Protokoll der Sitzung vom 17.01.2003

Möglicherweise gibt es auch noch Prüfungsveranlassungen, möglicherweise andere Auseinandersetzungen.

Ich bin einmal ganz optimistisch: Wenn alles so einträte, Herr Homeyer, hätten Sie Recht; dann würden wir einen Nachtrags

haushalt vorgelegt bekommen und die Diskussion darüber sachlich führen. Ein Teil der Öffentlichkeit führt diese Debatte, wie wir gestern, ja auch.

Meine ursprüngliche Erwartung an die Kollegen der DVU-Fraktion war, dass sie ihren Antrag zurückziehen, da er nach der gestrigen Debatte und den entsprechenden Informationen wahrlich gegenstandslos ist.

Ich will aber fair sein - wenn man schon darauf besteht - und stelle mir jetzt einmal vor, wir würden einen völlig neuen Haushalt erarbeiten, titelscharf für jeden Einzelplan, würden die Diskussion über jede einzelne Position eröffnen und alles im Detail neu begründen müssen, und zwar in 1., 2. und 3. Lesung. Ich glaube, wir würden dann jenes Stadium erreichen, in dem wir in diesem Lande bereits die Debatte über den Entwurf des Jahres 2004 eröffnen müssten. Demzufolge bleiben wir mit unserer Verantwortung in dem Bereich, der überschaubar ist. Behandeln wir den Nachtragshaushalt, geben wir uns große Mühe, vernünftige Entscheidungen dazu zu treffen und lehnen wir den Antrag der DVU als überflüssig ab! - Danke schön.

(Beifall bei der PDS)

Ich danke dem Abgeordneten Vietze. - Die Landesregierung möchte ihr Rederecht nicht in Anspruch nehmen. Deshalb kann ich sofort an die DVU überleiten und der Abgeordneten Hesselbarth wieder das Wort geben. Bitte.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Herr Homeyer, Sie sagten: Wir werden vorlegen. - Glauben Sie das alles? Der derzeit vorliegende Nachtragshaushalt enthält auf 95 Seiten ganze zwei Zahlenänderungen. Ich sagte es bereits.

(Homeyer [CDU]: Es kommt ein neuer, Frau Hesselbarth!)

- Ich glaube nicht daran. Deshalb beharren wir auch auf unserem Antrag. Ich werde dies auch nochmals begründen.

Seit Monaten tauchen immer neue Haushaltslöcher auf. Inzwischen ist unklar, ob sich im Etat überhaupt noch belastbarer Boden befindet. Außerdem hat der Schuldenberg derart enorme Höhen erreicht, dass der Gipfel mit bloßem Auge nicht mehr zu erblicken ist. Brandenburg ist mit 5 800 Euro Verschuldung pro Kopf nach Sachsen-Anhalt das höchstverschuldete Bundesland. - Sie lachen. Ich weiß nicht, ob es da etwas zu lachen gibt.

Für fast 15 Milliarden Euro muss das Land bereits weit über 800 Millionen Euro Zinsen zahlen. Jeder zehnte Euro, den Brandenburg in diesem Jahr ausgeben will, muss für Zinsen ausgegeben werden. Dazu kommen noch geschätzte 7,5 Milliarden Euro Schulden, die die landeseigene ILB angehäuft haben soll. In diesem Jahr, so die Aussicht, soll eine weitere Milliarde Schulden gemacht werden, um die laufenden Ausgaben decken zu können.

Die Erfahrungen der letzten Monate lassen Zweifel daran aufkommen, dass das schon die ganze Wahrheit ist. Wird beispielsweise die Feuersozietät wirklich für mehrere Hundert Millionen Euro privatisiert werden können? Bleibt der Personalabbau im

Forstbereich tatsächlich planmäßig? Angesichts dessen sind die 140 Millionen Euro, die Sie, Frau Finanzministerin, jetzt einsparen wollen, Peanuts. Weitere 140 Millionen Euro wollen Sie den Kommunen abverlangen, die bereits jetzt finanziell ausgeblutet sind. Die dritten 140 Millionen Euro, die aus dem Haushalt herausgestrichen werden sollen, waren dort bereits als Loch, als so genannte globale Minderausgabe, eingeplant. Sie entlasten die Gesamtbilanz also überhaupt nicht. Deshalb wird jetzt von den Mitgliedern dieses Hauses erstmals mehr verlangt als in den vergangenen Jahren.

