Protokoll der Sitzung vom 18.12.2002

(Unmut bei der PDS)

Die Steuereinnahmen in Deutschland brechen in diesem Jahr um 15,1 Milliarden Euro ein. Allein auf Brandenburg entfallen Steuern in Höhe von 560 Millionen Euro. Das sind Steuerausfälle in einer Größenordnung, meine Damen und Herren, wie sie noch nie seit Bestehen des Landes Brandenburg zu verkraften waren.

Darüber hinaus treffen den Landeshaushalt zwingende Mehrausgaben in Höhe von insgesamt 155 Millionen Euro. Wie Sie wissen, wird die Veräußerung der Feuersozietät voraussichtlich nicht erfolgen können, was weitere Ausfälle bedeutet.

Die gesamte Finanzierungslücke des Landeshaushaltes beträgt somit insgesamt 8 %. 8 % des Landeshaushaltes sind durch Geld nicht mehr entsprechend gedeckt. Das ist die Aufgabe, vor der wir stehen.

Herr Abgeordneter Lunacek, gestatten Sie eine Zwischenfrage?

Bitte sehr.

Bitte sehr, Herr Abgeordneter Vietze.

Herr Lunacek, können Sie als erfahrener Finanzpolitiker mir bestätigen, dass, wenn die Bundesregierung ein Steuerentlastungsprogramm in Höhe von 30 Milliarden DM beschließt, das mit der Einführung des Euro wirksam wird, 15 Milliarden Euro eine durchaus als normal anzusehende Größe an Mindereinnahmen darstellen, bevor in der Folgezeit die gewollten ökonomischen Effekte eintreten?

(Vereinzelt Beifall bei der PDS)

Ich empfehle die entsprechenden Stellungnahmen des Sachverständigenrates zur Kenntnis zu nehmen. Diese besagen eindeutig, dass die Steuerreform grundsätzlich in die richtige Richtung ging, aber eine Reihe anderer Maßnahmen - Arbeitsmarkt

überregulierung, Unternehmensbesteuerung, was Mittelstand betrifft, usw. - nicht in die richtige Richtung gehen. Das geht nur gemeinsam; denn wenn wir einen Teil erfüllen und den anderen nicht, dann haben wir die Situation, wie sie jetzt ist: dass die Wirtschaft mit der Folge hoher Steuerausfälle stagniert. Das kann man nicht durch immer neue Steuern verändern. Darauf komme ich noch zu sprechen.

Meine Damen und Herren, die Ursache dieser Steuerausfälle liegt in erster Linie an der schlechten Wachstums- und Beschäftigungslage in Deutschland. Die in Brandenburg vorhandene haben wir als Landespolitiker nicht zu verantworten. Dies hat die Bundesregierung zu verantworten und wir müssen die Suppe auslöffeln.

(Schippel [SPD]: Ja!)

Da kommen dann dem Schein nach ganz findige oder sich gerade im Wahlkampf befindende Leute, welche die Idee haben, dass wir neue Steuern bzw. immer mehr Steuern brauchen. Es gibt wochenlange Debatten über die Wiedereinführung der Vermögensteuer und über die pauschale Zinsbesteuerung. Davon abgesehen, dass es weiterhin über die Erbschaftssteuer eine Vermögensteuer gibt - das ist wohl unstrittig -, muss man eines sagen: Die Debatten über immer mehr und immer weitere Steuern werden diesem Land nicht aus der Lethargie helfen. Im Gegenteil. Was wir in Deutschland brauchen, ist Aufbruchstimmung. Was wir des Weiteren brauchen, ist die Freisetzung der Kräfte, der Energie und der Fähigkeiten der Menschen. Diese Fähigkeiten setzen wir nur frei, wenn wir den Menschen Freiräume geben, etwas zu unternehmen und sich zu engagieren.

(Vereinzelt Beifall bei der CDU)

Das Unternehmen und das Sich-Engagieren muss natürlich belohnt werden, sonst tut es niemand.

Deshalb, meine Damen und Herren, sollten wir alle diese schwierige Situation jetzt nutzen, um im nächsten Jahr mit den notwendigen Einschnitten bürokratischen Ballast abzuwerfen. Die Chance haben wir jetzt; man hat sie nicht oft. Aber in einer solch schwierigen Lage kann man wirksame Schnitte für die Zukunft initiieren. Wir brauchen weniger staatliche Regelungen, weniger Gängelung und mehr Freiraum für den Einzelnen. Das ist das Gebot der Stunde. Das müssen wir angehen, wenn wir Strukturveränderungen in unserem Lande erreichen und die Haushaltslage verbessern wollen.

