Protokoll der Sitzung vom 10.04.2003

(Frau Kaiser-Nicht [PDS]: Sie bauen doch ab!)

Im vorigen Jahr ist alles, was die gesetzliche Krankenversicherung leisten wollte, um 3,5 Milliarden Euro ausgeufert. Von ähnlichen Dimensionen sprechen wir im Bereich der Arbeitslosenversicherung. Es ist schon lange nicht mehr so, dass wir uns mit den Mitteln der Arbeitslosenversicherung dieser Belange annehmen könnten, die wir in den letzten Jahren zu vertreten bereit waren. Es sind schon erhebliche Steuermittel hineingeflossen.

(Frau Kaiser-Nicht [PDS]: Das hat doch wohl Ursachen!)

Das heißt also, dass wir Änderungen vornehmen müssen. Ansonsten gelingt es uns nicht mehr lange, in diesen Dimensionen und mit diesem Versicherungssystem zu leben.

(Zuruf von der PDS: Der soziale Frieden kann uns aber auch um die Ohren fliegen!)

- Darum sage ich ja: Wir bringen uns durchaus ein und wollen das auch wirklich abgestuft hinbekommen. Das ist gar keine Frage. Damit setzen wir uns wirklich auseinander.

Ansonsten, Frau Kaiser-Nicht, hat der Kanzler, glaube ich, in seiner Rede am 14. März sehr deutlich gesagt, dass wir einen zweiten Arbeitsmarkt im Osten brauchen. Ich habe von hier vorn aus mindestens zweimal gesagt, dass wir den zweiten Arbeitsmarkt auch steuerfinanziert brauchen - dieser Satz stand sehr, sehr deutlich darin -, und ich bin sehr froh, dass gestern über die Ticker ging, dass das auch Florian Gerster aufgegriffen hat, dass also auch Florian Gerster der Auffassung ist, dass wir dies steuerfinanziert hinbekommen müssen.

Frau Dr. Schröder.

Ja, darüber bin ich auch sehr froh. - Der Kanzler hat ein Machtwort hinsichtlich der Zusammenlegung von Arbeitslosenhilfe

und Sozialhilfe und der Einrichtung von Job-Centern gesprochen, dass künftig die Bundesanstalt für Arbeit für erwerbsfähige Sozialhilfeempfänger zuständig sein soll. Es gibt momentan großes Tauziehen zwischen Kommunen und Arbeitsämtern darüber, wer in Zukunft wofür Verantwortung tragen wird, insbesondere in finanzieller Hinsicht. Ich frage Sie, wie momentan der Stand ist. Können Sie schon etwas dazu sagen, wie die Definition erwerbsfähiger Sozialhilfeempfänger ausfallen wird? Wie bewerten Sie die momentane Einrichtung von Anlaufstellen als Vorläufer künftiger Job-Center?

Zur letzten Frage zuerst: Es wird keine Vorläufer geben. Es ist jedenfalls die deutliche Aussage der Bundesanstalt - falls sie davon abweichen sollte, nehmen Sie mich dafür nicht in Haft -, dass wir zum Anfang des nächsten Jahres die Job-Center haben werden. Es wird dabei sicherlich Anlaufschwierigkeiten geben das ist gar keine Frage -, aber auf jeden Fall sollen sie kommen.

Es gibt zwei Modelle, die im Wesentlichen diskutiert werden, ein vierstufiges und ein dreistufiges. Das dreistufige bedeutet: Arbeitslosengeld 1 - wie bei Hartz -, Arbeitslosengeld 2 - wie bei Hartz -, und der Rest wäre dann Grundsicherung, definiert entsprechend der Erwerbsfähigkeit entsprechend dem SGB VI, also der Rentenversicherung. Wir reden dabei also noch darüber: Was passiert mit denjenigen, die eine befristete EU-Rente haben? Sollen die in die eine Gruppe oder in die andere kommen?

Das vierstufige Modell bedeutet: Arbeitslosengeld 1, Arbeitslosengeld 2, Sozialhilfe für diesen Bereich bzw. auch ergänzende Hilfe für vorübergehende EU-Renten-Bezieher und schließlich der Grundsicherungsbereich.

