Protokoll der Sitzung vom 26.06.2003

Wir stellen fest: Der Antrag ist nicht qualifiziert genug, um weiter darüber zu beraten. Wir lehnen ihn ab. - Schönen Dank.

(Beifall bei SPD und CDU)

Das Wort geht an die DVU-Fraktion. Für sie spricht die Abgeordnete Fechner.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Heute liegt uns wieder ein typischer PDS-Antrag vor. Die PDS fordert die Landesregierung auf, eine Maßnahme zu treffen, die sich nach Ansicht der PDS positiv auf die Zukunftsaussichten junger Menschen in Brandenburg auswirken würde. Wie das Ganze aussehen soll, wie das Ganze funktionieren soll, wie das Ganze finanziert werden soll - all das überlassen die PDS-Genossen wie immer der Landesregierung. Warum auch soll es die PDS interessieren, wie die Landesregierung in einer absoluten Haushaltsnotlage das Geld auftreibt, um die von der PDS geforderte Stiftung von der Haushaltsnotlage unabhängig zu machen.

Es ist auch nicht nachzuvollziehen, wie die PDS darauf kommt, dass diese Landesregierung über eine Stiftung mehr Positives für die Ausbildung junger Menschen in Brandenburg erreichen könnte, als sie durch ihre Politik Negatives anrichtet. Wenn sich die Landesregierung für Ausbildungsplätze in Brandenburg stark machen will, dann soll sie gefälligst selber mehr ausbilden!

(Zurufe von der PDS)

Zur Information - hören Sie gut zu, Herr Vietze! -: Brandenburger Landesbehörden weisen eine Ausbildungsquote von lediglich 1,3% auf. Bundeskanzler Schröder hat eine Ausbildungsquote von 5% gefordert. Meine Damen und Herren von der Landesregierung, setzen Sie die 5%-Forderung in der Landesverwaltung und den Landesbetrieben um! Damit schaffen Sie erheblich mehr als die imaginäre PDS-Stiftung je erreichen könnte. - Die DVU-Fraktion wird den Antrag ablehnen.

(Beifall bei der DVU)

Das Wort geht an die CDU-Fraktion. Für sie spricht die Abgeordnete Schulz.

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Da ich mit den Aussagen meines Koalitionskollegen Herrn Kuhnert inhaltlich übereinstimme, brauche ich keine umfänglichen Ausführungen mehr dazu zu machen. Die Situationsdarstellung ist schon heute Morgen erfolgt. Wir alle sind uns sicherlich unserer Verantwortung für die jungen Menschen und deren Ausbildung bewusst.

Ich weise noch auf einen Unterschied hin: Die CDU hat sich eindeutig gegen eine Ausbildungsplatzabgabe ausgesprochen. Ich danke Ihnen für die Aufmerksamkeit.

(Beifall bei der CDU und des Abgeordneten Schuldt [DVU])

Das Wort geht an die Abgeordnete Dr. Schröder.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Die aktuellen Mel

dungen über die Bereitstellung von Lehrstellen durch die Wirtschaft sind widersprüchlich. Nach Schätzungen des Instituts der deutschen Wirtschaft ist das Angebot an Ausbildungsplätzen derzeit besser als von der Öffentlichkeit reflektiert. Die Lehrstellenlücke würde im Herbst zwischen 20 000 und 30 000 betragen, könne aber bis Jahresende geschlossen werden. So lautet die Botschaft des Instituts nach einer Umfrage unter 900 Unternehmen.

Bundesregierung und Arbeitsämter geben eine weit pessimistischere Prognose ab. Die angebotenen Ausbildungsplätze liegen bundesweit um knapp 4 % unter der Zahl des letzten Jahres. Derzeit suchen noch über 170 000 Jugendliche in Deutschland eine Ausbildung. Wenn sich dieses Problem nicht löst, muss über eine gesetzlich festgelegte Ausbildungsplatzabgabe nachgedacht werden.

Ich bringe diese bundespolitischen Zahlen ins Spiel, weil wir es bei der Ausbildungsmisere mit einem bundesweiten Problem zu tun haben, mit ungesunden Entwicklungen, die im bundespolitischen Handlungsrahmen geheilt werden müssen. Landesspezifisch ist dann die Art der Umsetzung staatlicher Maßnahmen, zum Beispiel die Ausgestaltung von außerbetrieblicher Ausbildung seitens der Landesarbeitsämter, von betriebsnaher Ausbildung über das Bund-Länder-Programm oder von Initiativen im Kooperativen Modell. Landesspezifisch sind hierbei sowohl Quantität als auch Qualität.

