Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich bin mir nicht sicher, ob der Beifall, den Sie von Ihren wenigen Leuten bekommen haben, von den jüdischen Mitbürgern im Lande so geteilt wird. Ich halte es für ziemlich maßlos und unverhältnismäßig, wie Sie den langen und schwierigen Weg zum Zustandekommen des Staatsvertrags zwischen dem Landesverband Brandenburg der Jüdischen Gemeinde und der Landesregierung, also auch uns hier, charakterisieren.
Trotzdem können wohl wir alle froh darüber sein, dass der Staatsvertrag jetzt endlich vorliegt. Alle hätten sich gewünscht, dass der Vertrag früher zustande gekommen wäre. Aber es gab Schwierigkeiten, Unregelmäßigkeiten; Schuldenregelungen mussten getroffen werden. Im Übrigen versteht es sich von selbst, dass dies in Deutschland kein normales Verfahren ist, sondern dass wir Parlamentarier, ein Ministerium, ein Minister, eine Landesregierung vorsichtig, sensibel und behutsam vorgehen mussten, um nicht alte Wunden aufzureißen, sondern neue Möglichkeiten für die Zukunft zu erschließen.
Eine nicht unbedeutende Potsdamer Zeitung titelt heute in ihrem Lokalteil: „Jüdisches Leben im Märchenland“. „Mit Märchenland“ ist eine Kindertagesstätte in Potsdam-Drewitz gemeint, an die angeschlossen ein jüdischer Kindergarten entsteht, in dem die ersten zehn jüdischen Kinder zusammen mit Kindern von Christen oder auch Nichtchristen ein Zuhause haben. Vieles werden sie gemeinsam tun. Es wird dort auch eine kleine Küche geben, in der koscheres Essen angerichtet werden kann. All diese Dinge können jetzt verstärkt und auch weiter auf der Grundlage dieses Staatsvertrages möglich werden.
Bezüglich der Glaubensfreiheit gibt es eine eindeutige Rechtsstellung. Auch die jüdischen Feiertage werden zugestanden. Das heißt, diejenigen, die sich zum Judentum bekennen, haben ein Recht, zu den jüdischen Feiertagen freizuhaben oder freizunehmen. Seelsorge in Krankenhäusern, in Heimen oder Justizvollzugsanstalten durch jüdische Theologen ist jetzt möglich. Es wird ein Weg geebnet für den Religionsunterricht. Vor allen Dingen erhalten Kinderbetreuung, Schulen und Weiterbetreuung jetzt eine ordentliche Grundlage. Der Anfang mit einer Kindertagesstätte ist gemacht. Ich wünsche mir im Land Brandenburg selbstverständlich mindestens eine jüdische Grundschule.
Den Weg, den Bau einer jüdischen Synagoge zu unterstützen, sollten wir nicht kritisieren. Er ist schwer, auch wegen der Grundstücksfragen. Wir sollten gemeinsam politische und auch finanzielle Wege suchen, auch einmal außerhalb des Lan
deshaushalts, um hier unterstützend tätig zu werden. Vielleicht haben Sie einmal in der Landeshauptstadt Bilder „von früher“ gesehen. Neben der Hauptpost stand eine der wunderschönen jüdischen Synagogen, die in die Straßenfront eingegliedert worden sind, wie wir es von Kirchenbauten in Berlin-Friedrichshain, Prenzlauer Berg oder Berlin-Mitte kennen. Die Potsdamer jüdische Synagoge ist 1938 geschändet worden, wurde dann durch Bomben schwer beschädigt und ist später leider abgerissen worden. Ich hätte mir gewünscht, dass sie dort wieder aufgebaut worden oder wenigstens dieser Raum offen gelassen worden wäre, wie an der Oranienburger Straße in Berlin, wo lange die Ruine stand und die Synagoge nach der Wende wieder aufgebaut werden konnte. Wir sollten gemeinsam mit der Stadtverwaltung von Potsdam und der Landesregierung einen Weg finden, dass mitten in Potsdam und nicht am Rande jüdisches Leben mit einer jüdischen Schule und mit einer jüdischen Synagoge wieder einziehen kann.
