Protokoll der Sitzung vom 02.03.2005

Auf die Einzelpläne will ich heute noch nicht eingehen, nur einige Anmerkungen seien mir dazu gestattet. Erstmals sollen sogar bei der Polizei des Landes bis 2006 400 Stellen gestrichen werden, wogegen sich unter anderem die Gewerkschaft der Polizei vehement wehrt. So sieht es aus, Herr Innenminister, wenn man eine Koalition mit den Sozis eingeht.

(Beifall bei der DVU - Vereinzelt Gelächter bei SPD und CDU)

Im Bildungsbereich soll in den kommenden beiden Jahren die geradezu irrsinnig hohe Summe von 126 Millionen Euro an Personalausgaben gestrichen werden. Wie verträgt sich das mit Ihrer neuen Bildungsoffensive, Herr Ministerpräsident? Hinsichtlich der geplanten Kürzungen im Haushaltsstrukturgesetz 2005 bei den Schulen in freier Trägerschaft kündigt auch die DVU-Fraktion scharfen Widerstand an. Es kann doch wohl nicht angehen, dass die roten Bildungsminister dieses Landes seit 1990 das öffentliche Bildungswesen so sehr ruinierten, dass Brandenburger Schüler bei allen relevanten Studien, insbesondere PISA, im Bundesvergleich und darüber hinaus Plätze ganz weit hinten einnehmen. Wenn sich dann immer mehr Eltern aufgrund dieses maroden öffentlichen Bildungssystems dafür entscheiden, ihre Kinder auf qualitativ höher wertige Privatschulen zu schicken, dann haken Sie ein und kürzen die Mittel. Das ist doch typisch für Brandenburg. Können Sie mir vielleicht einmal erklären, was Sie damit erreichen wollen?

(Beifall bei der DVU)

Die Mittel des Landesjugendplans schließlich sollen gegenüber 2004 um 2,8 Millionen Euro zusammengestrichen werden. Kein Wunder, dass die Wohlfahrtsverbände in Brandenburg die ge

planten Einsparungen kritisieren. Die Kürzungspläne widersprechen den Koalitionsvereinbarungen. Sie wollten bei Zukunftsinvestitionen nicht sparen. Angesichts solcher Kürzungen kann Brandenburg niemals ein familienfreundliches Land werden. Der angekündigte Stellenabbau durch Einsparungen von rund 1,5 Millionen Euro im so genannten 610-Stellen-Programm der kommunalen Jugendarbeit muss gestoppt werden. Das fordern auch die Wohlfahrtsverbände. Die DVU-Fraktion würde die fehlenden 2,8 Millionen Euro sehr schnell zusammenbekommen, wenn man die Mittel für die Landeszentrale für politische Bildung sowie die Zuschüsse an Linksextremisten für ihr „tolles“ Programm „Tolerantes Brandenburg“ komplett striche.

(Unmut bei der PDS)

Diese beiden Posten allein ergeben nämlich bereits 2 Millionen Euro. Der Rest wäre durch Umschichtungen im Haushalt vermutlich auch noch realisierbar.

Es wird Sie sicherlich auch nicht sehr verwundern, wenn wir Ihnen angesichts der landauf, landab zu beobachtenden defekten Straßen, Brücken und des 15 Jahre nach der Wende immer noch existierenden extremen Infrastrukturstaus unseren schärfsten Widerstand gegen die neuerlichen Kürzungen der Infrastrukturmittel im Haushalt des Einzelplans 11 in Höhe von 165 Millionen Euro im Haushaltsjahr 2005 und weiteren 13 Millionen Euro im Haushaltsjahr 2006 ankündigen. Denn so, Herr Minister Speer, schaffen Sie mit Sicherheit keinen einzigen Arbeitsplatz.

Die größte Perfidie habe ich mir jedoch bis zum Schluss meiner Rede aufgehoben: Ich meine die von der Landesregierung per Haushaltsstrukturgesetz 2005 geplante Kürzung der kommunalen Mittel ab dem Haushaltsjahr 2006 in Höhe von 50 Millionen Euro. Obwohl jeder in diesem Land weiß, dass die Kommunen und Landkreise seit Jahren aufgrund der rigorosen Kürzungen der Gemeindefinanzierungsgesetze der letzten Jahre, welche auch durch das Finanzausgleichsgesetz in keiner Weise kompensiert werden konnten, finanziell am Ende sind, obwohl jeder weiß, dass sie sich zum Großteil mit Nothaushalten und Kassenkrediten mehr schlecht als recht über Wasser halten und die Investitionsausgaben der Kommunen allein im letzten Jahr in Höhe von 400 Millionen Euro nicht verausgabt werden konnten und obwohl den Kommunen aufgrund der angedrohten massiven Kürzungen der Bundeszuweisungen für ihre Kosten im Zusammenhang mit Hartz IV weitere drastische finanzielle Einbußen drohen, erdreistet sich diese Landesregierung ab 2006 diesen neuerlichen kommunalpolitischen Kahlschlag, noch dazu mit der zynischen Bemerkung, die kommunalen Steuereinnahmen hätten sich deutlich verbessert. Welch Hohn und Kaltschnäuzigkeit!

