Protokoll der Sitzung vom 22.05.2003

Heute, vor der Plenarsitzung, habe ich mit meinem Nachfolger, Udo Folgart, seinen Stellvertretern und dem Hauptgeschäftsführer des Landesbauernverbandes in Vorbereitung der Paarener Landesbauernversammlung über die Situation der Landwirtschaft gesprochen. Es wurde festgestellt: Die Situation ist für die Bauern wahrlich nicht günstig.

Ich habe auch noch einmal die Frage der Mehrgefahrenversicherung angesprochen und gefragt, ob man sich daran erinnern könne, wie ich dieses Thema schon vor Jahren auf einer Landesbauernversammlung aufgegriffen hatte und von allen gefragt wurde, wie viel Jahre ich allen anderen voraus sei und was ich da eigentlich wolle.

Die Forderungen sind verständlich. Ich kann Ihnen eine CDROM geben, ich kann Ihnen das entwickelte Programm der Europäischen Union geben und ich kann Ihnen die Berechnungen geben, die es dafür gibt: Was ist realistisch und was ist machbar? Eigentlich war es immer mein Ziel, das Machbare möglich zu machen.

Das Bundesland Brandenburg wird niemals eine eigene Mehrgefahrenversicherung mit seinen Bauern finanzieren können. Es wird die Hilfe des Staates gebraucht. Das Bundesland Brandenburg kann und wird dies nicht wirksam leisten können.

Ich bin nach wie vor der Meinung: Wir sollten an diesem Thema dranbleiben und die Versuche in Sachsen und eventuell in Mecklenburg-Vorpommern unterstützen - es ist schade, dass kein altes Bundesland daran teilnehmen will - und sollten weiterhin auf die Europäische Union zugehen.

Es geht hierbei nicht nur um pflanzliche Produkte, sondern auch um die Gefahr von Tierseuchen. Wenn Sie die Berechnungen kennen - Frau Wehlan, bei Ihnen ist das offenbar der Fall - und deshalb wissen, dass ein angedachter Seuchenzug von Maul- und Klauenseuche bis zu 2 Milliarden Euro kosten würde - wobei bei den Berechnungen zugrunde gelegt worden ist, dass die Seuche in einem 15-jährigen Rhythmus auftritt -, dann wissen Sie auch, dass im Falle eines Rhythmus von zwei bis drei Jahren sämtliche Rechnungen zusammenbrechen würden, und können sich denken, wie problematisch die Situation ist.

Die Finanzierbarkeit ist nach meiner Meinung nicht vom Bundesland, auch nicht vom Staat, sondern nur über die Europäische Union sicherzustellen. Ich wiederhole: Zusätzliche Gelder werden wir als Bauern Europas nirgendwo bekommen. Nur aus dem vorhandenen Fonds der Europäischen Union, der bis 2013 aufgelegt ist, kann eine solche Versicherung finanziert werden.

Gerade die Bauern im Norden der Europäischen Union - wir in Brandenburg sind daran stark interessiert - sind nicht begeistert davon, weil sie sagen: Wir werden bezahlen und die Mittelmeerländer, die dafür sind, werden kassieren, wenn dort die Schäden - wie in jedem Jahr - wesentlich größer sind als in den nördlichen Ländern.

Wenn sich die Bauern Europas im Verband COPA einig sind und eine Mehrgefahrenversicherung massiv fordern und auch Wege zur finanziellen Lösung aufzeigen, wird es möglich sein, eine solche Versicherung zu schaffen. Aber seitens unseres Landes wird das nicht möglich sein. - Danke schön.

(Beifall bei CDU und SPD - Frau Wehlan [PDS]: Die Ini- tiative sollten Sie ergreifen!)

Das Wort geht an die DVU-Fraktion. Für sie spricht der Abgeordnete Claus.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Eigentlich ist zum PDS-Antrag in einer der letzten Plenarsitzungen und auch im Ausschuss für Landwirtschaft, Umweltschutz und Raumordnung schon fast alles gesagt worden. Trotzdem noch ein paar Worte.

BSE, MKS und das Hochwasser des vergangenen Jahres haben uns allen gezeigt, dass wir vieles beherrschen können, aber niemals alles. Es hat uns aber auch gezeigt, dass Menschen zusammenhalten und füreinander da sind, wenn es darauf ankommt.