Es geht nicht darum, die Anschaffung von Computern oder Bleistiften hinauszuzögern oder soziale Ungerechtigkeiten laut Streichliste des Finanzministeriums abzusegnen. Jetzt sind Einschnitte in die Ausgabenstruktur des Landes, also in die Tiefe, gefordert, will Brandenburg in den nächsten Jahren noch einmal Boden unter die Füße bekommen. Dies alles geht eben nicht mit einem Nachtragshaushalt oder einer „Giftliste“. Dazu bedarf es einer Neuverhandlung des Landeshaushalts 2003. Wir bleiben bei unserer Forderung. - Ich bedanke mich für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall bei der DVU)

Ich danke Ihnen, Frau Abgeordnete Hesselbarth. - Wir sind damit am Ende der Aussprache zu diesem Tagesordnungspunkt und wir kommen zur Abstimmung.

Ich rufe den Antrag der DVU-Fraktion auf, der Ihnen in der Drucksache 3/5375 vorliegt. Wer diesem Antrag seine Zustimmung gibt, den bitte ich um sein Handzeichen. - Gegenstimmen? - Stimmenthaltungen? - Damit ist der Antrag mehrheitlich abgelehnt worden.

Ich schließe den Tagesordnungspunkt 12 und rufe Tagesordnungspunkt 13 auf:

Finanzausgleichsgesetz

Antrag der Fraktion der PDS

Drucksache 3/5380

Ehe ich der einreichenden Fraktion das Wort gebe, begrüße ich wieder Gäste im Landtag: Unternehmer aus Bernau. Herzlich willkommen!

(Allgemeiner Beifall)

Herr Domres, Sie haben das Wort.

Herr Präsident! Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Für den vorgelegten Antrag auf Einbringung eines Entwurfes für ein kommunales Finanzausgleichsgesetz gibt es viele gute Gründe. Ich möchte Ihnen besonders zwei näher bringen, erstens weil die Diskussion offen und intensiv geführt werden muss und damit der Entscheidung des Landesverfassungsgerichtes Rechnung getragen wird, zweitens weil die Kommunen einen An

spruch auf eine aufgabenadäquate Finanzausstattung haben und dieses Problem schon viel zu lange nicht gelöst wird.

(Beifall der Abgeordneten Faderl [PDS])

Ich hoffe, dass Sie, meine Damen und Herren von der Koalition, dieses Mal über Ihren Schatten springen und unserem Antrag zustimmen.

Zunächst möchte ich Sie an Ihren Koalitionsvertrag erinnern. Darin heißt es:

„Um allen Regionen des Landes vergleichbare Entwicklungschancen zu gewährleisten, sind die Grundlagen der Gemeindefinanzierung auf der Basis eines Finanzausgleiches bis 2001 neu zu gestalten.“

Jetzt sind wir drei Jahre weiter und die Situation in den Kommunen ist so dramatisch wie nie zuvor. Dafür trägt nicht nur Rot-Grün im Bund, sondern auch Schwarz-Rot in Brandenburg Verantwortung. Das im Landtag anzusprechen ist weder populistisch noch Schwarzmalerei, sondern Realität, und Sie sollten die Augen davor nicht verschließen.

Was ist aus den Zielen Ihrer Koalitionsvereinbarung geworden? Wurde denn die kommunale Selbstverwaltung durch eine dauerhafte, den Aufgaben angemessene Finanzausstattung der Kommunen gesichert oder inwieweit ist das Ziel durch Zuweisungen an die Brandenburger Kommunen, gestalterische Spielräume zu eröffnen, auch nur ansatzweise Realität geworden?

Ich behaupte: Die Kommunen haben in dieser Landesregierung keine und in der Koalition nur eine schwache Lobby. Das wird sich bei der Diskussion um die Kürzungen im Gemeindefinanzierungsgesetz 2003 wieder zeigen. Ich bedauere sehr, dass der Innenminister, der auch für die Kommunen zuständig ist, diese so vernachlässigt. Der Widerspruch zwischen den Versprechungen, die die CDU im Landtagswahlkampf 1999 gemacht hat, und dem, was Sie, Herr Schönbohm, praktizieren, ist schreiend.

In den Wahlprüfsteinen des Städte- und Gemeindebundes von 1999 haben Sie damals festgestellt:

„Die CDU sieht bei der Finanzausstattung der Kommunen durch die Landesregierung weniger ein Strukturproblem des Gemeindefinanzierungsgesetzes als den generellen Unwillen der Landesregierung und der sie tragenden SPDMehrheitsfraktion, die Kommunen des Landes angemessen mit Finanzen auszustatten.“

Und jetzt? Woran liegt es, Herr Innenminister, dass Sie den Entwurf des Finanzausgleichsgesetzes nicht vorlegen können? Die CDU hat 1999 hinsichtlich der Beteiligung der Kommunen an der Neustrukturierung des Finanzausgleichs noch folgende, aus heutiger Sicht erstaunliche Aussage getroffen:

„Wenn Sie sich die politischen Aktivitäten der CDU-Fraktion der letzten Jahre anschauen, so sehen Sie, dass wir grundsätzlich eng mit der kommunalen Basis zusammenarbeiten und den Kommunen auch in dieser Hinsicht größtmögliche Beteiligungsrechte geben möchten.“

Als Sie dann in Regierungsverantwortung waren, gab es nicht einmal die Bereitschaft zur Bildung einer Gemeindefinanzkom

mission, wie sie der Städte- und Gemeindebund und die PDSFraktion gefordert hatten.

