Protokoll der Sitzung vom 25.09.2003

Viertens: Aus der Klausel, dass Intel den Vertrag für die IHPChipproduktion zum 1. April 2004 kündigen kann, wenn Communicant bis dahin keine kommerzielle Fertigung aufnimmt, ergeben sich im Umkehrschluss Schadensersatzansprüche des Marktführers auf entgangenen Gewinn so lange, bis die kommerzielle Produktion endlich startet.

Als Landtagsabgeordnete müssen wir im Interesse der Entwicklung unseres Landes all diese Fakten und Bedenken ernst nehmen; denn wir sind es, die die Verantwortung für die Freigabe und Kontrolle öffentlicher Fördergelder tragen. Über das Projekt Chipfabrik wurde Brandenburg durch die noch unter Obhut von CDU-Wirtschaftsminister Fürniß geschlossenen Verträge in ein wirtschaftliches Risiko manövriert, aus dem es anscheinend keinen Ausweg gibt. Verfolgt das Land das sinnlose Projekt weiter, ist der Verlust öffentlicher Gelder im dreistelligen Millionenbereich unvermeidbar. Stoppt der Wirtschaftsausschuss das Projekt, ist nicht auszuschließen, dass Brandenburg als Mitgesellschafter von Communicant mit millionenschweren Schadensersatzforderungen von Intel und Dubai sowie der Jenoptik-Tochter M+W Zander, die die Fabrik in Frankfurt (Oder) errichten soll, rechnen muss.

Es bedarf also einer erheblichen Entschlusskraft und großen Mutes, diesen gordischen Knoten zu durchschlagen, um das Projekt einer Chipfabrik in Frankfurt (Oder) endlich aus der Liste der Brandenburger Luftschlösser zu streichen. Hierbei können wir als Landtag die Landesregierung aktiv unterstützen. Ich bitte daher um Ihre Zustimmung zu meinem Antrag.

Leider ist der Wirtschaftsminister nicht anwesend. Vielleicht übernimmt ja ein anderes Mitglied der Landesregierung seinen Part und legt heute Argumente auf den Tisch des hohen Hauses, die gegen meine Argumente sprechen bzw. sie entkräften und für Wirtschaftlichkeit sprechen. Meine Damen und Herren von der Regierung, nehmen Sie diese Gelegenheit wahr; denn Sie wissen: Auch Ihr Schweigen wird protokolliert.

Ich danke Ihnen, Frau Abgeordnete Dr. Schröder. - Ich gebe für die Koalitionsfraktionen dem Abgeordneten Homeyer das Wort. Bitte sehr.

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Seit Jahren malt die Kollegin Schröder in diesem hohen Hause ein Horrorgemälde an die Wand, wenn es um die Chipfabrik in Frankfurt (Oder) geht. Jedes Mittel ist Ihnen recht, das Projekt schlechtzureden. Es ist auch erkennbar, Frau Schröder, dass es Ihre Absicht ist, das Projekt zu verhindern.

Die Krönung: Am letzten Wochenende konnten wir in spiegel.online nachlesen, dass Sie dem Ministerpräsidenten des Landes einen Brief geschrieben haben - gemeinsam mit dem Ex-Hausjuristen von Siemens! - Ein Schelm, der Arges dabei denkt.

Frau Schröder, niemand von uns verdächtigt Sie, auf der Gehaltsliste von Infineon zu stehen.

(Vereinzelt Gelächter bei der CDU)

Sie beantragen mit Ihrer Initiative einen Bericht zur Wirtschaftlichkeitsstudie. Das Thema ist Ihnen in Wirklichkeit doch ziemlich egal. Sie haben Ihr Urteil gefällt, und das schon seit Jahren. Insofern, Frau Schröder, werden wir in Ruhe abwarten, bis die Landesregierung die Wirtschaftlichkeitsstudie vorlegt. Das Verfahren läuft dann wie immer: Im Wirtschaftsausschuss wird unterrichtet werden. Der Wirtschaftsminister wird sich den Fragen der Abgeordneten stellen, wie das in der Vergangenheit in diesem hohen Haus vielfach geschehen ist - mit etlichen Debatten, etlichen mündlichen Anfragen, Anträgen aus verschiedenen Fraktionen. So werden wir es nach Vorlage der Wirtschaftlichkeitsstudie auch halten. Dann, Frau Dr. Schröder, können Sie gern weitere Initiativen einleiten.

Gestatten Sie eine Zwischenfrage, Herr Abgeordneter Homeyer?

Ja, gern.

Bitte schön, Frau Dr. Schröder.

Herr Abgeordneter, würden Sie, wenn Sie dies vermögen, bitte auf die Argumente, die wirtschaftlichen Argumente, die ich vorgebracht habe, eingehen? Wenn Sie nicht dazu in der Lage sind, sagen Sie es bitte.

Frau Kollegin, das war eine Feststellung, die Sie getroffen haben, und keine Frage.

(Klein [SPD]: Genau, eine Abqualifizierung!)