Gestatten Sie eine Zwischenfrage, Herr Abgeordneter Lunacek?

Bitte sehr.

Bitte schön, Frau Abgeordnete Osten.

Herr Lunacek, wie kommen Sie denn darauf, dass im Dezember des laufenden Jahres, 14 Tage vor Beginn des neuen Jahres, die

Stunde gekommen sei, in der man alles auf den Prüfstand stellt und neue Schnitte organisiert? Das Haushaltsjahr beginnt in zwei Wochen. Die Kommunen wollen planmäßig arbeiten, die Vereine rechnen mit dem Geld, welches im beschlossenen Haushalt für das nächste Jahr enthalten ist.

(Beifall bei der PDS)

In welcher besonderen Situation befinden wir uns denn? Sie haben die Zeit verschlafen.

Frau Osten, Sie gehören wie ich zu denen, die mitbekommen, was sich täglich in der Welt tut. Wir wissen beide, dass sich Mitte des letzten Jahres erhebliche Einnahmeverminderungen andeuteten, auch wenn seinerzeit noch niemand die Größenordnung kannte. In der Septembersitzung des Landtages nannte die Finanzministerin Berechnungen ihres Hauses, die auf eine Finanzierungslücke in Höhe von 700 Millionen Euro hinausliefen. Mit der November-Steuerschätzung bekamen wir die genauen Zahlen für die folgenden Jahre. Nun wissen wir, in welcher Größenordnung wir uns hier bewegen müssen. Gegenwärtig wird der Nachtragshaushalt 2003 vorbereitet. Es wird dafür ein Gutachten geben, einen Ländervergleich mit Sachsen, das etwas besser als wir dasteht. Auf dieser Grundlage werden wir vernünftige Strukturgesetze verabschieden können, die mit Einschnitten verbunden sein werden. Ich bin gespannt, ob Sie dann an unserer Seite stehen oder nicht.

Meine Damen und Herren, mit dem Nachtragshaushalt und den Strukturgesetzen für das nächste Jahr werden wir das Erforderliche schultern. Es wird weh tun und es wird viele Widerstände geben, denn es sind schmerzliche Einschnitte notwendig. Aber das eine geht nicht ohne das andere.

(Schippel [SPD]: Aber überall, nicht?)

- So ist es: überall, wo es vertretbar ist, selbstverständlich auch sozial ausgewogen. Aber es muss so weit gehen, dass Freiräume geschaffen werden und eine Aufbruchstimmung entstehen kann.

Wir werden jetzt den Nachtragshaushalt für dieses Jahr noch einmal an den Haushaltsausschuss überweisen und danach in 3. Lesung im Plenum verabschieden. Neben der Erhöhung der Nettokreditaufnahme, die schmerzlich, aber notwendig ist, wird darin auch die Absicherung der Beteiligung des Landes an der Communicant AG, der Chipfabrik, vorgesehen. Wir wollen den Erfolg dieses Projekts und leisten unseren Beitrag dazu. - Herzlichen Dank.

(Beifall bei der CDU sowie vereinzelt bei der SPD)

Ich danke dem Abgeordneten Lunacek. - Ich gebe der Landesregierung das Wort. Frau Ministerin Ziegler, bitte sehr.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich hoffe, jetzt wird es etwas ruhiger und nicht so aufgeregt zugehen. Heute beraten wir den Entwurf eines Nachtragshaushalts für das Jahr 2002 abschließend.

(Zurufe von der PDS)

- Weihnachtsgeschenke sollten nach meinem Verständnis eine andere Gestalt als die jetzt vorliegende haben. Aber die dramatischen Einbrüche bei den Einnahmen dieses Jahres ließen uns wie auch anderen Bundesländern keine Alternative. Auf Einbrüche in dieser Größenordnung konnten wir im laufenden Haushaltsjahr - das hat selbst Frau Osten zugegeben - nur mit einer Kreditermächtigung und einer Haushaltssperre reagieren. Zur Fortführung der Haushaltskonsolidierung muss aber das Hauptaugenmerk auf das nächste und die kommenden Jahre gelegt werden. Wir werden Strukturentscheidungen treffen müssen.