Das sind die Dimensionen, über die wir momentan reden. Wir sind uns aber, wie gesagt, im Großen und Ganzen darüber einig, dass wir Erwerbsfähigkeit am Rentenrecht festmachen wollen.

Herr Petke, bitte.

Herr Minister, zunächst einmal vielen Dank für die deutlichen Worte zum kritischen Zustand unserer sozialen Sicherungssysteme.

(Oh! bei der PDS)

Ich habe eine Frage, die sich auf die Rolle der Kommunen bezieht: Welche Maßnahmen will die Landesregierung ergreifen, um bei der geplanten Zusammenlegung von Arbeitslosenhilfe und Sozialhilfe die Belange unserer Kommunen sicherzustellen?

Es gibt im Übrigen aus einigen CDU-geführten B-Ländern die Absicht, diese neue Leistung zu kommunalisieren. Diese Länder wollen das sozusagen über Landesrecht machen. An der Stelle habe ich gesagt: Das ist mit Brandenburg - wahrscheinlich auch mit Thüringen - nicht zu machen, weil das zwei Länder sind, die die strikte bzw. absolute Konnexität in ihren Verfassungen stehen haben. Das können wir natürlich niemals leisten. So ein

Gesetzespaket mit einer absoluten oder strikten Konnexität durchzubekommen halte ich also für unmöglich. Das wird vielleicht nachher eine große Herausforderung für die Innenpolitiker sein.

(Frau Kaiser-Nicht [PDS]: Das können Sie vergessen!)

Aber im Großen und Ganzen ist es schon so, dass die Kommunen entlastet werden. Die Frage lautet nur, inwieweit das nachher an bestimmten Stellen zurückgeholt werden wird. Es werden nämlich Aufgaben für die Kommunen übrig bleiben; das ist gar keine Frage. Es wird eine Übergangsfrist geben bzw. nicht so funktionieren, dass die Bundesanstalt für Arbeit zum 1. Januar 2004 bereits alle erwerbsfähigen Sozialhilfeempfänger wird übernehmen können. Das wäre eine zu große logistische Aufgabe; das kann man nicht packen. Es sieht in den Gesprächen aber momentan so aus, dass es keine Belastung für die Kommunen geben wird, sondern eher eine Entlastung. Das kann ich deutlich sagen.

Herr Claus.

Herr Minister, Sie sprachen vorhin davon, dass die Uhren im Osten anders als in Westdeutschland gehen. Nun bieten viele IHKs bzw. Arbeitsämter Seminartage für Jugendliche an, die noch in eine Ausbildung kommen sollen. Da die Ausbildungsplatzlage im Gegensatz zu den alten Bundesländern sehr schlecht ist...

Herr Abgeordneter, bitte kommen Sie zur Frage!

Was halten Sie denn davon, wenn die Arbeitsämter die Wegzugprämie in Höhe von 2 500 Euro, die es jetzt noch gibt, den kleinen und mittelständischen Betrieben zur Verfügung stellen, damit die Jugendlichen eher hier eine Ausbildung beginnen als in die alten Bundesländer zu gehen?

Sie weichen ein bisschen von der Ursprungsfrage ab, aber ich bin gerne bereit, Ihre Frage zu beantworten. - Ich denke, dass wir vor allen Dingen im Hinblick auf die demographische Situation, in der wir uns befinden, ab 2007 schon einen großen Fachkräftemangel zu verzeichnen haben werden. Das heißt: Wenn all diejenigen, die jetzt schon nicht mehr in die siebte Klasse gekommen sind und bezüglich derer sich Herr Reiche immer die Frage anhören muss, warum er die Schulen schließt - ungerechtfertigterweise; denn er hat auch schon drei Kinder -, nicht mehr als Schulabgänger vorhanden sind, werden wir in den Betrieben schon ein großes Problem haben. Ich halte es insofern für nicht gerechtfertigt, jetzt noch finanziell zu unterstützen, dass junge Menschen weggehen.