Sie fordern mit Ihrem Antrag eine Wirtschaftlichkeitsstudie. Diese Studie ist in der Entstehung, wird erarbeitet. Wenn sie vorliegt, werden wir sie - das habe ich doch erklärt - im Wirtschaftsausschuss diskutieren. Da Sie Abgeordnete dieses Hauses sind, dürfen Sie in den Wirtschaftsausschuss kommen und zuhören.

(Dr. Ehler [CDU]: Bitte nicht!)

Das ist doch kein Problem. Auch wenn der Kollege Ehler damit ein Problem hat, ich hätte damit keines. Dorthin können Sie gehen und sich sachkundig machen. Wenn Sie dann weitere Fra

gen haben, was ja durchaus sein kann und was ich auch vermute, haben Sie die Gelegenheit, sie zu stellen, Frau Kollegin Schröder.

Wir lehnen Ihren Antrag also ab und erwarten Sie im Wirtschaftsausschuss. Dann sehen wir weiter. - Danke schön.

(Beifall bei CDU und SPD)

Ich danke dem Abgeordneten Homeyer. - Das Wort geht an die Fraktion der PDS. Herr Abgeordneter Christoffers, bitte.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich erwarte, dass die Studie zur Wirtschaftlichkeit, die zurzeit erstellt wird und dem Wirtschaftsausschuss vorgelegt werden soll, diesem hohen Haus nicht erst im November, sondern unmittelbar nach der Fertigstellung zur Kenntnis gegeben und hier diskutiert wird. Deshalb glaube ich, dass der Diskussionsprozess erstens bereits im Oktober beginnen kann und zweitens eine allgemeine Unterrichtung des Landtages im November nicht von Schaden ist. Insoweit kann ich dem Antrag zustimmen.

Reden wir Klartext. Wir sprechen hier doch nicht über eine Wirtschaftlichkeitsstudie. Wenn ich mich recht entsinne, ist es die 12. Studie, die erstellt wird. Es gibt sehr unterschiedliche Aussagen dazu, ob das Vorhaben wirtschaftlich, marktreif und verwertbar ist. Gutachten sind niemals eine politische oder wirtschaftliche Entscheidung allein. Diese Entscheidung nimmt uns niemand ab. Es gibt unterschiedliche Aussagen von Experten, ob es marktfähig ist oder nicht. Ich glaube, auch die Parlamentarier dieses hohen Hauses werden nicht vermögen, das Expertenwissen so einzuschätzen, dass man Ja oder Nein sagen kann.

Was man einschätzen kann, ist die Frage des Engagements derjenigen, die das Unternehmen bauen, und an dieser Stelle möchte ich noch einmal ganz klar Position beziehen: Das DIW hat gerade errechnet, dass das Bruttoinlandsprodukt des Landes Brandenburg noch einmal um 0,7 Prozentpunkte gesunken ist. Wir befinden uns nicht in einer konjunkturellen Delle, sondern in einer strukturellen Krise. Diese Krise hat etwas mit Konjunkturdaten zu tun, hat mit mangelnder Industriedichte zu tun, mit mangelnden Perspektiven in diesem Land, mit der demographischen Entwicklung.

Es gibt eine industrie- und technologiepolitische Entscheidung in Frankfurt (Oder) auf der Grundlage eines Patents, das im IHP entwickelt worden ist. Selbstverständlich ist ein Prototyp keine Serienfertigung; das ist eine Binsenweisheit. Aber bevor eine Serienfertigung nicht eingeleitet worden ist, kann man die Serienreife möglicherweise auch nicht nachweisen. Ja, ich bin dafür, dass alles getan wird, was möglich und was wirtschaftlich vernünftig ist, damit das Projekt der Chipfabrik in Frankfurt (Oder) auch realisiert wird.

Meine Damen und Herren, es geht ja nicht nur um die Entwicklung in Brandenburg, sondern darum: Wie positioniert sich Ostdeutschland in der internationalen Konkurrenz? Wie positioniert sich Ostdeutschland auch in Konkurrenz zu anderen Regionen, einschließlich Südostasien? Wie wird das Pro

blem der Konkurrenz der Standorte innerhalb Deutschlands gelöst? Dresden ist ein Mikroelektronik-Standort. Und, meine Damen und Herren, es geht ein Stück weit auch um außenpolitische Glaubwürdigkeit.

Die Chipfabrik ist gegenwärtig das einzige Projekt in dieser Größenordnung, das zwischen Deutschland und dem arabischen Raum relativ weit gediehen ist, und zwar zu einem Zeitpunkt, zu dem die arabische Welt ihre Volkswirtschaften neu gestalten muss und auch neu gestaltet und andere politische und wirtschaftliche Ansprechpartner sucht. Ein Ansprechpartner davon ist Deutschland.

Insofern geht es nicht nur um die Entscheidung für oder gegen die Chipfabrik in Frankfurt (Oder), sondern es geht auch darum, wie sich außenwirtschaftliche und außenpolitische Beziehungen zur arabischen Welt perspektivisch als Ganzes konfigurieren werden.

