Protokoll der Sitzung vom 13.04.2005

Meine Damen und Herren, der heutige Tag gibt mir Anlass für eine persönliche Bemerkung. Dieser Landtag hat mich 1998 in das Amt des Landesbeauftragten zur Wahrung der Grundrechte auf Datenschutz und Akteneinsicht gewählt. Ich habe mich seitdem dafür eingesetzt, dass Datenschutz und Transparenz zum Markenzeichen der öffentlichen Verwaltung in diesem Land werden. Bürgerinnen und Bürger identifizieren sich nur dann mit ihrem Gemeinwesen, wenn sie darauf vertrauen können, dass mit ihren Daten korrekt umgegangen wird und ihnen der Zugang zu Informationen nicht ohne überzeugende Begründung verwehrt wird. Das zeigen die zahlreichen Eingaben, die mich in den zurückliegenden sieben Jahren erreicht haben.

In dieser Zeit hat es auch Versuche von mehreren Seiten gegeben, Einfluss auf meine Amtsführung zu nehmen. Derartige Vesuche waren und sind untauglich. In der Sprache des Juristen sind es Versuche am untauglichen Objekt, denn der Landesbeauftragte übt sein Amt nach der Verfassung unabhängig und frei von Weisungen aus. Eine frühere französische Justizministerin hat davon gesprochen, dass die Empörung über die richterliche Unabhängigkeit ungefähr so sinnvoll sei wie das Zerbrechen eines Außenthermometers, wenn einem das Wetter nicht zusagt. Gleiches gilt für die Unabhängigkeit des Landesbeauftragten für den Datenschutz und für das Recht auf Akteneinsicht.

Ich habe mich entschlossen, eine andere Aufgabe zu übernehmen, von der schon die Rede war. Für die Unterstützung, die ich in diesem Hause erfahren habe, bedanke ich mich herzlich. Ich bitte Sie, meinen in Kürze zu wählenden Nachfolger in der gleichen Weise zu unterstützen wie mich. - Herzlichen Dank.

(Allgemeiner Beifall)

Sehr geehrter Herr Dr. Dix! Mehrere Abgeordnete haben mich gebeten, Ihnen zu danken. Es haben Ihnen der Innenminister und andere bereits gedankt. Wir haben sehr wohl bemerkt, dass Sie mit Reibereien, aber mit sehr viel Engagement Ihren Aufgaben nachgekommen sind und Ihre Tätigkeit ausgeübt haben. Deshalb übermittle ich Ihnen für andere Abgeordnete aus mehreren Fraktionen den Dank dieses Hauses.

(Allgemeiner Beifall)

Damit schließe ich die Aussprache; wir kommen zur Abstimmung.

Erstens stimmen wir über den Änderungsantrag der Fraktion der PDS, Drucksache 4/1012, ab, mit dem eine Änderung des Beschlusstextes begehrt wird. Wer diesem Änderungsantrag zustimmt, den bitte ich um sein Handzeichen. - Gegenprobe! Stimmenthaltungen? - Damit ist der Änderungsantrag abgelehnt.

Zweitens stimmen wir über die Beschlussempfehlung, Drucksache 4/834, ab. Wer dieser Beschlussempfehlung Folge leisten möchte, den bitte ich um sein Handzeichen. - Gegenstimmen? Stimmenthaltungen? - Damit sind der Tätigkeitsbericht des Landesbeauftragten für den Datenschutz und für das Recht auf Akteneinsicht, die Stellungnahme der Landesregierung zum Tätigkeitsbericht sowie der Zwölfte Bericht der Landesregierung zur Kenntnis genommen.

Ich schließe damit Tagesordnungspunkt 12 und rufe Tagesordnungspunkt 13 auf:

Beschlüsse zu Petitionen

Übersicht 2 des Petitionsausschusses gemäß § 12 des Gesetzes über die Behandlung von Petitionen an den Landtag Brandenburg - Petitionsgesetz (PetG)

Drucksache 4/910

Es wurde vereinbart, keine Debatte zu führen. Damit ist die Übersicht 2 des Petitionsausschusses, Drucksache 4/910, zur Kenntnis genommen.

Ich rufe Tagesordnungspunkt 14 auf:

Null-Promille-Regelung im Straßenverkehr

Antrag der Fraktion der PDS

Drucksache 4/955

Ich eröffne die Aussprache mit dem Beitrag der Abgeordneten Tack von der PDS-Fraktion. - Bitte schön.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich weiß, mit dem Thema „Null-Promille-Regelung im Straßenverkehr“ kann man nicht unbedingt einen Blumentopf gewinnen, aber die Unfallstatistik für das Land Brandenburg genauso wie für die Bundesrepublik Deutschland fordert geradezu, dass wir aktiv werden, denn nach wie vor werden Verstöße gegen Verkehrsgesetze als Kavaliersdelikte behandelt. Manche sehen sogar einen Sport darin, Geschwindigkeitsbegrenzungen um ein Vielfaches zu überschreiten, sinnlos zu rasen, zu drängeln oder angestaute Aggressionen im Straßenverkehr abzureagieren. Wir alle kennen das. Nur keine Schwäche zeigen, ist die Devise. Ursache für dieses Verhalten ist oftmals das Fahren unter Alkoholeinfluss. Das Reaktionsvermögen nimmt ab, die Vorsicht wird geringer, das Unfallrisiko und die Unfallhäufigkeit nehmen zu.

