Jetzt komme ich zu meiner zweiten Frage. Es geht hierbei auch um EU-Fördermittel. Nach welchen Kriterien entscheidet die Landesregierung, unter welchen Bedingungen EU-Fördermittel ausgereicht werden oder nicht?
Die EU-Fördermittel für dieses Jahr sind ausgereicht. Es besteht auch hier eine gegenseitige Deckungsfähigkeit.
Meine Damen und Herren, wir haben das Redezeitvolumen für den Tagesordnungspunkt 1 - Fragestunde - ausgeschöpft. Ich schließe den Tagesordnungspunkt 1 und rufe den Tagesordnungspunkt 2 auf:
Ich eröffne die Aussprache mit dem Beitrag der Landesregierung und gebe Frau Ministerin Ziegler das Wort. Bitte schön.
Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Wir beginnen heute, jedenfalls offiziell, die Beratungen über den Nachtragshaushalt 2002. Die Landesregierung hat Ihnen einen Entwurf vorgelegt, der sich im Wesentlichen auf zwei Komponenten konzentriert: erstens auf die Mindereinnahmen aus Steuern, Länderfinanzausgleich und Fehlbetragsbundesergänzungszuweisungen in Höhe von 600 Millionen Euro und zweitens auf die Ausbringung einer Verpflichtungsermächtigung in Höhe von 38 Millionen Euro, die es dem Wirtschaftsminister ermöglicht, die Realisierung der Chipfabrik in Frankfurt (Oder) voranzubringen.
Zur Ablösung der Mindereinnahmen wurden in den entsprechenden Kapiteln des Haushalts globale Mindereinnahmen ausgebracht. Das ist aus pragmatischen Gründen geschehen, weil erst auf der Grundlage des Ergebnisses des Arbeitskreises Steuerschätzungen eine präzise Veranschlagung der Veränderung bei den einzelnen Steuerarten möglich ist.
Meine Damen und Herren, die Landesregierung und ich persönlich sind dafür kritisiert worden, dass die Steuerausfälle zusätzliche Kreditaufnahmen zum Haushaltsausgleich erforderlich machen. Die Steuerschätzung zeigt jedoch, dass dies kein hausgemachtes Problem ist, sondern dass bundesweit eine dramatische Entwicklung eingetreten ist, die alle öffentlichen Haushalte in gleicher Schärfe trifft. Ich freue mich, dass mit Herrn Bisky erstmals jemand von der PDS bestätigt hat, dass wir im Wesentlichen kein Ausgabenproblem, sondern ein Einnahmenproblem haben.
Die Landesregierung war zudem nicht untätig. Ich habe am 15. Januar die erste und am 6. Juni die zweite Sperre mit insgesamt über 152 Millionen Euro Einsparvolumen erlassen. Zusätzlich habe ich am 30. September umfassende strenge Bewirtschaftungsvorgaben für den Rest des Jahres gemacht.
Kolleginnen und Kollegen ausdrücklich für die kooperative Zusammenarbeit bedanken; denn wie wir alle wissen, fällt es den Fachressorts, den Fachpolitikern natürlich sehr schwer, Einschnitte bei den Aufgaben vorzunehmen.
Die nächsten Schritte sind in Vorbereitung. Wir führen gründliche Analysen sämtlicher Ausgabenbereiche durch. Wir werden möglichst schnell ein Sparpaket für 2003 beschließen und in der Koalition für die folgenden Jahre sämtliche Aufgabenbereiche auf den Prüfstand stellen.
Es sind einschneidende Maßnahmen, die uns erwarten, die aber angesichts der Krise, in der sich alle öffentlichen Haushalte in Deutschland befinden, unausweichlich sind.
Meine Damen und Herren, die im Nachtragsentwurf ausgebrachte Verpflichtungsermächtigung in Höhe von 38 Millionen Euro sichert die weitere Realisierung der Chipfabrik. Die vor kurzem erteilten Genehmigungen der Europäischen Kommission sind ein wichtiges Signal dafür, dass auch Brüssel zu diesem Projekt steht. Die öffentliche Hand hat bei diesem Projekt allerdings nunmehr ihre Möglichkeiten bis zur Schmerzgrenze ausgereizt. Nun sind private Investoren gefragt.
