möglich - Herr Habermann hat das bereits festgestellt -, weil die Kreise damit durchschnitten werden, was nicht erlaubt ist. Das heißt, entweder müssten neue nichtadministrative NUTS-3-Gebiete geschaffen werden - das ist aber in der Verordnung nicht vorgesehen und würde auch eine eklatante Abweichung von der bundesgesetzlichen Regelung, dass eben die kleinste Erhebungseinheit die Kreise sind, bedeuten - oder die hierarchische Gliederung des Systems, ein zentrales Regelungselement des Verordnungsentwurfes, würde unterbrochen. Die NUTS-2-Gebiete ließen sich nicht mehr als Summe aller NUTS-3-Gebiete darstellen.

In jedem Falle gilt: Für solche kreisdurchschneidenden Gebiete würden die zur Lieferung an Eurostat vorgesehenen Daten nicht zur Verfügung stehen.

Unterhalb der Landesebene bedeutet das aber: Es müsste mit zwei unterschiedlichen statistischen Werten gearbeitet werden: den nationalen und den europäischen. Die zusätzliche Erfassung der entsprechenden Daten wäre mit erheblichem finanziellen und personellen Aufwand verbunden.

Notwendig wäre auch eine Nacherfassung für einen gewissen Zeitraum der Vergangenheit, die mit noch größeren, auch me

thodischen Problemen behaftet wäre. Diese Argumente gelten auch dann, wenn zum Beispiel die räumlichen Grenzen der Altkreise zur Anwendung kämen. Theoretisch wäre es zwar möglich, noch einmal einen Vorstoß gegenüber dem Bund zur entsprechenden Veränderung des Verordnungsentwurfes zu unternehmen, die notwendigen Änderungen würden aber auch die Spielräume für andere Mitgliedsstaaten und die Beitrittsländer sehr weit öffnen und ich gehe davon aus, dass schon aus diesem Grund der Bund einem solchen Vorgehen nicht zustimmen würde. Auch beim Besuch des Ministerpräsidenten in Brüssel hat sich bestätigt, dass eine Änderung der Verordnungskriterien aus Sicht der Kommission nicht infrage kommt.

Zum zweiten Punkt des Antrages will ich nur kurz Folgendes sagen: Die selbsttragende Entwicklung der Landkreise und kreisfreien Städte bis zum Jahre 2006 ist von der Frage der NUTS-Gebietseinteilung unabhängig. Was die Prüfung und Planung von gegebenenfalls notwendigen Ausgleichsmaßnahmen angeht, habe ich bereits in meinem Schreiben vom 10. September dargelegt, dass dies derzeit nicht in sinnvoller Weise getan werden kann.

Meine Damen und Herren, ich weise noch einmal darauf hin, dass die Diskussion über die Fortführung der EU-Strukturfondsförderung noch in vollem Gange ist. In dieser Situation halte ich es vor allem für wichtig, für eine möglichst gute EU-Förderung in allen Landesteilen zu kämpfen. So setzt sich die Landesregierung gemeinsam mit den anderen ostdeutschen Ländern derzeit sehr stark dafür ein, dass allen Regionen, die das Förderziel, nämlich 75 % des BIP-Pro-Kopf-Durchschnitts der bisherigen EU, nicht erreichen, ein Förderstatus entsprechend Ziel 1 erhalten bleibt. Das würde auch eine entsprechende Förderung im Südwesten des Landes weiterhin ermöglichen. Hierfür sollten wir und auch der Landtag alle Kräfte einsetzen und nicht für Diskussionen darüber, wie wir in der nächsten Legislaturperiode mit Fragestellungen umgehen, deren wesentliche Rahmenbedingungen heute noch gar nicht geklärt sind.

Lassen Sie mich noch eine persönliche Bemerkung zu meinem angeblichen Aufgeben der dezentralen Konzentration machen. Ich habe beide Positionen in der Presse dargestellt. Auf die Frage, ob das denn zur Diskussion stehe, habe ich gesagt: Das wird wie alles andere auch wieder Diskussionsstoff sein und auf den Prüfstand gehören. - Ich habe keine Wertung in irgendeiner Richtung abgegeben. Ich wohne in der Prignitz, in Lenzen, im Ortsteil Bäckern, also dort, wo sich Fuchs und Hase Gute Nacht sagen. Sie kennen meine daraus herrührende Interessenlage. Vielen Dank.

(Beifall bei der SPD)

Wir sind am Ende der Rednerliste und ich schließe die Aussprache. Wir kommen zur Abstimmung.

Die PDS-Fraktion beantragt die Überweisung ihres Antrags in der Drucksache 3/4924 an den Ausschuss für Haushalt und Finanzen, der federführend sein soll, sowie an die Ausschüsse für Europaangelegenheiten und Entwicklungspolitik, für Landwirtschaft, Umweltschutz und Raumordnung sowie für Wirtschaft. Wer diesem Überweisungsansinnen folgt, möge die Hand aufheben. - Gegenstimmen? - Stimmenthaltungen? - Somit ist die Überweisung abgelehnt.

Damit sind wir bei der Abstimmung in der Sache. Wer dem Antrag in der Sache folgt, möge die Hand aufheben. - Gegenstimmen? - Stimmenthaltungen? - Damit ist der Antrag auch in der Sache abgelehnt und ich kann Tagesordnungspunkt 10 schließen.

Ich rufe Tagesordnungspunkt 11 auf:

Umsetzung des Grundsicherungsgesetzes in Brandenburg

Antrag der Fraktion der PDS

Drucksache 3/4925

Ich eröffne die Aussprache mit dem Debattenbeitrag der PDS. Bitte sehr, Herr Domres.

Herr Präsident! Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Am 1. Januar 2003, also in gut zwei Monaten, wird das Gesetz über eine bedarfsorientierte Grundsicherung im Alter und bei Erwerbsminderung in Kraft treten. Danach haben Personen, die das 65. bzw. das 18. Lebensjahr vollendet haben und voll erwerbsgemindert sind, Anspruch auf eine beitragsunabhängige, bedarfsorientierte Leistung zur Sicherung des Lebensunterhalts.

Das Grundsicherungsgesetz, ein Bundesgesetz, bestimmt die Landkreise zu Aufgabenträgern, obwohl die Bestimmung der ausführenden Behörden grundsätzlich den Ländern obliegt. Wären die Länder dem nachgekommen, wären sie den Kommunen landesverfassungsrechtlich verpflichtet gewesen, für die entsprechende Finanzausstattung der nach dem Grundsicherungsgesetz zu erbringenden Leistungen und der zusätzlichen Verwaltungsaufgaben zu sorgen. Bei einer Aufgabenübertragung durch den Bund gilt dies nicht, da zwischen Bund und Kommunen keine unmittelbaren Finanztransfers möglich sind.

Mit dem vorgelegten Antrag möchte die PDS-Fraktion zweierlei erreichen:

Erstens: Wir möchten, dass die Landesregierung sich gegenüber dem Bund für eine Erhöhung des Zuschusses zur Erfüllung der Aufgaben nach dem Grundsicherungsgesetz und für eine zeitnahe Gewährung des Zuschusses einsetzt.

Zweitens: Wir halten es für durchaus angemessen, dass die Einsparungen des Landes, die sich aus dem Grundsicherungsgesetz ergeben, im vollen Umfang an die Landkreise und kreisfreien Städte weitergereicht werden.