Der vorliegende Haushalt ist noch unsozialer und unsolider als seine Vorgänger, abgesehen davon, dass er, und zwar für jeden erkennbar, vor Unwahrheiten und Falschaussagen geradezu strotzt.

(Beifall bei der DVU)

Eine finanzpolitische Mogelpackung. Sie können sicher sein, dass Sie unsere Zustimmung zu diesem Haushalt nicht bekommen. Ebenso können Sie sicher sein, dass wir auch eine Ausschussüberweisung ablehnen. - Ich bedanke mich für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall bei der DVU)

Während sich der Abgeordnete Lunacek zum Rednerpult begibt, begrüße ich eine weitere 10. Klasse des Einstein-Gymnasiums in der schönen Stadt Angermünde und wünsche euch eine gute Orientierung in dieser Stunde zwischen Märchen und Haushaltsmathematik.

(Allgemeiner Beifall)

Herr Lunacek, bitte.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Das Budgetrecht ist das Königsrecht des Parlaments. Mit dem Haushalt haben wir als Landtag die Möglichkeit, Politik wirklich zu gestalten. Wir wissen allerdings, dass die Wirklichkeit zurzeit eine andere ist. Trotz eines Haushaltsvolumens, das seit einigen Jahren relativ konstant ist, schrumpfen unsere Spielräume immer mehr, verringern sich unsere Spielräume von Jahr zu Jahr. Die Ursache dieses Dilemmas sind sinkende Einnahmen. In den letzten drei Jahren sind die Einnahmen aus Steuern, Abgaben etc. - ohne Kredite - im brandenburgischen Landeshaushalt Schritt für Schritt zurückgegangen. Sie sind deshalb rückläufig, weil in Deutschland die wirtschaftliche Entwicklung stagniert. Diese Entwicklung schlägt auf Brandenburg voll durch.

Gerade heute geht durch die Medien, dass die Konjunkturprognosen infrage gestellt werden. Gestern war Aufmacher der Zeitungen das Thema „5,2 Millionen Arbeitslose in Deutschland“. Das steht für diese bleierne Entwicklung. Dahinter stehen 5,2 Millionen Menschen in Deutschland und mehr als 250 000 Menschen in Brandenburg. Deshalb, meine Damen und Herren, müssen wir hier auf der Landesebene einen Beitrag für mehr wirtschaftliche Entwicklung, für Arbeitsplätze leisten. Nur so schaffen wir Arbeitsplätze - und Arbeit erwirtschaftet Steuern. Nur so können wir eine gute Sozialpolitik gewährleisten. Deshalb müssen wir all unsere Aktivitäten auf Arbeitsplätze ausrichten. Alles, was Arbeit schafft, ist gut für Brandenburg.

(Beifall bei der CDU)

Meine Damen und Herren, eine weitere Ursache dieses Dilemmas ist die stetig wachsende Schuldenlast. Zu lange schon wird in Deutschland und damit auch in Brandenburg auf Kosten unserer Kinder Geld geliehen.

Es gibt eine weitere Fehlentwicklung, die wir beseitigen müssen. Für jede noch so kleine Idee werden inzwischen überflüssige Gesetze und Verordnungen geschaffen. Arbeit bekommen dadurch im Ergebnis nur die staatlichen Verwaltungen. Mit dem Antidiskriminierungsgesetz des Bundes ist eine weitere wirtschaftsfeindliche Novelle unterwegs, die niemand braucht.