Mein Vorschlag an die Bundesanstalt war ja auch - er ist leider bisher nicht aufgegriffen worden -, dieses Geld als Kredit auszureichen. Das heißt, dass, wenn jetzt jemand - das verstehe ich

durchaus - in eine andere Region zieht, er das als Kredit erhalten soll. Wenn er in zehn Jahren hier eine Arbeit angeboten bekommt, kann er hierher zurückkehren und das Geld behalten. Bleibt er jedoch anderswo, sollte er es zurückzahlen. Das, denke ich, wäre an dieser Stelle ein guter Kompromiss gewesen.

Herzlichen Dank. - Verehrte Kolleginnen und Kollegen, ich möchte noch einmal darauf hinweisen, dass wir bei der Fragestunde und nicht bei der Aktuellen Stunde sind. Es kann keine Frage zu einem Thema ausgeweitet werden, als handele es sich um eine Aktuelle Stunde. Deswegen bitte ich herzlich darum, die Zusatzfragen kurz und präzise zu formulieren.

(Vereinzelt Beifall bei SPD und CDU)

Wir sind bei der Frage 1552 (EUROPAlehrer), die die Abgeordnete Fechner formuliert.

Bereits Anfang des Jahres 2000 war der Presse zu entnehmen, dass an der Universität Potsdam ein Hochschulstudiengang mit dem Abschluss „EUROPALehrer“ eingeführt werden soll. Mit der Ausbildung zum Europalehrer sollten Brandenburger Lehrer eine europäisch ausgerichtete Kultur- und Sprachkompetenz erwerben und befähigt werden, zweisprachig zu unterrichten.

Allerdings war der Meinungsbildungsprozess innerhalb der Landesregierung zum damaligen Zeitpunkt und auch ein Jahr später noch nicht abgeschlossen. Zunächst sollte - nach Aussage der Landesregierung - die Abstimmung mit der Universität Potsdam abgeschlossen werden.

Ich frage die Landesregierung: Zu welchem Ergebnis führten der Meinungsbildungsprozess innerhalb der Landesregierung und die fachliche Abstimmung mit der Universität Potsdam über Studienstruktur, Studieninhalte und Studienabschluss zum Studiengang „EUROPAlehrer“?

Frau Ministerin Wanka, Sie haben das Wort.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Vor dem Hintergrund, dass sich die EU immer stärker in Richtung einer Bildungsgemeinschaft entwickelt, sowie vor dem Hintergrund der EU-Osterweiterung hält es die Landesregierung für sehr wichtig und im Prinzip unabdingbar, dass künftige Lehrerinnen und Lehrer eine europäisch ausgerichtete Kultur- und Sprachkompetenz erwerben und zum bilingualen Unterricht befähigt werden.

Andererseits sind die Ausbildungskapazitäten, die wir gerade in den Fächern Englisch und Französisch haben, an der Universität begrenzt. Vor diesem Hintergrund hat man sich in der Landesregierung darauf verständigt, dass Überlegungen zur Einrichtung des Studienangebots „EUROPAlehrer“ vorerst zurückgestellt werden, um sich erstens an der Universität auf den wachsenden Lehrerbedarf zu konzentrieren und dort die Ausbildungskapazitäten in den entsprechenden Lehramtsstudien

gängen nicht zu beeinträchtigen, und sich zweitens auf den Weiterbildungsbedarf der Lehrkräfte zu konzentrieren, die im Schuldienst beschäftigt sind, um die Umsetzung der Bildungsoffensive zu realisieren, wo unter anderem die Fremdsprache Englisch ab der Jahrgangsstufe 3 vorgesehen ist.

Allerdings ist wichtig und richtig, dass in Zukunft bei der jetzt anstehenden Veränderung der Lehrerausbildung solche internationalen Ausbildungsanteile eine wichtige Rolle spielen. Zum einen sollen während des Studiums zweisprachige Ausbildungsanteile angeboten werden und zum anderen werden wir versuchen, den Studenten Praxisphasen im Ausland zu ermöglichen.