Bis jetzt ist das Land Brandenburg bei katastrophalen Großschadensereignissen meistens mit einem blauen Auge davongekommen. Der Staat hat private Initiativen zur Unterstützung von Menschen in Not noch nicht ganz verdrängen können. Doch ist es eine der vielen Lehren, die wir aus diesen Katastrophen ziehen sollten: Wenn es hart auf hart kommt, dann halten die Menschen unseres Landes zusammen und helfen einander.

Nach Auffassung unserer Fraktion wäre es gut, wenn sich diese Erkenntnis auch im politischen Tagesgeschäft in den Köpfen derer verfestigte, die ständig die Individualisierung der Gesellschaft bejammern.

Wir sagen klipp und klar: Zur Bewältigung klimatischer oder anderer katastrophaler Großschadensereignisse, die zum Teil die Existenz der landwirtschaftlichen Betriebe bedrohen, bedarf es großer Anstrengungen auf der Ebene der EU, des Bundes und des Landes.

Angesichts der katastrophalen Haushaltslage unseres Landes Brandenburg bleibt die Einführung einer Mehrgefahrenversi

cherung für die brandenburgischen Landwirte im Moment noch Utopie. Die Orientierung an Sachsens „Vier-Säulen-Konzept“ der Pflanzen- und Tierproduktion scheitert an den nicht vorhandenen Finanzierungsmöglichkeiten des Landes Brandenburg.

An dieser Stelle spricht sich die DVU-Fraktion klar für eine zukunftsfähige Landwirtschaft in Brandenburg aus. Hierbei ist die Landesregierung gefordert. Sie, meine Damen und Herren auf der Regierungsbank, müssen die Landwirtschaft durch verstärkte Kontrollen in allen Bereichen sicherer machen und dem Verbraucher die Sicherheit gesunder Lebensmittel aus Brandenburg gewährleisten. Brandenburg braucht existierende und existenzsichere Betriebe als Partner für eine Neuorientierung der Landwirtschaftspolitik. Dabei ist der Verbraucherschutz oberste Maxime. Lebensmittel aus Brandenburg müssen Garant für eine gesunde Ernährung sein.

In den Zeiten der furchtbaren BSE-Krise hat die Politik damals eingestanden, die Verbreitung von BSE auf dem Kontinent nicht verhindert zu haben - und dies, obwohl sie bei mutigem Handeln die Möglichkeit dazu gehabt hätte. Doch keiner der dafür verantwortlichen Politiker wird zur Verantwortung gezogen werden. Das ist bitter, insbesondere für die Landwirte, die trotz sorgfältiger Arbeit in den Strudel naturbedingter Risiken und katastrophaler Großschadensereignisse gerissen wurden.

Der immer wieder zu hörende Appell betreffs des unternehmerischen Risikos, das landwirtschaftliche Betriebe zu tragen hätten, ist vor dem Hintergrund eklatanter politischer Fehlentscheidungen blanker Zynismus.

Ich verrate Ihnen sicherlich kein Geheimnis - Herr von Arnim wird es auch noch merken -, wenn ich eindringlich darauf hinweise, dass wegen der geringen Niederschlagsmenge in den letzten Wochen das nächste Großschadensereignis für unsere Landwirte schon vorprogrammiert ist. Meine Damen und Herren von der Landesregierung, ich hoffe, Sie sind darauf vorbereitet. - Danke schön.

(Beifall bei der DVU)

Wir sind bei der Landesregierung. Herr Minister, bitte sehr.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Wir haben in diesem Haus schon oft über die Mehrgefahrenversicherung geredet, zum letzten Mal im März dieses Jahres. Aus meiner Sicht gibt es keine neuen grundsätzlichen Argumente. Meine Haltung ist bekannt. Sie deckt sich im Wesentlichen mit der des Altbauernpräsidenten. Deshalb möchte ich die Gründe hier nicht noch einmal aufführen.

Ich möchte mit einem Prüfauftrag keine unerfüllbaren Hoffnungen wecken. Deshalb lehne ich einen solchen ab. Mir ist nicht bekannt, dass der Bund seine Meinung bezüglich dessen geändert hätte, sich finanziell an einem Modellprojekt zu beteiligen. Mein Haus wird die Entwicklung in Deutschland, in Europa weiter beobachten und auswerten und selbstverständlich dem Ausschuss ständig zeitnah berichten. - Vielen Dank.

