Protokoll der Sitzung vom 14.11.2002

Herr Vietze, Herr Klein, ich gebe Ihnen nur zur Kenntnis, dass ich Ihre Beleidigungen zurückweise.

(Zurufe: Frage!)

Vielleicht können Sie sich vorstellen, dass ich sowohl väterlicher- als auch mütterlicherseits Nachkomme von Vertriebenen bin.

Ich könnte mich vorstellen, mein Name ist Heinz Vietze, aber das wäre jetzt völlig unnötig. Ich mache darüber hinaus darauf aufmerksam, dass ich das zur Kenntnis nehmen kann, so wie ich Nachkomme von vertriebenen Schlesiern bin.

(Zuruf der Abgeordneten Frau Hesselbarth [DVU])

- Gibt es jetzt noch etwas zu erklären?

(Frau Hesselbarth [DVU]: Das war nicht meine Frage!)

- Sie haben ja keine Frage gestellt.

Herr Dombrowski, bitte.

Herr Präsident, ich richte die Frage an Sie, ob Sie es durchgehen lassen, dass die Vertreibung von Millionen Menschen von einem Mitglied dieses hohen Hauses als Umsiedlung bezeichnet wird.

(Beifall bei der DVU und vereinzelt bei der CDU)

Danke, Herr Dombrowski. - Ich beende die Aussprache zu diesem Tagesordnungspunkt, weil ich davon ausgehe, dass die Landesregierung hierzu keinen Redebedarf hat.

Wir kommen zur Abstimmung. Sie haben gehört, dass namentliche Abstimmung über den Antrag in Drucksache 3/5038 beantragt wurde. Ich wiederhole meine übliche Mahnung: Bitte geben Sie Ihr Abstimmungsvotum laut und deutlich bekannt, wenn Ihr Name aufgerufen wird. Ich eröffne die Abstimmung zu diesem Tagesordnungspunkt und bitte die Schriftführer, die Namen zu verlesen.

(Namentliche Abstimmung)

Gibt es einen Abgeordneten im Plenarsaal, der keine Gelegenheit hatte, seine Stimme abzugeben?

(Der Abgeordnete Schöps [SPD] gibt sein Votum ab.)

Dann schließe ich die Abstimmung und bitte Sie um ein wenig Geduld für die Auszählung.

Meine Damen und Herren, ich gebe Ihnen das Ergebnis der namentlichen Abstimmung zum Antrag der Fraktion der DVU, Drucksache 3/5038, bekannt:

Für diesen Antrag stimmten 5 Abgeordnete, gegen diesen Antrag 47 Abgeordnete. Niemand enthielt sich der Stimme. Damit ist der Antrag mehrheitlich abgelehnt worden.

(Abstimmunslisten s. Anlage S. 4452)

Ich schließe den Tagesordnungspunkt 6 und rufe den Tagesordnungspunkt 7 auf:

Bundesratsinitiative zur Änderung des Tierschutzgesetzes vom 25. Mai 1998 (BGBl. I S. 1105, ber. S. 1818), neu bekannt gemacht in der Fassung der Bekanntmachung vom 17.02.1993 (BGBl. I S. 254) in der teils am 01.06.1998, teils am 01.11.1998, teils am 01.05.2000 in Kraft tretenden Fassung, geändert durch Art. 2 des Gesetzes zur Bekämpfung gefährlicher Hunde vom 12.04.2001 (BGBl. I S. 530), Art. 19 Fünftes Euro-Einführungsgesetz vom 25.06.2001 (BGBl. I S. 1215) und Art. 191 Siebente Zuständigkeitsanpassungs-VO vom 29.10.2001 (BGBl. I S. 2785) - TierSchG

Antrag der Fraktion der DVU

Drucksache 3/5039

Ich eröffne die Aussprache zu diesem Tagesordnungspunkt mit dem Beitrag der DVU und erteile Herrn Abgeordneten Claus das Wort.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Das rituelle Durchschneiden von Kehlen muss in Deutschland auch künftig Unrecht bleiben. Durch die Staatszielbestimmung in der neuen Fassung des Artikels 20 a des Grundgesetzes ist der ethische Tierschutz zum Rechtsgut mit Verfassungsrang geworden. Daraus leitet sich nunmehr unmittelbar die Verpflichtung für alle Staatsorgane, insbesondere für den Gesetzgeber, zu einem effektiven Schutz der Tiere ab.