Auch im nächsten Jahr werden wir deutlich weniger einnehmen als geplant. Das ist niemandem neu. Ich warte schon auf die Meldung von Frau Osten, in der es heißt, schon wieder habe die Finanzministerin neue Zahlen auf den Tisch gelegt. Ich sage es immer vorher an: Es wird kommen. Nach der November-Steuerschätzung werden sich unsere Mindereinnahmen im Jahre 2003 auf 620 Millionen Euro belaufen. Dabei ist schon eine um 0,5 Prozentpunkte geringere Wachstumsrate für 2003 unterstellt, als sie zum Zeitpunkt der Steuerschätzung zugrunde gelegt wurde. Dass dieses Vorgehen korrekt ist, zeigt die Tatsache, dass führende Wirtschaftsforschungsinstitute und die Europäische Zentralbank ihre Wachstumsprognosen vom Herbst 2002 für 2003 gerade erst nach unten korrigiert haben. Das ist das tatsächliche Leben und nicht das Leben, wie es sich Frau Osten vorstellt.

Zu den Mindereinnahmen kommen weitere ebenfalls längst bekannte Ausgaberisiken wie die Zusatzversorgungen und die Leistungen an die überörtlichen Träger der Sozialhilfe. Berücksichtigt man die höheren Zinszahlungen wegen der zusätzlichen Kreditaufnahme im Jahre 2002, ergibt sich - ich betone ausdrücklich: nach jetzigem Stand - eine Gesamtbelastung in Höhe von rund 805 Millionen Euro. Ich gehe aber davon aus, dass damit noch nicht alle Risiken erfasst sind. Den Verhandlungen zum Nachtrag 2003 wird daher selbstverständlich eine detaillierte Übersicht über den erforderlichen Handlungsbedarf zugrunde liegen. In den Verhandlungen über den Nachtragshaushalt werden wir erhebliche Anstrengungen unternehmen müssen - darüber sind wir uns alle einig -, um die Verfassungsmäßigkeit des Haushalts 2003 sicherzustellen.

Frau Ministerin, gestatten Sie eine Zwischenfrage?

Ja.

Bitte schön, Frau Abgeordnete Osten.

Frau Ziegler, zwei Fragen: Ist Ihnen erstens aufgefallen, dass Sie schon seit einem halben Jahr stets dieselbe Rede halten und öffentlich noch keine Schlussfolgerungen gezogen werden?

(Schippel [SPD]: Nein!)

Zweitens: Wie sehen Sie die Rolle des Parlaments beim Haushalt 2003?

Frau Osten, das beweist ja, dass ich die Wahrheit sage. Dass ich schon seit einem halben Jahr auf den Handlungsdruck hinweise und dass wir an einer Vorlage arbeiten, dürfte Ihnen nicht entgangen sein. Daher ist das, was Sie als Haushaltsausschussvorsitzende tun, so ziemlich aus der untersten Schublade. Sie kennen das verabredete Verfahren.

(Frau Osten [PDS]: Wir haben überhaupt nichts verabre- det, Frau Ministerin!)

- Wir haben es in der Koalition verabredet und Sie sind als Haushaltsausschussvorsitzende über das Verfahren informiert worden.

Zu Beginn des nächsten Jahres werden die Vorschläge aus unserem Haus auf dem Tisch liegen. Ihnen dürfte auch nicht entgangen sein, dass als Grundlage dieser Vorschläge ein Gutachten in Auftrag gegeben worden ist. Es nützt nichts, dass Sie Woche für Woche kritisieren, es kämen keine Vorschläge auf den Tisch, wenn verabredet und beschlossen ist, sie im Januar vorzulegen. Sie können dies bis zum 9. Januar jeden Tag zelebrieren; aber es wird dadurch nicht besser. Der 9. Januar ist der Abgabetermin für das Gutachten. Danach wird das MdF seine Vorschläge der Koalition vorlegen. Solange Sie nicht in der Regierung sind, müssen Sie sich damit abfinden, dass Sie auf der Grundlage dessen diskutieren, was die Koalition verabredet hat.

(Beifall bei SPD und CDU)

Frau Ministerin, der Abgeordnete Vietze hat auch Fragebedarf. Wollen Sie seine Frage beantworten?

Gerne.

Bitte schön, Herr Abgeordneter Vietze.

Frau Ministerin, könnten Sie dem Parlament mitteilen, worin der Wert der Diskussion eines Haushalts besteht und wozu man für ihn Vorschläge unterbreiten sollte, wenn am ersten Tag eine Haushaltssperre verhängt wird und wenn die Einnahmesituation nicht richtig bewertet wurde, weil weitere Mindereinnahmen im Laufe des Jahres zu erwarten sind?