Trotz all dieser Aktivitäten auf Landesebene stellen wir Jahr für Jahr fest, dass staatliche Eingriffe auch bei Aufstockung an Grenzen stoßen, wenn die Wirtschaft beim Thema Ausbildung aus ihrer Verantwortung entlassen wird; denn Ausbildung gehört dorthin, wo später die Übernahme in Beschäftigung stattfindet, in die Betriebe. Ich werde nicht müde zu betonen, dass wir uns mit der zunehmenden außerbetrieblichen Ausbildung für die kommenden Jahre erhebliche Schwierigkeiten an der zweiten Schwelle organisieren, Hürden bei der Erstanstellung nach der Ausbildung, die jetzt schon für viele unüberwindlich sind.

Die Ausbildungsstatistik des Landesarbeitsamtes weist für Brandenburg Ende Mai im Vorjahresvergleich zwar einen Rückgang der Zahl noch nicht vermittelter Bewerber um etwa 5 %, gleichzeitig aber einen Rückgang der Zahl betrieblicher Ausbildungsstellen um etwa 7 % aus. Hier liegt die Crux der Ausbildungsmisere. Natürlich ist es ein Skandal, dass derzeit nur 30 % der Betriebe ausbilden. Es ist vonseiten der Wirtschaft gegenüber ihrer eigenen Zukunft verantwortungslos, wenn junge Menschen nach der Schulausbildung auf der Straße stehen.

Warum aber soll diese Verantwortungslosigkeit in Brandenburg durch die Landesregierung mit einer Stiftung Ausbildung und berufliche Erstanstellung unterstützt werden? Das ist nicht einzusehen und nicht nachvollziehbar. Die Unternehmen müssen in ihrer eigenen Verantwortung selbst Ausbildungsmöglichkeiten anbieten. Ausbildung rechnet sich für jedes Unternehmen, das seine Zukunft sichern will.

Vor diesem Hintergrund ist der vorliegende Antrag unverständlich. Es ist nicht prinzipiell Aufgabe der öffentlichen Hand, Ausbildungsplätze für Unternehmen bereitzustellen. Die Brandenburger Wirtschaft muss sich bis Ende September etwas einfallen lassen, um ihren Beitrag für eine ausgeglichene Ausbil

dungssituation auch in unserem Bundesland zu leisten und so der Ausbildungsplatzabgabe zu entgehen.

Der vorliegende Antrag aber konterkariert in seiner jetzigen Form die politische Stoßrichtung der Ausbildungsplatzabgabe.

Diese bisher nur als Drohkulisse aufgebaute finanzielle Belastung nicht ausbildungswilliger Betriebe fördert momentan, nicht nur am Tag der Ausbildung, recht interessante Entwicklungen. In Niedersachsen beispielsweise haben die Metallarbeitgeber mit einer bundesweit bisher einmaligen Initiative in einer Tarifeinigung mit der IG Metall eine entsprechende eigenständige regierungsunabhängige Initiative ergriffen und 1 Million Euro bereitgestellt, um in der Wirtschaft 100 zusätzliche Lehrstellen zu schaffen. Ein Ausbildungsplatz kostet danach im ersten Ausbildungsjahr etwa 10 000 Euro.

Dieses Beispiel sollte Schule machen. Es ist eben nicht einzusehen, warum das Geld für Ausbildung in Brandenburg als Stiftungsvermögen aus dem Landeshaushalt kommen soll. Eine Stiftung als Werk des gemeinsamen Handelns von Wirtschaft und Politik ist zwar grundsätzlich denkbar, dafür wäre aber politische Vorarbeit zu leisten, die ich in dem vorliegenden Antrag nicht erkennen kann, weil darin nicht mehr als eine Überschrift zur Abstimmung steht.

Der vorliegende Antrag erscheint unausgereift. Insofern empfehle ich der PDS-Fraktion, den Antrag heute nicht in der Sache abstimmen zu lassen und das damit verbundene Anliegen - Ausbildung und berufliche Erstanstellung - in den zuständigen Fachausschuss zu verweisen, damit es dort erst einmal qualifiziert und dann eventuell im Landtag behandelt werden kann. Hier biete ich dann auch meine aktive Mitarbeit an. Vielen Dank.

Das Wort erhält die Landesregierung. Herr Minister Baaske, bitte sehr.