Trotz einer erfreulichen Entwicklung hinsichtlich der Unfall

folgen in Brandenburg im Jahr 2004 - es gab weniger Verkehrstote - war insgesamt eine Zunahme des Unfallgeschehens zu verzeichnen, denn es gab gleichzeitig 1,4 % mehr Unfälle. Es gibt daher keine Entwarnung in Bezug auf das Unfallgeschehen. Jeder Unfall ist einer zu viel. Alkohol gehört zu einer der drei Hauptunfallursachen im Land Brandenburg.

Die Meldung vom vergangenen Wochenende lautete:

„Es ereigneten sich 447 Unfälle mit drei Toten und 77 Verletzten. Bei vielen Unfällen spielte Alkohol eine Rolle.“

Bedauerlicherweise wiederholen sich solche Meldungen Woche für Woche.

Die PDS-Fraktion will mit ihrem Antrag den Verkehrsminister unterstützen. Er gehört zu denjenigen, die auf deren Konferenz in der letzten Woche dem Antrag Berlins zustimmten, eine 0,0Promille-Regelung im Straßenverkehr einzuführen.

(Vereinzelt Beifall bei der PDS)

Aber nun kommt der Haken: Diese Regelung soll nur für Fahranfänger gelten. Die Einschränkung auf diese Personengruppe ist unseres Erachtens zu wenig. Dies verstieße gegen den Gleichheitsgrundsatz, Herr Minister, und wäre verfassungsrechtlich sehr bedenklich. Die Gleichbehandlung aller ist erforderlich - das liegt auf der Hand -, denn niemand, wirklich niemand, hat das Recht, sich und andere im Straßenverkehr zu gefährden oder gar zu töten; dabei schaue ich alle an.

Damit wir die Dimension des Unfallgeschehens in der Bundesrepublik Deutschland noch einmal richtig erfassen, will ich einen statistischen Wert nennen.

(Unruhe - Glocke des Präsidenten)

Auf den Straßen Deutschlands verunglückt alle 90 Minuten ein Mensch tödlich. Das heißt, seitdem wir heute im Landtag zusammensitzen, seit 10 Uhr, sind rein statistisch schon fünf Menschen im Straßenverkehr tödlich verletzt worden.

Wenn Bundesverkehrsminister Stolpe der Auffassung ist, dass eine 0,0-Promille-Regelung für Fahranfänger jedes Jahr einigen Hundert Menschen das Leben rettete, dann will ich folgende Frage aufwerfen: Wie viel Menschen könnten bei einer generellen 0,0-Promille-Regelung gerettet werden? Nur darum geht es, meine Damen und Herren: alles zu tun, damit das hohe Unfallgeschehen zurückgedrängt werden kann und das unvorstellbare Leid von Betroffenen und Angehörigen sowie die aus dem Unfallgeschehen resultierenden unsäglich hohen volkswirtschaftlichen Folgeschäden vermieden werden können.

Ich will darauf verzichten, Sie mit Zahlen aus der Verkehrsunfallstatistik zu langweilen. Fakt ist aber, dass Alkoholunfälle im Vergleich zu den anderen Verkehrsunfällen von überdurchschnittlicher Schwere sind. Hinzu kommt, dass sich die alkoholbedingten Unfälle vor allem nachts und am Wochenende ereignen, dass sie hauptsächlich von Männern verursacht werden und dass der Anteil an jungen Verkehrsteilnehmern bei diesen Unfällen überproportional hoch ist.

Eine der Hauptursachen für das Fahren unter Alkoholeinfluss ist das fehlende Problembewusstsein, was sich am Unterschät

zen der Wirkung des Alkohols sowie an der Verdrängung und Verharmlosung der Folgen festmachen lässt. Viele Verkehrsteilnehmer unterschätzen einfach die Gefahr auch von geringen Mengen von Alkohol und fühlen sich nach Alkoholkonsum noch fahrtüchtig. Sie versuchen darüber hinaus, sich an die jetzt gültige 0,5-Promille-Grenze langsam heranzutrinken. Die Entscheidung, ob man selber fährt oder nicht, wird dabei auf einen Zeitpunkt verschoben, zu dem die Entscheidungsfähigkeit durch den Konsum von Alkohol bereits erheblich beeinträchtigt ist. - Herr Schippel, an Ihrem Lachen erkenne ich, dass Sie sich erinnern, oder?

(Heiterkeit bei der PDS - Schippel [SPD]: Da bin ich aber nur Roller gefahren!)

