Protokoll der Sitzung vom 06.11.2003

Herr Innenminister, können Sie - erstens - nachvollziehen, dass das Landratsamt zu der Auffassung gelangt ist, dass die Bürgerinnen und Bürger in den 15 Gemeinden, die ja eigentlich eine eigene Amtsgemeinde mit den anderen drei Gemeinden bilden wollen, von dieser Gesetzesinitiative als unmittelbar Betroffene zu sehen sind und daher für sich abgeleitet hatten - weil die Verfassung ja sagt, dass unmittelbar Betroffene durch den Gesetzgeber zu hören sind -, dass der Landrat da keine Notwendigkeit einer Anhörung gesehen hat?

Zweitens: Warum haben Sie nicht, nachdem Sie im Sommer 2002 aufgrund des Schriftwechsels, der uns vorliegt, erkennen konnten, dass hier eine Anhörung der 15 Gemeinden durch den Landrat nicht stattgefunden hat, und zwar vor Einbringung des Gesetzes von sich aus die Initiative ergriffen, entweder den Landrat aufzufordern, die Anhörung durchzuführen, oder aber die Anhörung als Innenminister für uns durchzuführen, damit wir hier im März 2003 ein ordnungsgemäßes Gesetzgebungsverfahren hätten abschließen können?

(Frau Dr. Enkelmann [PDS]: Das ist Sache der Kommu- nalaufsicht!)

Herr Abgeordneter Freese, der Landrat des Landkreises SpreeNeiße hatte mit Schreiben vom 21.06. in einem Zwischenbericht bestätigt, dass eine Überprüfung der Kommunalaufsicht bezüglich der rechtmäßigen Durchführung der Bürgeranhörung in den Ämtern, also auch im Amt Neuhausen/Spree, stattgefunden hat. Das Amt Neuhausen/Spree wird hier explizit genannt. Hierbei hat der Landrat nicht differenziert zwischen den Bürgeranhörungen, für die er selbst, und der Bürgeranhörung, für die das Ministerium des Innern zuständig ist.

In einem späteren Bericht hat er darauf hingewiesen, dass die Bürgeranhörungen durchgeführt worden sind, hat aber das Amt Neuhausen/Spree nicht mehr erwähnt.

(Freese [SPD]: Da hätten doch bei Ihnen die Glocken klingeln müssen!)

- Ja, beim Landrat klingeln die Glocken da in Zukunft schneller!

Ich möchte nur darauf hinweisen - das ist der einzige Vorwurf, den ich meinen Mitarbeitern machen muss -, dass sie das erste Schreiben als Grundlage für die Beantwortung des zweiten

Schreibens genommen haben. Ihnen ist beim Durchprüfen nicht aufgefallen, dass das Amt Neuhausen/Spree nicht angehört wurde.

(Freese [SPD]: Da kann ich Ihnen Aktenvermerke von Te- lefonaten vorlegen!)

- Darf ich den Gedanken kurz zu Ende führen? - Wenn der Landrat dies absichtlich getan hätte, dann hätte er in diesem Schreiben sagen müssen: Ich habe dies unterlassen und habe die Anhörung nicht durchgeführt. Das hat er nicht getan. Der Sachverhalt wird derzeit überprüft.

Ich darf nur daran erinnern, dass dies der einzige Landkreis ist, bei dem abweichend von der Anhörungsverordnung verfahren wurde. Das sollte nachdenklich stimmen.

(Beifall bei der CDU Präsident Dr. Knoblich: Herr Domres, bitte. Domres (PDS) :

Herr Minister, ich habe drei Nachfragen.

Die erste: Sehen Sie im Zusammenhang mit der Anhörungspanne Pflichtverletzungen in Ihrem Hause?

Die zweite Frage: Was werden Sie unternehmen, um die Situation zu bereinigen?

Die dritte Frage: Was unternehmen Sie, um solche Anhörungspannen künftig zu vermeiden?