In der Vergangenheit wurde immer weitere Bürokratie geschaffen, ohne dabei verantwortungsbewusst nach den finanziellen und den gesellschaftlichen Folgekosten zu fragen. Damit muss Schluss sein. Damit sollten wir hier in Brandenburg anfangen und bundesweit gute Standards setzen. Denn, meine Damen und Herren, es geht auch anders, einfacher, übersichtlicher und damit besser. Deutsche führen bei der Kompliziertheit des Steuerrechts, das den Trickreichen belohnt, den Bürger bestraft

und Investoren abschreckt. Wir führen bei Umfang und Differenzierung von Sozialstandards. Wir führen bei den Strom verteuernden Windrädern, wir führen bei der Dauer von Asyl- und Abschiebeverfahren. Auf der anderen Seite fallen wir jedoch beim Wirtschaftswachstum - das ja Arbeitsplätze schaffen soll zurück. Wir fallen bei der Einkommensentwicklung, in den Schlüsseltechnologien und beim Bildungsstand unserer Jugend im europäischen Maßstab zurück.

Es gibt zwei Wege aus dem Dilemma, die wir gleichzeitig beschreiten müssen. Der erste Weg ist die Verbesserung der Einnahmensituation. Wir erwirtschaften gerade die knappe Hälfte dessen, was wir verbrauchen. Deshalb ist mehr Wertschöpfung im Land das A und O. Wirklich zukunftsorientiert sind in erster Linie all die Dinge, die wirtschaftliches Wachstum erzeugen. Unsere Unternehmen müssen gestärkt werden. Sie müssen wirtschaftlich erfolgreich am globalen Markt bestehen und Arbeitsplätze schaffen können.

(Beifall bei der CDU)

Um das Ziel Wachstum zu erreichen, hilft keine Abschottung, wie es uns manchmal die PDS weismachen will. Da hilft nur, unseren Unternehmen gleiche Chancen einzuräumen wie den Unternehmen in anderen Ländern. Nur so können sie etwas unternehmen, wovon wir alle am Ende etwas haben. Wenn wir unsere Unternehmen weiterhin mit Vorschriften gängeln, die weit über europäischem Standard liegen, wenn also der Bund auf Betreiben der Grünen ein so genanntes Antidiskriminierungsgesetz schafft, welches Bürokratie aufbläst und im Ergebnis Rechtsunsicherheit bei vielen Entscheidungen eines Unternehmens zur Folge hat, werden wir weiter hinter der Entwicklung der Weltwirtschaft herhinken, auch in Brandenburg. Das kann kein guter Weg sein.

Ein solches Gesetz hat im Ergebnis nur zur Folge, dass weiter Streit angeheizt wird und am Ende ein ABM-Programm für unsere Richter und unsere Gerichte daraus resultiert. Das passt nicht zusammen mit dem Abbau von Personal und mit der Straffung von Vorgängen, wie sie die Landesregierung mit großer Mühe hier vorantreibt.

(Beifall bei der CDU)

Wir müssen einen anderen Weg beschreiten. Wir müssen unser Denken einfach umstellen. Wir denken bei Lösungsstrategien immer gleich an Gesetze und Verordnungen. Davon müssen wir weg. Wir brauchen Lösungsstrategien ohne Vorschriften und ohne Gesetze. Das kann nur heißen: Überprüfung aller Normen und Standards in Brandenburg auf Entbehrliches.

Wir müssen die Frage beantworten, was aus der satten Wohlstandsgesellschaft Westdeutschlands auch in Brandenburg gut ist und was in Brandenburg verzichtbar ist. Wir erwarten deshalb, dass die Normenprüfstelle, die die Landesregierung einrichtet, rasch ihre Arbeit aufnimmt und Ergebnisse vorlegt. Jeder Tag, der ungenutzt verstreicht, hemmt Brandenburg in seiner Entwicklung und kostet Arbeitsplätze. Mir sagen auch die Unternehmer immer, dass wir Freiräume schaffen müssen.

Die Koalition verfolgt das Ziel, die uns von der Europäischen Union zur Verfügung gestellten Mittel rascher wirksam werden zu lassen. Auch das zielt auf eine Verbesserung der Einnahmensituation ab. Wir haben die Investitionen fest in den Blick

genommen. Investitionen bedeuten eine gute Infrastruktur für das Land. Hier haben wir nach wie vor Nachholbedarf. Wenn wir über ein neues Leitbild für das Land diskutieren, wenn wir uns auf bestimmte Regionen und Zentren konzentrieren, müssen wir den Bürgern schon eine Antwort geben, was mit den ländlichen Bereichen ist, in denen keine solchen Zentren liegen.

(Beifall bei der PDS)

Da ist es notwendig, eine Verkehrsinfrastruktur aufrechtzuerhalten, die garantiert, dass die Entwicklungszentren auch erreicht werden können, dass die anderen Räume nicht leergezogen werden, sondern man hier wenigstens pendeln kann, denn die Leute haben ihr Eigentum vor Ort, haben ihre Familien vor Ort, sie haben ihre Eltern und Großeltern vor Ort. Auch deshalb muss es möglich sein, weiter in diesen Regionen zu leben und auch Arbeit zu finden.