In den Ausschüssen werden wir das weitere Vorgehen bei der Privatisierung des Unternehmens Feuersozietät Öffentliche Leben diskutieren. Wie Sie wissen, haben sich die Rahmenbedingungen der beschlossenen Privatisierung in den letzten Monaten erheblich verschlechtert. Dies hat zu Verzögerungen bei unseren Privatisierungsarbeiten geführt.
Die geplante Einnahme wird daher nicht mehr für das laufende Haushaltsjahr zu erzielen sein. Wir verfolgen aber weiter unsere Privatisierungsabsicht, ohne jedoch das Unternehmen verschleudern zu wollen. Berlin und Brandenburg stehen weiterhin zu diesem Unternehmen. Dem Unternehmen werden die erforderlichen Mittel zur Sicherung der Solvabilität kurzfristig außerplanmäßig zur Verfügung gestellt. Der Haushaltsausschuss erteilte bereits seine Zustimmung.
Meine Damen und Herren, die Nettokreditaufnahme wird in diesem Jahr voraussichtlich eine Dimension erreichen, wie wir sie zuletzt im Haushaltsjahr 1996 ausgewiesen haben. Damals erreichte sie im Ist einen Betrag in Höhe von 1,26 Milliarden Euro.
Mit der nun vorgesehenen Nettokreditaufnahme stoßen wir knapp an die durch die Verfassung vorgesehene Grenze. Auch im nächsten Jahr stehen wir vor diesem Problem. Die Ostländer haben dabei den Vorteil, dass sie durch die Sonderbedarfsergänzungszuweisungen des Bundes erhöhte Investitionen haben. Bei den alten Bundesländern sieht es so aus, dass die durch die Verfassung vorgesehene Grenze wohl überall überschritten wird.
Es ergibt sich daraus nach meiner Überzeugung umso drängender die Notwendigkeit, unsere Prioritäten eindeutig zu definieren und das Notwendige zu tun, damit wir finanzpolitisch handlungsfähig bleiben. Ich sage zum wiederholten Male: Wir hatten bereits mit der Diskussion um die Haushaltsprojektion bis 2019 - wenn EU- und Bundesmittel dem Ende entgegengehen, sage ich einmal lax - Gelegenheit, uns darauf einzustellen. Bereits damals haben wir festgestellt, dass wir ein strukturelles Haushaltsdefizit in Höhe von 700 Millionen Euro haben werden.
Ich danke Ihnen, Frau Ministerin Ziegler, und gebe das Wort an die Fraktion der PDS. Frau Abgeordnete Osten, bitte.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich bin seit 1994 Mitglied des Ausschusses für Haushalt und Finanzen und seit 1999 Vorsitzende dieses Ausschusses. Ich habe schon erlebt, dass sich Frau Ziegler vehement gegen globale Minderausgaben aussprach. Sie schlägt sie jetzt selbst in Größenordnungen vor. Ich habe auch schon erlebt, dass sich Herr Lunacek von der CDU vehement gegen neue Kredite aussprach. Jetzt trägt er sie in der Koalition in fast nie dagewesener Höhe.
Aber was ich noch nicht erlebt habe: In diesem Jahr sind so viele widersprüchliche, mit neuen Risikorekordmeldungen gespickte Aussagen...
Frau Abgeordnete Osten, ich darf Sie einmal unterbrechen. Meine Herren Kollegen von der Fraktion der PDS, ich bitte Sie, innerhalb des Plenarsaales von solchen Demonstrationen abzusehen. Bitte, verlassen Sie sofort den Plenarraum!
Aber was ich noch nicht erlebt habe, sind so viele widersprüchliche, mit neuen Risikorekordmeldungen gespickte Aussagen zur Finanzsituation des Landes durch die Regierung wie in diesem Jahr. Bereits nach der Mai-Steuerschätzung und dem sich damit ankündigenden Finanzdebakel verlangte die PDS einen Kassensturz und einen Nachtragshaushalt. Ich erinnere mich noch an die Worte der Finanzministerin. Sie sagte, dies sei zu spät und nicht notwendig.