Ich beginne mit der letzten Frage. - Ich bin, wie Sie wissen, ein Verfechter der Verantwortung vor Ort. Nach der Anhörungsverordnung, auf die ich hier kurz hingewiesen habe, liegt die Verantwortung vor Ort. Da es in allen anderen Bereichen geklappt hat, nur in diesem einen nicht, sehe ich keinen Anlass, die Verordnung deswegen zu ändern, sondern in bestimmten Bereichen in der Dienstaufsicht vielleicht etwas konsequenter zu sein.

Pflichtverletzungen sehe ich nicht. Ich habe aber gesagt - und wiederhole es -, es hätte Mitarbeitern, die die Sache mit der Lupe durchsehen, auffallen können, vielleicht sogar müssen, dass das Amt Neuhausen nicht erwähnt ist. Auf der anderen Seite hätte aus dem Schriftwechsel mit dem Landrat

(Zuruf des Abgeordneten Freese [SPD])

auch deutlich hervorgehen müssen, dass diese Anhörung unterblieben ist - im Gegensatz zu dem, was in der Anhörungsverordnung vorgesehen ist.

Das ist der Sachverhalt. Er wird jetzt im Einzelnen aufgeklärt und auch rechtlich bewertet werden.

(Frau Dr. Enkelmann [PDS]: Sie sind der zuständige Mi- nister! - Freese [SPD]: Sie tragen die Verantwortung für diese Verfassungspanne!)

- Ich übernehme nicht die Verantwortung für das Landratsamt!

Herr Petke, bitte.

Herr Minister, die Entscheidung des Landesverfassungsgerichts ist von kommunaler Seite, aus dem Landkreis Spree-Neiße, stark kritisiert worden. Ist es aus Ihrer Sicht vertretbar, dass Entscheidungen des Landesverfassungsgerichts von kommunalen Vertretern in dieser Art und Weise kritisiert werden? Immerhin ist das Landesverfassungsgericht ein Verfassungsorgan wie der Landtag oder die Landesregierung.

Darauf kann ich nur erwidern: Es ist ungewöhnlich und für mich zum ersten Mal feststellbar, dass eine untere Landesbehörde ein Urteil des Landesverfassungsgerichts kritisiert. Es ist jedoch nicht meine Aufgabe, das öffentlich zu kritisieren.

Herr Dr. Woidke, bitte.

Herr Schönbohm, wenn für Sie die Schuldfrage so klar ist, wie Sie es hier dargestellt haben: Warum haben Sie bis heute keine disziplinarrechtlichen Schritte gegen den Landrat eingeleitet gegen die er sich dann natürlich rechtlich zur Wehr setzen könnte?

In dem Augenblick, in dem ein disziplinarrechtlicher Fall vorliegt, ist eine Ermessens- und Verhältnismäßigkeitsprüfung anzustellen, und die wird angestellt, Herr Abgeordneter.

(Beifall bei der CDU - Zurufe von der PDS)

Danke sehr. - Die Frage 1822 des Abgeordneten Bartsch ist gestern getauscht worden. Wir kommen daher zur Frage 1796 (Straffreier Cannabis-Besitz?) des Abgeordneten Petke. Bitte, formulieren Sie Ihre Frage.

Im Berliner Abgeordnetenhaus

(Unruhe im Saal - Glocke des Präsidenten)

scheint es eine breite Mehrheit für die Legalisierung von Cannabis-, also Haschischkonsum zu geben. Allein die CDU-Fraktion hat sich eindeutig gegen diese Legalisierungsabsichten ausgesprochen.

(Starker Widerspruch bei der SPD)

- Kollegen, es ist nun einmal so!

Aufgrund der geographischen Nähe von Brandenburg und Berlin frage ich die Landesregierung, wie sie diese Tatsache und die möglichen Auswirkungen einer solchen Legalisierung auf Brandenburg beurteilt.