(Beifall bei CDU und PDS)

Investitionen bedeuten Aufträge für kleine und mittlere Unternehmen, die uns besonders am Herzen liegen. Mit der Umstellung der Förderstruktur darf nicht der falsche Eindruck entstehen, dass wir unsere Investitionen senken. Im Gegenteil: Wir steigern sie. Wir steigern sie vom Jahr 2004 auf dieses und nächstes Jahr um rund 125 Millionen Euro.

Damit liegt die Investitionsquote in Brandenburg in den Jahren 2005 und 2006 deutlich über 20 % und das ist im Verhältnis zu den Rahmenbedingungen, unter denen wir den Haushalt beraten, eine wirklich große Leistung.

Wir wollen die Politik auf die Zukunft ausrichten. Hierbei haben Bildung und Ausbildung unserer Kinder einen sehr hohen Stellenwert.

Große Schritte ist die Koalition erfolgreich in der letzten Wahlperiode gegangen. Ich erinnere an die Einführung von Prüfungen in der 10. Klasse, an das Zentralabitur, an mehr Unterricht in den Klassen 5 und 6, an die erste Fremdsprache in der Klasse 3, an bessere Lehrpläne, klare Vorgaben usw.

Bereits wenige Wochen nach Beginn dieser Wahlperiode hat der Landtag das Oberschulgesetz auf den Weg gebracht und es Ende letzten Jahres beschlossen. Die Oberschule ist ein Gewinn für Schüler, Eltern und Lehrer. Hiermit haben wir eine Antwort auf die rückläufigen Schülerzahlen gegeben. Damit stehen die Strukturen.

In den nächsten Jahren müssen wir uns auf die weitere Verbesserung der Qualität konzentrieren. Wir müssen rasch weitere Verbesserungen auf den Weg bringen. Reden Sie einmal mit Hochschulprofessoren und mit Unternehmern. Ich kann Ihnen sagen, dass man ins Grübeln geraten kann, wenn man hört, welche Probleme sie mit Schulabgängern haben. Wenn ich auf der anderen Seite höre, dass wir heute gegenüber dem, was vor 1990 der Fall war, ein Drittel weniger Mathematikunterricht pro Woche, die Hälfte an Chemieunterricht pro Woche haben, dann ist das schon bedenklich. Deswegen müssen wir die Probleme lösen und konsequente Verbesserungen schaffen.

Ich denke an die Wiedereinführung des Abiturs nach 12 Jahren,

an die Veröffentlichung von durchschnittlichen Prüfungsergebnissen, an Vergleichstests in Klasse 6, an konkrete Lehrpläne und mehr Selbstständigkeit an den Schulen. Qualität und Leistungsbereitschaft müssen die tragenden Säulen unseres Bildungssystems sein. Wir wollen dabei jeden Schüler mitnehmen und niemanden zurücklassen. Wir wollen Schüler fördern und fordern. Das hat nicht einmal etwas mit Geld zu tun. Ewig die Mär zu erzählen, dass mit mehr Geld bessere Bildung zu garantieren ist, ist falsch. Das sieht man auch im Ländervergleich. Wir geben pro Kopf genauso viel wie die Sachsen aus, liegen aber bei den Bildungsergebnissen deutlich hinter ihnen.

(Zuruf von der PDS: Das ist gar nicht wahr!)

Wir müssen Mut zu klaren Vorgaben haben. Wir müssen klare Maßstäbe setzen, wir wollen zum Beispiel das Sozialverhalten der Schüler wieder mit Noten bewerten.

(Vereinzelt Beifall bei der CDU)

Das ist im Koalitionsvertrag verankert und wir gehen davon aus, dass das rasch auf den Weg gebracht wird. Das will auch die ganz große Mehrheit der Brandenburger.

(Widerspruch bei der PDS)

Qualität, Leistungsbereitschaft und Engagement der Eltern sind wichtige Elemente einer guten Bildung. Deshalb müssen wir uns weiterhin zu den freien Schulen im Lande bekennen. Wir sind froh und dankbar dafür, dass es diese Schulen gibt. Hier leisten die Eltern und die Träger einen wichtigen Beitrag für eine gute Bildung, für mehr Vielfalt, für mehr Attraktivität unserer Städte und Gemeinden und für die Vielfalt unserer Bildungslandschaft.