Wie Sie alle wissen, meine Damen und Herren, haben wir als DVU-Fraktion in diesem Hause einen weitergehenden Tierschutz beantragt, nämlich seine Anhebung auf den Rang eines grundrechtsähnlichen Rechts. Dies würde einen effektiven Tierschutz gewährleisten. Da Sie, Herr Kollege Homeyer, als Spitzenjurist das aber als „politischen Bauchladen“ bezeichnet haben - die Diktion spricht für sich -, müssen wir nun aus dem Staatsziel Tierschutz das Beste machen. Es umfasst neben dem Artenschutz folgende drei elementare Aufträge für die Rechtsgesellschaft: rechtliche und durchsetzbare Gewährleistung des Schutzes der Tiere vor nicht artgerechter Haltung, vor vermeidbaren Leiden sowie vor der Zerstörung ihrer Lebensräume. Gerade diese drei Merkmale machen Sinn und Zweck der Grundgesetzänderung aus, wie es in der amtlichen Bundestagsdrucksache 14/8860 nachzulesen ist.

Den sich hieraus ergebenden umfassenden Verpflichtungen kann der Gesetzgeber aber nur nachkommen, indem er bestehende Gesetzeslücken schließt und das Tierschutzgesetz dem Sinn und Zweck des neuen verfassungsrechtlichen Staatszieles und zugleich den jüngsten Entwicklungen in Wissenschaft und Gesellschaft anpasst.

Dabei hat der Gesetzgeber insbesondere drei Schwerpunkte zu beachten: erstens die nunmehr Bestandteil unseres Grundgesetzes gewordene und damit zur Gewissheit gereifte Erkenntnis, dass Tiere als Mitgeschöpfe Bestandteil der Schöpfung insgesamt sind und dass deswegen ihre Haltung und Behandlung ethischen Wertmaßstäben zu folgen hat; zweitens die Erhal

tungsverpflichtung des Staates für die Schöpfung insgesamt, gesehen als existenzielle Lebensgrundlage von Mensch und Tier. Insoweit kommt gerade dem Schutz der Tierarten angesichts mannigfaltiger Gefährdungen eine herausgehobene Rolle zu. Drittens müssen wir dem Umstand Rechnung tragen, dass sich in den letzten Jahren in der Öffentlichkeit ein breites Bewusstsein dafür herausgebildet hat, welcher Stellenwert den Zielen des Tier- und Artenschutzes im nationalen wie globalen Zusammenhang beim Erhalt der natürlichen Lebensbedingungen als Voraussetzung für die Existenz der Menschheit zukommt.

Noch aber sind die Belange der Tiere durch Tierschutzverbände nicht einklagbar. Bleibt die Behörde untätig, bleibt den Tieren das Leid. Mit dem auch vom Deutschen Tierhilfswerk e. V. geforderten Verbandsklagerecht für Tierschutzvereine kann und muss der Untätigkeit der Behörden und ihrer Vertreter ein Ende bereitet werden. Erst dann kann Tierschutz trotz eines müden Amtsschimmels in die Tat umgesetzt werden. Dem soll dieser Gesetzentwurf, meine Damen und Herren, in einem ersten Schritt Rechnung tragen. Daher bitte ich Sie um Zustimmung zu unserem Antrag. - Erst einmal danke ich für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall bei der DVU)

Ich danke Ihnen, Herr Abgeordneter Claus. - Ich gebe das Wort dem Abgeordneten Homeyer, der für die Koalitionsfraktionen spricht.

Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Nach Artikel 74 Abs. 1 Nr. 20 unseres Grundgesetzes unterliegt der Tierschutz der konkurrierenden Gesetzgebung des Bundes. Tierschutz im Sinne dieses Artikels umfasst Haltung, Pflege, Unterbringung und Beförderung von Tieren, Tierversuche sowie das Schlachten von Tieren einschließlich der organisatorischen Regelungen zur Überwachung und Förderung des Tierschutzes. Da der Bund mit dem Tierschutzgesetz von seiner Gesetzgebungskompetenz für diesen Bereich Gebrauch gemacht hat, wird der Rechtsrahmen für den Tierschutz bundesgesetzlich fixiert. Lediglich der Vollzug der Gesetze erfolgt durch die Länder.

Nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts liegt ein effektiver Tierschutz grundsätzlich im Interesse des Gemeinwohls. Die Handlungsfreiheit der Staatsbürger kann durch Anwendung des Leitgedankens des geltenden Tierschutzgesetzes, Tieren nicht ohne vernünftigen Grund das unerlässliche Maß übersteigende Schmerzen, Leiden oder Schäden zuzufügen, eingeschränkt werden.

Meine Damen und Herren, zahlreiche Gesetze wurden in den vergangenen Jahren auch durch den Bundesgesetzgeber im Sinne des Tierschutzes novelliert. So wurde beispielsweise im Jahre 1990 die formelle Gleichstellung von Tieren und Sachen im BGB beseitigt.