Der Landesverband der Jüdischen Gemeinden bekommt einen fest zugesicherten Zuschuss von 200 000 Euro, den man auch für das Kulturleben einsetzen kann und der aus der Schuldentilgung herausgenommen worden ist. Vor allem auch in den Denkmalschutz - das möchte ich als Letztes hervorheben werden die jüdischen Gemeinden einbezogen, sodass Orte, die einen besonderen Wert für das jüdische Leben, für die Kultur haben, berücksichtigt, gefördert und auch gepflegt werden. Wenn es bei Gedenkstätten oder jüdischen Denkmalen Veränderungen geben muss - Pflege, Erweiterung oder andere Dinge -, werden die Gemeinden gehört.
Am Ende lassen Sie mich noch auf Folgendes hinweisen: Es gibt Kirchensteuern, die erhoben werden können. Auch im Rundfunk, bei uns im heimischen RBB, gibt es die Möglichkeit bzw. soll sie eingerichtet werden, dass ähnlich den Sendungen für evangelische und katholische Christen auch jüdische Sabbatfeiern oder ähnliche Veranstaltungen übertragen werden.
Meine Damen und Herren, freuen wir uns, dass wir so weit sind. Wir werden darüber noch einmal im Ausschuss beraten und im April haben wir endlich einen Staatsvertrag; jüdisches Leben in Deutschland und damit auch in Brandenburg hat wieder eine Zukunft und soll ausgebaut werden. - Danke schön.
Das Präsidium empfiehlt die Überweisung des Gesetzentwurfs zum Vertrag zwischen dem Land Brandenburg und der Jüdischen Gemeinde - Drucksache 4/624 - an den Hauptausschuss zur federführenden Beratung und an den Ausschuss für Wissenschaft, Forschung und Kultur zur Mitberatung. Wer dieser Empfehlung folgt, den bitte ich um sein Handzeichen. - Gegenstimmen? - Stimmenthaltungen? - Damit ist der Gesetzentwurf einstimmig überwiesen worden.
Gesetz zum Zweiten Gesetz zur Ausführung des Achten Buches des Sozialgesetzbuches - Kinder- und Jugendhilfe - Kindertagesstättengesetz (KitaG) vom 10. Juni 1992
Herr Präsident! Meine Damen und Herren Abgeordnete! Es überrascht sicher nicht, dass die PDS-Fraktion diesen Antrag einbringt.
Der im Entlastungsgesetz 2003 verankerten Einschränkung des Rechtsanspruchs für Kinder im Alter von zwei bis drei Jahren mit einem erwerbssuchenden Elternteil haben wir schon damals nicht zugestimmt. Nach wie vor fordern wir einen uneingeschränkten Rechtsanspruch auf Tagesbetreuung für alle Kinder von null bis zwölf Jahren.