Was muss noch geschehen, dass Sie, wertes Kabinett, Ihrer Verantwortung endlich gerecht werden? Mit der Vorlage dieses Nachtrags Mitte November für das laufende Jahr geschieht das jedenfalls nicht. Der Veränderungsvorschlag basiert nicht auf neuen Prioritätensetzungen, nicht auf neuen Konzepten. Nein, Sie, werte Landesregierung, machen es sich ziemlich leicht. Die Finanzministerin verhängte im Februar und im April eine Haushaltssperre in Höhe von 155 Millionen Euro, die erst im September untersetzt wurde. Sie schiebt noch eine dritte nach, ohne ein konkretes Ziel zu benennen, und wartet auf die Studie eines Wissenschaftlers, die ihr das Benchmarking mit westdeutschen Ländern bieten soll. Ich höre bereits seit einem halben Jahr immer dasselbe, übrigens auch gestern von Herrn Ministerpräsidenten Platzeck, es müsse alles auf den Prüfstand, alles neu überlegt werden.
Sie wissen nicht, wie weiter. Deshalb beinhaltet dieser in der Fülle ganz beachtliche Nachtragshaushalt - warum Sie so viel Papier dafür gebraucht haben, weiß ich nicht - aber nur zwei Vorschläge: Man verschiebt die Beteiligungssumme an Communicant von 38 Millionen Euro ins nächste Jahr, obwohl das Geld an das Unternehmen bereits geflossen ist, und man erhöht die Nettokreditverschuldung um 600 Millionen Euro auf in diesem Jahr insgesamt 1 021 000 000 Euro. Das ist dramatisch. Das alles vor dem Hintergrund einer Koalitionsvereinbarung, die für dieses Jahr an dieser Stelle des Haushalts eine Null vorsah.
Sie müssen sich schon fragen lassen, wertes Kabinett, wie dieses Land wieder den Sprung in die Handlungsfähigkeit schaffen soll. Nur damit, dass jeder Minister erklärt, dass in seinem Ressort nichts mehr zu sparen ist, ist das wohl nicht zu machen. Es ist auch nicht zu machen, wenn 600 Millionen Euro einfach in einem Schuldenloch verschwinden, ohne dass man damit neue Impulse im Lande organisiert. Das einzige Resultat dabei ist, dass zukünftige Haushalte langfristig mit Zinsen belastet werden - die Finanzministerin sprach sogar von 20 % im Jahre 2019 -, wenn wir so weitermachen.
Sie blockieren also zukünftige Entwicklungen. Wenn Sie ehrlich und vorausschauend wären, würden Sie zumindest sagen, wohin die Reise geht. In den Haushaltssperren findet man ja schon einige Antworten. Es werden Mittel gekürzt bei der Osterweiterung, bei der Jugendhilfe, bei der Bildung, bei den Unis, bei den Hochschulen, bei der Arbeitsmarktförderung, bei Frauenprojekten und beim Tourismus.
Der Schuldenberg in Brandenburg ist auf 15 Milliarden Euro angewachsen. Das ist eine dramatische Situation. Auch deshalb hatte meine Fraktion von Ihnen, Herr Ministerpräsident, Vorschläge erwartet, wie weiter. Aber Sie haben in Ihrer Regierungserklärung alles Konkrete vermieden, ja nicht einmal punktuell die Koalitionsvereinbarung erwähnt. Ich könnte mir dafür drei Gründe vorstellen: Sie wollen an den eigenen Vorschlägen nicht gemessen werden, Sie haben vielleicht keine Vorschläge oder die Koalitionsvereinbarung ist längst überholt.
Wo sehen wir die Ursachen für diese Situation? Erstens natürlich in politischen Rahmensetzungen des Bundes; aber eine Steuerreform, die für Ökologie und Renten versprochen war und keines von beiden hält, muss so nicht bleiben, sondern kann verändert werden. Ich meine, die Kolleginnen und Kollegen der SPD haben da alle Fäden in der Hand.
Zweitens: 15 Milliarden Kredite haben dazu beigetragen, dass vieles schöner, fortschrittlicher, ansehnlicher wurde. Sie haben es aber nicht vermocht, mit diesem Geld zukünftige Entwicklung, zukünftiges Einkommen zu sichern.