Meine Damen und Herren: Kann das Projekt noch scheitern? Ja, natürlich kann es noch scheitern. Aber es scheitert dann nicht an der Wirtschaftlichkeitsstudie, sondern möglicherweise an dem internationalen Konkurrenzdruck. Es scheitert dann auch ein Stück weit an der Unbeweglichkeit bezüglich der Ausprägung deutscher Bürgschaftsrichtlinien, die in anderen Fällen bereits angepasst worden sind, auch in Ostdeutschland, aber eben nicht nur dort.

Insofern ist es tatsächlich eine politische Entscheidung, die aus meiner Sicht beim Bundeskanzler, beim Bundeskanzleramt, beim Ostminister und beim Wirtschaftsminister liegt und nicht dem Bürgschaftsausschuss allein überlassen bleiben kann. Wirtschaftlichkeitsgutachten zu diesem Projekt gibt es bereits fast ein Dutzend. Die Aussagen darin sind unterschiedlich; das ist völlig richtig. Aber gerade weil die Aussagen dazu unterschiedlich sind, muss es eine Grundsatzentscheidung geben: Will man dieses Projekt aus industrie- und technologiepolitischer Sicht und will man dieses Projekt auch als Beispiel für die internationale Kooperation zwischen Deutschland und dem arabischen Raum?

Hierzu warte ich die Entscheidung ab. Ich bin mir sicher, dass wir Ende nächster Woche die Entscheidung nicht nur zur Kenntnis bekommen, sondern auch umfassend darüber beraten werden. - Danke schön.

Herr Christoffers, während Ihres Redebeitrags ist eine Frage angemeldet worden. Würden Sie diese beantworten?

Ja, selbstverständlich.

Bitte, Frau Dr. Schröder.

Herr Abgeordneter, ich frage Sie, ob Sie mit mir darin übereinstimmen, dass es für uns als Abgeordnete des Landtages Bran

denburg die vornehmlichste Aufgabe ist, im Interesse des Landes über Freigabe und Kontrolle von Fördergeldern zu entscheiden, und dass wir es unbedingt vermeiden müssen, in einem derartigen Ausmaß - in Millionenhöhe - Fördergelder in den brandenburgischen Sand zu setzen.

Frau Kollegin, selbstverständlich.

(Beifall bei der PDS)

Ich glaube, gerade die Fraktion der PDS hat bei verschiedenen Großprojekten - ob das den Lausitzring betrifft, ob das CargoLifter gewesen ist oder auch eine Reihe anderer Projekte - immer wieder deutlich gemacht, dass sie sehr stringent gegen die Verschwendung von Fördermitteln vorgeht.

Aber im Unterschied zu Ihnen bin ich der Meinung: Ein Großprojekt ist nicht deswegen schlecht, weil es ein Großprojekt ist, sondern es kommt auf den Inhalt an, auf das, was mit diesem Großprojekt realisiert werden kann. Genauso wie ich dafür eingetreten bin, dass die Standorte Schwedt oder Schwarzheide BASF - unterstützt worden sind, bin ich der Auffassung, dass gegenwärtig nicht abschätzbar ist, ob das Projekt fehlgesteuert ist oder nicht.

Ich gehe ebenso wie die Gutachten, die ich kenne, davon aus, dass eine Marktfähigkeit des Produktes vorhanden ist. Weil es diese Marktfähigkeit des Produktes gibt bzw. geben kann, nehme ich zur Kenntnis, dass dazu auch andere Auffassungen möglich sind. Aber ich meine, dass die Mehrheit der Studien, die nicht im Auftrag des Landtages und des Investors erstellt worden sind, die Marktfähigkeit des Produktes zumindest nicht verneint hat. Insofern gehe ich davon aus, dass dieses Projekt eine Chance verdient.

(Vereinzelt Beifall bei der CDU)

Und noch einmal: Ja, das Projekt kann noch scheitern; das stimmt.

Von der Entscheidung des Bürgschaftsausschusses hängt sehr viel ab. Nur hat die politische Verantwortung in dem Falle nicht der Bürgschaftsausschuss, sondern eine politische Ebene, die die Kompetenz dieses Ausschusses weit übersteigt.

Gerade in Zeiten knapper Kassen, Frau Kollegin, ist eine Grundsatzentscheidung zu fällen, ob derartige industrie- und technologiepolitische Projekte für das Land Brandenburg Zukunft bedeuten können. Meine Auffassung dazu ist: Ja, sie können Zukunft bedeuten, und zwar gerade angesichts knapper Kassen. Denn wir müssen von den strukturellen Krisensymptomen wegkommen, weil wir ansonsten in diesem Land keine Perspektiven bieten können.

Insofern möchte ich noch einmal verdeutlichen: Bei allen Risiken, derer ich mir sehr bewusst bin, gehe ich davon aus, dass dieses Projekt eine Chance hat, und wenn es scheitert, dann mit Sicherheit nicht an der Wirtschaftlichkeitsprüfung. - Danke schön.

(Beifall bei der PDS und der Abgeordneten Blechinger [CDU])

Ich danke Ihnen, Herr Abgeordneter Christoffers, und gebe das Wort an die Fraktion der DVU, Herrn Abgeordneten Schuldt.