Ich will Sie an dieser Stelle nicht mit einer weiteren Aufzählung von durch den Bundesgesetzgeber im Sinne des Tierschutzes novellierten Gesetzen langweilen. Ich will mit diesen Beispielen

nur darauf hinweisen, dass in den letzten Jahren eine Menge in Sachen Tierschutz geschehen ist. Angesichts der Novelle unseres Grundgesetzes sind auch die derzeit bestehenden Gesetze nunmehr in einem neuen Licht zu betrachten, und die Rechtsprechung wird das ihre tun, Artikel 20 a unseres Grundgesetzes mit Leben zu erfüllen.

Eine Notwendigkeit für die von Ihnen beantragte Bundesratsinitiative sehen wir nicht und lehnen sie deshalb auch ab. Danke.

(Beifall bei CDU und SPD)

Ich danke Ihnen, Herr Abgeordneter Homeyer. - Das Wort hat für die Fraktion der PDS die Abgeordnete Dr. Enkelmann.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Es besteht sicherlich Handlungsbedarf in dieser Frage. Wir werden auch darüber nachdenken müssen, ob wir hier möglicherweise über den einen oder anderen Vorschlag, den wir unterbreiten sollten - auch, was die Bundesregelung betrifft -, beraten sollten. Aus meiner Sicht besteht vor allen Dingen Bedarf hinsichtlich der Kosten für die Unterbringung von eingezogenen Tieren. Sie alle wissen sicherlich, dass diese bislang an den Tierheimen bzw. den Tierschutzvereinen hängen bleiben. Dabei bedarf es grundsätzlicher Regelungen, aber der Antrag der DVU ist hierbei wenig hilfreich. Wir lehnen ihn deshalb ab.

(Zuruf von der SPD: Sehr schön!)

Ich danke Ihnen, Frau Dr. Enkelmann. - Die Landesregierung hat Redeverzicht signalisiert. Ich gebe das Wort deshalb noch einmal Herrn Abgeordneten Claus von der Fraktion der DVU.

Herr Präsident! Meine Damen, meine Herren! Frau Kollegin Dr. Enkelmann, warum dieser Antrag nicht hilfreich ist, habe ich nicht verstanden, und Sie haben es auch nicht ausgeführt.

(Zuruf von der PDS: Das muss aber nicht an Frau Dr. Enkelmann liegen!)

Offensichtlich haben Sie weder die Bedeutung der neuen Verfassungslage noch den anstehenden Handlungsbedarf begriffen, Herr Kollege Homeyer. Wir als DVU-Fraktion machen uns allerdings die Mühe, das Grundgesetz zu lesen, und wir lassen es uns nicht nehmen, seine Verfassungswerte zu verteidigen auch in diesem Hause, meine Damen und Herren.

In den §§ 4 a, 7 und 11 müssen entscheidende Veränderungen und Ergänzungen vorgenommen werden, die mit ethischen Grundsätzen nicht zu vereinbarende Verfahrens- und Behandlungsweisen im Umgang mit Tieren betreffen. Wertmaßstab ist hierbei, dass Tiere Mitgeschöpfe und zugleich natürlicher Bestandteil der Schöpfung insgesamt sind. Schächten von Mitgeschöpfen ist nach unserer Ansicht ein Verbrechen, meine sehr geehrten Damen und Herren von den Koalitionsfraktionen. Das

wissen und verabscheuen Sie ebenso wie wir, aber Sie dürfen es halt nicht sagen.

Das zentrale Anliegen unseres Gesetzentwurfes ist aber die Einführung der tierschutzrechtlichen Verbandsklage, Herr Kollege Homeyer. Das haben Sie, wie gesagt, noch nicht richtig verstanden, aber vielleicht begreifen auch Sie es noch. Sie trägt in besonderem Maße dem steigenden Interesse der deutschen Öffentlichkeit an Belangen des Tier- und Artenschutzes Rechnung. Dies hat sich in mannigfaltiger Weise darin artikuliert, dass sich eine Vielzahl der Bürgerinnen und Bürger in Vereinen und Verbänden organisiert, deren Hauptziele der Tier-, Artenund Umweltschutz sind. Deswegen muss endlich Waffengleichheit zwischen Tierschutzverbänden, Tiernutzern und den zu schützenden Tieren hergestellt werden.

Nach der neuen Verfassungssituation muss sichergestellt werden, dass Verordnungen, Genehmigungen, Erlaubnisse und sonstige Maßnahmen von Behörden nicht nur aus Sicht der Tierhalter und -nutzer, sondern auch dann auf den Prüfstand unabhängiger Gerichte gestellt werden können, wenn tierschutzrechtliche Vorschriften aus Sicht der Tierschützer verletzt werden.