(Zuruf von der SPD: Wir bauen die Mauer wieder auf! - Zurufe von der PDS)

Wer antwortet? - Frau Ministerin Richstein, Sie haben erneut das Wort.

(Unruhe im Saal)

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Sehr geehrter Herr Abgeordneter Petke, die Landesregierung sieht keine Notwendigkeit, aufgrund der neuerlich aufkommenden Diskussion über die Legalisierung des Cannabisbesitzes von ihrer Drogenpolitik abzuweichen. Der Betäubungsmittelkonsum und gerade der Konsum von - wie es leider verfälscht und verharmlosend dargestellt wird - so genannten weichen Drogen, also auch von Cannabis, ist mit gesundheitlichen Risiken verbunden, die sowohl psychische wie oftmals auch körperliche Abhängigkeit nach sich ziehen. Gerade eine verantwortungsvolle Drogenpolitik muss den Eindruck vermeiden, dass Cannabiskonsum unproblematisch sei. Hier wäre eine Entkriminalisierung das falsche Signal.

Gerade im Interesse des Gesundheitsschutzes von Kindern und Jugendlichen muss es den Vorrang behalten, den regelmäßigen Cannabiskonsumenten an der Legalisierung seines Konsums, seiner Sucht zu hindern.

Die Justizpolitik in Brandenburg versucht, auch mit den Mitteln des Strafrechts ihren Beitrag zu leisten, dass insbesondere junge Menschen nicht zum Drogenkonsum verleitet werden. Die Staatsanwaltschaften des Landes sind angehalten, gemäß einer Rundverfügung des Ministers der Justiz aus dem Jahre 1993 den Cannabisbesitz allein dann nicht zu verfolgen, wenn es sich um eine Menge handelt, die bei ungefähr drei Gelegenheiten verbraucht werden kann.

Hier befindet man sich im Einklang mit einem Beschluss des Bundesverfassungsgerichts aus dem Jahr 1994, wonach die Strafverfolgungsbehörden ein Verfahren einzustellen haben, wenn es ausschließlich um den Eigenverbrauch geht und keine Fremdgefährdung damit verbunden ist.

Es ist nicht genau definiert, was als geringe Menge anzusehen ist. In Brandenburg sind es drei Konsumeinheiten. Wir befinden uns im Einklang mit den meisten Ländern, indem wir maximal sechs Gramm Cannabis darunter verstehen. Es wird unterschiedlich gehandhabt, teilweise werden bis zu 15 Gramm toleriert. Aber ich meine, dass wir sehr restriktiv mit der Problematik umgehen müssen.

Sie haben aber Recht. Mit Sorge betrachte auch ich die Entwicklung in Berlin; denn ich befürchte, dass eine Legalisierung in Berlin eine Sogwirkung auf Brandenburg ausüben wird, dass sich der Anstieg des Drogenkonsums, den wir jetzt schon ha

ben, dann noch mehr verstärken wird, weil Jugendliche nach Berlin fahren werden, um dort Drogen zu konsumieren. Ich hoffe, dass sich der Regierende Bürgermeister Berlins mit seiner Ansicht, dass Cannabisbesitz nicht legalisiert werden soll, in Berlin durchsetzen kann.

Es gibt noch Klärungsbedarf. Wir beginnen mit dem Fragesteller.

Die Berliner Justizsenatorin hat in der Justizministerkonferenz versucht, diese Legalisierung durchzusetzen. Hat sie von anderen Justizministern Unterstützung für dieses Projekt erfahren?

Der Vorstoß der Justizsenatorin im letzten Jahr ging dahin, der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts folgend eine einheitliche Regelung in den Ländern zu treffen. Da sie aber von einer Freigabe bis 15 Gramm ausgegangen ist, hatte sie damit keinen Erfolg und fand auch keine Sympathisanten, weil die Drogenpolitik in den meisten Ländern zum Glück wie in Brandenburg gehandhabt wird, nämlich sehr restriktiv.