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich möchte nur noch einige kurze Ausführungen dazu machen. Es ist alles hilfreich und erwünscht, was der Sache dienlich ist und uns tatsächlich voranbringt. Aber ich meine, der Vorschlag der Stiftung wird wohl finanziell nicht funktionieren und auch aus zwei anderen Gründen nicht.

Schauen wir uns kurz die Finanzen an: Wir geben jedes Jahr ca. 60 Millionen Euro aus, davon 50 Millionen Euro allein für das Kooperative Modell. Dann gehen 3,2 Millionen Euro an die Verbundausbildung. Es bleiben 3,5 Millionen Euro für die überbetriebliche Lehrausbildung und etwas mehr als 3 Millionen Euro für investive Maßnahmen. Wenn wir mit 5 % Zinsen rechnen, wären wir bei 1,2 Milliarden Euro, die wir zur Verfügung haben müssten, um die entsprechende Lücke zu schließen. Das ist also jenseits von Gut und Böse, selbst wenn man die Spielbank mit ins Kalkül ziehen würde.

Die Zuständigkeit ist ein anderes Problem. Der Bund sagt ganz zu Recht, dass er, wenn nicht genügend Ausbildungsplätze bereitgestellt werden, eine Ausbildungsplatzabgabe erheben wird.

Der Bund hat aber auch die verfassungsmäßige Zuständigkeit dafür und kann an die Betriebe dementsprechend herantreten. Wir als Land dürfen das schlichtweg nicht. Deshalb kann der Bund einen solchen Weg verfolgen, er kann damit drohen und kann diese Drohung ernsthaft umsetzen. Wir werden das auf keinen Fall tun können. Darum sollten wir uns auch gar nicht in die Lage versetzen, zu sagen, dass wir notfalls öffentliche Mittel einsetzen, wenn die Unternehmen nichts zahlen. Denn wir haben nichts in der Hand, um die Wirtschaft tatsächlich zu verpflichten, hier auch einzuzahlen. In der Regel wird man sich zurückhalten und sagen: Wenn die öffentliche Hand immer gesagt hat, dass sie es macht, dann soll sie es auch tun.

Damit bin ich beim dritten Punkt. Es wäre in der Tat der vollzogene Ausstieg der Wirtschaft aus dem ganzen Vorhaben. Das war damals auch der wesentliche Kritikpunkt, Herr Christoffers, den ich an dem Hartz-Papier hatte. Darin wurde vorgeschlagen, einen solchen Fonds einzurichten und das Projekt notfalls mit staatlichem Geld zu unterstützen. Aber wenn wir das täten, wäre das ein Signal an die Wirtschaft, dass sie das nicht mehr zu machen braucht, da sich der Staat schon darum kümmert. Das können wir nicht tun.

Aus diesem Grunde muss dieser Antrag abgelehnt werden. Wir sollten abwarten, was sich zum Herbst hin tut, und wirklich deutlich machen: Wenn in der Größenordnung, so wie es jetzt ansteht, Ausbildungsplätze fehlen, dann brauchen wir eine Abgabe, die notfalls auch zwangsweise eingezogen wird. - Danke.

(Beifall bei der SPD)

Wir sind am Ende der Rednerliste und ich schließe die Aussprache.

Wir kommen zur Abstimmung über den Antrag der PDS-Fraktion in Drucksache 3/5998. Wer diesem Antrag folgt, möge die Hand aufheben. - Gibt es Gegenstimmen? - Stimmenthaltungen? - Damit ist er mehrheitlich abgelehnt, und ich kann Punkt 14 der heutigen Tagesordnung schließen.

Ich rufe Tagesordnungspunkt 15 auf:

Regionalbahn 10 zwischen Nauen und Berlin-Charlottenburg

Antrag der Fraktion der SPD der Fraktion der CDU

Drucksache 3/5999

Ich eröffne die Aussprache. Es spricht zunächst Heiko Müller für die SPD-Fraktion.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Der vorliegende Antrag macht wieder einmal deutlich, wie schwierig es sein kann, Politik zu gestalten. Hier war es so, dass alle dasselbe wollten, und trotzdem war es etwas mühsam zusammenzukommen. Aber im Ergebnis liegt heute ein Antrag vor, der sinnvoll ist, der notwendig ist und der, wie ich hoffe, heute hier beschlossen wird.