(Beifall bei SPD und CDU - Zuruf von der PDS)

Wir sind am Ende der Rednerliste. Ich schließe die Aussprache und wir kommen zur Abstimmung.

Wer der Beschlussempfehlung des Ausschusses für Landwirtschaft, Umweltschutz und Raumordnung folgt, möge die Hand heben. - Gibt es Gegenstimmen? - Stimmenthaltungen? - Damit ist der Beschlussempfehlung mehrheitlich gefolgt.

Ich schließe den Tagesordnungspunkt 5 und rufe Tagesordnungspunkt 6 auf:

Bekenntnis zum Föderalismus und zur Subsidiarität Landesparlamente stärken

Antrag der Fraktion der PDS

Drucksache 3/5857

Ich eröffne die Aussprache mit dem Beitrag der PDS-Fraktion. Herr Vietze, Sie haben das Wort.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Das Thema Föderalismus steht nicht erstmalig auf der Tagesordnung dieses hohen Hauses. Wir bekennen uns freimütig dazu, dass wir uns diesem Anliegen in besonderer Weise verpflichtet fühlen.

Im März hat es eine Beschlussfassung zu diesem Sachverhalt gegeben. Zwischenzeitlich haben sich die Ministerpräsidenten der Länder am 27. März auf weit reichende Leitlinien zur Vorbereitung des Gesprächs mit der Bundesregierung zur Reform der bundesstaatlichen Ordnung verständigt. Am 31. März hat der Föderalismus-Konvent der deutschen Landesparlamente stattgefunden. Diese Positionen sind modifiziert und präzisiert in die Lübecker Erklärung eingegangen. Deshalb schlagen wir vor, dass wir das in veränderter Fassung hier zustimmend zur Kenntnis nehmen. Es gibt natürlich auch Positionspapiere der Bundesregierung zur Modernisierung der bundesstaatlichen Ordnung und Positionen bezüglich dessen, was die Ministerpräsidentenkonferenz vorschlägt.

Der Chef der Staatskanzlei hat der Fraktion am 13. Mai die diesbezüglich vorliegenden Unterlagen zumindest zu einem Teil zugeleitet und damit eine Basis für die weitere notwendige inhaltliche Verständigung gegeben.

Worum geht es in einer Zeit, in der in Europa der Verfassungskonvent tagt, in der Personaldebatten über den möglichen deutschen Europa-Außenminister geführt werden, in der neue Zuordnungen und außenpolitische, soziale, wirtschaftliche und finanzielle Verpflichtungen eingegangen werden? Worum geht es in einer Zeit, in der man in Deutschland natürlich völlig zu Recht mit den Fragen konfrontiert wird: Wie europatauglich ist Deutschland? Wie sorgen wir dafür, dass wir ein höheres Maß an politischer Handlungsfähigkeit gewinnen? Wie organisieren wir das innerstaatliche Abstimmungsverfahren, die Gesetzgebung zwischen Bund und Ländern und die damit verbundene Abgrenzung und Entflechtung von Zuständigkeiten, Aufgaben der Finanzverantwortlichkeit zwischen Bund und Ländern?

Es ist aus unserer Sicht notwendig und angebracht, nicht alles in vollem Vertrauen ausschließlich den Ministerpräsidenten und ihren wichtigen Zusammenkünften zu überlassen. Ich finde schon - die Fraktionsvorsitzenden haben diesen Eindruck sicherlich auch in Lübeck gefunden -, dass sich die Bereitschaft der Ministerpräsidenten, sich dem zu widmen, was Fraktionsvorsitzende und Landtagspräsidenten im Auftrag ihrer Parlamente zu verkünden haben, deutlich in Grenzen hält. Auch das Schreiben, das der Vorsitzende der Ministerpräsidentenkonferenz, der Erste Bürgermeister der Freien und Hansestadt Hamburg, Ole von Beust, an den Vorsitzenden der Konferenz der Landtagspräsidenten gerichtet hat, ist von dem Grundzug geprägt, zwar die gemeinsame Verantwortung zu betonen, aber doch Vertrauen in das Handeln der Ministerpräsidenten zu haben. Sie würden die Länderinteressen schon in ausreichendem Maße vertreten.