Die PDS-Fraktion meint, dass der kommende März für die Einbringung des Finanzausgleichsgesetzes ein realistisches Datum ist. Wenn man davon ausgeht, dass das FAG eines der wichtigsten Vorhaben der Koalition sein sollte, dann darf man nach drei Jahren Koalition schon Arbeitsergebnisse erwarten. Die Finanzministerin hat presseöffentlich am 29.11.2002 bestätigt, dass besagtes Finanzausgleichsgesetz eigentlich schon 2003 eingeführt werden sollte. Was ist also los in der Landesregierung?

Der Innenminister hat auf eine mündliche Anfrage meiner Kollegin Kerstin Osten am 17.04.2002 erklärt: Bereits Mitte 2001 wurde eine breit angelegte Diskussion zum kommunalen Finanzausgleichsgesetz eingeleitet, das ab dem Jahr 2004 das für die Jahre 2002 und 2003 gültige Gesetz zur Regelung der Finanzbeziehungen zwischen dem Land Brandenburg und den Kommunen ablösen soll.

Er teilte weiter mit: Nach der weiteren Terminplanung wird die Landesregierung noch vor der diesjährigen Sommerpause gemeint war die Sommerpause 2002 - die Leitlinien - ich merke an: die Leitlinien liegen dem Landtag bis heute nicht vor - und Anfang nächsten Jahres - gemeint war 2003 - den Gesetzentwurf zum Finanzausgleichsgesetz beschließen. Er sagte weiter: Die Kommunen und ihre Vertretungen werden an der weiteren Entstehung des für sie sehr bedeutsamen Gesetzes selbstverständlich weiterhin beteiligt.

Also der Innenminister selbst hat die von uns eingeforderte Einbringung angekündigt.

In der Antwort auf die Kleine Anfrage 3/1995 war zu lesen, dass zurzeit am Referentenentwurf gearbeitet wird. An verschiedenen Stellen haben Vertreter der Koalition und der Innenminister einen Zusammenhang zwischen Abschluss der Gemeindeneugliederung und der Beschlussfassung zum FAG hergestellt.

Diesen Zusammenhang akzeptiere ich nicht, wenn dadurch die Einbringung des FAG weiter verzögert wird. Aber selbst wenn, stellt sich die Frage, warum Sie beim gegenwärtigen Stand der Gemeindegebietsreform immer noch nicht in der Lage sein sollen, das Finanzausgleichsgesetz zu formulieren. Zudem lassen Sie keine Gelegenheit ungenutzt, die Erwartungen gegenüber dem Gesetz zu dämpfen.

Wenn man sich die gegenwärtigen Kürzungsorgien ansieht, stellt man fest, dass kaum noch Gestaltungsspielraum für neue Akzente eines Finanzausgleichs bleibt. Wie wollen Sie mit der Umwandlung zweckgebundener Zuweisungen in allgemeine Zuweisungen umgehen, wie sie das DIW-Gutachten fordert? Wir befürworten eine solche Umwandlung nur, wenn nicht ein großer Teil der Mittel bei der Transformation ersatzlos verschwindet, wie wir das wiederholt feststellen mussten, so zum Beispiel beim GFG 2002/2003, als Sie die investiven Zuweisungen radikal gekürzt, die Schlüsselzuweisungen jedoch nur unbeträchtlich erhöht haben.

Wie sind Sie auf die neue Gemeindestruktur vorbereitet, die mit einer erheblich gewachsenen Zahl größerer Gemeinden zu einer Umverteilung der Zuweisungen führt? Ein wesentliches

Lockmittel für die Gemeindezusammenschlüsse war die Zusage einer höheren Pro-Kopf-Zuweisung. Woher kommt diese, wenn Sie die Finanzmasse nicht erhöhen?

Wir verstehen auch nicht, warum das Innenministerium keinen Zusammenhang zwischen der Fortführung der Funktionalreform und der Erarbeitung eines Finanzausgleichsgesetzes sieht. Der Landkreistag hat in einem Schreiben vom Dezember 2002 sehr treffend formuliert:

„Ziel muss es daher sein, anstelle weiterer Kürzungen eine auf Dauer angelegte aufgabenadäquate kommunale Finanzausstattung zu gewährleisten.“