Die RB 10 ist ein typisches Beispiel für das, was wir uns künftig unter Berlin-Brandenburg vorstellen müssen. Es ist eine einheitliche Region. Das ist in dem Bereich Falkensee - Spandau sehr gut zu sehen. Die Hälfte der Falkenseer sind zwischenzeitlich eigentlich Berliner. Es gibt in der Region ein Nahverkehrssystem, das mit dem VBB auch einheitlich organisiert ist. Trotzdem funktioniert es nur begrenzt gut. Die Diskussionen, die derzeit stattfinden, dass dieses eigentlich gerade so funktionierende System wieder verändert, ausgedünnt werden solle, verstehen die Menschen in der Region schlicht überhaupt nicht mehr. Denn dieser Nahverkehr ist das, was sie brauchen, um zur Arbeit zu kommen. Die ganze Region ist eine typische Pendlerregion. Wenn das, was dort notwendigerweise eingerichtet worden ist, dieses Nahverkehrssystem, wieder ausgedünnt und nicht mehr so betrieben wird, wie es die Leute brauchen, ist das nicht zu verstehen. Wenn es nicht gelingt, an solchen Stellen deutlich zu machen, dass wir eine einheitliche Region sind, dann frage ich mich: Wie wird es an anderen Stellen und in anderen Bereichen gelingen, wo es nicht ganz so nahe liegend ist?

Deshalb müssen wir gegenüber Berlin ganz klar sagen: Sie müssen zu Ihrer Verantwortung in der Region stehen, weil nur so die Menschen begreifen, dass Berlin-Brandenburg Sinn macht. - Aus diesem Grunde sollten wir mit unserem Landtagsbeschluss dieses deutliche Zeichen setzen.

Ich möchte noch auf einen zweiten Punkt eingehen, der nicht so sehr bekannt ist. Genau auf dieser Strecke soll auch ein ICE fahren. Dazu möchte ich Ihnen ein Bild dessen malen, was auf die Menschen, die mit dem Nahverkehr fahren, zukommt. Dort sollen an ganz schmalen Bahnsteigen zukünftig die Züge mit 230 km/h vorbeibrausen. Man muss sich einmal vorstellen, dass dort 100 oder mehr Leute stehen, die auf ihren Nahverkehrszug warten, und dass mit 230 km/h ein Zug durchrast. Das geht nicht an, das ist völlig klar. Also werden Gitter auf den Bahnsteig gestellt mit dem Ergebnis, dass, wenn der ICE naht, alle über dieses Gitter springen müssen, damit sie in Sicherheit kommen. Hinterher müssen sie zurückhüpfen oder vielleicht durch einen besonderen Zugang gehen, um ihren Nahverkehrszug zu erreichen, und das auf einem sehr kleinen Bahnhof. Das wird nie im Leben funktionieren. - Auch das hat etwas mit Attraktivität von Nahverkehr zu tun.

Das muss unser gemeinsames Ziel sein: Nahverkehr muss so attraktiv sein, dass die Leute ihn annehmen. Sonst haben wir unser Ziel nicht erreicht. Meine Bitte: Stimmen Sie diesem Antrag zu. - Ich danke für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall bei SPD und CDU)

Ich danke für die komprimierte Darstellung. - Das Wort erhält Frau Tack. Sie spricht für die PDS-Fraktion.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Herr Müller, dieser Antrag ist schon eine Peinlichkeit an sich. Es gab in diesem Haus am 11. Juni eine gemeinsame Sitzung des Berlin-Brandenburg-Ausschusses des Berliner Abgeordnetenhauses und des Hauptausschusses unseres Landtages, wo der Bundesverkehrswegeplan, gemeinsame Verkehrsprojekte von Berlin und

Brandenburg und der Verkehrsverbund auf der Tagesordnung standen. Dort ist dieses Problem angesprochen worden, weil es eben so viele beschäftigt. Da gebe ich Ihnen ja Recht. Aber Sie machen einen Antrag daraus und beschäftigen das Parlament mit Dingen, die ohnehin schon laufen. Es wurde von Staatssekretär Appel und Staatssekretärin Krautzberger bestätigt, dass beide Verwaltungen an diesem Problem intensiv arbeiten und dass Berlin keine Entscheidung treffen wird, ohne sich mit Brandenburg bezüglich einer Lösung für den ÖPNV abgestimmt zu haben. Wir alle wissen, dass die RB 10 nur ein Vorläuferverkehr für die S-Bahn-Lösung ist, die, wenn es denn finanziell leistbar ist, im Jahr 2007 ohnehin auf der Tagesordnung steht.

Meine Damen und Herren, dennoch möchte ich Sie ermuntern, wenn Sie schon verkehrspolitisch und für den ÖPNV, für den wir ja immer streiten, aktiv werden wollen, sich für die Reform des Verkehrsverbundes zu engagieren.