Ich wäre viel beruhigter, wenn nicht jener Umstand festzustellen wäre, der uns in diesem Parlament schon seit über einem Jahr beschäftigt. Wie Sie sich erinnern werden, hatten wir im vergangenen Jahr darum gebeten, einen Antrag einzubringen, in dem die Regierung aufgefordert wird, uns ihre Position zur Modernisierung der bundesstaatlichen Ordnung und ihre Meinung zur Teilnahme an diesem Diskussionsprozess zur Kenntnis zu geben. Sie, meine Damen und Herren von den Koalitionsfraktionen, haben sich dazu durchgerungen, im Mai 2002 einen Entschließungsantrag einzubringen, in dem Sie das für den Monat September des Jahres präzise gefordert haben. Das, was wir vorhatten, war Ihnen zu schnell.

Nun haben wir die Mitteilung erhalten, dass diese Regierung das, was Sie vorgesehen haben, jetzt noch nicht realisieren will - wir haben mittlerweile Mai 2003 -, weil sich, wie der Chef der Staatskanzlei sinnigerweise schreibt, eine Information erst nach der ersten Kabinettsbefassung als sinnvoll erweisen würde.

Nun muss ich sagen: Das ist ein Problem. Der Ministerpräsident behandelt ein großes Paket der Zuordnung von Gesetzgebungskompetenzen und Neuordnungen. Man gelangt zu einer gemeinsamen Position, bei der die Landesinteressen in ausreichendem Maße vertreten werden. Das Kabinett hat sich damit noch nicht einmal befasst. Eine Information des Landtages erfolgt nicht.

Ich befinde mich in der Situation, in der wir möglicherweise den gleichen Nachholbedarf feststellen dürfen wie die Kollegen der CDU im Sächsischen Landtag. Ich möchte Sie darauf aufmerksam machen, dass sich unser Antrag in nichts von dem Antrag der Kollegen von der CDU im Sächsischen Landtag unterscheidet, außer dass der Antragsteller einer anderen Fraktion angehört.

Sie haben dort eine Regierung mit absoluter Mehrheit regierend. Sie haben sich dennoch dazu entschlossen, weil sie das Vertrauen und die Wahrnehmung ihrer Verantwortung veranlassen zu sagen: Nein, über Gesetzgebungskompetenz, über Aufgaben einer Neuzuordnung von Gesetzgebungskompetenz zwischen Bund und Ländern und viele anderen Fragen sollten nicht nur Ministerpräsidenten entscheiden. Es ist sehr wohl eine Aufgabe, über die Parlamente und Fraktionen zu entscheiden haben. Hier ist auch die Eigenverantwortung der Landtage in Brandenburg wie in Sachsen gefragt.

Weil es um mehr als nur eine formale Debatte geht, sind wir an einer aufgeschlossenen, uns unterstützenden Reaktion interessiert. Wenn Sie sich jetzt noch nicht entscheiden können, unserem Antrag Ihre Zustimmung zu geben, ist folgendes Verfahren durchaus vorstellbar: Wir überweisen den Antrag an den Hauptausschuss. Dann gibt es eine Beschlussempfehlung des Hauptausschusses. Damit wird der Antrag von allen Fraktionen getragen, wie der Antrag im Sächsischen Landtag übrigens durch Beschlussfassung auch von allen Fraktionen getragen wurde. Das ist ein ganz sinnvolles Verfahren, weil es dem entspricht, wofür wir uns zuständig fühlen. Ich gehe davon aus, Herr Klein, weil Sie das hier so nett bemerken, dass Sie...

Darf ich einmal in die rechte Richtung anmerken: Auch zustimmendes Gemurmel wurde heute kritisiert.

Von dem Kollegen, der jetzt murmelt, Herr Präsident. Er darf das.

Der „Murmelkollege“ ist nicht da.

Die Irritation ist deshalb gegeben, Herr Präsident, weil die Kollegen von der CDU murmeln. Deswegen geht es nach rechts. Es waren aber die Kollegen der SPD, die herummurmelten.

Wir halten also fest: Es geht um eine „freundliche“ Zuordnung eines Sachverhaltes. Ich gestatte mir, das zu sagen, da der Ministerpräsident heute an dieser Zusammenkunft teilnimmt.

Ich habe gestern in der Fragestunde gefragt, was den Ministerpräsidenten Brandenburgs veranlasst hat, sein Einverständnis dazu zu geben, dass im Zusammenhang mit dem Abbau von Gemeinschaftsaufgaben, bei den Mischfinanzierungen und den dafür vorgesehenen Sachverhalten der besondere Förderzweck zur Herstellung gleichwertiger Lebensverhältnisse nicht erforderlich ist.