Darüber hinaus prüft die Universität Potsdam zurzeit, die Möglichkeiten zur Schaffung eines Studienangebots zum Erwerb einer den Intentionen des Europalehrers entsprechenden Zusatzqualifikation gemäß § 17 des Brandenburgischen Lehrerbildungsgesetzes zu realisieren. Diesbezüglich befindet sich die Landesregierung mit der Universität Potsdam naturgemäß in engem Kontakt.

Danke sehr. - Wir sind bei der Frage 1553 (Ausbildung zum Altenpfleger), die der Abgeordnete Werner-Siegwart Schippel formuliert.

Ab 1. Oktober 2003 wird die Ausbildung zum Altenpfleger im Land Brandenburg auf bundesweit einheitlichem Niveau vollzogen. Brandenburg gehört damit zu den ersten Bundesländern, die das im vergangenen Jahr in Kraft getretene Bundesaltenpflegegesetz in die Praxis umsetzen.

Ich frage die Landesregierung: Wie sind in dem ab Oktober geltenden brandenburgischen Gesetz die Zuständigkeit und die Finanzierung der Ausbildung zum Altenpfleger geregelt?

Herr Minister Baaske, Sie haben das Wort.

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Herr Abgeordneter Schippel, mit dem In-Kraft-Treten des Bundesaltenpflegegesetzes zum 1. August dieses Jahres gehört der Beruf des Altenpflegers zu den Heilberufen. Die alleinige Zuständigkeit für die Umsetzung dieses Gesetzes liegt damit beim MASGF. Jedoch kann ich ganz klar sagen, die in MBJS-Zuständigkeit begonnenen Ausbildungen - bei den in der Schule begonnenen Ausbildungen - werden nach den bisherigen Landesregeln fortgeführt und abgeschlossen.

Der umfangreiche Aufgabenkatalog, an dem wir mit Hochdruck gearbeitet haben, umfasst im Wesentlichen zwei Bereiche: Das ist auf der einen Seite das Rechtliche, Organisatorische, Verwaltungstechnische und auf der anderen Seite zunächst einmal das Finanzielle. Sie können sich vorstellen, dass es angesichts der gegenwärtigen Haushaltssituation sehr schwierig war - aber es ist gelungen -, die haushaltsmäßige Sicherung zu erzielen. Sie war Grundvoraussetzung; denn die Ausbildungsstätten wollen natürlich finanziert werden.

Die Ausbildungsstätten tragen - das muss man wissen - die alleinige Verantwortung für die theoretische und die praktische Ausbildung. Sie müssen auch dem Ausbildungsvertrag zustimmen. Ohne Zustimmung der Ausbildungsstätten kommt ein Ausbildungsvertrag faktisch nicht zustande.

Wir haben die Finanzierung der theoretischen Ausbildung aus ESF- und Landesmitteln gesichert. Je Ausbildungsjahrgang stehen 2,2 Millionen Euro für Personal- und Sachkosten der so genannten Fachseminare zur Verfügung. Derzeit rechnen wir mit etwa 200 Plätzen für die Erstausbildung pro Jahr. Das heißt, bei einer Klassenkapazität von etwa 25 Schülerinnen - ich hoffe, es werden sich auch Schüler melden - können mit diesem Geld acht bis zehn Ausbildungsstätten im Land finanziert werden.

Da es bei uns aber mehr als zehn staatlich anerkannte Fachseminare für Altenpflege gibt, müssen wir ein Auswahlverfahren durchführen. Die entsprechenden Einrichtungen sind darüber informiert. Heute findet noch einmal eine entsprechende Schulung zum ESF in diesem Zusammenhang statt. Eine Jury wird nach qualitativen Faktoren und regionalen Gesichtspunkten die geeigneten Ausbildungsstätten auswählen. Diese werden Anfang Juni ihre Bescheide erhalten.

Mit der Sicherung der Finanzierung der Ausbildungsstätten und der Ausbildungsvergütung sind die wichtigsten Grundlagen dafür gelegt, dass die Erstausbildung zum 1. Oktober dieses Jahres beginnen kann.