Warum also nun dieser kleine Schritt und warum jetzt? Sie, Herr Ministerpräsident, haben dafür selbst in Ihrer „Das zupackende Land“-Rede vom 18. Februar überzeugende Argumente geliefert. Lesen wir also nach bei Platzeck. Unter der Überschrift „Die Kinder sollen es besser haben“ finden wir die Aussage:
„Niemand drängt Menschen zum Verlassen ihrer Heimat. Wenn es aber nicht anders geht, wenn Menschen sich also zum Wegziehen entschließen, dann müssen diese Menschen zuvor wenigstens mit handfesten Lebenschancen in Form von Bildung ausgestattet sein.“
Dass auch zwei- bis dreijährige Kinder Menschen sind, dürfte unstrittig sein. Weiter heißt es in diesem Text:
„Erfolgreiche Bildungspolitik mit dem Ziel, eine Perspektive sozialen Aufstiegs zu ermöglichen, ist die alleinige wirklich nachhaltige Sozialpolitik, die den Kindern der Peripherie geboten werden kann und muss, natürlich allen Landeskindern, auch denen der Metropolenregion.“
„Wir können es uns nicht leisten, auch nur ein einziges Kind zurückzulassen. Und auf den Anfang kommt es an. Diese Sätze haben wir im Wahlkampf gesagt und sie haben nichts von ihrer Wichtigkeit eingebüßt.“
Sie haben im Wahlkampf noch viel Besseres gesagt, meine Damen und Herren der SPD. Ich zitiere aus der Presseinformation vom 15. September 2004 - kurz vor der Angst also - Herrn Kollegen Fritsch und Frau Kollegin Siebke:
„Die SPD-Landtagsfraktion wird deshalb für die Sicherung der Rahmenbedingungen einer qualifizierten Bildungsarbeit in Kindertagesstätten eintreten. Das heißt...“
„Kinder unter drei Jahren, deren Eltern arbeitslos werden oder in Elternzeit gehen, sollen in der Kita verbleiben können.“
Genau darum geht es. Wir wollen Ihnen also helfen, Ihr Wahlversprechen einzulösen. Richtig ist, dass Brandenburg in der jüngsten OECD-Studie einen guten Platz belegt hat, gemessen an den alten Bundesländern sowieso. Bezogen auf die neuen Bundesländer ist Brandenburg zumindest bezüglich des Rechtsanspruchs für zwei- bis dreijährige Kinder Schlusslicht. In allen anderen neuen Bundesländern gibt es diesen Rechtsanspruch. In Sachsen-Anhalt gab es sogar das - leider gescheiterte - Volksbegehren - aber immerhin - für einen uneingeschränkten Rechtsanspruch für Kinder arbeitsloser Eltern. Wir wollen zunächst einen konditionierten Anspruch, weil wir meinen, dass das Tagesbetreuungsausbaugesetz der Bundesregierung durchaus auch hier noch offene Spielräume eröffnet. Auch hier gibt es also noch etwas auszubauen.
Es ist schon bemerkenswert, dass in der SPD jetzt geprüft wird, kleine Internate an Ganztagsschulen der Peripherie einzurichten. Das ist wieder einmal der dritte Schritt vor dem ersten. Sichern Sie doch erst einmal das Tagesangebot für Zwei- bis Dreijährige, wenn es Ihnen wirklich auf den Anfang ankommt, und denken Sie dann über die Nächte der Schulkinder nach. Noch einmal: Es geht um einen Rechtsanspruch der Kinder, erst in zweiter Linie um die Vereinbarkeit von Beruf und Familie.
Dieser Rechtsanspruch ist für zwei- bis dreijährige Kinder unter anderem deshalb so wichtig, weil in diesem Alter der Spracherwerb geradezu explodiert. Kinder dieses Alters erwerben vom Ausgangsstand ausgehend - einen Wortschatz von 50 Wörtern haben Kinder im Alter von anderthalb bis zwei Jahren - bis zu 14 neue Wörter täglich bis zu ihrem zehnten Lebensjahr. Danach geht es viel, viel langsamer. Wir könnten mit Sicherheit Sprachtests, Förderprogramme, Förderklassen für Kinder mit Sprachdefiziten sparen oder an ihnen sparen, wenn frühzeitig gerade diese Dinge diagnostiziert und die Kinder gefördert werden würden.
Die Notwendigkeit, die mit dem Entlastungsgesetz getroffene Fehlentscheidung zurückzunehmen, ergibt sich auch ganz aktuell und ganz dringlich aus dem Hartz-IV-Gesetzespaket. Erhalten erwerbsfähige Eltern eine Arbeitsgelegenheit mit Mehraufwandsentschädigung, steht ihnen ein Kita-Platz zu. Wie der mit Arbeitslosengeld II finanziert werden soll, sei hier einmal dahingestellt. Das Kind kann dann jedenfalls eine Einrichtung besuchen, muss diese aber nach Beendigung der Arbeitsgelegenheit mit Mehraufwandsentschädigung wieder verlassen, um dann mit drei Jahren wieder eine dann freie, oft andere Einrich
tung besuchen zu dürfen. Was muten Sie den Kindern, aber auch den Eltern und Erzieherinnen hier eigentlich zu?