Herr Innenminister, ich möchte in diesem Zusammenhang auf Ihren Redebeitrag im Rahmen der Aktuellen Stunde einer Plenarsitzung im Januar zurückkommen. Damals ging es um das Thema der Bekämpfung der Drogenkriminalität in Brandenburg. Heute ist es der Umgang mit Alkohol als eine von der Gesellschaft legalisierte Droge, die die gleichen gesellschaftlichen Folgen wie der Konsum von Drogen mit sich bringt, ohne dass jemand wegen des Besitzes von Alkohol kriminalisiert wird. Mit diesem Hinweis will ich an die genannte Debatte zum Thema Drogenmissbrauch im Rahmen der damaligen Aktuellen Stunde erinnern, in der Alkohol bedauerlicherweise keine Rolle gespielt hat.

In neueren Schätzungen wird davon ausgegangen, dass die Zahl der Menschen in Deutschland mit remittierter Alkoholabhängigkeit bei 3,2 Millionen liegt - eine hohe Zahl. Bei verschiedenen Berechnungen bzw. Schätzungen wird davon ausgegangen, dass der Tod von 42 000 Menschen jährlich direkt oder indirekt mit Alkoholkonsum in Verbindung steht.

Aus all diesen Zahlen ist zu schließen, dass ein Teil der Bevölkerung in Deutschland Alkoholprobleme hat bzw. gehabt hat. Da sich darunter auch viele Autofahrer befinden, handelt es sich bei diesen nicht um trinkende Fahrer, sondern um fahrende Trinker.

(Heiterkeit bei der PDS)

- Der Lacher kam möglicherweise an der falschen Stelle.

(Heiterkeit bei der SPD)

Zweifelsohne ist deshalb unter verkehrssicherheitspolitischen, gesundheitspolitischen und auch volkswirtschaftlichen Aspekten ein absolutes Alkoholverbot die beste Lösung. Nur die 0,0Promille-Grenze kann das Bewusstsein dafür schaffen, dass sich der Alkoholkonsum und das Führen eines Kraftfahrzeugs gegenseitig ausschließen.

(Beifall bei der PDS)

Alles, was wir in diesem Zusammenhang betrachten, zeigt uns noch etwas anderes auf, nämlich die Bedeutung von Prävention. Das heißt: Verkehrs- und Mobilitätserziehung so früh es geht und so lange wie möglich; denn wie sagten Sie völlig zu Recht, Herr Innenminister? Verkehrssicherheit fängt im Kopf an. Also fangen wir damit an in den Kitas, den Vorschulen, den Grundschulen bis hin zu den Oberstufenzentren. Dort nämlich, Herr Schippel, befinden sich unsere jungen Fahranfänger, die überdurchschnittlich viele Unfälle fabrizieren.

(Zuruf des Abgeordneten Schulze [SPD])

- Ich sprach von OSZ, Herr Kollege. Hören Sie also zu!

Ein gemeinschaftliches Handeln von Schule und Polizei zum Beispiel zur Umsetzung der Zielvereinbarungen, zu denen auch die Verkehrserziehung gehört - da steht die Landesverkehrswacht an Ihrer Seite -, gibt es bereits vielerorts zu verzeichnen. Herr Klocksin, am Montag war ich bei dem neuen Polizeipräsidenten in Frankfurt (Oder). Wir haben verabredet, gemeinsame Beratungen von Polizei- und Verkehrswachten durchzuführen. Das Gleiche soll im Bereich des Polizeipräsidiums Potsdam zum Beispiel am 6. Juni geschehen. Diese gemeinsamen Beratungen, die es schon im vergangenen Jahr gegeben hat, haben sich bewährt. Wir werden in diesem Jahr genauso verfahren, um das Thema Prävention, angefangen im Vorschulbereich, in den Schulen bis hin in die Bereiche der Ausbildung, weiterhin gemeinsam zu verfolgen.

Zur Prävention auf der einen Seite gehören die Verkehrskontrollen auf der anderen Seite. Anderenfalls bleibt das Ganze bekanntlich ziemlich wirkungslos. Die Kontrollen im Straßenverkehr zu gewährleisten ist Aufgabe der Polizei. Weder für den Präventionsbereich noch bei den Kollegen der Verkehrspolizei halten wir - das geht insbesondere an die Adresse des Innenministers, aber auch an Sie, liebe Kollegen von CDU und SPD Stellenkürzungen für angemessen, wenn wir gemeinsam dafür plädieren, mehr Verkehrssicherheit im Lande erreichen zu wollen.

Das war mein Appell an Sie. Abschließend möchte ich Ihnen, meine Damen und Herren, noch etwas sagen, damit Sie mich nicht falsch verstehen:

Ich will den Alkohol nicht verteufeln. Ich werde den Teufel tun, den Alkohol zu verteufeln. Ich lade Sie ein, mit mir anzustoßen und darauf zu trinken,