Lassen Sie mich noch etwas zur Finanzierung sagen. Das Artikelgesetz sollte die Kommunen eigentlich um 60 Millionen Euro entlasten. Recherchieren Sie einfach, inwieweit das passiert ist! Die von mir befragten Kommunen konnten dadurch kaum Einspareffekte erzielen: wegen tariflicher und arbeitsrechtlicher Bindungen, weil es nur sehr wenige Kinder betrifft, weil die Plätze für den Fall der Erwerbstätigkeit vorgehalten werden müssen, weil dies einen erhöhten Verwaltungsaufwand mit sich bringt. Wir gehen also davon aus, dass die Erhöhung des Landeszuschusses um 5 Millionen Euro den zusätzlichen Bedarf decken kann.
Herr Ministerpräsident! Meine Damen und Herren von der SPD! Verkünden Sie mit dem Gesicht zum Volke einmal keine neuen Grausamkeiten und Wahrheiten, sondern das Einhalten Ihrer Wahlversprechen. Auch der sich um unsere demographische Situation sorgende kleinere Koalitionspartner lässt sich dabei bestimmt mitnehmen.
Wir beantragen die Überweisung unseres Gesetzentwurfs an den federführenden Ausschuss. Die zwei- bis dreijährigen Landeskinder und ihre Eltern werden es Ihnen danken - die PDS auch.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Sehr verehrte Gäste! In der Tat - der Gesetzentwurf hat einen gewissen Charme. Unser sozialdemokratisches Herzchen ist ein bisschen gerührt,
wenn Sie den uneingeschränkten Rechtsanspruch aller Kinder auf Kindertagesbetreuung wiederherstellen wollen; einen uneingeschränkten Rechtsanspruch, den wir 1992 eingeführt haben. Daran zeigt sich die deutliche Handschrift der Brandenburger Sozialdemokraten, insbesondere die von Regine Hildebrandt.
Über das Kindertagesstättengesetz ist in diesem Hause schon in den verschiedensten Facetten debattiert worden: im Rahmen von Gesetzesänderungen, in Verbindung mit Haushaltsstrukturgesetzen und im Zusammenhang mit dem kommunalen Entlastungsgesetz 2003; darauf zielt Ihr Antrag auch ab.
Wir geben zu, dass wir in Bezug auf die Kindertagesbetreuung sehr oft unter finanziellen Zwängen standen; dies wird möglicherweise auch künftig der Fall sein. Aber wir haben im Zusammenhang mit dieser Diskussion immer wieder inhaltliche Aspekte in die Kita-Gesetzgebung einfließen lassen. Das hat die OECD-Studie - wir hatten dazu unlängst eine Aktuelle Stunde - sehr deutlich gemacht. Dem Bundesland Brandenburg ist in puncto Qualität, aber auch in puncto Betreuungsgrad eine hervorragende Kinderbetreuung bescheinigt worden.
Wir glauben, dass wir ein in sich schlüssiges Kindertagesstättengesetz haben. Wir sprechen in Brandenburg längst nicht mehr von „Kindertagesstättenbetreuung“; vielmehr sprechen wir von „Kinderbetreuung“. Diese ist in Kindertagesstätten und in der Tagespflege möglich, kann aber auch über Spielkreise organisiert werden. Natürlich trägt dazu die Verlässliche Halbtagsschule bei. Mit der Umstellung von der Personalkostenbezuschussung auf eine Kinderkostenpauschale ermöglichen wir, dass diese vielfältigen Betreuungsmöglichkeiten vor Ort schnell und unkompliziert - wie man immer so schön sagt: unbürokratisch - genutzt werden können.
Wir bleiben dabei: Mit dem geltenden Kindertagesstättengesetz haben wir einen guten gesetzlichen Rahmen geschaffen, der ganzheitliche Bildung, Erziehung, Betreuung und Versorgung in den Mittelpunkt stellt. Er gibt den örtlichen Trägern der öffentlichen Jugendhilfe und den Einrichtungsträgern Spielraum für eigenverantwortliches Handeln.